L 5 R 3178/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 2209/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3178/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10.06.2009 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10.06.2009 geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Der im Jahr 1949 geborene Kläger wuchs im L. auf. 1978 erhielt er in D. Asyl. Er war seither in verschiedenen versicherungspflichtigen Beschäftigungen tätig, zuletzt war er von 1985 bis September 2004 Handwerker in einer Schilderfirma. Er verlor seinen Arbeitsplatz durch Personalabbau, seither ist er arbeitslos. Seit dem 25.10.2005 ist er arbeitsunfähig krankgeschrieben.

In der Zeit vom 13.07.1999 bis zum 10.08.1999 war der Kläger zur medizinischen Rehabilitation in der Rehaklinik K ... Im Entlassbericht vom 12.08.1999 wurde eine arterielle Hypertonie, medikamentös eingestellt, ein obstruktives Schlafapnoesyndrom mit derzeitiger nCPAP-Beatmungstherapie, Übergewicht von ca. 50% nach Broca sowie Verdacht auf Polyneuropathie unklarer Genese und Verdacht auf Restless-Legs-Syndrom festgestellt. Er wurde als vollschichtig leistungsfähig für seinen Beruf als Metallgraveur/Metallschneider und für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes entlassen.

Am 29.11.2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Seinen Antrag begründete er damit, seit 1999 an einem Schlaf-Apnoe-Syndrom, einer arteriellen Hypertonie, Herzrhythmusstörungen und einer Polyneuropathie zu leiden. Die Beklagte ließ ihn durch den Internisten Dr. C. begutachten. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 10.01.2006 folgende Diagnosen: Bluthochdruck ohne Folgeschäden, obstruktives Schlafapneosyndrom, Übergewicht, Hallux valgus, vordiagnostizierte depressive Episode in Remission. Der Kläger sei örtlich, zeitlich und situativ orientiert und gehe im Gespräch emotional adaequat mit. Formale oder inhaltliche Denkstörungen bestünden ebenso wenig wie mnestische Störungen oder eine depressive Antriebsminderung; es bestehe eine situationsadäquate Besorgnis wegen der Arbeitslosigkeit und entsprechender finanzieller Folgen. Der Kläger sei in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich eine körperlich leichte bis mittelschwere Arbeit auszuüben.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 16.01.2006 ab.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 26.01.2006 Widerspruch ein. Er berief sich auf eine fachärztliche Bescheinigung seines behandelnden Facharztes für Psychiatrie Dr. A.-N. vom 01.02.2006, der eine Erschöpfungsdepression, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode und eine posttraumatische Belastungsstörung attestierte.

Die Beklagte ließ ihn daraufhin durch die Diplom-Psychologin und Ärztin für Nervenheilkunde, Rehabilitationswesen sowie Sozialmedizin B. auf dem Gebiet der Nervenheilkunde begutachten. Diese stellte in ihrem Gutachten vom 28.02.2006 folgende Diagnosen: anamnestisch rezidivierend depressive Störung, derzeit allenfalls leichtgradig. Die Ausführungen des behandelnden Psychiaters seien nicht verständlich. Der Kläger könne noch über sechs Stunden täglich mittelschwere Tätigkeiten verrichten.

Die Beklagte wies darauf hin den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2006 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Aufgrund seiner zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Tätigkeit könne er auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden.

Am 08.05.2006 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Freiburg. Er machte geltend, er sei aufgrund seiner psychischen Erkrankung und den hinzutretenden körperlichen Erkrankungen nicht mehr in der Lage, mehr als vier Stunden pro Tag zu arbeiten.

Das Sozialgericht befragte die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. H. teilte mit, den Kläger nur im Jahre 1999 behandelt zu haben. Er könne daher die Beweisfragen nicht beantworten. Die Internistin Dr. L. erklärte unter dem 19.07.2006, den Kläger nur ein Mal am 19.06.2006 behandelt zu haben. Der Kläger habe über ein relatives Wohlbefinden berichtet, der Bluthochdruck sei medikamentös gut eingestellt. Der Kläger könne ca. sechs Stunden täglich arbeiten. Dr. A.-N., Facharzt für Psychiatrie und Hypnosetherapie, gab in seiner Stellungnahme vom 20.07.2006 an, den Kläger seit dem 25.10.2005 im Abstand von zwei bis vier Wochen zu behandeln. Der Kläger leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige bis schwere Episode und einer posttraumatischen Belastungsstörung, weshalb er nur weniger als drei Stunden täglich arbeiten könne.

Die Beklagte legte eine Stellungnahme von Dr. L. vom sozialmedizinischen Dienst vom 09.08.2006 vor. Er stellte die Aussage der Internistin Dr. L. und des Psychiaters Dr. A.-N. gegenüber und verwies auf das Gutachten von Dr. B., die im Gegensatz zu Dr. A.-N. weder eine sozialmedizinisch relevante depressive Episode noch definitionsgemäß eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt habe. Ihre Einschätzung sei ausführlich begründet und daher überzeugender als die Atteste des behandelnden Psychiaters.

Das Sozialgericht beauftragte Prof. Dr. E., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, von Amts wegen mit der Begutachtung des Klägers, die am 14.09.2006 stattfand. In seinem Gutachten vom 04.10.2006 diagnostizierte Prof. Dr. E. ein depressives Syndrom, das als depressive Episode mit somatischem Syndrom bei rezidivierender depressiver Störung zu kennzeichnen sei. Der Kläger könne auch beim aktuellen Schweregrad der Symptomatik regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Seitens des psychiatrischen Fachgebietes seien noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit und ohne mittelschwierige oder schwierige Tätigkeiten geistiger Art, vermehrtem Publikumsverkehr und besondere nervliche Beanspruchung möglich. Beim aktuellen Befund können die Tätigkeiten noch drei Stunden bis weniger als sechs Stunden ausgeführt werden, wenn die Symptomatik anhalte. Bei dem wahrscheinlich vorliegenden akuten Krankheitsbild sei aber wahrscheinlich besser von vorübergehender Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Die Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit würden bei wechselnden Verlauf seit der Begutachtung bestehen. Innerhalb eines Jahres sei bei Fortsetzung der Therapie und Ausschöpfung aller therapeutischen Möglichkeiten eine so wesentliche Besserung zu erwarten, dass die genannten Einschränkungen ganz oder teilweise entfallen könnten. Dazu sei eventuell auch der Aufenthalt in einer psychiatrischen Fachklinik erforderlich.

Die Beklagte äußerte sich hierzu unter Vorlage einer Stellungnahme von Dr. H. vom Sozialmedizinischen Dienst. Sie führte unter dem 17.01.2007 aus, der Gutachter sei nachvollziehbar von einem mittelgradig ausgeprägten depressiven und behandlungsbedürftigen Zustandsbild ausgegangen, das zum Zeitpunkt der Begutachtung am 14.09.2006 einer Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bedurft habe. Von einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit könne aber nur dann ausgegangen werden, wenn nach ausreichend langer und konsequenter Inanspruchnahme der beschriebenen therapeutischen Möglichkeiten die beschriebene depressive Symptomatik dauerhaft persistieren würde. Daher sei beim Kläger zunächst weiterhin von einem vollschichtigen Leistungsbild für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auszugehen, sofern die im Gutachten angeführten qualitativen Einschränkungen berücksichtigt würden.

Der Kläger machte demgegenüber geltend, dass seine Erkrankung nicht nur vorübergehend sondern dauerhaft sei und legte hierzu ein Attest von Dr. A.-N. vom 13.02.2007 vor. Darin wurde berichtet, dass der Kläger wegen seiner psychischen Erkrankung bereits ein halbes Jahr arbeitsunfähig sei. Trotz der regelmäßigen ambulanten psychiatrischen und medikamentösen Behandlung habe sich keine wesentliche Änderung der Symptomatik gezeigt, so dass die depressive Symptomatik persistierend sei.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 03.05.2007 führte Prof. Dr. E. hierzu aus, er halte an seiner Einschätzung aus dem Gutachten fest. Dr. A.-N. habe in seinem Attest vom 13.02.07 von einer rezidivierenden depressiven Störung gesprochen, nicht von einer chronischen depressiven Episode. Dr. A.-N. habe die depressive Symptomatik nicht näher beschrieben und nicht dargelegt, warum er bei einem chronischen Verlauf keine Änderung der medikamentösen Behandlung eingeleitet oder eine stationäre Behandlung initiiert habe. Daher sei keine Feststellung möglich, ob die Erkrankung jetzt nicht mehr vorübergehend sei. Allein aus der Arbeitsunfähigkeit würden sich keine Hinweise auf das Ausmaß und die Art der einschränkenden Befunde im Rahmen des Rentenverfahrens ergeben. Aus dem Attest sei auch nicht sicher zu erkennen, ob der Kläger im Behandlungsverlauf insgesamt ein halbes Jahr arbeitsunfähig gewesen sei (der Kläger sei dort nach seinen Angaben seit über einem Jahr in Behandlung) und ob er aktuell noch arbeitsunfähig sei. Es obliege der rechtlichen Würdigung, ab wann bei einer an sich rezidivierenden und vorübergehenden Erkrankung von einer Dauerhaftigkeit ausgegangen werden müsse.

Der Kläger berief sich darauf, dass auch nach den ergänzenden Ausführungen des Gutachters davon auszugehen sei, dass er aufgrund der langen Zeit seiner Erkrankung dauerhaft arbeitsunfähig sei. Er legte erneut ein Attest von Dr. A.-N. vom 23.06.2008 vor, demzufolge der psychische Zustand des Klägers sich trotz regelmäßiger medikamentöser Behandlung und Gesprächstherapie nicht gebessert habe.

Das Sozialgericht erhob von Amts wegen ein weiteres Gutachten, und zwar erneut durch Prof. Dr. E ... Dieser untersuchte den Kläger am 28.08.2008 und diagnostizierte in seinem Gutachten vom 27.08.2008 weiterhin eine rezidivierende depressive Episode im Rahmen einer rezidivierenden Störung. Es seien noch leichte körperliche Arbeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit und ohne mittelschwierige oder schwierige Tätigkeiten geistiger Art, ohne Publikumsverkehr und ohne besondere nervliche Beanspruchung in einem Umfang von mindestens sechs Stunden möglich. Der Kläger habe sich in einem gegenüber der Vorbegutachtung besseren Zustand befunden. Allerdings habe keine Symptomfreiheit bestanden. Im Verlauf könnten sich - wie häufig bei chronischen depressiven Störungen - jederzeit auch wieder Verschlimmerungen einstellen.

Der Kläger trat der Einschätzung des Gutachters entgegen und machte geltend, der Gutachter sei von einer Momentaufnahme ausgegangen. Dr. A.-N. hingegen kenne ihn seit Jahren und könne deshalb seine Leistungsfähigkeit besser beurteilen. Der Kläger legte wiederum ein Attest von Dr. A.-N. vom 18.09.2008 vor, worin bescheinigt wurde, dass sich trotz der regelmäßigen Behandlung bis auf kurze Zeit der Besserung keine wesentliche Änderung ergeben habe. Der Kläger sei erwerbsunfähig.

Prof. Dr. E. nahm hierzu nochmals unter dem 24.03.2009 Stellung und wies darauf hin, dass sich aus dem Attest von Dr. A.-N. kein klares Bild ergebe, von dem auf quantitative Leistungsstörungen geschlossen werden könne. Auch bei der Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung müsse das Krankheitsbild weiterhin als vorübergehend bezeichnet werden, zumal die Therapiemöglichkeiten nicht ausgeschöpft seien. Zwischenzeitlich hätte eine Intensivierung der Behandlung stattfinden müssen, etwa ein Aufenthalt in einer psychiatrischen Fachklinik, da es sich auch um eine therapieresistente Depression handeln könne.

Mit Urteil vom 10.06.2009 verpflichtete das Sozialgericht Freiburg die Beklagte, dem Kläger ausgehend von einem Leistungsfall am 14.09.2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.04.2007 bis zum 31.07.2008 zu gewähren, hob den Bescheid vom 16.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 10.04.2006 auf und wies die Klage im Übrigen ab.

Nach dem medizinischen Beweisergebnis stehe fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt der ersten Begutachtung durch Prof. Dr. E. am 14.09.2006 teilweise erwerbsgemindert gewesen sei. Im Gutachten vom 04.10.2006 habe Prof. Dr. E. beim Kläger ein depressives Syndrom in Form einer depressiven Episode mit somatischem Syndrom bei rezidivierender depressiver Störung sowie ein Schlafapnoesyndrom diagnostiziert. Bei einer Persistenz der Symptomatik zum Zeitpunkt der Begutachtung werde der Antrieb des Klägers gestört, insbesondere bestehe eine Antriebshemmung. Dadurch komme es zu einer Beeinträchtigung von Affektivität, Antrieb, Denken, Kognition und Vegetativum. Allerdings sei dem Kläger im Vergleich mit anderen Patienten, die unter ähnlich ausgeprägten Symptomen litten, eine drei- bis unter sechsstündige Arbeitstätigkeit zumutbar. Diese Ausführungen hielt das Sozialgericht für nachvollziehbar und überzeugend.

Dem stehe nicht entgegen, dass Prof. Dr. E. in seinem Gutachten aufgrund der wechselnden Symptomatik von einer wahrscheinlich eher anzunehmenden vorübergehenden arbeitsunfähigen Erkrankung gesprochen habe. Der Gutachter habe sich darauf gestützt, dass beim Kläger im Jahre 2006 ein unauffälliger Befund festgestellt worden sei. Offenbar beziehe er sich damit auf das von der Diplom-Psychologin und Nervenärztin B. im Auftrag der Beklagten erstellte Gutachten vom 28.02.2006. Prof. Dr. E. habe aber trotz seiner Zweifel an einem Fortbestehen der Symptomatik die Beweisfragen dahingehend beantwortet, dass der Kläger beim aktuellen Befund nur noch drei bis weniger als sechs Stunden arbeitsfähig sei. Er sei damit von einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Klägers ausgegangen. Im Übrigen hätten die Zweifel von Prof. Dr. E. bezüglich des Fortbestehens der Einschränkungen dazu geführt, dass er eine wesentliche Besserung der Symptomatik ca. ein Jahr nach der Begutachtung erwartet habe. Diese Prognose sei aufgrund seiner Bedenken konsequent. Damit bestehe zumindest ein befristeter Anspruch nach § 101 Abs. 1 SGB VI auf Erwerbsminderungsrente. Des Weiteren werde auch der Einschätzung von Prof. Dr. E. in seinem zweiten für das Gericht erstellten Gutachten vom 27.08.2008 gefolgt, wonach er die Leistungsfähigkeit des Klägers auf über sechs Stunden täglich einschätze. Prof. Dr. E. habe zwar wiederum die Diagnose einer depressiven Episode im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung gestellt. Zugleich habe er aber ausgeführt, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers eingetreten sei. Dabei habe sich Prof. Dr. E. auf seine erneute Befunderhebung sowie auf die Schilderungen des Klägers während der zweiten Begutachtung gestützt. Der Kläger habe gegenüber dem Gutachter angegeben, dass sich seine Durchschlafstörungen gebessert hätten und dass er nicht mehr so traurig sei. Die Besserung des gesundheitlichen Zustandes des Klägers entspreche auch der von Prof. Dr. E. in seinem ersten gerichtlichen Gutachten geäußerten Prognose. An dieser Überzeugung habe die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung von Dr. A.-N. vom 18.09.2008 nichts zu ändern vermocht. Denn sie sei durch die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. E. 24.03.2009 widerlegt worden. Der Kläger sei zumindest im Zeitraum zwischen den von Prof. Dr. E. vorgenommenen Begutachtungen erwerbsgemindert gewesen. Er habe demnach einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, da der Teilzeitarbeitsmarkt als verschlossen gelte.

Gegen das seinen Bevollmächtigten am 01.07.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.07.2009 Berufung eingelegt.

Dem Kläger stehe über den Juli 2008 hinaus Erwerbsminderungsrente zu. Dem Gutachter Prof. Dr. E. könne in seiner Einschätzung nicht gefolgt werden, dass der Kläger ab August 2008 wieder erwerbsfähig gewesen sei. Prof. Dr. E. habe in seinem zweiten Gutachten, das auf einer halbstündigen Untersuchung des Klägers beruht habe, festgestellt, dass die Diagnose des Erstgutachtens unverändert weiterbestehe, dass sich aber die Symptome gebessert hätten. Daraus könne nicht auf eine wiederhergestellte Erwerbsfähigkeit geschlossen werden. Denn Dr. A.-N., der den Kläger seit Jahren kenne und wöchentlich behandele, habe einen Besserung über einen langen Zeitraum gerade nicht feststellen können.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10.06.2009 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.07.2008 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte hat am 22.07.2009 ebenfalls Berufung eingelegt.

Sie beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10.06.2009 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, das Sozialgericht habe bei seiner Entscheidung die Stellungnahme von Dr. H. vom 17.01.2007 nicht gewürdigt. Eine rentenrelevante Leistungsminderung sei nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bewiesen. In seinem ersten Gutachten vom 04.10.2006 habe Prof. Dr. E. zum Zeitpunkt der Begutachtung am 14.09.2006 eine depressive Episode mit somatischem Syndrom festgestellt. Diese sei zunächst als eine akute Erkrankung im Sinne einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit anzusehen. Bei dem aktuellen Befund könne eine Erwerbstätigkeit noch im Umfang von drei bis weniger als sechs Stunden ausgeführt werden. Diese Einschätzung gelte aber nur, wenn die Symptomatik anhalte. Der Gutachter habe die Fortsetzung der aktuellen Therapie sowie die Ausschöpfung aller therapeutischen Möglichkeiten, ggf. auch den Aufenthalt in einer Psychiatrischen Fachklinik empfohlen. Im zweiten Gutachten vom 27.08.2008 habe Prof. Dr. E. darauf hingewiesen, dass die Behandlung des Klägers entgegen seiner Empfehlung nicht geändert worden sei. In den letzten zwei Jahren seit der Begutachtung im September 2006 seien keinerlei Versuche unternommen worden, die Behandlung zu ändern, die Symptomatik weiter zu bessern oder einem hohen Leidensdruck zu begegnen. Zum Zeitpunkt der aktuellen Begutachtung am 28.08.2008 habe der Gutachter ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes festgestellt. Er habe ausdrücklich betont, dass der Krankheitsverlauf der letzten beiden Jahre nicht mit Sicherheit zu rekonstruieren sei. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24.03.2009 habe der Gutachter nochmals seine Auffassung bekräftigt, dass sich aus dem Attest des Dr. A.-N. kein klares Bild ergebe, von welchem auf quantitative Leistungsstörungen geschlossen werden könne. Somit könne aus den Feststellungen des Prof. Dr. E. gerade nicht mit hinreichender Sicherheit auf eine durchgehende Minderung des quantitativen Leistungsvermögens zwischen den beiden Begutachtungen geschlossen werden, da - wie der Gutachter nachvollziehbar ausgeführt habe - der genaue Verlauf der Erkrankung in der Zwischenzeit nicht beurteilt werden könne.

Der Kläger war in der Zeit vom 13.01.2010 bis zum 10.02.2010 zur medizinischen Rehabilitation in der Klinik am Sch. M. in Bad S ... Im Entlassbericht vom 17.02.2010 wurde eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine schwer einstellbare arterielle Hypertonie und ein Diabetes mellitus festgestellt. Im Rahmen der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung wurde ein Restleistungsvermögen des Klägers von unter drei Stunden aufgrund der Stressintoleranz wegen der PTBS und der chronischen Depression und aufgrund des diagnostizierten chronischen Bluthochdrucks angenommen. Nachdem die Beklagte mit Stellungnahme von Dr. H. vom 18.03.2010 erhebliche Kritik an der Diagnose einer gegenwärtigen mittelgradigen Episode und an der Leistungsbeurteilung geäußert hatte, wurde am 14.06.2010 eine überarbeitete Fassung des Entlassberichts erstellt, in dem die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung nicht mehr aufgeführt war, dafür aber ergänzend Adipositas benannt wurde. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung wurde nunmehr ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen angenommen.

Der Senat hat darauf hin von Amts wegen ein psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. F. eingeholt. Dieser hat den Kläger am 26.07.2010 untersucht und in seinem Gutachten vom 16.09.2010 ausgeführt, auf psychiatrischem Fachgebiet liege eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte depressive Episode (ICD-10: F 33.0) vor. Die Einschätzung des Schweregrades dieser rezidivierenden depressiven Störung sei fließend, formal könne man nach den Diagnosekriterien (Anzahl der oben geschilderten depressiven Symptome und Bewertung ihres Schweregrads im Vergleich zu einer Gruppe anderer depressiver Patienten) auch noch eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10: F 33.1) diagnostizieren. Konkrete Hinweise auf eine Simulation oder Aggravation der beschriebenen Beschwerdesymptomatik hätten sich nicht ergeben. Aufgrund der relativen Konsistenz der Angaben über mehrere in der Aktenlage geschilderte Untersuchungssituationen sei eine Simulation sehr unwahrscheinlich. Eine Aggravation zumindest einzelner Beschwerden (z.B. inkonsistente Angaben bei der Schilderung der Schlafstörungen) lasse sich aber nicht ausschließen. Ebenso wenig lasse sich ausschließen, dass Teile der geklagten Beschwerden nur in der Untersuchungssituation zu beobachten seien, aber sonst nicht vorhanden seien. Hierzu sei eine Beobachtung des Probanden unter Alltagsbedingungen erforderlich, die in der Gutachtensituation nicht hergestellt werden könne. Eine rezidivierende depressive Störung sei eine episodisch verlaufende, prinzipiell reversible psychische Erkrankung. Von daher könne der Einschätzung des behandelnden Psychiaters Dr. A.-N. nicht gefolgt werden, dass eine Änderung der Behandlung bei fehlender Änderung im Beschwerdebild nicht notwendig sei. Vielmehr sei der Einschätzung des Vorgutachters, Prof. E. aus F. zu folgen, dass bei fehlender Besserung des Beschwerdebilds die antidepressive Behandlung unbedingt intensiviert werden müsse. Gegebenenfalls müsse auch die Möglichkeit einer stationären mehrwöchigen Behandlung in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus in Erwägung gezogen werden. Im jetzigen Gesundheitszustand seien dem Kläger nur noch leichte körperliche Arbeiten zumutbar. Nicht geeignet seien Akkord-, Fließband- oder Nachtschichtarbeiten wegen der damit verbundenen Stressbelastung, ebenso wenig wie Tätigkeiten, die ein hohes Umstellungs- und Anpassungsvermögen sowie die Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge erfordern. Aufgrund der begleitenden körperlichen Erkrankungen seien auch Tätigkeiten mit besonderer Beanspruchung des Bewegungs- und Halteapparats, z.B. verbunden mit häufigem Bücken oder Heben bzw. Tragen sowie dem Bewegen schwerer Lasten, Arbeiten in einer Zwangshaltung, Arbeiten, die das Ersteigen von Treppen, Leitern oder Gerüsten erfordern, und Arbeiten mit besonderer Stand- und Gangsicherheit, nicht geeignet. Der Kläger sei in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Eine solche Tätigkeit habe häufig auch einen antidepressiven Effekt, weil sie mit einer Wiedereingliederung in das gesellschaftliche Leben einschließlich der damit verbundenen Sozialkontakte verbunden sei. Beschränkungen des Arbeitsweges hinsichtlich der Zeitdauer, der Länge oder der Art des Verkehrsmittels würden nicht bestehen. Der Kläger habe für den Gutachtentermin eine insgesamt etwa vierstündige Autofahrt alleine auf sich genommen und offensichtlich auch gut bewältigt. Die Leistungseinschränkungen mit möglicherweise fluktuierenden Ausmaß (in Abhängigkeit von der Schwere der jeweiligen vorliegenden depressiven Episode) seien seit etwa dem Jahre 2004 anzunehmen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Senat sodann das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. A. vom 01.04.2011 eingeholt. Dr. A. hat den Kläger am 24.02.2011 untersucht. Er diagnostizierte eine mittelgradige depressive Episode mit deutlicher Chronifizierung, leichte kognitive und mnestische Defizite, Restsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung, chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren, diabetische Polyneuropathie und neuropathische Schmerzen. Die Gesundheitsstörungen des neurologisch-psychiatrischen Fachgebietes wirkten sich auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers klar nachteilig aus. Der Gutachter beschrieb als Leistungseinschränkungen in qualitativer Hinsicht Ausschlüsse für Tätigkeiten mit auch nur durchschnittlichen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen. Ebenso könne Verantwortung für Personen oder Maschinen nicht übernommen werden. Publikumsverkehr sei vollkommen unmöglich, ebenso die Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge. Auch leichte geistige Tätigkeiten könnten nur unter erheblichen Einschränkungen durchgeführt werden. Daneben würden aufgrund der diabetischen Polyneuropathie auch Defizite des Tastvermögens, insbesondere an den unteren Extremitäten, bestehen. Somit seien auch Tätigkeiten wie Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten nicht mehr möglich. Tätigkeiten, die Gang- und Standsicherheit erfordern, seien ebenfalls nicht mehr möglich. Der Kläger könne mit einer solchen Erkrankung auch keine schweren und mittelschweren körperlichen Arbeiten ausüben. Aufgrund der Fähigkeitsstörungen und Leistungsminderungen, die in qualitativer und in quantitativer Hinsicht aus den Erkrankungen des Klägers ableitbar seien, sei das zeitliche Leistungsvermögen aufgehoben. Der Kläger sei ohne unmittelbare Gefährdung seiner Gesundheit nur noch in der Lage, leichte Tätigkeiten weniger als drei Stunden täglich auszuüben. Diese Leistungsminderungen, die klar über das Leistungsbild der Vorgutachter hinausgingen, seien mit den Symptomen der diagnostizierten Erkrankungen zu begründen, die Fähigkeitsstörungen bildeten, aus denen dann wiederum schwerwiegende Leistungsminderungen - wie beschrieben - abzuleiten seien. Die mittelgradige depressive Episode und Restsymptome der posttraumatischen Belastungsstörung und leichte kognitive und mnestische Defizite führten zu schwerwiegenden Leistungsminderungen hinsichtlich der geistig psychischen Belastbarkeit, während insbesondere die Symptome und Fähigkeitsstörungen, die aus der diabetischen Polyneuropathie ableitbar seien, zu schwerwiegenden Leistungsminderungen hinsichtlich der Sinnesorgane und des Bewegungs- und Haltungsapparates führten. In der Konklusion komme es durch dieses vielschichtige Krankheitsbild, welches von den Vorgutachtern nicht ansatzweise erfasst werde - sie diagnostizierten lediglich eine mittelgradige depressive Episode -, zu schwerwiegenden qualitativen und quantitativen Leistungsminderungen, die zu einem aufgehobenen Leistungsbild auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit führten. Diese Leistungseinschränkung bestehe seit der durchgeführten Untersuchung, dem 24.02.2011, weil zu diesem Zeitpunkt die entsprechenden Befunde mit den entsprechenden Fähigkeitsstörungen und den entsprechenden sozialmedizinischen Konklusionen erhoben worden seien.

Die Beklagte legte schließlich eine Stellungnahme von Dr. H. vom 16.06.2011 vor. Sie hält das Gutachten von Dr. F. und die darin enthaltene Leistungseinschätzung für überzeugend und nachvollziehbar. Er habe insbesondere die notwendige Plausibilitätsprüfung durchgeführt. Diese lasse die Begutachtung durch Dr. A. gerade vermissen. Sie sei sozialmedizinisch wenig überzeugend.

Es gebe Hinweise auf auffällige negative Antwortverzerrungen bzw. Inkonsistenzen, vor allem im Vergleich mit dem Vorgutachten von Prof. Dr. F., die von Dr. A. nicht berücksichtigt worden seien. Im Vergleich zu den Angaben bei der Vorbegutachtung habe der Kläger einen völlig passiven Alltag "mache nichts, wirklich gar nichts, auch nicht in der Wohnung, das gehe alles nicht". "könne im Haushalt nichts, auch nicht das Geringste tun, dazu fehle einfach der Antrieb". Der Gutachter Dr. A. habe bei den Angaben zu diesem veränderten, völlig passiven Alltag nicht die einfache, aber naheliegende Möglichkeit der negativen Antwortverzerrungen erwogen. Alternativ wäre auch ein aktiver Rückzug und Abwehr, sich an Tätigkeiten zu beteiligen, zu erwägen. Informationen zum Autofahren bzw. dazu, wie der Kläger von F. nach V. gekommen sei, habe der Gutachter ebenfalls nicht erhoben. Dennoch habe der Gutachter lapidar festgestellt, dass sich Hinweise auf negative Antwortverzerrungen nicht ergeben hätten, Simulation und Aggravation würden nicht vorliegen. Der Gutachter Dr. A. gehe diagnostisch von einer depressiven Episode mit deutlicher Chronifizierung aus, wobei er diese Episode mittelgradig einstuft. Das Ausmaß der depressiven Ausprägung könne bei Hinweisen auf negative Antwortverzerrungen erfahrungsgemäß äußerst problematisch bestimmt werden. Im Verlauf der psychosomatischen Reha-Maßnahme in der Klinik am Sch. M. sei die depressive Episode auch als mittelgradig eingestuft worden, dennoch habe keine quantitative Leistungsminderung festgestellt werden können. Für die von Dr. A. attestierte "Restsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung" gebe es weder aus der Aktenlage noch aus dem aktuellen Gutachten eine nachvollziehbare Begründung. Die Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms bzw. einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sei aus der Aktenlage bekannt und im Rahmen der Leistungseinschätzung in der Klinik am Sch. M. ebenfalls berücksichtigt worden. Die Leistungseinschätzung des Gutachters Dr. A. sei aufgrund der Inkonsistenzen in seiner gutachterlichen Expertise und vor allem im Vergleich mit dem konsistenten Vorgutachten bzw. klinischen Einschätzungen nach vierwöchiger stationärer Beobachtung insgesamt nicht nachvollziehbar.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die von den Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts kann keinen Bestand behalten, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die Berufung des Klägers bleibt hingegen aus diesem Grund ohne Erfolg.

Gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI); volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn das Leistungsvermögen auf unter drei Stunden täglich abgesunken ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Davon ausgehend steht dem Kläger Erwerbsminderungsrente nicht zu, auch nicht für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 31.07.2008. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts vermag der Senat auch für diesen Zeitraum keine Erwerbsminderung des Klägers festzustellen. Der Kläger war in dieser Zeit und ist in der Folgezeit dazu in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Die maßgeblichen Beschwerden des Klägers, auf die er sein Rentenbegehren stützt, liegen auf psychiatrischem Fachgebiet. Der Senat geht auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. F. davon aus, dass der Kläger an einer rezidivierenden depressiven Störung leidet. Zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. F. bestand eine gegenwärtige leichte depressive Episode an der Grenze zur mittelgradigen depressiven Episode. Diese Diagnose stimmt mit den Einschätzungen der Vorgutachter im Wesentlichen überein und ist für den Senat nachvollziehbar. So hat die Nervenärztin und Diplom-Psychologin B. in ihrem im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten vom 28.02.2006 ebenfalls anamnestisch eine rezidivierende depressive Störung mit einer damals allenfalls leichtgradigen Ausprägung angenommen. Auch Prof. Dr. E. ist in beiden Gutachten von einer rezidivierenden depressiven Störung mit depressiver Episode mit somatischem Syndrom ausgegangen. Von einer gegenwärtig mittelgradigen bis schweren Episode hat Dr. A.-N. zwar in seiner Stellungnahme gegenüber dem Sozialgericht vom 20.07.2006 berichtet. Ein derartiger Ausprägungsgrad hat sich aber in den nachfolgend eingeholten Gutachten von Prof. Dr. E. und Prof. Dr. F. nicht bestätigt.

Dass beim Kläger neben der depressiven Problematik auch eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bestanden hat oder noch eine Restsymptomatik davon besteht, hält der Senat demgegenüber für nicht nachgewiesen. Zwar hat Dr. A.-N. eine PTBS in seiner Stellungnahme vom 20.07.2006 ebenfalls als Diagnose benannt. Bestätigt hat sich diese Erkrankung, die anhand komplexer Diagnosekriterien festzustellen ist, in den Begutachtungen durch Prof. Dr. F. und Prof. Dr. E. nicht. Der Entlassbericht der Klinik am Sch. M. in Bad S. hatte in seiner ersten Fassung eine PTBS zwar als Diagnose genannt; in der überarbeiteten Fassung war diese Erkrankung aber nicht mehr genannt. Den Berichten dieser Rehaklinik kommt für den Senat ohnehin kein Beweiswert zu, da die in der Ausgangsfassung enthaltenen Mängel, die von Dr. H. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten - zu Recht - beanstandet worden sind, nicht durch eine überarbeitete Fassung, in der andere Diagnosen genannt werden und eine diametral abweichende Leistungsbeurteilung vorgenommen wurde, nicht ohne weiteres korrigierbar sind. Für die Bewertung des Leistungsvermögens des Klägers im Berufungsverfahren sind diese Berichte daher nicht verwertbar und bleiben deshalb außer Betracht. Die vom Gutachter Dr. A. festgestellte Restsymptomatik einer Posttraumatischen Belastungsstörung vermag den Senat ebenfalls nicht zu überzeugen, da es schon an einer überzeugenden Ausgangsdiagnose einer PTBS fehlt.

Ausgehend von der nachvollziehbar festgestellten rezidivierenden depressiven Störung mit leicht- bis mittelgradig ausgeprägten depressiven Episoden ist eine rentenrechtlich relevante Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers nicht festzustellen. Prof. Dr. F. ist in seinem Gutachten zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden an fünf Arbeitstagen in der Woche zumutbar verrichten kann. Er hat auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass einer solchen Tätigkeit häufig eine antidepressive Wirkung zukomme, da sie mit einer Wiedereingliederung in das gesellschaftliche Leben verbunden sei. Auch Prof. Dr. E. hat in seinem Gutachten vom 27.08.2008 ein Restleistungsvermögen dieses Umfangs beschrieben. In gleicher Weise hat die Diplom-Psychologin B. das Leistungsvermögen in ihrem für die Beklagte erstellen Gutachten vom 28.02.2006 beschrieben. Ausgehend von diesen Feststellungen liegt eine rentenberechtigende Erwerbsminderung des Klägers nicht vor.

Der Senat ist - anders als das Sozialgericht - auch nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger in der Zeit zwischen den beiden Begutachtungen durch Prof. Dr. E. teilweise leistungsgemindert war. Prof. Dr. E. hat in seinem ersten Gutachten vom 04.10.2006 ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen von lediglich drei bis sechs Stunden angenommen, allerdings unter der Einschränkung, dass die damals von ihm festgestellte Symptomatik fortbestehe. Dabei hat er selbst eine günstige Behandlungsprognose für einen Zeitraum von etwa einem Jahr geäußert und von einem eher vorübergehend akuten Krankheitsbild gesprochen. Diese Aussagen des Gutachters relativieren seine Einschätzung betreffend den zeitlichen Umfang des Leistungsvermögens des Klägers in einer Weise, dass seine dazu getroffene Einschätzung nicht geeignet ist, einen auch nur zeitlich befristeten Rentenanspruch zu tragen. Prof. Dr. E. hat sich hinsichtlich der maßgeblichen Frage, ob der aktuelle Befund vorübergehender Natur sei oder eine dauerhafte bestehende Leistungsminderung bewirke, nicht klar geäußert und auch in seiner ergänzenden Stellungnahme ungeachtet der vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten hierzu erhobenen Einwendungen keine Klärung herbeigeführt. Dr. H. hatte in ihrer Stellungnahme vom 17.01.2007 der Leistungseinschätzung von Prof. Dr. E. entgegengehalten, dass von einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit nur dann ausgegangen werden könne, wenn nach ausreichend langer und konsequenter Inanspruchnahme der beschriebenen therapeutischen Möglichkeiten die beschriebene depressive Symptomatik dauerhaft persistieren würde. Sie ging beim Kläger deshalb weiterhin von einem vollschichtigen Leistungsbild für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes aus, sofern die von Prof. Dr. E. angeführten qualitativen Einschränkungen berücksichtigt würden. Der Senat teilt diese Bedenken und hält die von Prof. Dr. E. geäußerte Leistungseinschätzung mangels hinreichender Stringenz für nicht überzeugend.

Bestätigt wird die Annahme eines durchgehenden, zeitlich uneingeschränkten Leistungsvermögens des Klägers auch durch das Gutachten von Prof. Dr. F ... Dieser hat unter Berücksichtigung der Vorgutachten und des fluktuierenden Ausmaßes der depressiven Episoden eine lediglich in qualitativer Hinsicht zuerkannte Leistungseinschränkung seit dem Jahr 2004 angenommen. Ungeachtet etwaiger vorübergehender Verschlechterungen des Krankheitsbildes hat er Einschränkungen in zeitlicher Hinsicht zu keinem Zeitpunkt für notwendig erachtet.

Aus den vom Kläger im Verfahren vor dem SG vorgelegten Attesten seines behandelnden Psychiaters Dr. A.-N., das letzte stammt vom 03.04.2009, ergibt sich nichts anderes. Der Senat hat Prof. Dr. F. gerade deshalb zum Sachverständigen bestellt, um zu den Meinungsverschiedenheiten zwischen Prof. Dr. E. einerseits und Dr. A.-N. andererseits eine neutrale fachkundige Meinung einzuholen. Die Nachprüfung durch Prof. Dr. F. hatte aber zum Ergebnis, dass - wie von Prof. Dr. F. ausführlich und überzeugend begründet - der Auffassung von Dr. A.-N. nicht gefolgt werden kann.

Schließlich vermag auch das Gutachten von Dr. A. das Rentenbegehren des Klägers nicht zu stützten. Dr. A. geht von einem aufgehobenen Leistungsvermögen für die Zeit ab dem Tag seiner Begutachtung, dem 24.02.2011 aus. Für die vom Sozialgericht angenommene Zeit der teilweisen Erwerbsminderung, die zur Gewährung einer Zeitrente geführt hatte, gibt dieses Gutachten deshalb nichts her, so dass der Kläger sich gegenüber der von der Beklagten erhobenen Berufung darauf nicht mit Erfolg berufen kann.

Schon in neurologischer Hinsicht fällt auf, dass die Feststellungen und Schlussfolgerungen von Dr. A. sich in nicht nachvollziehbarer Weise von denen der Vorgutachter unterscheiden. So hat Dr. A. eine diabetische Polyneuropathie mit ausgeprägten neuropathischen Schmerzen beschrieben, die nicht nur zu einem lokalen, sondern sogar schon zu einem generalisierten chronischen Schmerzsyndrom geführt haben sollen. Demgegenüber haben die Ärzte der Klinik am Sch. M. im Januar 2010 keine pathologischen Befunde auf neurologischem Fachgebiet beschrieben, sondern im Gegenteil ausdrücklich angegeben, es bestünden keine Sensibilitätsstörungen, das Gangbild sei altersentsprechend unauffällig. Auch Prof. Dr. F. hat bei seiner Untersuchung des Klägers am 26.07.2010 einen unauffälligen neurologischen Befund ohne Sensibilitätsstörungen beschrieben. Da sich der Kläger in der Zwischenzeit wegen der Folgen der Polyneuropathie auch nicht in ärztlicher oder fachärztlicher Behandlung befand, sind die Ausführungen von Dr. A. nicht geeignet, den Senat von ihrer Richtigkeit zu überzeugen.

Auch die weiteren Ausführungen des Gutachtens können den vom Kläger geltend gemachten Rentenanspruch nicht untermauern. Denn das Gutachten enthält so erhebliche Mängel, dass es den Senat nicht von einem ab dem 24.02.2011 aufgehobenen Leistungsvermögen des Klägers zu überzeugen und die Feststellungen des Gutachters Prof. Dr. F. nicht in Frage zu stellen vermag. Zu Recht hat Dr. H. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 16.06.2011 beanstandet, dass dem Gutachten von Dr. A. die erforderliche Plausibilitätsprüfung fehlt. Insbesondere hat sie zu Recht auf die negativen Antwortverzerrungen hingewiesen, die sich zum Tagesablauf des Klägers ergeben haben. Er hat seine persönliche Situation in diesem Punkt bei Dr. A. völlig anders geschildert als gegenüber dem Gutachter Prof. Dr. F ... Während er dort ein gewisses Aktivitätsniveau geprägt durch Zeitunglesen, Fernsehen, tägliches Abholen der Ehefrau von der Arbeitsstelle und anschließendem gemeinsamen Einkaufen, regelmäßigen Spaziergängen und Besuchen bei einem Freund geschildert hat sowie den Wunsch, gemeinsam mit seiner Frau mehr zu unternehmen, was aber an seiner Frau scheitere, hat er bei Dr. A. ein gegen Null herabgesunkenes Aktivitätsniveau geschildert. Nach seinen dortigen Angaben mache er gar nichts, schlafe ausgedehnt und schaffe es nicht einmal mehr, den Fernseher einzustellen. Frau Dr. H. beanstandet angesichts dieser weit auseinandergehenden Schilderungen zu Recht, dass Dr. A. das Vorliegen von negativen Antwortverzerrungen schlicht verneint und sich mit den Abweichungen in den Schilderungen des Klägers auch nicht im Ansatz auseinandersetzt. Insbesondere fehlt jedes Hinterfragen, warum bei einer solchen gravierenden Verschlechterung des Gesundheitszustands - träfen die Schilderungen des Klägers gegenüber Dr. A. tatsächlich zu - keine Intensivierung der Behandlung durch den langjährig behandelnden Psychiater des Klägers, Dr. A.-N., den der Gutachter ausdrücklich als kompetent bezeichnet, eingeleitet worden ist. Eine solche Intensivierung der Behandlung war bereits von Prof. Dr. E. für den Fall des Persistierens des Krankheitsbildes in seinem Gutachten vom 04.10.2010 angesprochen worden und auch von Prof. Dr. F. bestätigt worden, und zwar ausgehend bereits von einem unverändert fortbestehenden Beschwerdebild. Erst recht müsste eine solche Notwendigkeit bei einer augenscheinlich massiven Verschlechterung bestehen. Hierzu hat sich der Gutachter jedoch überhaupt nicht geäußert und auch der Kläger selbst hat nicht vorgetragen, dass er sich einem veränderten Behandlungskonzept unterzogen habe oder dass dies zumindest beabsichtigt sei. Dr. A. hat in seinem Gutachten zu den Behandlungsmöglichkeiten lediglich ausgeführt, eine nachhaltige Besserung des Gesundheitszustandes sei nicht zu erwarten. Ausgehend von der Annahme eines hochgradig chronifizierten Krankheitsbildes sei eine Heilbarkeit binnen weniger Monate wie bei einer mittelgradigen depressiven Episode nicht denkbar. Soweit Dr. A. in diesem Zusammenhang von einer organischen Überlagerung durch Prozesse einer cerebralen Microangiopathie und daraus begründbarer Prognoseverschlechterung berichtet, muss dem Gutachter entgegengehalten werden, dass er eine solche Erkrankung nur aufgrund des Gefäßrisikopotenials vermutet, selbst aber angemerkt hat, dass hierzu ein diagnostischer Nachweis durch Computertomographie oder Kernspintomographie bisher fehle.

Die Leistungseinschätzung von Dr. A. vermag den Senat auch vor dem Hintergrund nicht zu überzeugen, dass der Kläger offenbar trotz der von Dr. A. angenommenen schwerwiegenden Morbidität auf psychiatrischem und neurologischen Fachgebiet und der geschilderten völligen Antriebslosigkeit durchaus dazu in der Lage war, sich zur Untersuchung von F. nach V. zu begeben und dort an einer umfangreichen Begutachtung einschließlich der Durchführung eines psychologischen Testverfahrens teilzunehmen. Mit dieser offensichtlichen Diskrepanz im Hinblick auf Belastbarkeit und Leistungsvermögen hat sich der Gutachter Dr. A., anders als etwa Prof. Dr. F. nicht auseinandergesetzt. Prof. Dr. F. hatte vielmehr gerade den Umstand, dass der Kläger in der Lage war, sich einer zeitintensiven Begutachtung einschließlich jeweils zweistündiger An- und Abreise mit dem Auto unbegleitet zu unterziehen, in seinem Gutachten gewürdigt und daraus auf eine fehlende, depressiv verursachte Konzentrationsminderung geschlossen. Wenn Dr. H. insoweit die fehlende Plausibilitätsprüfung des Gutachtens von Dr. A. beanstandet, so teilt der Senat diese Bedenken und kann sich der Auffassung von Dr. A. zum Leistungsvermögen des Klägers deshalb nicht anschließen.

Ist nach alledem eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens nicht festzustellen, bleibt die Berufung des Klägers ohne Erfolg. Die Berufung der Beklagten hat hingegen Erfolg, da dem Kläger mangels Erwerbsminderung keine befristete Rente zustand. Das Urteil des Sozialgerichts war insoweit aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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