L 12 AS 5083/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 5675/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5083/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung höherer Leistungen für die Beschaffung von Heizöl.

Der 1964 geborene Antragsteller Ziff. 1 war bis Juni 2011 selbstständig tätig. Er bewohnt mit Ehefrau (Antragstellerin Ziff. 2) und zwei Töchtern (Antragstellerinnen Ziff. 3 und 4) in dem 275 qm großen Haus mit 8 Zimmern, welches zuvor in seinem Eigentum gestanden hatte und im Rahmen der Zwangsversteigerung von seinen Eltern erworben worden war, das Erdgeschoss mit 135 qm, welches mit Öl beheizt wird. Den Antragstellern wurden auf Antrag vom 7. Juli 2011 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 bewilligt. Mit Bescheid vom gleichen Tag bewilligte der Antragsgegner eine einmalige Beihilfe zum Kauf von Heizöl in Höhe von 648 EUR für sechs Monate. Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch und verwiesen unter Vorlage von Heizölrechnungen auf den von ihnen angegebenen Halbjahresbedarf in Höhe von 1.452,54 EUR, der sich aus dem Verbrauch der letzten zwei Jahre (4.118 Liter pro Jahr) abzüglich der Kosten für die Warmwasserbereitung ergebe. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2011 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück mit der Begründung, dass nach seinen Richtlinien der Betrag von 648 EUR angemessen sei (90qm x 1,20 EUR x 6 Monate).

Am 4. Oktober 2011 haben die Antragsteller zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben (S 14 AS 5677/11) und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Der Antragsteller Ziff. 1 hat sich am 4. August 2011 1.103 Liter Heizöl zu 926,46 EUR liefern lassen.

Mit Beschluss vom 20. Oktober 2011 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setze voraus, dass der Anordnungsanspruch, also die durchzusetzende Rechtsposition und der Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht würden. Vorliegend sei ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Bedarfe für Unterkunft und Heizung würden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen seien. Die tatsächlichen Heizkosten seien als angemessen anzusehen, soweit sie nicht einen Grenzwert überschritten, der unangemessenes Heizen indiziere. Zur Bestimmung dieses Grenzwerts sei der kommunale Heizspiegel, bzw. bei dessen Fehlen der bundesweite Heizspiegel heranzuziehen, wobei als Grenzwert das Produkt aus dem Wert, der auf extrem hohe Heizkosten bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage hindeute (rechte Spalte) und dem Wert, der sich für den Haushalt des Hilfebedürftigen nach den Ausführungsbestimmungen des Landes als abstrakt angemessene Wohnfläche ergebe, zugrunde zu legen sei (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), SozR 4-4200 § 22 Nr. 25). Nach dem hier heranzuziehenden bundesweiten Heizspiegel 2011 stelle bei Gebäuden bis 250 qm bei Ölheizung ein Wert von 19,20 EUR pro qm die Grenze für zu hohe Heizkosten dar. Angesichts der für die 4-köpfige Familie als angemessen anzusehenden Wohnfläche von 90 qm betrage der Grenzwert für die angemessenen Heizkosten demnach 1.728 EUR jährlich, damit 144 EUR monatlich. Die bewilligten 648 EUR reichten danach aus, einen angemessenen Heizölbedarf für 4 ½ Monate sicherzustellen, so dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein ungedeckter Bedarf und damit eine gegenwärtige Notlage nicht vorliege.

Hiergegen richtet sich die am 21. November 2011 eingelegte Beschwerde der Antragsteller. Es seien zumindest derzeit die bislang tatsächlich angefallenen Kosten zu übernehmen, da ein vorheriger Leistungsbezug nicht vorliege. Es bleibe dem Antragsgegner unbenommen, einen Kostensenkungsbescheid zu erlassen. Es sei dem SG verwehrt, hier fiktiv von einer angemessenen Wohnfläche der Antragsteller von 90 qm auszugehen, da nicht nur die höhere Miete in den anfänglichen 6 Monaten des Leistungsbezugs zu bezahlen sei, sondern auch die entsprechenden Nebenkosten und Heizkosten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg.

Der Senat hat das Rubrum von Amts wegen berichtigt und auch die Antragsteller Ziff. 2 bis 4 aufgenommen. Zwar hat das SG allein den Antragsteller Ziff. 1 im Rubrum aufgeführt, in der Sache hat es jedoch über Ansprüche sämtlicher Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entschieden und nicht nur anteilig bezüglich des Antragstellers Ziff. 1. Es ist daher nicht nur davon auszugehen, dass der Antragsteller Ziff. 1, der in erster Instanz nicht anwaltlich vertreten war, Rechtsschutz für seine ganze Familie beantragen wollte, sondern auch der Beschluss des SG ist entsprechend auszulegen.

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, jedoch unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).

Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht, nachdem die Antragsteller Leistungen nach dem SGB II begehren. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch unbegründet. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen um so niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9.Aufl. 2008, § 86b Rdnr. 42). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - FEVS 57, 72 und 164). Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB II geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und nicht rückwirkend zu bewilligen ist, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist.

Der Senat geht wie das SG davon aus, dass jedenfalls der erforderliche Anordnungsgrund, mithin die Eilbedürftigkeit, fehlt. Im August 2011 und damit vor Stellung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz hat der Antragsteller Ziff. 1 bereits Heizöl beschafft (1.103 Liter zu 926,46 EUR) und auch bezahlt. Der aktuelle Heizbedarf ist damit gedeckt. Die Klärung, in welcher Höhe den Antragstellern tatsächlich die einmalige Beihilfe für Heizung zusteht, kann damit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Insoweit wird dann auch die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu berücksichtigen sein. Da die vorliegende Bewilligung den Zeitraum Juli bis Dezember 2011 umfasst, können die Antragsteller zudem erneut eine einmalige Beihilfe für den Folgezeitraum beim Antragsgegner beantragen, sofern weiterhin Hilfebedürftigkeit besteht. Es spricht nichts dafür, dass der Antragsgegner bei fortdauernder Hilfebedürftigkeit entsprechende Leistungen verweigern würde. Derzeit besteht nach alledem kein Bedarf für eine vorläufige Regelung im Eilverfahren.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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