L 16 AS 877/11 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AS 748/11 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 877/11 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
wegen einstweiliger Anordnung
Ein Folge-Verwaltungsakt wird auch dann gemäß § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens, wenn er den angefochtenen Verwaltungsakt während des Vorverfahrens vollständig ersetzt und nicht nur teilweise abändert. Trotz des unterschiedlichen Wortlauts von § 96 SGG ("abändert oder ersetzt") und § 86 SGG ("abgeändert") ist insoweit von identischen Tatbestandsvoraussetzungen auszugehen.
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 25.10.2011 wird dahingehend abgeändert, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beschwerdeführers vom 19.09.2011 gegen den Bescheid vom 14.09.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28.09.2011 angeordnet wird.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 25.10.2011 zurückgewiesen.

III. Der Beschwerdegegner hat dem Beschwerdeführer die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.



Gründe:


I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Beschwerdeführer (Bf.) zustehenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere über das Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft zwischen dem Bf. und der Zeugin I. O ...

Bis zum 31.12.2010 bewohnte der Bf. eine Wohnung in der W-Straße 5 in Sch ... Zum 01.01.2011 mietete er die von ihm bis jetzt bewohnte Wohnung in der B-Straße 11 in A-Stadt an. In dem Mietvertrag vom 01.12.2011 wurde als Mitbewohnerin I. O. angegeben. Auch wurde beim monatlichen Nettoeinkommen der Mieter das Renteneinkommen der Mitbewohnerin in Höhe von ca. 700 EUR angegeben. Die Miete beträgt 370 EUR monatlich inklusive Nebenkosten.

Wegen eines Antrags auf Erstausstattung für die neue Wohnung versuchte ein Außendienstmitarbeiter des Bg. am 11.01.2011, die alte Wohnung in Sch. zu besichtigen. Dabei traf er eine Nachbarin, die aussagte, der Bf. und seine Mitbewohnerin O. seien beim Umziehen. Die Mitbewohnerin sei zwar bei ihrer Mutter in A. gemeldet, wohne und schlafe aber immer beim Bg. Am selben Tag traf der Außendienstmitarbeiter den Bf. in seiner neuen Wohnung in A-Stadt an. Im Schlafzimmer seien auf dem Boden zwei Matratzen und Frauenkleidung gelegen. Der Bf. habe auf die Frage des Ermittlers nach seiner Lebensgefährtin O. gesagt, diese sei im Badezimmer. Sie sei jedoch in A. bei ihrer Mutter gemeldet und dürfe ein Jahr bei ihm zu Besuch sein.

Vom 21.02. bis zum 15.03.2011 war der Bf. in der Justizvollzugsanstalt A. in Haft.

Am 12.04.2011 läutete ein Außendienstmitarbeiter an der Wohnung des Bf. im A-Stadt. Der Bf. erkannte ihn und wies ihn sofort zurück mit dem Hinweis, er werde ihn nicht mehr in die Wohnung lassen, nachdem er ihm "das mit seiner Freundin" unterstellt habe.

Mit Bescheid vom 21.04.2011 bewilligte der Bf. dem Bg. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.10.2011 in Höhe von 719 EUR monatlich.

Mit Bescheid vom 14.09.2011 hob der Bg. diesen Bewilligungsbescheid für die Zeit ab dem 01.10.2011 vollständig auf. Zur Begründung führte der Bg. auf, die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich geändert. Es sei davon auszugehen, dass eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft mit I. O. vorliege und dass diese über ausreichendes Einkommen und Vermögen verfüge. Deshalb sei der Bescheid gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. am 19.09.2011 zur Niederschrift beim Sozialgericht Regensburg (SG) Widerspruch.

Gleichzeitig hat der Bf. am 19.09.2011 beim SG Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.

Die fragliche Mitbewohnerin I. O. ist sowohl bei ihren Eltern in der V-Straße. 6 in A. als auch unter der Adresse M-Straße 48 in A. gemeldet. Sie bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die zum 01.07.2011 von monatlich 732,67 EUR auf 739,95 EUR erhöht wurde. Der Bf. hat mit Schreiben vom 24.03.2011 angegeben, O. sei während seiner Haft zu ihren Eltern gezogen, um ihre Mutter bei der Betreuung ihres schwer pflegebedürftigen Vaters zu unterstützen. Deshalb hätte er eigentlich eine Wohnung in A. finden wollen. Sollte er noch eine Wohnung in A. finden, würde er dort zusammen mit O. einziehen. Aber bis dahin wohne O. in A. und er selbst in A-Stadt. Weiter behauptet der Bf., O. müsse einen Teil ihrer Rente an ihre Mutter für Kost und Logis abgeben; diesen Anteil hat er zunächst mit Schreiben vom 10.02.2011 auf 350 EUR, später auf 250 EUR beziffert und hierüber eine Bestätigung der Mutter vom 04.10.2011 vorgelegt.

Mit Schreiben ihres Betreuers, Rechtsanwalt Sch., vom 02.08.2011 forderte O. den Mitbewohner im Anwesen B-Straße 11 in A-Stadt, O. B., auf, künftig nicht mehr zur Schlafenszeit in seiner Wohnung zu rauchen, weil sie unter einer besonderen Rauchempfindlichkeit leide.

Mit Bescheid vom 28.09.2011 hat der Bg. seinen Bescheid vom 14.09.2011 aufgehoben. Im gleichen Bescheid hat er dem Bf. und O. für den Monat Oktober 2011 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 356 EUR (aufgeteilt zu 178 EUR pro Person) vorläufig bewilligt. Der Berechnung habe er eine Rente von O. in Höhe von 700 EUR zugrunde gelegt. Laut Berechnungsbogen hat der Bg. außerdem zweimal die Versicherungspauschale von 30 EUR in Abzug gebracht. Als Rechtsbehelfsbelehrung hat der Bescheid den Hinweis enthalten, dieser Bescheid sei gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.

Am 11.10.2011 hat ein Außendienstmitarbeiter des Bg. die Mutter von I. O., G. O., in ihrer Wohnung in der V-Straße. 6 in A. aufgesucht. Auf die Frage nach dem Bf. und ihrer Tochter erklärte sie, diese lebten in A-Stadt. Ihre Tochter komme zwar öfter her und sei auch bei ihr gemeldet. Sie übernachte auch ab und zu bei ihr, nachdem vor vier Wochen erst ihr Mann gestorben sei. Dem Ermittler wurde das Sterbezimmer des verstorbenen Mannes gezeigt, wo das Sterbebett bereits entfernt worden war und mitten im Zimmer eine Matratze mit Bettzeug lag, auf dem die Mutter seither schlafe. Nachdem die Mutter dem Ermittler die ganze Wohnung gezeigt hatte und kein Bettgestell in der ganzen Wohnung festgestellt werden konnte, fragte der Ermittler, wo ihre Tochter schlafe, wenn sie zu Besuch sei. Darauf zeigte ihm die Mutter eine weitere Matratze, die im Wohnzimmer an die Wand gelehnt war und die ihre Tochter als Schlafgelegenheit nutze. Ein eigenes Zimmer habe ihre Tochter in der Wohnung nicht, dürfe aber bei ihren Aufenthalten die ganze Wohnung benutzen.

Am 18.10.2011 ist dem Außendienstmitarbeiter des Bg. vom Bf. der Einlass in dessen Wohnung erneut verweigert worden. Auf die Frage nach seiner Freundin O. hat dieser geantwortet, es sei doch bekannt, dass diese in A. wohne. Im Anschluss daran hat der Außendienstmitarbeiter die zweite Meldeadresse von O. in der M-Straße 48 in A-Stadt aufgesucht. Der dortige Hausbesitzer H. hat erklärt, dass in seinem Haus definitiv keine Frau mit Namen O. wohne.

Der Betreuer von I. O., Rechtsanwalt Sch., hat auf telefonische Anfrage vom 20.10.2011 gegenüber dem Bg. angegeben, dass seine Betreute zwar in der V-Straße. 6 in A. gemeldet sei, sich aber hauptsächlich bei ihrem Freund, dem Bf., in dessen Wohnung in A-Stadt aufhalte. Mit der Angabe "c/o A." sei seine Post in A-Stadt immer angekommen. Er schicke seine Post teilweise nach A. und teilweise nach A-Stadt.

Am 21.10.2011 hat das SG einen Erörterungstermin abgehalten und dabei die Mitbewohner im Anwesen B-Straße 11 in A-Stadt, O. und M. B., als Zeugen befragt. Der 76 Jahre alte Zeuge O. B. hat dabei erklärt, I. O. selten begegnet zu sein und zu ihr kaum Kontakt zu haben. Die 54-jährige Zeugin M. B. hat angegeben, von O. oft beschimpft worden zu sein; sogar nachts habe sie bei ihnen geklingelt und sie beschimpft. Sie habe O. zusammen mit dem Bf. oft kommen und gehen sehen und habe den Eindruck, dass sie im Januar gemeinsam mit dem Bf. eingezogen sei. Der Versuch, G. O. als Zeugin zu laden, ist gescheitert, weil diese ein ärztliches Attest vorgelegt hat, wonach sie seit dem Tod ihres Ehemannes am 11.09.2011 an einer Depression leide und deshalb bis auf Weiteres nicht reise- und verhandlungsfähig sei. Die Zeugin I. O. ist trotz Ladung zu dem Termin nicht erschienen.

Der Bf. hat in erster Instanz beim SG beantragt, dem Bg. im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs zu beachten und die laufenden Leistungen ab 01.10.2011 weiterzuzahlen.

Mit Beschluss vom 25.10.2011 (Az. S 4 AS 748/11 ER) hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Soweit der Bf. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 19.09.2011 gegen den Aufhebungsbescheid vom 14.09.2011 begehre, sei der Antrag unzulässig, weil der Bg. seinen Aufhebungsbescheid vom 14.09.2011 mit dem nachfolgenden Bescheid vom 28.09.2011 in vollem Umfang aufgehoben habe und sich damit der Widerspruch vom 19.09.2011 erledigt habe. Etwas anderes ergebe sich nicht daraus, dass der Bescheid vom 28.09.2011 im Ergebnis dem Begehren des Bf. - der Wiederherstellung der Regelung aus dem Bescheid vom 21.04.2011 - nicht in vollem Umfang entspreche. Der Bg. habe zunächst den Bescheid vom 14.09.2011 vollständig aufgehoben und anschließend eine neue Regelung getroffen. Diese Schritte ließen sich trotz der Verbindung in einem Bescheid unterscheiden. Damit habe sich das ursprüngliche Widerspruchsverfahren erledigt; bezüglich der Höhe der Bewilligung in dem Bescheid vom 28.09.2011 müsse erneut Widerspruch eingelegt werden, das Gericht könne die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nicht vor dessen Einlegung anordnen. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bg., der Bescheid vom 28.09.2011 werde nach § 86 SGG zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens, sei unzutreffend. Der Bescheid vom 28.09.2011 ändere nämlich den Bescheid vom 14.09.2011 nicht ab, sondern ersetze ihn. Im Gegensatz zu § 96 SGG erfasse § 86 SGG derartige Fälle nicht.

Soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für den Zeitraum ab dem 01.11.2011 gerichtet war, hat das SG ihn für zulässig, aber nicht begründet gehalten. Das SG hat hierzu ausgeführt, es habe abschließend überprüfen können, dass der geltend gemachte Anspruch nicht bestehe. Es sei davon überzeugt, dass der Bf. und O. zusammen wohnten und füreinander einstehen wollten.

Gegen den Beschluss des SG vom 15.10.2011, der dem Bf. am 27.10.2011 zugestellt worden ist, hat dieser am 03.11.2011 Beschwerde eingelegt.

Mit Bescheid vom 15.11.2011 hat der Bg. dem Bf. und I. O. für die Zeit vom 01.11.2011 bis zum 30.04.2012 monatlich 316,05 EUR bewilligt, davon 158,03 EUR für den Bf. und 158,02 EUR für O ...

Der Bf. beantragt sinngemäß,
den Beschluss des SG vom 25.10.2011 aufzuheben und

1. die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 19.09.2011 gegen den Bescheid vom 14.09.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28.09.2011 anzuordnen und

2. den Bg. im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Bf. Arbeitslosengeld II in Höhe von 734 EUR monatlich ab 01.11.2011 zu bezahlen.

Der Bg. beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 172, 173 SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt die Beschwerdesumme von 750 EUR (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 Hs. 1 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

1. Die Beschwerde ist begründet, soweit der Bf. beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 19.09.2011 gegen den Bescheid vom 14.09.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28.09.2011 anzuordnen.

Der diesbezügliche Antrag ist im Gegensatz zur Auffassung des SG zulässig. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Grundsätzlich haben Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung. Abweichend davon haben jedoch gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt oder widerruft. Der Bescheid vom 14.09.2011, gegen den sich der Widerspruch des Bf. vom 19.09.2011 richtet, hebt den Bewilligungsbescheid vom 21.04.2011 für den Monat Oktober 2011 auf, so dass der dagegen gerichtete Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat.

Der Widerspruch vom 19.09.2011 hat auch nicht dadurch seine Erledigung gefunden, dass der Bg. mit Bescheid vom 28.09.2011 den angefochtenen Aufhebungsbescheid vom 14.09.2011 aufgehoben hat. Denn im selben Bescheid vom 28.09.2011 wurden Leistungen für den Monat Oktober 2011 in wesentlich geringerer Höhe als im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 21.04.2011 bewilligt, nämlich in Höhe von nur noch 178 EUR für den Bf. statt ursprünglich 719 EUR, zudem wurde der Bescheid für vorläufig erklärt. Wenn der Bg. tatsächlich - wie das SG meint - in ein und demselben Bescheid zunächst in einem ersten Schritt den Aufhebungsbescheid vom 14.09.2011 vollständig hätte aufheben wollen, hätte es in einem zweiten Schritt für den Monat Oktober 2011 Leistungen in geringerer Höhe nicht bewilligen dürfen, ohne gleichzeitig den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 21.04.2011 insoweit aufzuheben oder zurückzunehmen. Der Bg. erwähnt den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 21.04.2011 jedoch nicht einmal. Dieser Umstand in Verbindung mit der Rechtsbehelfsbelehrung sowie der Zusammenfassung in einem einheitlichen Bescheid spricht dafür, dass der Bg. in seinem Bescheid vom 28.09.2011 nicht zwei gedanklich voneinander zu trennende Verwaltungsakte wollte, sondern dass er den Aufhebungsbescheid vom 14.09.2011 nur insoweit aufheben wollte, als die vollständige Aufhebung auf eine teilweise Aufhebung reduziert werden sollte. Darin lag keine vollständige, sondern nur teilweise Abhilfe des Widerspruchs vom 19.09.2011. Der angefochtene Aufhebungsbescheid vom 14.09.2011 hatte in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28.09.2011 den Inhalt, dass der Bewilligungsbescheid vom 21.04.2011 für den Monat Oktober 2011 insoweit aufgehoben wurde, als dem Bf. höhere Leistungen als 178 EUR bewilligt worden waren, sowie insoweit als diese Leistungen endgültig und nicht nur vorläufig bewilligt worden waren.

Anlass, den Bescheid vom 28.09.2011 dahingehend auszulegen, dass der Aufhebungsbescheid vom 14.09.2011 vollständig ersetzt werden sollte und die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 21.04.2011 in geringerem Umfang von Grunde auf neu erfolgen sollte, hätte nur dann bestanden, wenn mit dem Bescheid vom 28.09.2011 erkennbar grundsätzliche Mängel des Aufhebungsbescheides vom 14.09.2011 hätten geheilt werden sollen, etwa die Auswechselung der Rechtsgrundlage oder die Nachholung einer noch fehlenden Ermessensausübung. Derartige Anhaltspunkte sind im vorliegenden Fall aber gerade nicht gegeben, weil der Bg. im Bescheid vom 28.09.2011 eine Änderung des Bescheides vom 21.04.2011 nicht einmal anspricht. Abgesehen von solchen Sonderfällen dürfte es bei der Ersetzung eines aufhebenden Verwaltungsaktes durch einen weniger weit gehenden aufhebenden Verwaltungsakt eher den Interessen der Behörde entsprechen, von einer bloßen Reduzierung der Gesamtbelastung auszugehen anstatt von einer Gesamtaufhebung und geringeren Neubelastung, weil bei Neuerlass eines belastenden Verwaltungsaktes auch die Fristen des § 45 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 2 sowie des § 48 Abs. 4 SGB X und die Voraussetzungen einer evtl. Rücknahme für die Vergangenheit nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X zu beachten wären und tendenziell eher nicht erfüllt sein dürften als noch bei Erlass des ersten Aufhebungsbescheides.

Im Übrigen kann sich der Senat der Auffassung des SG nicht anschließen, wonach § 86 SGG im Gegensatz zu § 96 SGG nur solche Fälle erfasse, in denen ein Folge-Verwaltungsakt den angefochtenen Verwaltungsakt abändere, nicht aber solche, in denen der angefochtene Verwaltungsakt ersetzt werde. Diese Auffassung widerspricht der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, die bei § 86 SGG und § 96 SGG von identischen Tatbestandsmerkmalen ausgeht und teilweise auch bei § 86 SGG explizit feststellt, dass sowohl das Abändern als auch das Ersetzen unter diese Vorschrift fällt (Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 86 Rdnr. 3; Breitkreuz/ Fichte, SGG, 1. Aufl., 2009, § 86 Rdnr. 3 und BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az. B 8 AY 12/07 Rdnr. 11). Binder (in: Lüdtke, SGG, 3. A. 2008, § 86 Rdnr. 2) stellt zwar zunächst fest, dass § 86 SGG im Gegensatz zu § 96 SGG nach seinem Wortlaut nur für ersetzende, nicht aber für abändernde Bescheide gelte, sieht aber dadurch nur Fälle der vollständigen Abhilfe vom Geltungsbereich des § 86 SGG ausgenommen - was trivial ist, weil sich in solchen Fällen der Rechtsstreit erledigt -, während er mit Rücksicht auf seine Funktion den § 86 SGG für anwendbar erhält, wenn - wie im vorliegenden Fall - die ursprüngliche Regelung durch eine gleichwertige ersetzt wird. Nach Ansicht des Senats ist vom Sinn und Zweck der Vorschrift her, eine umfassende Erledigung des Streitstoffes in ein und demselben Widerspruchsverfahren unter Einbeziehung aller Folgebescheide zu erreichen, eine Differenzierung danach, ob der Folgebescheid den angefochtenen Bescheid nur abändert oder ersetzt, nicht angezeigt. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass es sonst die Behörde in der Hand hätte, je nach Wahl ihrer Bescheidstechnik darüber zu entscheiden, ob die von ihr getroffene Neuregelung im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens zu behandeln ist oder die Einlegung eines neuen Widerspruchs erfordert, obwohl von der Verfahrens- oder Prozessökonomie her kein Grund ersichtlich ist, beide Gestaltungsmöglichkeiten im Widerspruchsverfahren unterschiedlich zu behandeln. Ebensowenig ist ersichtlich, warum der Gesetzgeber insoweit im Widerspruchsverfahren nach § 86 SGG eine restriktivere Regelung hätte schaffen wollen als im Klageverfahren nach § 96 SGG. Auch vom Wortlaut her spricht nichts dagegen, den § 86 SGG auch auf Fälle des Ersetzens zu erstrecken, weil sich das Ersetzen als die radikalste Form des Abänderns verstehen lässt. Somit bleibt festzuhalten, dass ein Folge-Verwaltungsakt auch dann gemäß § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens wird, wenn er den angefochtenen Verwaltungsakt während des Vorverfahrens vollständig ersetzt und nicht nur teilweise abändert. Trotz des unterschiedlichen Wortlauts von § 96 SGG ("abändert oder ersetzt") und § 86 SGG ("abgeändert") ist insoweit von identischen Tatbestandsvoraussetzungen auszugehen.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 19.09.2011 gegen den Bescheid vom 14.09.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28.09.2011 anzuordnen, ist auch begründet, weil gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ernsthafte Bedenken bestehen. Auf die vom Bg. angegebene Rechtsgrundlage des § 48 SGB X können die Bescheide nicht gestützt werden. Es ist nicht ersichtlich, dass seit Erlass des aufgehobenen Bewilligungsbescheides vom 21.04.2011 eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten wäre. Weder an der Beziehung des Bf. zu der Zeugin O. noch an deren Einkommen hat sich (bis auf eine marginale Rentenerhöhung zum 01.07.2011) seit dem 21.04.2011 etwas geändert. Vielmehr bestand die Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft - wenn überhaupt - jedenfalls bereits seit Jahresbeginn, wenn nicht schon länger. Die Aufhebung könnte allenfalls als Rücknahme auf § 45 SGB X gestützt werden. Da der Bg. in Verkennung der zutreffenden Rechtsgrundlage das nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X eröffnete Ermessen nicht ausgeübt hat, hängt die Rechtmäßigkeit der Rücknahme davon ab, ob die Voraussetzungen einer Rücknahme als gebundene Entscheidung nach § 40 Abs. 3 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i. V. m. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorlagen. Die grob fahrlässige Unkenntnis des Bf. von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X wird dabei schwerlich zu bejahen sein, da der Bf. wusste, dass dem Bg. die Problematik seiner Beziehung zur Zeugin O. bekannt war und er deshalb wohl davon ausgehen konnte, dass der Bg. die Beziehung letztlich als rechtlich irrelevant einstufte, als er ihm Leistungen ohne Berücksichtigung der Bedarfsgemeinschaft bewilligte. Ob der Bewilligungsbescheid vom 21.04.2011 auf Angaben beruhte, die der Bf. im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hatte, ist vor diesem Hintergrund ebenfalls zweifelhaft.

2. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit der Bf. beantragt, den Bg. im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Bf. Arbeitslosengeld II in Höhe von 734 EUR monatlich ab 01.11.2011 zu bezahlen.

Der diesbezügliche Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist - jedenfalls solange die Widerspruchsfrist gegen den Bescheid vom 15.11.2011 noch nicht abgelaufen ist - zulässig. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (sog. Regelungsanordnung) ist nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile umschreibt den sogenannten Anordnungsgrund (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass sowohl das zu sichernde Recht, der sogenannte Anordnungsanspruch, als auch der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind (86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO) oder nach Durchführung der von Amts wegen im Eilverfahren möglichen und gebotenen Ermittlungen glaubhaft erscheinen.

Glaubhaftigkeit bedeutet, dass für das Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ein geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit erforderlich ist als die volle richterliche Überzeugung. Welcher Grad von Wahrscheinlichkeit insoweit genügt, ist bei unklaren Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach einer umfassenden Abwägung der Interessen aller Beteiligten und der öffentlichen Interessen zu bestimmen: Abzuwägen sind die Folgen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellen würde, dass der Anspruch besteht, gegen die Folgen, die auf der anderen Seite entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellen würde, dass der Anspruch nicht besteht (Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008 § 86b Rdnr. 29a).

Sofern dabei auf Seiten des Anordnungsgrundes das Existenzminimum eines Menschen bedroht ist, genügt für die Glaubhaftigkeit des Anordnungsanspruchs ein geringer Grad an Wahrscheinlichkeit, nämlich die nicht auszuschließende Möglichkeit seines Bestehens. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit entschieden, dass in Fällen, in denen es um Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht, eine Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund fehlender Erfolgsaussichten der Hauptsache nur dann zulässig ist, wenn das Gericht die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend geprüft hat (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 Az. 1 BvR 569/05 = NJW 2005, 2982 und Beschluss vom 06.02.2007 Az. 1 BvR 3101/06, unveröffentlicht). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wobei die Gerichte eine Verletzung der Grundrechte des Einzelnen, insbesondere der Menschenwürde, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, zu verhindern haben.

Auch unter Berücksichtigung dieser strengen verfassungsrechtlichen Vorgaben erscheint ein Anordnungsanspruch im vorliegenden Fall nicht glaubhaft. Streitig ist im vorliegenden Fall lediglich das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft in der Form der Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II zwischen dem Bf. und der Zeugin O ... Von dieser Frage hängt ab, ob das der Höhe nach unstrittige Renteneinkommen der Zeugin nach § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 3 SGB II als Einkommen des Bf. anteilig zu berücksichtigen und auch die Kosten der Unterkunft hälftig aufzuteilen sind.

Zur Bedarfsgemeinschaft gehört gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.

Diese Voraussetzungen sind im Verhältnis des Bf. zur Zeugin O. mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit zu bejahen. Vor dem Hintergrund, dass der Bg. den Sachverhalt mit besonderer Sorgfalt ausermittelt und das SG in der ersten Instanz alle Beweismöglichkeiten ausgeschöpft hat, die zur Verfügung standen, können im vorliegenden Fall vorläufige Leistungen abgelehnt werden, obwohl sie das Existenzminimum des Bf. betreffen.

Dass die Zeugin O. mit dem Bf. in dessen Wohnung in A-Stadt zusammenlebt und dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, ergibt sich aus den Beobachtungen beim Außendienstbesuch am 11.01.2011, aus den Aussagen der Zeugin M. B. im Erörterungstermin am 21.10.2011, ihres Betreuers, des Rechtsanwalts Sch., auf telefonische Anfrage vom 20.10.2011 und ihrer Mutter anlässlich des Außendienstbesuchs am 11.10.2011 sowie aus der Tatsache, dass der Bf. selbst die Zeugin O. als Mitbewohnerin im Mietvertrag angemeldet hat. Das entscheidende Gewicht kommt dabei dem Außendienstbesuch vom 11.10.2011 in der Wohnung ihrer Mutter zu, bei der sich eindeutig durch die Aussage der Mutter sowie die Tatsache, dass die Tochter dort nicht einmal über ein Bett verfügt, sondern nur auf einer sonst an die Wand gelehnte Matratze gelegentlich übernachtet, ergab, dass die Zeugin ganz überwiegend ihr Leben mit dem Bf. in dessen Wohnung und als dessen Partnerin verbringt. Weitere Ermittlungen in Richtung der Mutter der Zeugin O. sind nicht angezeigt, weil sich diese einem Ladungsversuch des SG unter Vorlegung eines ärztlichen Attests entzogen hat und im Übrigen die Richtigkeit ihrer Aussage gegenüber dem Außendienstmitarbeiter nicht im Streit steht. Bestätigt wird das ständige Zusammenleben auch durch die Tatsache, dass die Zeugin O. am 02.08.2011 ihren Nachbarn B. anwaltlich aufforderte, das nächtliche Rauchen in seiner Wohnung zu unterlassen, weil sie sich dadurch belästigt fühle; eine solche Verhaltensweise ist nur bei einem ständigen Aufenthalt in der Wohnung des Bf. zu erklären.

Wenn zwei Partner in einer Wohnung zusammenleben, ist in der Regel auch von einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne eines gemeinsamen Wirtschaftens auszugehen. Dass der Sachverhalt über die Art und Weise des Zusammenlebens nicht restlos aufklärbar war, geht zu Lasten des Bf., da dieser zweimal - am 12.04.2011 und am 18.10.2011 - einem Außendienstmitarbeiter des Bg. den Zutritt zu seiner Wohnung ohne ausreichenden Grund verweigert hat, obwohl er wusste, dass es um die Klärung seines Zusammenlebens mit der Zeugin O. ging und der Bg. insoweit begründeten Anlass zu Nachforschungen hatte.

Der Verantwortungs- und Einstehenswille wird gemäß § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II vermutet, denn nach dem Stand der sehr weitgehenden Ermittlungen ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass der Bf. und die Zeugin O. bereits länger als ein Jahr zusammenleben. Nach der im Außendienstbericht vom 11.01.2011 dokumentierten Aussage einer Nachbarin der vom Bf. bis zum 31.12.2010 bewohnten Wohnung hatte die Zeugin O. bereits damals mit ihm zusammengelebt, und die beiden zogen gemeinsam um. Auch wenn die Nachbarin nicht explizit nach der Dauer des Zusammenlebens befragt wurde, ist doch ohne Weiteres davon auszugehen, dass das Zusammenleben jedenfalls schon seit November 2010 beobachtet werden musste, weil über kürzere Zeiträume entsprechende Feststellungen nicht zu erwarten gewesen wären. Die Aussage der Nachbarin ist auch glaubhaft, weil sie sich hinsichtlich des gemeinsamen Umzugs in vollem Umfang mit den Beobachtungen des Außendienstmitarbeiters am 11.01.2011 in der neuen Wohnung des Bf. deckt, wo die Zeugin O. eine Matratze im gemeinsamen Schlafzimmer mit dem Bf. hatte. Der Bf. selbst hat mit Schreiben vom 24.03.2011 eingeräumt, bis zu seiner Inhaftierung am 21.02.2011 mit O. zusammengelebt zu haben und mit ihr wieder zusammenziehen zu wollen, sobald sie eine gemeinsame Wohnung in A. finden würden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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