L 11 R 2088/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3726/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2088/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.04.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am 13.09.1961 geborene Klägerin absolvierte keine Berufsausbildung und war mit Unterbrechung von 1978 bis September 2003 als Haushaltshilfe, Arbeiterin, Aushilfe und Hausmeisterin berufstätig; seitdem war sie nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt bezog die Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Am 28.02.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab sie an, seit 01.12.2004 keiner Beschäftigung mehr nachgehen zu können. Sie leide an einer Schilddrüsenfunktionsstörung und habe sich wegen Stressharninkontinenz II-Descensus uteri und einer Fettschürzenentfernung einer Operation unterziehen müssen, die einen komplikationsbehafteten Verlauf im Rahmen der Wundheilung genommen habe. Es seien entstellende Narben und bewegungsbeeinträchtigende Verwachsungen im Bauch- und Rückenbereich zurückgeblieben. Ferner bestehe eine psychische Belastungsstörung. Die aus der Operation folgenden Beeinträchtigungen beruhten auf einem "ärztlichen Kunstfehler". Auf Anforderung der Beklagten legte die Klägerin ein Gutachten des Leiters der plastisch-ästhetischen Chirurgie des Universitätsklinikums W. Dr S. vom 16.10.2009 bei, das dieser im Rahmen des von der Klägerin geführten Schadenersatzprozesses vor dem Landgericht E. erstattet hatte. Darin führte er aus, quer über den Unterbauch zeige sich eine Narbe in typischer Region, die an mehreren Stellen breit und eingezogen, insgesamt nicht gerötet oder vorgewulstet sei. Die narbigen Ausziehungen sowie Einziehungen seien typische Folgen einer sekundären Wundheilung von Hautnähten bei Wundheilungsstörung. In der Bauchdecke fänden sich keine Bruchpforten. Es bestehe keine gestörte Harn- und Stuhlfunktion. Die Narbe sei teilweise gefühllos, auch größere Areale bis etwa 10 cm oberhalb der Narbe am Unterbauch seien nicht sensibel. Die Klägerin klage bei Berührung sowie beim Heben schwerer Lasten über Schmerzen. Ferner legte die Klägerin ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 13.09.2007 vor. Darin führte der Facharzt für Gynäkologie und Sozialmediziner Dr S.-G. aus, bei der Klägerin habe sich nach Durchführung der plastisch-chirurgischen Operation ein typisches Operationsrisiko (Wundheilungsstörungen mit unbefriedigendem kosmetischem Ergebnis, Narbenschmerzen und die Notwendigkeit zur Durchführung einer operativen Nachbehandlung/Korrektur) verwirklicht. Hinweise im Sinne einer fehlerhaften operativen Vorgehensweise im Dezember 2004 hätten sich nicht ergeben. Neben einem ärztlichen Befundbericht der Allgemeinmedizinerin S. (Auskunft vom 17.02.2006), die der Klägerin eine akute und ausgeprägte Depression attestierte, zog die Beklagte eine gutachterliche Äußerung der Chirurgin und Sozialmedizinerin Dr B.-K. von der Agentur für Arbeit K. vom 25.03.2010 bei. Diese legte dar, die Klägerin leide an einer Struma nodosa vom Typ Basedow (unter Medikation Euthyreose) sowie einem Verwachsungsbauch nach Fettschürzenresektion 2004 mit nachfolgender Wundheilungsstörung und unbefriedigendem postoperativem Ergebnis. Hieraus resultiere auch eine schmerzhafte Knotenbildung im Unterhautfettgewebe des Narbengebietes. Letztlich sei die Klägerin lediglich in der Lage, leichte Tätigkeiten vollschichtig auszuüben. Hierbei sollte ihr die Möglichkeit eingeräumt werden, die Arbeitshaltung frei wechseln zu können zwischen gehender, stehender und sitzender Körperhaltung. Das Bücken, Knien und Hocken könne ihr nicht zugemutet werden. Auch sei ihr das Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel nicht mehr möglich. Aus den vorliegenden Unterlagen lasse sich demgegenüber eine zeitliche Minderung der Leistungsfähigkeit nicht ableiten.

Anschließend nahm der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten am 08.04.2010 zum Rentenantrag der Klägerin Stellung. Dr S. stellte bei der Klägerin eine als schmerzhaft angegebene, teils eingezogene Unterbauchnarbe ohne Hinweis auf Narbenbruch und ohne Reizzustand, eine medikamentös eingestellte Schilddrüsenüberfunktion bei Morbus Basedow sowie eine durch Gebärmutterentfernung behandelte Harninkontinenz ohne Rezidiv fest. Unter Berücksichtigung des Berichts des behandelnden Internisten Dr G. (vom 15.03.2010) sowie den vorgenannten medizinischen Unterlagen könne kein eingeschränktes Leistungsbild abgeleitet werden. Die Schilddrüsenüberfunktion bei Morbus Basedow sei medikamentös so weit behandelt, dass die Funktion jetzt "euthyreot" eingestellt sei, sodass keine Überfunktion mehr bestehe. Insgesamt beschreibe Dr G. die Klägerin als internistischerseits in gutem Gesundheitszustand. Auch aus dem Gutachten des Universitätsklinikums W. ergebe sich keine weitere Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes der Klägerin, aus dem eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens abgeleitet werden könne. Als einziges bestehe eine ästhetisch nicht zufriedenstellende Narbe im Unterbauch, die für sich genommen das Leistungsvermögen nicht einschränke. Auch lasse sich keine krankhafte psychische Beeinträchtigung sichern. Mit Bescheid vom 13.04.2010 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag der Klägerin ab.

Hiergegen erhob die Klägerin unter Vorlage von Fotos ihrer Narbe am Unterbauch am 28.04.2010 mit der Begründung Widerspruch, die Beklagte habe die bei ihr vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht in ausreichendem Umfang gewürdigt. Vor allem sei sie nicht auf ihre Erkrankungen im psychiatrischen Bereich eingegangen. Infolge der fehlerhaft durchgeführten Operation sei ihre Psyche stark beeinträchtigt. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass sie bislang von der Agentur für Arbeit kein Arbeitsangebot erhalten habe. Selbst den ihr vermittelten Minijob, bei dem sie 1,00 EUR pro Stunde erziele, könne sie nur bedingt ausüben. Anschließend nahm der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten zum Vortrag der Klägerin nochmals Stellung. Dr S. führte am 28.05.2010 aus, dass auch das von der Klägerin vorgelegte Foto der Bauchnarbe nichts daran ändere, dass die Ästhetik des Bauches kein relevantes Parameter für das Leistungsvermögen unter üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2010 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat am 06.09.2010 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Unter Wiederholung ihres Vorbringens im Widerspruchsverfahren hat die Klägerin dargelegt, die Beklagte verkenne die aus ihren Gesundheitsstörungen resultierenden Leistungseinschränkungen. Insbesondere seien die Ergebnisse des Gutachtens des Universitätsklinikums W. unzutreffend. Noch immer seien ihre auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Beeinträchtigungen nicht berücksichtigt worden. Daraufhin hat das SG den die Klägerin behandelnden Internisten Dr G. als sachverständigen Zeugen schriftlich gehört. In seiner Auskunft vom 15.11.2010 hat er ausgeführt, bei der Klägerin sei im März 2010 eine Check-Up-Untersuchung durchgeführt worden, ohne dass ein aktuelles Beschwerdebild vorgelegen habe. Allerdings habe die Klägerin über die bekannten Beschwerden nach stattgehabter Fettschürzenreduktion berichtet. Im Oktober habe sich ein akuter Harnwegsinfekt gefunden, der antibiotisch erfolgreich behandelt worden sei. Des Weiteren habe eine Kontrolluntersuchung der Schilddrüse bei bestehender Hyperthyreose stattgefunden, die thyreostatisch euthyreot eingestellt sei. Im Hinblick auf die internistischen Diagnosen habe sich keine Änderung ergeben; die Klägerin beklage allerdings immer wieder ihre Bauchprobleme. Aus seiner Sicht sei sie nach den von ihm erhobenen Befunden in der Lage, einer körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Die Schmerzproblematik habe jedoch zu einer psychischen Veränderung geführt, die einer Begutachtung unterzogen werden solle.

Das SG veranlasste daraufhin die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Neurologen und Psychiater Dr W ... In seinem Gutachten vom 25.01.2011 hat dieser eine chronifizierte depressive Symptomatik, gegenwärtig mittelgradige Episode, sowie Anpassungsstörungen diagnostiziert. Der klinisch-neurologische Befund sei bis auf leichte Gefühlsstörungen im Narbenbereich im Bereich der quer verlaufenden Unterbauchnarbe unauffällig. Hieraus resultierend könne die Klägerin mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten mit überwiegendem Stehen und Gehen sowie Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltung nicht mehr ausüben. Arbeiten, die häufiges Bücken, Treppensteigen sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten verlangten, seien ebenfalls zu vermeiden. Nicht zumutbar seien ferner Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeitsbedingungen sowie Arbeiten mit überwiegendem Publikumsverkehr und erhöhter Verantwortung (zB durch Leitungsfunktion). Unter Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen könne die Klägerin jedoch sechs Stunden und mehr täglich einer Beschäftigung nachgehen. Eine quantitative Leistungseinschätzung sei von seinem Fachgebiet aus nicht zu rechtfertigen, zumal die Klägerin trotz nachvollziehbarer psychischer Belastung durch die ästhetisch unbefriedigende Narbensituation im Bauchbereich nicht in psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung sei. Mit einer Besserung der Beschwerden könne gerechnet werden, sofern sich die Klägerin der ihr dringend empfohlenen ambulanten Verhaltenstherapie zuwende.

Mit Urteil vom 20.04.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Schwerpunkt der Erkrankung der Klägerin liege auf internistischem und nervenärztlichem Fachgebiet. Insoweit hätten Dr W., Dr G. sowie Dr S. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten festgestellt, die Klägerin sei unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich auszuüben.

Gegen das der Klägerin am 03.05.2011 per Postzustellungsurkunde zugestellte Urteil hat diese am 20.05.2011 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass ihr bislang von der Agentur für Arbeit kein Arbeitsangebot unterbreitet worden sei. Ihr gegenüber sei die Empfehlung ausgesprochen worden, einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen. Es bestehe keine Möglichkeit für sie, sich in den allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern. Letztlich spiegelten die vorgelegten Arztberichte nicht wider, welches Leid sie ertragen müsse. Eine wie im Gutachten von Dr W. dargestellte Tätigkeit könne sie nicht ausüben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.04.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.02.2010 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Mit Schreiben vom 26.08.2011 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Da der Senat die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1, 144 Abs 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.08.2010 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt. Sie hat aber weder ab dem 01.02.2010 noch ab einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, auch nicht wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da sie noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzen-anpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach Abs 2 Satz 1 dieser Vorschrift Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01.01.2008 geändert durch Art 1 Nr 61 des RV-Altergrenzenanpassungsgesetzes vom 20.04.2007, BGBl I, 554) auch Versicherte, die vor dem 02. 01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin, wie das SG zutreffend entschieden hat, unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil sie noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den sie verweisbar ist, unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des sorgfältig begründeten erstinstanzlichen Urteils Bezug, dem er sich in vollem Umfang anschließt; insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs 2 SGG ab.

Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren ist ergänzend auszuführen, dass weitere medizinische Ermittlungen von Amts wegen mangels Aufklärungsbedarf nicht erforderlich waren. Das Gutachten von Dr W. sowie die Auskünfte des sachverständigen Zeugen Dr G. haben auch für den Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Die Klägerin leidet im Wesentlichen an internistischen und neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen. Dies ergibt sich für den Senat aus dem Befundbericht für den Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit von Dr G. vom 15.03.2010, der im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden kann, der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr G. vom 15.11.2010 sowie dem neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten von Dr W. vom 25.01.2011. Danach leidet die Klägerin an einer Struma multinodosa, einer Hyperthyreose bei Morbus Basedow, einer Hypercholesterinanämie, einer Chollezystolithiasis sowie einem Zustand nach Fettschürzenresektion mit Wundheilungs- und Verwachsungsstörungen. Ferner leidet die Klägerin an einer chronifizierten depressiven Symptomatik bei gegenwärtig mittelgradiger Episode sowie Anpassungsstörungen. Aufgrund der quer verlaufenden Unterbauchnarbe existiert eine leichte Gefühlsstörung im Narbenbereich. Aus diesen Befunden lässt sich, wie das SG bereits zutreffend erkannt hat, keine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht ableiten. Im Hinblick auf die festgestellten Erkrankungen sind mittelschwere und körperliche Tätigkeiten, die mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg verbunden sind sowie Arbeiten mit überwiegendem Stehen und Gehen zu vermeiden. Dies gilt auch für Beschäftigungen in Wirbelsäulenzwangshaltung und Arbeiten, die häufiges Bücken, Treppensteigen sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten verlangen. Nicht zumutbar sind der Klägerin ferner Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeitsbedingungen sowie Arbeiten mit überwiegendem Publikumsverkehr und überhöhter Verantwortung. Auch dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr W ... Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind der Klägerin damit jedoch noch sechs Stunden und mehr täglich möglich.

Eine abweichende Beurteilung des Leistungsvermögens ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, die vorliegenden ärztlichen Unterlagen träfen keine Aussage über das Leid, welches sie ertragen müsse. Der Inhalt dieser Aussage ist dem Krankheitsbild der Klägerin immanent und damit nicht geeignet, substantiierte Einwände gegen die gutachterlich festgestellten Diagnosen und die hieraus resultierenden qualitativen Leistungseinschränkungen zu erheben. Der von der Klägerin mit der Berufung geltend gemachte Vortrag, sie leide unter erheblichen Schmerzen, die ihr die Ausübung einer Erwerbstätigkeit unmöglich machten, war im Übrigen bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens und wurde im Urteil des SG vom 20.04.2011 zutreffend gewürdigt. Aus dem Gutachten von Dr W. folgt zudem, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht alle Therapieoptionen voll ausgeschöpft sind. Begründete Anhaltspunkte dafür, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit eingetreten ist, liegen somit nicht. Soweit der behandelnde Internist eine Schilddrüsenüberfunktion bei Morbus Basedow diagnostiziert, resultiert hieraus auch keinerlei Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens. Dr G. legt insoweit nachvollziehbar und schlüssig dar, dass die Funktion jetzt euthyreot eingestellt sei; dies bedeutet, dass eine Überfunktion nicht mehr besteht.

Dies gilt auch für ihr Vorbringen, sie habe bislang von der Agentur für Arbeit kein Arbeitsangebot erhalten. Das Risiko, bei noch erhaltener Erwerbsfähigkeit keinen geeigneten Arbeitsplatz vermittelt zu bekommen, trägt nicht die Rentenversicherung, sondern fällt in den Risikobereich der Arbeitslosenversicherung (BSG SozR 2200 § 1256 Nr.139 mwN).

Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich - muss ihr eine konkrete Tätigkeit, die sie noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die von den Gutachtern genannten qualitativen Leistungseinschränkungen gehen nicht über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte Arbeiten erfasst wird.

Die Klägerin erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI), da sie nach dem 01.01.1961 geboren ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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