Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 1768/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 3848/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin zu gewährenden Berufsausbildungsbeihilfe (BAB).
Die 1986 geborene Klägerin absolvierte vom 20. Juli 2006 bis 19. Juli 2009 eine Berufsausbildung zur Hotelfachfrau im B. P.-Hotel und in B.-B ... Vom 1. November 2007 bis 19. Juli 2008 bezog sie eine Ausbildungsvergütung von 557,- EUR monatlich, anschließend in Höhe von 604,- EUR monatlich. Zusätzlich erhielt sie einmalige Zahlungen im November 2007 von 115,- EUR, im März 2008 von 180,- EUR, im November 2008 von 155,- EUR und im März 2009 von 90,- EUR. Die Klägerin wohnte ab 1. August 2006 im Personalwohnheim des Hotels zu einer Miete von 195,- EUR monatlich. Bis 31. Juli 2006 und ebenso nach Beendigung der Ausbildung ab 23. Juli 2009 hatte sie ihren Hauptwohnsitz bei ihren Eltern in B ... Während der Ausbildung war sie mit Hauptwohnsitz in B.-B. und Nebenwohnsitz in B. gemeldet.
Am 28. November 2007 beantragte die Klägerin die Gewährung von BAB. Mit Bescheid vom 24. Januar 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin BAB für die Zeit vom 1. November 2007 bis 19. Juli 2009 in Höhe von 37,- EUR monatlich. Hierbei legte sie einen Bedarf der Klägerin von insgesamt 516,- EUR zugrunde (anderweitige Unterbringung 443,- EUR, Zusatzbedarf für Unterkunft 62,- EUR, Arbeitskleidung 11,- EUR) und rechnete das durchschnittliche monatliche Einkommen abzüglich einer Sozialpauschale von 131,- EUR in Höhe von 479,48 EUR auf den Bedarf an. Einkommen der Eltern wurde - da unterhalb der Freibeträge - nicht angerechnet. Ein Bedarf für Heimfahrt sowie ein höherer Freibetrag wurde nicht berücksichtigt, weil die Agentur für Arbeit B. auf Anfrage mitgeteilt hatte, eine Ausbildungsvermittlung im Bereich Hotelfachmann/-frau sei auch in B. möglich, ausreichend Ausbildungsstellen seien der Ausbildungsvermittlung gemeldet.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr stehe ein Freibetrag von 510,- EUR zu, weil es für den von ihr angestrebten Abschluss keine geeignete Ausbildungsstelle in zumutbarer Entfernung von der elterlichen Wohnung gebe. Sie habe als dreisprachige Abiturientin das Berufsziel einer Leitungsposition im Management der Hotel/Touristikbranche. Die Ausbildung zur Hotelfachfrau sei nur Basis einer entsprechenden weiteren Hochschulausbildung. Sie habe sich ausschließlich bei 5-Sterne-Hotels beworben, die besonders ausgezeichnet seien und einer internationalen Kette oder einem Konzern angehörten. Ein solches, vergleichbar ausgezeichnetes Hotel wie das B. gebe es in B. und Umgebung nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit Änderungsbescheid vom 13. Juni 2008 bewilligte sie der Klägerin für die Zeit vom 1. August 2008 bis 19. Juli 2009 BAB in Höhe von 69,- EUR monatlich wegen der gesetzlich vorgesehenen Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 3. April 2008 hat die Klägerin am 22. April 2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie macht weiter geltend, dass sie keine Durchschnittsausbildung absolviere. Eine vergleichbare Ausbildungsform, insbesondere mit Bankettgeschäft und internationalem Bezug wäre in B. und Umgebung nicht möglich gewesen. Sie habe den Ausbildungsort ausgewählt, als die Inanspruchnahme von Sozialleistungen noch nicht absehbar gewesen sei. Sie berufe sich auf Art. 3 und Art. 12 Grundgesetz (GG). Der Gesetzgeber habe mit der BAB die Förderung der Mobilität von Auszubildenden beabsichtigt.
Mit Urteil vom 16. Juni 2010 hat das SG den Bescheid vom 24. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2008 und des Änderungsbescheids vom 13. Juni 2009 insoweit abgeändert, als es die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin vom 1. November 2007 bis 19. Juli 2009 BAB unter Berücksichtigung von Familienheimfahrten zu gewähren. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Nach § 59 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) hätten Auszubildende Anspruch auf BAB während einer beruflichen Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, wenn die berufliche Ausbildung oder die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme förderungsfähig sei (Nr. 1), sie zum förderungsfähigen Personenkreis gehörten und die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllten (Nr. 2) und ihnen die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Lehrgangskosten nicht anderweitig zur Verfügung stünden (Nr. 3). Nach § 64 Abs. 1 Satz 1 SGB III werde der Auszubildende bei einer beruflichen Ausbildung nur gefördert, wenn er außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils wohne (Nr. 1) und die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus nicht in angemessener Zeit erreichen könne (Nr. 2). Dass die Klägerin dem Grunde nach Anspruch auf BAB habe, sei zurecht unstreitig. Die Klägerin habe an einer Ausbildung zur Hotelfachfrau teilgenommen, einer staatlich anerkannten, betrieblichen Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz - BBiG - (§ 60 Abs. 1 SGB III). Der erforderliche Berufsausbildungsvertrag sei abgeschlossen worden. Es handele sich für die Klägerin, die Deutsche sei (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), um eine erstmalige Ausbildung (§ 60 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Sie habe zur Zeit der Ausbildung in B.-B., also außerhalb des Haushalts der Eltern gewohnt (§ 64 Abs. 1 Satz 1 SGB III) und bei Ausbildungsbeginn bereits das 18. Lebensjahr vollendet (§ 64 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Daher komme es gem. § 64 Abs. 1 Satz 2 SGB III auf die weitere Voraussetzung, ob die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht in angemessener Zeit zu erreichen sei, nicht an. Die bewilligten Leistungen seien - mit Ausnahme der Fahrtkosten gem. § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III - der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Pauschale für Arbeitskleidung in Höhe von 11,- EUR habe die Beklagte nach § 68 Abs. 3 Satz 1 SGB III zugunsten der Klägerin in ihre Berechnungen mit einbezogen. Daneben habe die Klägerin auch Anspruch auf Berücksichtigung von Fahrtkosten für Familienheimfahrten nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4300 § 67 Nr. 1). Der Anspruch auf Fahrtkosten wegen einer erforderlichen auswärtigen Unterbringung begründe jedoch keinen Anspruch auf die erhöhten Freibeträge nach § 71 Abs. 2 Satz 2 SGB III. Nach dieser Vorschrift blieben abweichend von den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) 52,- EUR (ab 1. August 2008: 56,- EUR) der Ausbildungsvergütung und zusätzlich vom Einkommen der Eltern und des Ehegatten 510,- EUR (ab 1. August 2008: 550,- EUR) anrechnungsfrei, wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern möglich sei. Dabei sei die Kausalität zwischen Ausbildung und auswärtiger Unterbringung durch eine wertende Betrachtung im Hinblick auf die Funktion der BAB zu ermitteln. Hierzu habe das BSG ausgeführt, dass die Vorschrift nicht von einer Vermittlung in eine für den Auszubildenden geeignete Ausbildungsstelle, sondern von der Vermittlung in eine Ausbildungsstelle für eine "geeignete Berufsausbildung" spreche und keinen Bezug zwischen Eignung der Berufsausbildung und persönlichen Verhältnissen des Auszubildenden erkennen lasse. Es handele sich um einen objektiven Maßstab, der von den persönlichen Verhältnissen des Auszubildenden unabhängig sei. Könne die Ausbildung in generell geeigneter Weise überhaupt am Wohnort der Eltern erfolgen, werde der Gesamtfreibetrag nicht erhöht, selbst wenn eine auswärtige Unterbringung des Auszubildenden aus sonstigen Gründen geboten sei. Die auswärtige Unterbringung müsse aus Gründen erfolgen, die in den Risiko- und Aufgabenbereich der Bundesanstalt für Arbeit bzw. Bundesagentur für Arbeit falle (unter Hinweis auf BSG SozR 4440 § 16 Nr. 4). Insoweit seien die Voraussetzungen für den Fahrkostenbedarf in Bezug auf die monatliche Familienheimfahrt nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III nicht mit denen für die Anerkennung des erhöhten Freibetrags nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III gleichzusetzen. Der Gesetzgeber habe insoweit ein abgestuftes System vorgesehen, das dem Auszubildenden einerseits in Abgrenzung von den Eltern (ausbildungsbezogene) Freiräume eröffne (§ 64 Abs. 1 Satz 2, § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III), andererseits aber zusätzliche Kosten für bestimmte mit der räumlichen Mobilität zusammenhängende Bedarfe nur übernehme, wenn diese aus arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitischen Gründen zur Förderung der beruflichen Mobilität von Auszubildenden erforderlich seien (§ 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III). Mit dieser Vorschrift sollten nach dem Willen des Gesetzgebers "aus arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitischen Gründen im Wesentlichen die Regelungen des geltenden Anordnungsrechts zur Förderung der beruflichen Mobilität von Auszubildenden in der betrieblichen Berufsausbildung und zur stärkeren Ausschöpfung des regional unterschiedlichen Ausbildungsplatzangebots übernommen" werden (unter Hinweis auf BT-Drucks. 13/4941 zu § 71 S. 167). Daraus ergebe sich, dass die Freibeträge einen Anreiz zur Aufnahme einer Ausbildung in größerer Entfernung vom Elternhaus bei schlechtem Ausbildungsangebot in der Region schaffen sollten. Insoweit hätten die in Rede stehenden Freibeträge nicht die Funktion der Bedarfsdeckung, sondern sollten einen Anreiz bilden, für einen Ausbildungsplatz das gewohnte Umfeld zu verlassen, um überhaupt eine Ausbildung aufnehmen zu können. Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift habe das SG nicht (unter Bezugnahme auf Landessozialgericht (LSG) Saarland, Urteil vom 15. April 2008 - L 6 AL 13/07 - (juris)). Ein Verlassen des Umkreises von B. aus arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitischen Gründen sei vorliegend nicht anzunehmen. Eine Ausbildung zur Hotelfachfrau wäre - wie die Klägerin einräume - im Pendelbereich von B. möglich gewesen. Die Wahl des Ausbildungsortes B.-B. sei Ausdruck einer persönlichen Vorliebe bzw. einer bestimmten Karriereplanung. Dies zeige schon der Vortrag der Klägerin, wonach sie unbedingt die bestmögliche Ausbildung anstrebe und wegen ihrer besonderen Fähigkeiten auch erhalten habe. Persönliche Beweggründe für die Wahl des entfernteren Ausbildungsortes seien aber nicht zu berücksichtigen. Dass die Klägerin diese Ausbildung nur als Zwischenschritt für einen höherwertigen Abschluss anstrebe, führe ebenfalls nicht dazu, dass die Beklagte die Ausbildung in B.-B. mit höheren Leistungen fördern müsse. Für den Anspruch sei allein die konkrete, nach den Vorschriften des BBiG in sich abgeschlossene Ausbildung maßgeblich. Soweit sich die Klägerin auf den Zweck des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III berufe, die Mobilität der Auszubildenden zu fördern, verkenne sie, dass ein finanzieller Anreiz für die Wahl eines vom Wohnort der Eltern entfernten Ausbildungsortes nur für die Fälle geschaffen werden sollte, in denen am Heimatort keine geeignete Ausbildung möglich gewesen und deshalb wegen der örtlichen Bindung überhaupt unterblieben wäre. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Auch der Vortrag, sie habe den Ausbildungsort ausgesucht, als eine Bedürftigkeit noch nicht absehbar gewesen sei und ein Wechsel des Ausbildungsortes während der laufenden Ausbildung sei ihr nicht zumutbar gewesen, führe ebenfalls nicht zu einem Anspruch auf höhere BAB. Abgesehen davon, dass die von der Klägerin vertretene Auslegung der gesetzlichen Vorschriften dazu führte, dass durch Verlegung des Antrags auf die Zeit nach Beginn der Ausbildung ohne weiteres das Tatbestandsmerkmal der erforderlichen auswärtigen Unterbringung ausgehebelt würde, fehle es auch nach Beginn der Ausbildung weiterhin an der erforderlichen Kausalität zwischen der Wahl des Ausbildungsortes und der Arbeitsmarktsituation am Wohnort. Eine Verletzung von Grundrechten sehe das Gericht hierin nicht.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 29. Juni 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. Juli 2010 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie macht weiterhin geltend, Anspruch auf die erhöhten Freibeträge nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III zu haben. Die Klägerin habe sehr wohl aus arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitischen Gründen den Umkreis von B. verlassen, denn eine Ausbildung zur Hotelfachfrau mit den zusätzlichen Qualifikationen und der besonderen Qualität der Ausbildung habe nur in B.-B. durchgeführt werden können. Es werde auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Klägerin diese Entscheidung unter ganz anderen Umständen getroffen habe. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufsausbildung sei sie noch nicht bedürftig gewesen und habe das Entstehen einer Bedürftigkeit auch nicht absehen können. Der Klägerin könne nicht angelastet werden, dass sie eine auswärtige Ausbildung angestrebt habe. Es müsse Beachtung finden, dass die Klägerin zum Eintrittszeitpunkt der Bedürftigkeit ihren Lebensmittelpunkt bereits in B.-B. gehabt habe. Hierdurch werde auch nicht das Tatbestandsmerkmal der erforderlichen auswärtigen Unterbringung ausgehebelt. Ein Ausbildungswechsel oder Ausbildungsortswechsel seien weder verhältnismäßig noch zumutbar. Im übrigen würden Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Juni 2010 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 24. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2008 und des Änderungsbescheids vom 13. Juni 2008 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 1. November 2007 bis 19. Juli 2009 Berufsausbildungsbeihilfe unter Berücksichtigung einer erforderlichen auswärtigen Unterbringung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist das Urteil des SG nicht zu beanstanden. Der Berufsausbildungsvertrag weise keine besondere Ausbildungsform in der von der Klägerin eingesprochenen "Spezialisierung" nach. Es sei keine Zukunftsbetrachtung hinsichtlich weiterer Weiterbildungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, da es um die Erstausbildung gehe. Die Berufswahlfreiheit bedeute nicht, dass die Beklagte jegliche Ausbildung an jeglichem Ort der Bundesrepublik speziell zu unterstützen habe. Die Erforderlichkeitsprüfung sei eine Arbeitsmarktprüfung. Laut der Arbeitsagentur B. seien zum Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns ausreichend Ausbildungsstellen als Hotelfachfrau gemeldet gewesen. Hierauf komme es an. Eine Vergleichsberechnung mit BAföG-Vorschriften sähen die BAB-Vorschriften nicht vor. Verglichen werden könnten nur gleiche Sachverhalte. Die Klägerin sei keine Studentin, sondern Auszubildende.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG), da Leistungen für die Dauer von mehr als einem Jahr streitig sind (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn über die bereits vom SG zugesprochenen Aufwendungen für Familienheimfahrten hinaus hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung höherer BAB.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen zutreffend dargestellt und ausführlich und überzeugend unter Zitierung der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung begründet, warum die Klägerin keinen Anspruch auf Berücksichtigung höherer Freibeträge nach § 71 Abs. 2 Nr. 3 SGB III hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher die Berufung aus den überzeugenden Gründen des angefochtenen Urteils zurückgewiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Klarstellend weist der Senat zunächst noch darauf hin, dass es vorliegend nicht um weitere Freibeträge von 510,- EUR monatlich geht, denn Einkommen der Eltern wurde ohnehin nicht angerechnet. Somit geht es hier allein darum, ob von der Ausbildungsvergütung monatlich weitere 52,- EUR bzw. ab 1. August 2008 weitere 56,- EUR anrechnungsfrei bleiben. Die aus der Widerspruchsbegründung der Klägerin zu entnehmende Vorstellung, ihre gesamte Ausbildungsvergütung müsse durch den höheren Freibetrag von weiteren 510,- EUR bzw. 550,- EUR anrechnungsfrei bleiben, trifft somit schon von vornherein nicht zu.
In der Sache spielt es für die Frage der Erforderlichkeit der auswärtigen Unterbringung keine Rolle, ob die Hilfebedürftigkeit im Sinne der BAB-Vorschriften bereits zu Beginn der Ausbildung vorliegt oder erst später eintritt. Nach der gesetzlichen Regelung kommt es allein darauf an, ob die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern möglich ist. Dies war hier jedoch zu keinem Zeitpunkt der Fall. Eine Ausbildung zur Hotelfachfrau war in B. und Umgebung ohne weiteres und zu jeder Zeit möglich. Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, kommt es auf die speziellen Wünsche der Klägerin hinsichtlich der für ihre Karriereplanung bestmöglichen Ausbildung nicht an. Entscheidend ist allein, ob ein entsprechender nach dem BBiG vorgesehener Berufsabschluss auch in B. erreicht werden kann. Daran bestehen hinsichtlich der vorliegend streitigen Ausbildung zur Hotelfachfrau keinerlei Zweifel.
Eine Grundrechtsbetroffenheit der Klägerin ist durch die Ablehnung einer höheren Förderung nicht ersichtlich. Die Berufswahlfreiheit des Art. 12 GG ist in erster Linie ein Abwehrrecht, aus ihr folgt - auch in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot kein einklagbarer Anspruch auf staatliche Finanzierung der Ausbildung (vgl. BSG SozR 3-4100 § 56 Nr. 1 = BSGE 66, 275). Zwar folgt aus Art. 12 GG, dass der Zugang zu einem gewählten Beruf nicht durch das öffentliche Leistungsrecht erschwert oder wirtschaftlich unmöglich gemacht werden darf (vgl. BSG SozR 3-4100 § 56 Nr. 3 = BSGE 69, 128). Dies ist hier indes auch nicht der Fall, denn die von der Klägerin gewählte Ausbildung zur Hotelfachfrau wird dem Grunde nach gefördert. Eine leistungsrechtliche Dimension dahingehend, dass im Einzelfall Mehrkosten für die qualitativ hochwertigste und beste Ausbildung aus den begrenzten Fördermitteln der Bundesagentur getragen werden müssten, kommt Art. 12 GG nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin zu gewährenden Berufsausbildungsbeihilfe (BAB).
Die 1986 geborene Klägerin absolvierte vom 20. Juli 2006 bis 19. Juli 2009 eine Berufsausbildung zur Hotelfachfrau im B. P.-Hotel und in B.-B ... Vom 1. November 2007 bis 19. Juli 2008 bezog sie eine Ausbildungsvergütung von 557,- EUR monatlich, anschließend in Höhe von 604,- EUR monatlich. Zusätzlich erhielt sie einmalige Zahlungen im November 2007 von 115,- EUR, im März 2008 von 180,- EUR, im November 2008 von 155,- EUR und im März 2009 von 90,- EUR. Die Klägerin wohnte ab 1. August 2006 im Personalwohnheim des Hotels zu einer Miete von 195,- EUR monatlich. Bis 31. Juli 2006 und ebenso nach Beendigung der Ausbildung ab 23. Juli 2009 hatte sie ihren Hauptwohnsitz bei ihren Eltern in B ... Während der Ausbildung war sie mit Hauptwohnsitz in B.-B. und Nebenwohnsitz in B. gemeldet.
Am 28. November 2007 beantragte die Klägerin die Gewährung von BAB. Mit Bescheid vom 24. Januar 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin BAB für die Zeit vom 1. November 2007 bis 19. Juli 2009 in Höhe von 37,- EUR monatlich. Hierbei legte sie einen Bedarf der Klägerin von insgesamt 516,- EUR zugrunde (anderweitige Unterbringung 443,- EUR, Zusatzbedarf für Unterkunft 62,- EUR, Arbeitskleidung 11,- EUR) und rechnete das durchschnittliche monatliche Einkommen abzüglich einer Sozialpauschale von 131,- EUR in Höhe von 479,48 EUR auf den Bedarf an. Einkommen der Eltern wurde - da unterhalb der Freibeträge - nicht angerechnet. Ein Bedarf für Heimfahrt sowie ein höherer Freibetrag wurde nicht berücksichtigt, weil die Agentur für Arbeit B. auf Anfrage mitgeteilt hatte, eine Ausbildungsvermittlung im Bereich Hotelfachmann/-frau sei auch in B. möglich, ausreichend Ausbildungsstellen seien der Ausbildungsvermittlung gemeldet.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr stehe ein Freibetrag von 510,- EUR zu, weil es für den von ihr angestrebten Abschluss keine geeignete Ausbildungsstelle in zumutbarer Entfernung von der elterlichen Wohnung gebe. Sie habe als dreisprachige Abiturientin das Berufsziel einer Leitungsposition im Management der Hotel/Touristikbranche. Die Ausbildung zur Hotelfachfrau sei nur Basis einer entsprechenden weiteren Hochschulausbildung. Sie habe sich ausschließlich bei 5-Sterne-Hotels beworben, die besonders ausgezeichnet seien und einer internationalen Kette oder einem Konzern angehörten. Ein solches, vergleichbar ausgezeichnetes Hotel wie das B. gebe es in B. und Umgebung nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit Änderungsbescheid vom 13. Juni 2008 bewilligte sie der Klägerin für die Zeit vom 1. August 2008 bis 19. Juli 2009 BAB in Höhe von 69,- EUR monatlich wegen der gesetzlich vorgesehenen Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 3. April 2008 hat die Klägerin am 22. April 2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie macht weiter geltend, dass sie keine Durchschnittsausbildung absolviere. Eine vergleichbare Ausbildungsform, insbesondere mit Bankettgeschäft und internationalem Bezug wäre in B. und Umgebung nicht möglich gewesen. Sie habe den Ausbildungsort ausgewählt, als die Inanspruchnahme von Sozialleistungen noch nicht absehbar gewesen sei. Sie berufe sich auf Art. 3 und Art. 12 Grundgesetz (GG). Der Gesetzgeber habe mit der BAB die Förderung der Mobilität von Auszubildenden beabsichtigt.
Mit Urteil vom 16. Juni 2010 hat das SG den Bescheid vom 24. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2008 und des Änderungsbescheids vom 13. Juni 2009 insoweit abgeändert, als es die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin vom 1. November 2007 bis 19. Juli 2009 BAB unter Berücksichtigung von Familienheimfahrten zu gewähren. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Nach § 59 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) hätten Auszubildende Anspruch auf BAB während einer beruflichen Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, wenn die berufliche Ausbildung oder die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme förderungsfähig sei (Nr. 1), sie zum förderungsfähigen Personenkreis gehörten und die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllten (Nr. 2) und ihnen die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Lehrgangskosten nicht anderweitig zur Verfügung stünden (Nr. 3). Nach § 64 Abs. 1 Satz 1 SGB III werde der Auszubildende bei einer beruflichen Ausbildung nur gefördert, wenn er außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils wohne (Nr. 1) und die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus nicht in angemessener Zeit erreichen könne (Nr. 2). Dass die Klägerin dem Grunde nach Anspruch auf BAB habe, sei zurecht unstreitig. Die Klägerin habe an einer Ausbildung zur Hotelfachfrau teilgenommen, einer staatlich anerkannten, betrieblichen Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz - BBiG - (§ 60 Abs. 1 SGB III). Der erforderliche Berufsausbildungsvertrag sei abgeschlossen worden. Es handele sich für die Klägerin, die Deutsche sei (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), um eine erstmalige Ausbildung (§ 60 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Sie habe zur Zeit der Ausbildung in B.-B., also außerhalb des Haushalts der Eltern gewohnt (§ 64 Abs. 1 Satz 1 SGB III) und bei Ausbildungsbeginn bereits das 18. Lebensjahr vollendet (§ 64 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Daher komme es gem. § 64 Abs. 1 Satz 2 SGB III auf die weitere Voraussetzung, ob die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht in angemessener Zeit zu erreichen sei, nicht an. Die bewilligten Leistungen seien - mit Ausnahme der Fahrtkosten gem. § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III - der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Pauschale für Arbeitskleidung in Höhe von 11,- EUR habe die Beklagte nach § 68 Abs. 3 Satz 1 SGB III zugunsten der Klägerin in ihre Berechnungen mit einbezogen. Daneben habe die Klägerin auch Anspruch auf Berücksichtigung von Fahrtkosten für Familienheimfahrten nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4300 § 67 Nr. 1). Der Anspruch auf Fahrtkosten wegen einer erforderlichen auswärtigen Unterbringung begründe jedoch keinen Anspruch auf die erhöhten Freibeträge nach § 71 Abs. 2 Satz 2 SGB III. Nach dieser Vorschrift blieben abweichend von den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) 52,- EUR (ab 1. August 2008: 56,- EUR) der Ausbildungsvergütung und zusätzlich vom Einkommen der Eltern und des Ehegatten 510,- EUR (ab 1. August 2008: 550,- EUR) anrechnungsfrei, wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern möglich sei. Dabei sei die Kausalität zwischen Ausbildung und auswärtiger Unterbringung durch eine wertende Betrachtung im Hinblick auf die Funktion der BAB zu ermitteln. Hierzu habe das BSG ausgeführt, dass die Vorschrift nicht von einer Vermittlung in eine für den Auszubildenden geeignete Ausbildungsstelle, sondern von der Vermittlung in eine Ausbildungsstelle für eine "geeignete Berufsausbildung" spreche und keinen Bezug zwischen Eignung der Berufsausbildung und persönlichen Verhältnissen des Auszubildenden erkennen lasse. Es handele sich um einen objektiven Maßstab, der von den persönlichen Verhältnissen des Auszubildenden unabhängig sei. Könne die Ausbildung in generell geeigneter Weise überhaupt am Wohnort der Eltern erfolgen, werde der Gesamtfreibetrag nicht erhöht, selbst wenn eine auswärtige Unterbringung des Auszubildenden aus sonstigen Gründen geboten sei. Die auswärtige Unterbringung müsse aus Gründen erfolgen, die in den Risiko- und Aufgabenbereich der Bundesanstalt für Arbeit bzw. Bundesagentur für Arbeit falle (unter Hinweis auf BSG SozR 4440 § 16 Nr. 4). Insoweit seien die Voraussetzungen für den Fahrkostenbedarf in Bezug auf die monatliche Familienheimfahrt nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III nicht mit denen für die Anerkennung des erhöhten Freibetrags nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III gleichzusetzen. Der Gesetzgeber habe insoweit ein abgestuftes System vorgesehen, das dem Auszubildenden einerseits in Abgrenzung von den Eltern (ausbildungsbezogene) Freiräume eröffne (§ 64 Abs. 1 Satz 2, § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III), andererseits aber zusätzliche Kosten für bestimmte mit der räumlichen Mobilität zusammenhängende Bedarfe nur übernehme, wenn diese aus arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitischen Gründen zur Förderung der beruflichen Mobilität von Auszubildenden erforderlich seien (§ 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III). Mit dieser Vorschrift sollten nach dem Willen des Gesetzgebers "aus arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitischen Gründen im Wesentlichen die Regelungen des geltenden Anordnungsrechts zur Förderung der beruflichen Mobilität von Auszubildenden in der betrieblichen Berufsausbildung und zur stärkeren Ausschöpfung des regional unterschiedlichen Ausbildungsplatzangebots übernommen" werden (unter Hinweis auf BT-Drucks. 13/4941 zu § 71 S. 167). Daraus ergebe sich, dass die Freibeträge einen Anreiz zur Aufnahme einer Ausbildung in größerer Entfernung vom Elternhaus bei schlechtem Ausbildungsangebot in der Region schaffen sollten. Insoweit hätten die in Rede stehenden Freibeträge nicht die Funktion der Bedarfsdeckung, sondern sollten einen Anreiz bilden, für einen Ausbildungsplatz das gewohnte Umfeld zu verlassen, um überhaupt eine Ausbildung aufnehmen zu können. Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift habe das SG nicht (unter Bezugnahme auf Landessozialgericht (LSG) Saarland, Urteil vom 15. April 2008 - L 6 AL 13/07 - (juris)). Ein Verlassen des Umkreises von B. aus arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitischen Gründen sei vorliegend nicht anzunehmen. Eine Ausbildung zur Hotelfachfrau wäre - wie die Klägerin einräume - im Pendelbereich von B. möglich gewesen. Die Wahl des Ausbildungsortes B.-B. sei Ausdruck einer persönlichen Vorliebe bzw. einer bestimmten Karriereplanung. Dies zeige schon der Vortrag der Klägerin, wonach sie unbedingt die bestmögliche Ausbildung anstrebe und wegen ihrer besonderen Fähigkeiten auch erhalten habe. Persönliche Beweggründe für die Wahl des entfernteren Ausbildungsortes seien aber nicht zu berücksichtigen. Dass die Klägerin diese Ausbildung nur als Zwischenschritt für einen höherwertigen Abschluss anstrebe, führe ebenfalls nicht dazu, dass die Beklagte die Ausbildung in B.-B. mit höheren Leistungen fördern müsse. Für den Anspruch sei allein die konkrete, nach den Vorschriften des BBiG in sich abgeschlossene Ausbildung maßgeblich. Soweit sich die Klägerin auf den Zweck des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III berufe, die Mobilität der Auszubildenden zu fördern, verkenne sie, dass ein finanzieller Anreiz für die Wahl eines vom Wohnort der Eltern entfernten Ausbildungsortes nur für die Fälle geschaffen werden sollte, in denen am Heimatort keine geeignete Ausbildung möglich gewesen und deshalb wegen der örtlichen Bindung überhaupt unterblieben wäre. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Auch der Vortrag, sie habe den Ausbildungsort ausgesucht, als eine Bedürftigkeit noch nicht absehbar gewesen sei und ein Wechsel des Ausbildungsortes während der laufenden Ausbildung sei ihr nicht zumutbar gewesen, führe ebenfalls nicht zu einem Anspruch auf höhere BAB. Abgesehen davon, dass die von der Klägerin vertretene Auslegung der gesetzlichen Vorschriften dazu führte, dass durch Verlegung des Antrags auf die Zeit nach Beginn der Ausbildung ohne weiteres das Tatbestandsmerkmal der erforderlichen auswärtigen Unterbringung ausgehebelt würde, fehle es auch nach Beginn der Ausbildung weiterhin an der erforderlichen Kausalität zwischen der Wahl des Ausbildungsortes und der Arbeitsmarktsituation am Wohnort. Eine Verletzung von Grundrechten sehe das Gericht hierin nicht.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 29. Juni 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. Juli 2010 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie macht weiterhin geltend, Anspruch auf die erhöhten Freibeträge nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III zu haben. Die Klägerin habe sehr wohl aus arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitischen Gründen den Umkreis von B. verlassen, denn eine Ausbildung zur Hotelfachfrau mit den zusätzlichen Qualifikationen und der besonderen Qualität der Ausbildung habe nur in B.-B. durchgeführt werden können. Es werde auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Klägerin diese Entscheidung unter ganz anderen Umständen getroffen habe. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufsausbildung sei sie noch nicht bedürftig gewesen und habe das Entstehen einer Bedürftigkeit auch nicht absehen können. Der Klägerin könne nicht angelastet werden, dass sie eine auswärtige Ausbildung angestrebt habe. Es müsse Beachtung finden, dass die Klägerin zum Eintrittszeitpunkt der Bedürftigkeit ihren Lebensmittelpunkt bereits in B.-B. gehabt habe. Hierdurch werde auch nicht das Tatbestandsmerkmal der erforderlichen auswärtigen Unterbringung ausgehebelt. Ein Ausbildungswechsel oder Ausbildungsortswechsel seien weder verhältnismäßig noch zumutbar. Im übrigen würden Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Juni 2010 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 24. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2008 und des Änderungsbescheids vom 13. Juni 2008 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 1. November 2007 bis 19. Juli 2009 Berufsausbildungsbeihilfe unter Berücksichtigung einer erforderlichen auswärtigen Unterbringung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist das Urteil des SG nicht zu beanstanden. Der Berufsausbildungsvertrag weise keine besondere Ausbildungsform in der von der Klägerin eingesprochenen "Spezialisierung" nach. Es sei keine Zukunftsbetrachtung hinsichtlich weiterer Weiterbildungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, da es um die Erstausbildung gehe. Die Berufswahlfreiheit bedeute nicht, dass die Beklagte jegliche Ausbildung an jeglichem Ort der Bundesrepublik speziell zu unterstützen habe. Die Erforderlichkeitsprüfung sei eine Arbeitsmarktprüfung. Laut der Arbeitsagentur B. seien zum Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns ausreichend Ausbildungsstellen als Hotelfachfrau gemeldet gewesen. Hierauf komme es an. Eine Vergleichsberechnung mit BAföG-Vorschriften sähen die BAB-Vorschriften nicht vor. Verglichen werden könnten nur gleiche Sachverhalte. Die Klägerin sei keine Studentin, sondern Auszubildende.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG), da Leistungen für die Dauer von mehr als einem Jahr streitig sind (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn über die bereits vom SG zugesprochenen Aufwendungen für Familienheimfahrten hinaus hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung höherer BAB.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen zutreffend dargestellt und ausführlich und überzeugend unter Zitierung der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung begründet, warum die Klägerin keinen Anspruch auf Berücksichtigung höherer Freibeträge nach § 71 Abs. 2 Nr. 3 SGB III hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher die Berufung aus den überzeugenden Gründen des angefochtenen Urteils zurückgewiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Klarstellend weist der Senat zunächst noch darauf hin, dass es vorliegend nicht um weitere Freibeträge von 510,- EUR monatlich geht, denn Einkommen der Eltern wurde ohnehin nicht angerechnet. Somit geht es hier allein darum, ob von der Ausbildungsvergütung monatlich weitere 52,- EUR bzw. ab 1. August 2008 weitere 56,- EUR anrechnungsfrei bleiben. Die aus der Widerspruchsbegründung der Klägerin zu entnehmende Vorstellung, ihre gesamte Ausbildungsvergütung müsse durch den höheren Freibetrag von weiteren 510,- EUR bzw. 550,- EUR anrechnungsfrei bleiben, trifft somit schon von vornherein nicht zu.
In der Sache spielt es für die Frage der Erforderlichkeit der auswärtigen Unterbringung keine Rolle, ob die Hilfebedürftigkeit im Sinne der BAB-Vorschriften bereits zu Beginn der Ausbildung vorliegt oder erst später eintritt. Nach der gesetzlichen Regelung kommt es allein darauf an, ob die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern möglich ist. Dies war hier jedoch zu keinem Zeitpunkt der Fall. Eine Ausbildung zur Hotelfachfrau war in B. und Umgebung ohne weiteres und zu jeder Zeit möglich. Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, kommt es auf die speziellen Wünsche der Klägerin hinsichtlich der für ihre Karriereplanung bestmöglichen Ausbildung nicht an. Entscheidend ist allein, ob ein entsprechender nach dem BBiG vorgesehener Berufsabschluss auch in B. erreicht werden kann. Daran bestehen hinsichtlich der vorliegend streitigen Ausbildung zur Hotelfachfrau keinerlei Zweifel.
Eine Grundrechtsbetroffenheit der Klägerin ist durch die Ablehnung einer höheren Förderung nicht ersichtlich. Die Berufswahlfreiheit des Art. 12 GG ist in erster Linie ein Abwehrrecht, aus ihr folgt - auch in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot kein einklagbarer Anspruch auf staatliche Finanzierung der Ausbildung (vgl. BSG SozR 3-4100 § 56 Nr. 1 = BSGE 66, 275). Zwar folgt aus Art. 12 GG, dass der Zugang zu einem gewählten Beruf nicht durch das öffentliche Leistungsrecht erschwert oder wirtschaftlich unmöglich gemacht werden darf (vgl. BSG SozR 3-4100 § 56 Nr. 3 = BSGE 69, 128). Dies ist hier indes auch nicht der Fall, denn die von der Klägerin gewählte Ausbildung zur Hotelfachfrau wird dem Grunde nach gefördert. Eine leistungsrechtliche Dimension dahingehend, dass im Einzelfall Mehrkosten für die qualitativ hochwertigste und beste Ausbildung aus den begrenzten Fördermitteln der Bundesagentur getragen werden müssten, kommt Art. 12 GG nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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