Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 401/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4904/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Übernahme von Kosten für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung gem. § 27a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Der (1969 geborene) Kläger ist als Mitglied der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Seine (1975 geborene) Ehefrau ist (als Beihilfeberechtigte ergänzend) privat krankenversichert. Die Ehe blieb aufgrund Azoospermie des Klägers ungewollt kinderlos. Dem Kläger und seiner Ehefrau wurde deswegen eine Maßnahme zur künstlichen Befruchtung angeraten. Dabei wird im Rahmen der ICSI-Behandlung (Introcytoplasmatische Spermieninjektion) eine Samenzelle im Labor unter dem Mikroskop in eine hohle Glasnadel aufgesogen und sodann in eine Eizelle injiziert.
Am 1.4.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die Kosten einer ICSI-Behandlung nach Maßgabe des § 27a SGB V zu übernehmen. Er legte einen Behandlungsplan und Arztatteste vor und gab an, die private Krankenversicherung seiner Ehefrau und die Beihilfestelle gewähre keine Kostenerstattung. In der Bescheinigung des Kinderwunschzentrums H. vom 7.10.2008 ist ausgeführt, es liege primäre Sterilität aufgrund hochgradiger andrologischer Subfertilität vor. Die ICSI-Behandlung sei für den Kläger und seine Ehefrau die einzige Möglichkeit, ein Kind zu bekommen. In einer weiteren Bescheinigung des Kinderwunschzentrums H. vom gleichen Tag heißt es, die Chancen für die Ehefrau des Klägers, mittels ICSI schwanger zu werden, seien ideal. Eine Unterrichtung über die ICSI-Behandlung unter Berücksichtigung der medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte, der Nebenwirkungen, Chancen und Risiken hat bei der Frauenärztin Dr. F.-L. am 10.3. und 16.6.2008 und am 9.2.2009 stattgefunden (Bescheinigung vom 13.2.2009).
Mit Bescheid vom 20.5.2009 entschied die Beklagte, die Kosten der ICSI-Maßnahmen am Körper des Klägers zu 50 % zu übernehmen. Die Übernahme der Kosten für ICSI-Maßnahmen am Körper seiner Ehefrau lehnte sie ab. Gem. § 27a SGB V trage die gesetzliche Krankenversicherung nur die Kosten für ICSI-Maßnahmen bei ihren Mitgliedern.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, die einzelnen ICSI-Maßnahmen seien Teil einer einheitlichen Behandlung, weswegen die Beklagte die Hälfte der Kosten aller im Behandlungsplan vorgesehenen Maßnahmen, auch derjenigen am Körper seiner Ehefrau, tragen müsse. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 3.3.2004, - IV ZR 25/03 -) habe die private Krankenversicherung eines zeugungsunfähigen Mannes auch die Kosten für ICSI-Maßnahmen am Körper seiner (anderweit, etwa gesetzlich versicherten) Ehefrau zu übernehmen, weil diese Maßnahmen notwendiger Bestandteil einer auf das Krankheitsbild des Ehemannes abgestimmten Gesamtbehandlung (zur Linderung der Krankheit "Sterilität") seien. Die Gewährung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung knüpfe nicht an den regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand des versicherten Ehegatten, sondern an die Unfruchtbarkeit des Ehepaares an (BSG, Urt. v. 3.4.2001, - B 1 KR 40/00 -). Sei nur ein Ehegatte gesetzlich versichert und erhalte der andere Ehegatte für ICSI-Maßnahmen Kostenerstattung weder von der (durch das Verursacherprinzip geprägten) privaten Krankenversicherung noch im Wege der (beamtenrechtlichen) Beihilfe oder Heilfürsorge, dürfe die Krankenkasse ihrem Mitglied grundsätzlich nicht entgegenhalten, die Kosten der In-vitro-Fertilisation und der Spermieninjektion müssten von der Versicherung des anderen Ehegatten getragen werden. Nach der Konzeption des § 27a SGB V habe jeder Ehegatte gegen seine Krankenkasse einen Anspruch auf Gewährung aller zur Herbeiführung einer Schwangerschaft notwendigen Maßnahmen. Andernfalls wären bei den in der Praxis dominierenden Verfahren der extrakorporalen Befruchtung die wesentlichen Teile der Behandlung von der Leistungspflicht ausgenommen, weil sie sich keinem Ehegatten zuordnen ließen. Ein teilweiser Leistungsausschluss dieser Art sei mit § 27a SGB V nicht beabsichtigt (BSG, Urt. v. 3.4.2001, - B 1 KR 22/00 R -). Deswegen müssten die Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auch in der gesetzlichen Krankenversicherung als Einheit behandelt werden.
Mit (Teilabhilfe)Bescheid vom 13.10.2009 entschied die Beklagte, die Kosten für extrakorporale Maßnahmen dreier Behandlungsversuche einschließlich der Kosten für extrakorporale Maßnahmen hinsichtlich der Ehefrau des Klägers zur Hälfte zu übernehmen. Die Kostenübernahme für Maßnahmen am oder im Körper der Ehefrau des Klägers wurde (wiederum) abgelehnt; dagegen legte der Kläger (erneut) Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.1.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Rechtsprechung der Zivilgerichte, namentlich des BGH, betreffe die private Krankenversicherung und sei für die Anwendung des § 27a SGB V nicht von Belang. Nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte (vgl. etwa BSG, Urt. v. 3.4.2001, - B 1 KR 17/00 R -; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.10.2006, - L 9 KR 122/03 -) müsse die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten von ICSI-Maßnahmen am Körper einer privat krankenversicherten Ehefrau nicht übernehmen.
Am 2.2.2010 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Er trug ergänzend vor, die Rechtsprechung des BGH zur privaten Krankenversicherung sei auch für die gesetzliche Krankenversicherung maßgeblich. Aus Gründen der Gleichbehandlung mit Paaren, bei denen beide Ehepartner gesetzlich krankenversichert seien, müsse die Krankenkasse auch Kosten der ICSI-Maßnahmen bei der privat versicherten Ehefrau eines gesetzlich Versicherten (zeugungsunfähigen) Mannes übernehmen, wenn die private Krankenversicherung Zahlungen unter Berufung auf das (im privaten Krankenversicherungsrecht anzuwendende) Verursacherprinzip ablehne. Eine Auslegung des § 27a SGB V, die in Fallgestaltungen der vorliegenden Art zum Ausschluss der Kostenübernahme für privat versicherte Ehepartner führe, verstoße gegen den Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 GG, die freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG, das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG und sei daher verfassungswidrig.
In der Zeit vom 23.2.2010 bis 30.6.2010 und vom 22.6.2010 bis 14.9.2010 fanden zwei Behandlungsversuche statt. Dafür entstanden dem Kläger für Behandlungsmaßnahmen am bzw. im Körper seiner Ehefrau Aufwendungen von 3.217,42 EUR bzw. 3.117,09 EUR, die von der Beklagten nicht erstattet wurden.
Mit Urteil vom 15.7.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten von ISCI-Maßnahmen bei seiner Ehefrau. Nach näherer Maßgabe des § 27a SGB V gehörten zu den Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Gem. § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V übernehme die Krankenkasse 50 v. H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt würden. Die medizinischen Voraussetzungen des § 27a SGB V seien unstreitig erfüllt; deswegen habe die Beklagte die beim Kläger anfallenden Kosten für ISCI-Maßnahmen auch in gesetzlicher Höhe übernommen.
Die Krankenkasse müsse allerdings nicht nur Kosten für Untersuchungen oder Eingriffe unmittelbar am Körper ihres Versicherten übernehmen. Der Versicherungsfall des § 27a SGB V bestehe nicht in einer Krankheit, sondern in der Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen, und der Notwendigkeit der künstlichen Befruchtung. Der Gesetzgeber habe die am gesunden Partner notwendig vorzunehmenden medizinischen Maßnahmen nicht von der Leistungspflicht der Krankenversicherung ausnehmen wollen. Bei ungewollter Kinderlosigkeit habe daher grundsätzlich jeder Ehegatte gegen seine Krankenkasse einen Anspruch auf anteilige Übernahme der Kosten für alle zur Herbeiführung einer Schwangerschaft notwendigen Maßnahmen. Der gesetzlich versicherte Ehemann könne deswegen im Grundsatz eine Kostenbeteiligung der Krankenkasse an allen zur extrakorporalen Befruchtung notwendigen medizinischen Leistungen verlangen (BSG, Urt. v. 3.4.2001, - B 1 KR 22/00 R -). Die Krankenkasse sei gegenüber ihrem Versicherten aber nicht leistungspflichtig für Maßnahmen, die unmittelbar und ausschließlich am Körper des (nicht bei ihr versicherten) Ehegatten ausgeführt würden. Es sei dann ggf. Sache des Ehegatten, bei seiner privaten Krankenversicherung oder bei der Beihilfestelle einen Anspruch auf Kostenerstattung für die unmittelbar und ausschließlich seinen Körper betreffenden Behandlungsmaßnahmen geltend zu machen. Das BSG habe bewusst in Kauf genommen, dass die Ehegatten in Fallgestaltungen der vorliegenden Art angesichts der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urt. v. 3.3.2004, - IV ZR 25/03 -) die Kosten für Maßnahmen unmittelbar und ausschließlich am Körper der privat versicherten Ehefrau selbst tragen müssten (vgl. BSG, Urt. v. 17.6.2008, - B 1 KR 24/07 R -).
Gem. § 27a SGB V solle die gesetzliche Krankenversicherung Leistungen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung am und im eigenen Körper des gesetzlich Versicherten sowie für extrakorporale Maßnahmen gewähren. Es sei aber nicht ihre Aufgabe, Leistungsausschlüsse privater Krankenversicherungsverträge auszugleichen und zu diesem Zweck die Kosten für Behandlungen am oder im Körper privat Krankenversicherter zu übernehmen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.10.2006, - L 9 KR 122/03 -). Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden dagegen nicht. Wegen der (System-)Unterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung sei der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Der Gesetzgeber dürfe die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung regeln und habe dafür ein weites gesetzgeberisches Ermessen (BVerfGE 18,38,45 f.; 18,257,265 ff.; 18,366). Er dürfe auch unterschiedliche Leistungssysteme errichten, in denen sich der Gleichheitssatz gemäß den Eigenarten der Systeme unterschiedlich auswirke (BSGE 38,149,150; 41,157,158; 47,259,260 f.). Davon abgesehen stelle es einen wesentlichen Grundsatz der gesetzlichen Krankenversicherung dar, dass die Krankenkasse nur Leistungen für die bei ihr Versicherten innerhalb des mit diesen bestehenden Versicherungsverhältnisses zu erbringen habe, nicht aber für an dem Versicherungsverhältnis nicht beteiligte Dritte (BSG, Beschl. v. 18.9.2008, - B 3 KR 5/08 B -). Aus dem Grundrecht des Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) und dem Sozialstaatsprinzip folge keine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern. Das BVerfG habe im Beschluss vom 27.2.2009 (- 1 BvR 2982/07 -) außerdem die Pflicht der Gerichte zu größter Zurückhaltung bei der Postulierung zusätzlicher Leistungsansprüche gegen die Krankenkassen betont, vor allem, wenn die Leistungen aus Beiträgen der Versichertengemeinschaft finanziert würden. Die Gewährung von Leistungen bei künstlicher Befruchtung, die nicht medizinisch für eine Therapie notwendig seien, sondern Wünsche des Versicherten für seine individuelle Lebensgestaltung beträfen, liege im weiten Gestaltungsermessen des Gesetzgebers. Dieser habe sich in § 27a SGB V für eine (bloße) Teilförderung entscheiden dürfen.
Auf das ihm am 20.9.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.10.2010 Berufung eingelegt. Er trägt ergänzend vor, das Sozialgericht habe verkannt, dass es sich bei den Maßnahmen der künstlichen Befruchtung um einen einheitlichen Vorgang handele. § 27a SGB V gebiete die Unterscheidung zwischen Maßnahmen am bzw. im Körper des Versicherten und Maßnahmen am bzw. im Körper des Ehepartners nicht. Die Verpflichtung der Beklagten zur hälftigen Kostentragung folge aus der notwendigen Gesamtbetrachtung des Vorgangs einer künstlichen Befruchtung. Die Rechtsprechung des BGH gehe ebenfalls von einer einheitlichen Behandlung aus (BGH, Urt. v. 3.3.2004, - IV ZR 25/03 -). Der Versicherungsfall bestehe nicht in der Krankheit eines Ehepartners, sondern in der gemeinsamen Unfruchtbarkeit des Paares. § 27a SGB V müsse im Übrigen verfassungskonform ausgelegt werden. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG seien folgende Vergleichsgruppen zu bilden: gesetzlich versicherter zeugungsunfähiger Mann/privat versicherte Frau, Mann und Frau gesetzlich versichert und privat versicherter zeugungsunfähiger Mann/ gesetzlich versicherte Frau. Während die Beklagte nach der Rechtsauffassung des Sozialgerichts in seinem Fall nur einen Bruchteil der Gesamtkosten übernehmen müsste, weil sie die Kostenübernahme für Maßnahmen am Körper seiner Ehefrau verweigern dürfe, bestehe in der Fallgestaltung des privat versicherten zeugungsunfähigen Mannes nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung eine vollständige Kostentragungspflicht der privaten Krankenversicherung auch für die am Körper der gesunden Ehefrau erforderlichen Maßnahmen (BGH, Urt. v. 3.3.2004, - IV ZR 25/03 -). Wenn beide Ehegatten gesetzlich versichert seien, würden die Kosten ebenfalls vollständig übernommen (vgl. BSG, Urt. v. 22.3.2005, - B 1 KR 11/03 R -). Diese Ungleichbehandlung sei auch im Hinblick auf Systemunterschiede zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung nicht gerechtfertigt. Außerdem müssten der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG und die daraus folgende Förderungspflicht des Staates berücksichtigt werden; ggf. werde angeregt, das Verfahren auszusetzen und gem. Art. 100 GG dem BVerfG vorzulegen. Eine Entscheidung des BSG zu der hier vorliegenden Fallgestaltung sei noch nicht ergangen; beabsichtigt sei, den Rechtsweg (bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung) auszuschöpfen. Der Kläger hat abschließend eine Aufstellung über die bei den ersten beiden Versuchen zwischen dem 23.2.2010 und dem 14.9 2010 angefallenen Kosten vorgelegt und Kopien der dazugehörenden Rechnungen für ärztliche Behandlungen und Medikamente beigefügt.
Der Kläger beantragt.
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20.5.2009 in der Gestalt des (Teilabhilfe-)Bescheids vom 13.10.2009 und des Widerspruchsbescheids vom 22.1.2010 zu verurteilen, die Hälfte der Kosten aller Behandlungsmaßnahmen einschließlich der Behandlungsmaßnahmen am oder im Körper seiner Ehefrau, die für die Durchführung einer künstlichen Befruchtung notwendig sind, für maximal drei Behandlungsversuche zu übernehmen bzw. ihm die für solche Behandlungsmaßnahmen am oder im Körper seiner Ehefrau in der Zeit vom 23.2.2010 bis 30.6.2010 (Versuch 1) und vom 22.6.2010 bis 14.9.2010 (Versuch 2) bereits entstandenen Kosten in Höhe von 3.217,42 EUR bzw. 3.117,09 EUR jeweils zur Hälfte zu erstatten,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, die verfassungsrechtlichen Einwendungen des Klägers seien nicht berechtigt (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 6.12.2007, - L 16 KR 132/07 -; auch LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.10.2006, - L 9 KR 122/03 -).
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
I. Die Berufung des Klägers ist gem. § 143 SGG statthaft. Sie bedarf nicht der Zulassung nach Maßgabe des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Schon mit der begehrten Erstattung von Kosten in Höhe von 1.698,71 EUR bzw. 1.558,54 EUR für bereits durchgeführte Behandlungsmaßnahmen ist der Beschwerdewert ohne Weiteres überschritten.
Die Berufung ist auch im Übrigen gem. § 151 SGG zulässig.
II. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen Anspruch auf hälftige Erstattung der für die ersten beiden Versuche bereits angefallenen Kosten für medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft am bzw. im Körper seiner privat krankenversicherten Ehefrau bzw. auf Übernahme der Hälfte dieser Kosten für eine zukünftige weitere solche Maßnahme.
1.) Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V besteht Anspruch auf Erstattung der Kosten für vom Versicherten selbst beschaffte Leistungen, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der nach dieser Vorschrift in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht jedoch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG 79,125,126 oder BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R -). Um eine unaufschiebbare (notfallmäßige) Behandlung geht es hier nicht. Der Anspruch scheitert aber daran, dass die Krankenkasse für die durch die Behandlung am bzw. im Körper seiner Ehefrau entstandenen Kosten nicht aufkommen muss.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 27a SGB V. Danach umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn (1.) diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind, (2.) nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird, was nicht mehr der Fall ist, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist, (3.) die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind, (4.) ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und (5.) sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a erteilt worden ist (Abs. 1). Das gilt auch für Inseminationen, die nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden und bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht. Bei anderen Inseminationen ist Absatz 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz und Nr. 5 nicht anzuwenden (Abs. 2). Der Anspruch auf Sachleistungen nach § 27a Abs. 1 SGB V besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen. Die Krankenkasse übernimmt 50 v. H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden (Abs. 3). Ergänzende Bestimmungen hierzu hat der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien über künstliche Befruchtung v. 4.8.1990 (Bundesarbeitsblatt 1990 Nr. 12, zuletzt geändert am 21.7.2011, BAnz 2011 Nr. 153, S. 3493) erlassen.
Das BSG hat sich mit Auslegung und Anwendung des § 27a SGB mehrfach befasst. So hat es (etwa) im Urteil vom 17.6.2008 (- B 1 KR 24/07 R -) entschieden, dass der Anspruch aus § 27a SGB V alle Maßnahmen umfasst, die bei dem Versicherten, also unmittelbar an oder in seinem Körper, erforderlich sind, und der Versicherte unabhängig davon, bei welchem Ehegatten die Unfruchtbarkeit vorliegt, außerdem einen Anspruch auf extrakorporale Behandlungsmaßnahmen hat. Das sind Maßnahmen, die nicht unmittelbar bei dem Versicherten selbst oder bei seinem Ehegatten, d. h. unmittelbar an bzw. in dessen Körper durchzuführen sind; in diesen "Zwischenbereich" fallen die ICSI-Maßnahmen (im eigentlichen Sinn). Die Krankenkasse ist gegenüber ihrem Versicherten hingegen nicht leistungspflichtig für Maßnahmen, die unmittelbar und ausschließlich am Körper des (nicht bei ihr versicherten) Ehegatten ihres Versicherten ausgeführt werden. Es ist dann ggf. Sache des Ehegatten, bei seiner eigenen Krankenkasse, privaten Versicherung oder Beihilfestelle die unmittelbar und ausschließlich seinen Körper betreffende Behandlung zur künstlichen Befruchtung geltend zu machen (so BSG, a. a. O.).
Das BSG hat diese Rechtsprechung im Beschluss vom 18.9.2008 (- B 3 KR 5/08 B -) – und zuletzt erneut im Urteil vom 21.6.2011 (- B 1 KR 18/10 R -) - bestätigt. Im genannten Beschluss vom 18.9.2008 ist ausgeführt, dass die Rechtsfrage, ob die Krankenkasse des an einer Fruchtbarkeitsstörung leidenden Versicherten auch die Kosten für die am Körper der Ehefrau durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zu übernehmen hat, wenn diese privat versichert ist und ihr Versicherungsvertrag für diesen Fall keinen Versicherungsschutz bietet, keine grundsätzliche Bedeutung mehr hat, nachdem sie durch Urteil vom 17.6.2008 (- B 1 KR 24/07 R -; vgl. auch BSG, Urt. v. 3.1.2001, - B 1 KR 22/00 R – und – B 1 KR 40/00 R -; Urt. v. 22.3.2005, - B 1 KR 11/03 R -) geklärt worden ist. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG gewährt die Regelung des § 27a SGB V einem Versicherten keinen auch die Behandlungsmaßnahmen beim Partner umfassenden Leistungsanspruch, wenn der Partner privat krankenversichert ist und sein Versicherungsvertrag für diesen Fall keine Leistungen vorsieht. Darin liegt – so ebenfalls BSG, Beschl. v. 18.9.2008 (a. a. O.) - keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung mit Eheleuten, die beide gesetzlich krankenversichert sind und bei denen deshalb die beteiligten Krankenkassen letztlich die Kosten für beide Partner zu übernehmen haben. Das beruht nicht auf einer mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Auslegung des Gesetzes, sondern auf einem Defizit im Versicherungsverhältnis der privat versicherten Ehefrau des gesetzlich Versicherten, das auch nicht auf eine Anordnung des Gesetzgebers (z. B. im Versicherungsvertragsgesetz), sondern auf eine vertragliche Vereinbarung der Ehefrau mit dem privaten Krankenversicherungsunternehmen über den Umfang ihres Versicherungsschutzes zurückgeht. Dass eine Krankenkasse grundsätzlich nur Leistungen für den bei ihr Versicherten innerhalb des mit ihm bestehenden Versicherungsverhältnisses zu erbringen hat (§ 4 Abs. 2 SGB I, §§ 1, 2 und 19 SGB V), nicht aber für an dem Versicherungsverhältnis nicht beteiligte Dritte, stellt im Übrigen einen wesentlichen Grundsatz der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland dar. Die alle Maßnahmen umfassende Übernahme der Kosten nach § 27a SGB V für ein gesetzlich krankenversichertes Ehepaar ist Ausdruck dieses Grundsatzes, weil es um zwei sich ergänzende Leistungsansprüche der Ehepartner aus zwei getrennten Versicherungsverhältnissen geht (so BSG, Beschl. v. 18.9.2008, a. a. O.).
Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des BSG an (vgl. auch LSG Thüringen, Urt. v. 29.5.2007, - L 6 KR 756/03 –, oder LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.6.2009, - L 9 KR 21/06 -). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht, weswegen auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 27a SGB V nicht veranlasst ist. Auch Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) gebietet nicht, dass die gesetzliche Krankenversicherung für Kosten von ISCI-Maßnahmen am bzw. im Körper der privat krankenversicherten Ehefrau eines gesetzlich Versicherten aufkommen muss. Ein Leistungsanspruch dieser Art ist weder aus dem Grundrecht selbst ableitbar (dazu auch Senatsurteil v. 14.2.2007, - L 5 KR 973/06 –) noch von Verfassungs wegen gesetzlich vorzusehen. Entsprechendes gilt für das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG - vgl. BSG, Urt. v. 3.3.2009, - B 1 KR 12/08 R -; BVerfG Urt. v. 28.2.2007, - 1 BvL 5/03 -). Dass die Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a SGB V insgesamt eine (medizinische) Einheit bilden, ändert daran nichts. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte (insbesondere BGH, Urt. v. Urt. v. 3.3.2004, - IV ZR 25/03 -) betrifft das Recht der privaten Krankenversicherung, das anderen Strukturprinzipien als das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt; sie ist für die Anwendung des § 27a SGB V nicht maßgeblich.
Davon ausgehend hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf (hälftige) Erstattung der Kosten für ICSI-Maßnahmen am bzw. im Körper seiner Ehefrau.
Die Voraussetzungen des § 27a Abs. 1 SGB V sind erfüllt; hierüber streiten die Beteiligten auch nicht. Die vom Kläger begehrte ISCI-Maßnahme am bzw. im Körper seiner Ehefrau ist nach ärztlicher Feststellung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich und hinreichend aussichtsreich (Bescheinigungen des Kinderwunschzentrums H. vom 7.10.2008). Die Unterrichtung nach § 27a Abs. 1 Nr. 5 SGB V hat bei der Frauenärztin Dr. F.-L. am 10.3. und 16.6.2008 und am 9.2.2009 stattgefunden (Bescheinigung vom 13.2.2009). Die Beklagte hat dem Kläger die ihm gem. § 27a SGB V zustehenden Leistungen mit dem (Teilabhilfe-)Bescheid vom 13.10.2009 gewährt. Sie übernimmt die hälftigen Kosten der Maßnahmen am und im Körper des Klägers und der extrakorporalen Maßnahmen für 3 Behandlungsversuche. Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nach dem Gesagten aber nicht zu. Der Leistungsanspruch aus § 27a SGB V umfasst die Kosten der ICSI-Maßnahmen am bzw. im Körper seiner privat versicherten Ehefrau nicht; das ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich.
Der Kläger kann die Erstattung der Kosten für am bzw. im Körper seiner Ehefrau in der Zeit vom 23.2.2010 bis 14.9.2010 bereits durchgeführte Behandlungsmaßnahmen nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V nicht beanspruchen, da die Beklagte die Leistung nach dem Gesagten nicht zu Unrecht abgelehnt hat.
2.) Aus den obenstehenden Ausführungen folgt mit identischer Begründung, dass der Kläger gegen die Beklagte aber auch für den noch ausstehenden dritten Versuch keinen Anspruch auf (hälftige) Übernahme der Kosten für ICSI-Maßnahmen am bzw. im Körper seiner Ehefrau hat.
III. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Da die Vorschrift des § 27a SGB V verfassungsgemäß ist, kommt die Aussetzung des Verfahrens und dessen Vorlage an das BVerfG gem. § 100 GG nicht in Betracht.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Rechtsstreit hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), da die maßgeblichen Rechtsfragen in der Rechtsprechung des BSG geklärt sind; hierfür wird auf die Ausführungen unter II. und die dort wiedergegebene Rechtsprechung des BSG (zuletzt Urt. v. 21.6.2011, - B 1 KR 18/10 R -) Bezug genommen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Übernahme von Kosten für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung gem. § 27a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Der (1969 geborene) Kläger ist als Mitglied der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Seine (1975 geborene) Ehefrau ist (als Beihilfeberechtigte ergänzend) privat krankenversichert. Die Ehe blieb aufgrund Azoospermie des Klägers ungewollt kinderlos. Dem Kläger und seiner Ehefrau wurde deswegen eine Maßnahme zur künstlichen Befruchtung angeraten. Dabei wird im Rahmen der ICSI-Behandlung (Introcytoplasmatische Spermieninjektion) eine Samenzelle im Labor unter dem Mikroskop in eine hohle Glasnadel aufgesogen und sodann in eine Eizelle injiziert.
Am 1.4.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die Kosten einer ICSI-Behandlung nach Maßgabe des § 27a SGB V zu übernehmen. Er legte einen Behandlungsplan und Arztatteste vor und gab an, die private Krankenversicherung seiner Ehefrau und die Beihilfestelle gewähre keine Kostenerstattung. In der Bescheinigung des Kinderwunschzentrums H. vom 7.10.2008 ist ausgeführt, es liege primäre Sterilität aufgrund hochgradiger andrologischer Subfertilität vor. Die ICSI-Behandlung sei für den Kläger und seine Ehefrau die einzige Möglichkeit, ein Kind zu bekommen. In einer weiteren Bescheinigung des Kinderwunschzentrums H. vom gleichen Tag heißt es, die Chancen für die Ehefrau des Klägers, mittels ICSI schwanger zu werden, seien ideal. Eine Unterrichtung über die ICSI-Behandlung unter Berücksichtigung der medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte, der Nebenwirkungen, Chancen und Risiken hat bei der Frauenärztin Dr. F.-L. am 10.3. und 16.6.2008 und am 9.2.2009 stattgefunden (Bescheinigung vom 13.2.2009).
Mit Bescheid vom 20.5.2009 entschied die Beklagte, die Kosten der ICSI-Maßnahmen am Körper des Klägers zu 50 % zu übernehmen. Die Übernahme der Kosten für ICSI-Maßnahmen am Körper seiner Ehefrau lehnte sie ab. Gem. § 27a SGB V trage die gesetzliche Krankenversicherung nur die Kosten für ICSI-Maßnahmen bei ihren Mitgliedern.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, die einzelnen ICSI-Maßnahmen seien Teil einer einheitlichen Behandlung, weswegen die Beklagte die Hälfte der Kosten aller im Behandlungsplan vorgesehenen Maßnahmen, auch derjenigen am Körper seiner Ehefrau, tragen müsse. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 3.3.2004, - IV ZR 25/03 -) habe die private Krankenversicherung eines zeugungsunfähigen Mannes auch die Kosten für ICSI-Maßnahmen am Körper seiner (anderweit, etwa gesetzlich versicherten) Ehefrau zu übernehmen, weil diese Maßnahmen notwendiger Bestandteil einer auf das Krankheitsbild des Ehemannes abgestimmten Gesamtbehandlung (zur Linderung der Krankheit "Sterilität") seien. Die Gewährung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung knüpfe nicht an den regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand des versicherten Ehegatten, sondern an die Unfruchtbarkeit des Ehepaares an (BSG, Urt. v. 3.4.2001, - B 1 KR 40/00 -). Sei nur ein Ehegatte gesetzlich versichert und erhalte der andere Ehegatte für ICSI-Maßnahmen Kostenerstattung weder von der (durch das Verursacherprinzip geprägten) privaten Krankenversicherung noch im Wege der (beamtenrechtlichen) Beihilfe oder Heilfürsorge, dürfe die Krankenkasse ihrem Mitglied grundsätzlich nicht entgegenhalten, die Kosten der In-vitro-Fertilisation und der Spermieninjektion müssten von der Versicherung des anderen Ehegatten getragen werden. Nach der Konzeption des § 27a SGB V habe jeder Ehegatte gegen seine Krankenkasse einen Anspruch auf Gewährung aller zur Herbeiführung einer Schwangerschaft notwendigen Maßnahmen. Andernfalls wären bei den in der Praxis dominierenden Verfahren der extrakorporalen Befruchtung die wesentlichen Teile der Behandlung von der Leistungspflicht ausgenommen, weil sie sich keinem Ehegatten zuordnen ließen. Ein teilweiser Leistungsausschluss dieser Art sei mit § 27a SGB V nicht beabsichtigt (BSG, Urt. v. 3.4.2001, - B 1 KR 22/00 R -). Deswegen müssten die Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auch in der gesetzlichen Krankenversicherung als Einheit behandelt werden.
Mit (Teilabhilfe)Bescheid vom 13.10.2009 entschied die Beklagte, die Kosten für extrakorporale Maßnahmen dreier Behandlungsversuche einschließlich der Kosten für extrakorporale Maßnahmen hinsichtlich der Ehefrau des Klägers zur Hälfte zu übernehmen. Die Kostenübernahme für Maßnahmen am oder im Körper der Ehefrau des Klägers wurde (wiederum) abgelehnt; dagegen legte der Kläger (erneut) Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.1.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Rechtsprechung der Zivilgerichte, namentlich des BGH, betreffe die private Krankenversicherung und sei für die Anwendung des § 27a SGB V nicht von Belang. Nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte (vgl. etwa BSG, Urt. v. 3.4.2001, - B 1 KR 17/00 R -; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.10.2006, - L 9 KR 122/03 -) müsse die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten von ICSI-Maßnahmen am Körper einer privat krankenversicherten Ehefrau nicht übernehmen.
Am 2.2.2010 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Er trug ergänzend vor, die Rechtsprechung des BGH zur privaten Krankenversicherung sei auch für die gesetzliche Krankenversicherung maßgeblich. Aus Gründen der Gleichbehandlung mit Paaren, bei denen beide Ehepartner gesetzlich krankenversichert seien, müsse die Krankenkasse auch Kosten der ICSI-Maßnahmen bei der privat versicherten Ehefrau eines gesetzlich Versicherten (zeugungsunfähigen) Mannes übernehmen, wenn die private Krankenversicherung Zahlungen unter Berufung auf das (im privaten Krankenversicherungsrecht anzuwendende) Verursacherprinzip ablehne. Eine Auslegung des § 27a SGB V, die in Fallgestaltungen der vorliegenden Art zum Ausschluss der Kostenübernahme für privat versicherte Ehepartner führe, verstoße gegen den Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 GG, die freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG, das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG und sei daher verfassungswidrig.
In der Zeit vom 23.2.2010 bis 30.6.2010 und vom 22.6.2010 bis 14.9.2010 fanden zwei Behandlungsversuche statt. Dafür entstanden dem Kläger für Behandlungsmaßnahmen am bzw. im Körper seiner Ehefrau Aufwendungen von 3.217,42 EUR bzw. 3.117,09 EUR, die von der Beklagten nicht erstattet wurden.
Mit Urteil vom 15.7.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten von ISCI-Maßnahmen bei seiner Ehefrau. Nach näherer Maßgabe des § 27a SGB V gehörten zu den Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Gem. § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V übernehme die Krankenkasse 50 v. H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt würden. Die medizinischen Voraussetzungen des § 27a SGB V seien unstreitig erfüllt; deswegen habe die Beklagte die beim Kläger anfallenden Kosten für ISCI-Maßnahmen auch in gesetzlicher Höhe übernommen.
Die Krankenkasse müsse allerdings nicht nur Kosten für Untersuchungen oder Eingriffe unmittelbar am Körper ihres Versicherten übernehmen. Der Versicherungsfall des § 27a SGB V bestehe nicht in einer Krankheit, sondern in der Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen, und der Notwendigkeit der künstlichen Befruchtung. Der Gesetzgeber habe die am gesunden Partner notwendig vorzunehmenden medizinischen Maßnahmen nicht von der Leistungspflicht der Krankenversicherung ausnehmen wollen. Bei ungewollter Kinderlosigkeit habe daher grundsätzlich jeder Ehegatte gegen seine Krankenkasse einen Anspruch auf anteilige Übernahme der Kosten für alle zur Herbeiführung einer Schwangerschaft notwendigen Maßnahmen. Der gesetzlich versicherte Ehemann könne deswegen im Grundsatz eine Kostenbeteiligung der Krankenkasse an allen zur extrakorporalen Befruchtung notwendigen medizinischen Leistungen verlangen (BSG, Urt. v. 3.4.2001, - B 1 KR 22/00 R -). Die Krankenkasse sei gegenüber ihrem Versicherten aber nicht leistungspflichtig für Maßnahmen, die unmittelbar und ausschließlich am Körper des (nicht bei ihr versicherten) Ehegatten ausgeführt würden. Es sei dann ggf. Sache des Ehegatten, bei seiner privaten Krankenversicherung oder bei der Beihilfestelle einen Anspruch auf Kostenerstattung für die unmittelbar und ausschließlich seinen Körper betreffenden Behandlungsmaßnahmen geltend zu machen. Das BSG habe bewusst in Kauf genommen, dass die Ehegatten in Fallgestaltungen der vorliegenden Art angesichts der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urt. v. 3.3.2004, - IV ZR 25/03 -) die Kosten für Maßnahmen unmittelbar und ausschließlich am Körper der privat versicherten Ehefrau selbst tragen müssten (vgl. BSG, Urt. v. 17.6.2008, - B 1 KR 24/07 R -).
Gem. § 27a SGB V solle die gesetzliche Krankenversicherung Leistungen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung am und im eigenen Körper des gesetzlich Versicherten sowie für extrakorporale Maßnahmen gewähren. Es sei aber nicht ihre Aufgabe, Leistungsausschlüsse privater Krankenversicherungsverträge auszugleichen und zu diesem Zweck die Kosten für Behandlungen am oder im Körper privat Krankenversicherter zu übernehmen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.10.2006, - L 9 KR 122/03 -). Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden dagegen nicht. Wegen der (System-)Unterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung sei der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Der Gesetzgeber dürfe die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung regeln und habe dafür ein weites gesetzgeberisches Ermessen (BVerfGE 18,38,45 f.; 18,257,265 ff.; 18,366). Er dürfe auch unterschiedliche Leistungssysteme errichten, in denen sich der Gleichheitssatz gemäß den Eigenarten der Systeme unterschiedlich auswirke (BSGE 38,149,150; 41,157,158; 47,259,260 f.). Davon abgesehen stelle es einen wesentlichen Grundsatz der gesetzlichen Krankenversicherung dar, dass die Krankenkasse nur Leistungen für die bei ihr Versicherten innerhalb des mit diesen bestehenden Versicherungsverhältnisses zu erbringen habe, nicht aber für an dem Versicherungsverhältnis nicht beteiligte Dritte (BSG, Beschl. v. 18.9.2008, - B 3 KR 5/08 B -). Aus dem Grundrecht des Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) und dem Sozialstaatsprinzip folge keine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern. Das BVerfG habe im Beschluss vom 27.2.2009 (- 1 BvR 2982/07 -) außerdem die Pflicht der Gerichte zu größter Zurückhaltung bei der Postulierung zusätzlicher Leistungsansprüche gegen die Krankenkassen betont, vor allem, wenn die Leistungen aus Beiträgen der Versichertengemeinschaft finanziert würden. Die Gewährung von Leistungen bei künstlicher Befruchtung, die nicht medizinisch für eine Therapie notwendig seien, sondern Wünsche des Versicherten für seine individuelle Lebensgestaltung beträfen, liege im weiten Gestaltungsermessen des Gesetzgebers. Dieser habe sich in § 27a SGB V für eine (bloße) Teilförderung entscheiden dürfen.
Auf das ihm am 20.9.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.10.2010 Berufung eingelegt. Er trägt ergänzend vor, das Sozialgericht habe verkannt, dass es sich bei den Maßnahmen der künstlichen Befruchtung um einen einheitlichen Vorgang handele. § 27a SGB V gebiete die Unterscheidung zwischen Maßnahmen am bzw. im Körper des Versicherten und Maßnahmen am bzw. im Körper des Ehepartners nicht. Die Verpflichtung der Beklagten zur hälftigen Kostentragung folge aus der notwendigen Gesamtbetrachtung des Vorgangs einer künstlichen Befruchtung. Die Rechtsprechung des BGH gehe ebenfalls von einer einheitlichen Behandlung aus (BGH, Urt. v. 3.3.2004, - IV ZR 25/03 -). Der Versicherungsfall bestehe nicht in der Krankheit eines Ehepartners, sondern in der gemeinsamen Unfruchtbarkeit des Paares. § 27a SGB V müsse im Übrigen verfassungskonform ausgelegt werden. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG seien folgende Vergleichsgruppen zu bilden: gesetzlich versicherter zeugungsunfähiger Mann/privat versicherte Frau, Mann und Frau gesetzlich versichert und privat versicherter zeugungsunfähiger Mann/ gesetzlich versicherte Frau. Während die Beklagte nach der Rechtsauffassung des Sozialgerichts in seinem Fall nur einen Bruchteil der Gesamtkosten übernehmen müsste, weil sie die Kostenübernahme für Maßnahmen am Körper seiner Ehefrau verweigern dürfe, bestehe in der Fallgestaltung des privat versicherten zeugungsunfähigen Mannes nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung eine vollständige Kostentragungspflicht der privaten Krankenversicherung auch für die am Körper der gesunden Ehefrau erforderlichen Maßnahmen (BGH, Urt. v. 3.3.2004, - IV ZR 25/03 -). Wenn beide Ehegatten gesetzlich versichert seien, würden die Kosten ebenfalls vollständig übernommen (vgl. BSG, Urt. v. 22.3.2005, - B 1 KR 11/03 R -). Diese Ungleichbehandlung sei auch im Hinblick auf Systemunterschiede zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung nicht gerechtfertigt. Außerdem müssten der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG und die daraus folgende Förderungspflicht des Staates berücksichtigt werden; ggf. werde angeregt, das Verfahren auszusetzen und gem. Art. 100 GG dem BVerfG vorzulegen. Eine Entscheidung des BSG zu der hier vorliegenden Fallgestaltung sei noch nicht ergangen; beabsichtigt sei, den Rechtsweg (bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung) auszuschöpfen. Der Kläger hat abschließend eine Aufstellung über die bei den ersten beiden Versuchen zwischen dem 23.2.2010 und dem 14.9 2010 angefallenen Kosten vorgelegt und Kopien der dazugehörenden Rechnungen für ärztliche Behandlungen und Medikamente beigefügt.
Der Kläger beantragt.
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.7.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20.5.2009 in der Gestalt des (Teilabhilfe-)Bescheids vom 13.10.2009 und des Widerspruchsbescheids vom 22.1.2010 zu verurteilen, die Hälfte der Kosten aller Behandlungsmaßnahmen einschließlich der Behandlungsmaßnahmen am oder im Körper seiner Ehefrau, die für die Durchführung einer künstlichen Befruchtung notwendig sind, für maximal drei Behandlungsversuche zu übernehmen bzw. ihm die für solche Behandlungsmaßnahmen am oder im Körper seiner Ehefrau in der Zeit vom 23.2.2010 bis 30.6.2010 (Versuch 1) und vom 22.6.2010 bis 14.9.2010 (Versuch 2) bereits entstandenen Kosten in Höhe von 3.217,42 EUR bzw. 3.117,09 EUR jeweils zur Hälfte zu erstatten,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, die verfassungsrechtlichen Einwendungen des Klägers seien nicht berechtigt (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 6.12.2007, - L 16 KR 132/07 -; auch LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.10.2006, - L 9 KR 122/03 -).
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
I. Die Berufung des Klägers ist gem. § 143 SGG statthaft. Sie bedarf nicht der Zulassung nach Maßgabe des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Schon mit der begehrten Erstattung von Kosten in Höhe von 1.698,71 EUR bzw. 1.558,54 EUR für bereits durchgeführte Behandlungsmaßnahmen ist der Beschwerdewert ohne Weiteres überschritten.
Die Berufung ist auch im Übrigen gem. § 151 SGG zulässig.
II. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen Anspruch auf hälftige Erstattung der für die ersten beiden Versuche bereits angefallenen Kosten für medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft am bzw. im Körper seiner privat krankenversicherten Ehefrau bzw. auf Übernahme der Hälfte dieser Kosten für eine zukünftige weitere solche Maßnahme.
1.) Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V besteht Anspruch auf Erstattung der Kosten für vom Versicherten selbst beschaffte Leistungen, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der nach dieser Vorschrift in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht jedoch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG 79,125,126 oder BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R -). Um eine unaufschiebbare (notfallmäßige) Behandlung geht es hier nicht. Der Anspruch scheitert aber daran, dass die Krankenkasse für die durch die Behandlung am bzw. im Körper seiner Ehefrau entstandenen Kosten nicht aufkommen muss.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 27a SGB V. Danach umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn (1.) diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind, (2.) nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird, was nicht mehr der Fall ist, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist, (3.) die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind, (4.) ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und (5.) sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a erteilt worden ist (Abs. 1). Das gilt auch für Inseminationen, die nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden und bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht. Bei anderen Inseminationen ist Absatz 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz und Nr. 5 nicht anzuwenden (Abs. 2). Der Anspruch auf Sachleistungen nach § 27a Abs. 1 SGB V besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen. Die Krankenkasse übernimmt 50 v. H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden (Abs. 3). Ergänzende Bestimmungen hierzu hat der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien über künstliche Befruchtung v. 4.8.1990 (Bundesarbeitsblatt 1990 Nr. 12, zuletzt geändert am 21.7.2011, BAnz 2011 Nr. 153, S. 3493) erlassen.
Das BSG hat sich mit Auslegung und Anwendung des § 27a SGB mehrfach befasst. So hat es (etwa) im Urteil vom 17.6.2008 (- B 1 KR 24/07 R -) entschieden, dass der Anspruch aus § 27a SGB V alle Maßnahmen umfasst, die bei dem Versicherten, also unmittelbar an oder in seinem Körper, erforderlich sind, und der Versicherte unabhängig davon, bei welchem Ehegatten die Unfruchtbarkeit vorliegt, außerdem einen Anspruch auf extrakorporale Behandlungsmaßnahmen hat. Das sind Maßnahmen, die nicht unmittelbar bei dem Versicherten selbst oder bei seinem Ehegatten, d. h. unmittelbar an bzw. in dessen Körper durchzuführen sind; in diesen "Zwischenbereich" fallen die ICSI-Maßnahmen (im eigentlichen Sinn). Die Krankenkasse ist gegenüber ihrem Versicherten hingegen nicht leistungspflichtig für Maßnahmen, die unmittelbar und ausschließlich am Körper des (nicht bei ihr versicherten) Ehegatten ihres Versicherten ausgeführt werden. Es ist dann ggf. Sache des Ehegatten, bei seiner eigenen Krankenkasse, privaten Versicherung oder Beihilfestelle die unmittelbar und ausschließlich seinen Körper betreffende Behandlung zur künstlichen Befruchtung geltend zu machen (so BSG, a. a. O.).
Das BSG hat diese Rechtsprechung im Beschluss vom 18.9.2008 (- B 3 KR 5/08 B -) – und zuletzt erneut im Urteil vom 21.6.2011 (- B 1 KR 18/10 R -) - bestätigt. Im genannten Beschluss vom 18.9.2008 ist ausgeführt, dass die Rechtsfrage, ob die Krankenkasse des an einer Fruchtbarkeitsstörung leidenden Versicherten auch die Kosten für die am Körper der Ehefrau durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zu übernehmen hat, wenn diese privat versichert ist und ihr Versicherungsvertrag für diesen Fall keinen Versicherungsschutz bietet, keine grundsätzliche Bedeutung mehr hat, nachdem sie durch Urteil vom 17.6.2008 (- B 1 KR 24/07 R -; vgl. auch BSG, Urt. v. 3.1.2001, - B 1 KR 22/00 R – und – B 1 KR 40/00 R -; Urt. v. 22.3.2005, - B 1 KR 11/03 R -) geklärt worden ist. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG gewährt die Regelung des § 27a SGB V einem Versicherten keinen auch die Behandlungsmaßnahmen beim Partner umfassenden Leistungsanspruch, wenn der Partner privat krankenversichert ist und sein Versicherungsvertrag für diesen Fall keine Leistungen vorsieht. Darin liegt – so ebenfalls BSG, Beschl. v. 18.9.2008 (a. a. O.) - keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung mit Eheleuten, die beide gesetzlich krankenversichert sind und bei denen deshalb die beteiligten Krankenkassen letztlich die Kosten für beide Partner zu übernehmen haben. Das beruht nicht auf einer mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Auslegung des Gesetzes, sondern auf einem Defizit im Versicherungsverhältnis der privat versicherten Ehefrau des gesetzlich Versicherten, das auch nicht auf eine Anordnung des Gesetzgebers (z. B. im Versicherungsvertragsgesetz), sondern auf eine vertragliche Vereinbarung der Ehefrau mit dem privaten Krankenversicherungsunternehmen über den Umfang ihres Versicherungsschutzes zurückgeht. Dass eine Krankenkasse grundsätzlich nur Leistungen für den bei ihr Versicherten innerhalb des mit ihm bestehenden Versicherungsverhältnisses zu erbringen hat (§ 4 Abs. 2 SGB I, §§ 1, 2 und 19 SGB V), nicht aber für an dem Versicherungsverhältnis nicht beteiligte Dritte, stellt im Übrigen einen wesentlichen Grundsatz der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland dar. Die alle Maßnahmen umfassende Übernahme der Kosten nach § 27a SGB V für ein gesetzlich krankenversichertes Ehepaar ist Ausdruck dieses Grundsatzes, weil es um zwei sich ergänzende Leistungsansprüche der Ehepartner aus zwei getrennten Versicherungsverhältnissen geht (so BSG, Beschl. v. 18.9.2008, a. a. O.).
Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des BSG an (vgl. auch LSG Thüringen, Urt. v. 29.5.2007, - L 6 KR 756/03 –, oder LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.6.2009, - L 9 KR 21/06 -). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht, weswegen auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 27a SGB V nicht veranlasst ist. Auch Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) gebietet nicht, dass die gesetzliche Krankenversicherung für Kosten von ISCI-Maßnahmen am bzw. im Körper der privat krankenversicherten Ehefrau eines gesetzlich Versicherten aufkommen muss. Ein Leistungsanspruch dieser Art ist weder aus dem Grundrecht selbst ableitbar (dazu auch Senatsurteil v. 14.2.2007, - L 5 KR 973/06 –) noch von Verfassungs wegen gesetzlich vorzusehen. Entsprechendes gilt für das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG - vgl. BSG, Urt. v. 3.3.2009, - B 1 KR 12/08 R -; BVerfG Urt. v. 28.2.2007, - 1 BvL 5/03 -). Dass die Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a SGB V insgesamt eine (medizinische) Einheit bilden, ändert daran nichts. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte (insbesondere BGH, Urt. v. Urt. v. 3.3.2004, - IV ZR 25/03 -) betrifft das Recht der privaten Krankenversicherung, das anderen Strukturprinzipien als das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt; sie ist für die Anwendung des § 27a SGB V nicht maßgeblich.
Davon ausgehend hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf (hälftige) Erstattung der Kosten für ICSI-Maßnahmen am bzw. im Körper seiner Ehefrau.
Die Voraussetzungen des § 27a Abs. 1 SGB V sind erfüllt; hierüber streiten die Beteiligten auch nicht. Die vom Kläger begehrte ISCI-Maßnahme am bzw. im Körper seiner Ehefrau ist nach ärztlicher Feststellung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich und hinreichend aussichtsreich (Bescheinigungen des Kinderwunschzentrums H. vom 7.10.2008). Die Unterrichtung nach § 27a Abs. 1 Nr. 5 SGB V hat bei der Frauenärztin Dr. F.-L. am 10.3. und 16.6.2008 und am 9.2.2009 stattgefunden (Bescheinigung vom 13.2.2009). Die Beklagte hat dem Kläger die ihm gem. § 27a SGB V zustehenden Leistungen mit dem (Teilabhilfe-)Bescheid vom 13.10.2009 gewährt. Sie übernimmt die hälftigen Kosten der Maßnahmen am und im Körper des Klägers und der extrakorporalen Maßnahmen für 3 Behandlungsversuche. Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nach dem Gesagten aber nicht zu. Der Leistungsanspruch aus § 27a SGB V umfasst die Kosten der ICSI-Maßnahmen am bzw. im Körper seiner privat versicherten Ehefrau nicht; das ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich.
Der Kläger kann die Erstattung der Kosten für am bzw. im Körper seiner Ehefrau in der Zeit vom 23.2.2010 bis 14.9.2010 bereits durchgeführte Behandlungsmaßnahmen nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V nicht beanspruchen, da die Beklagte die Leistung nach dem Gesagten nicht zu Unrecht abgelehnt hat.
2.) Aus den obenstehenden Ausführungen folgt mit identischer Begründung, dass der Kläger gegen die Beklagte aber auch für den noch ausstehenden dritten Versuch keinen Anspruch auf (hälftige) Übernahme der Kosten für ICSI-Maßnahmen am bzw. im Körper seiner Ehefrau hat.
III. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Da die Vorschrift des § 27a SGB V verfassungsgemäß ist, kommt die Aussetzung des Verfahrens und dessen Vorlage an das BVerfG gem. § 100 GG nicht in Betracht.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Rechtsstreit hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), da die maßgeblichen Rechtsfragen in der Rechtsprechung des BSG geklärt sind; hierfür wird auf die Ausführungen unter II. und die dort wiedergegebene Rechtsprechung des BSG (zuletzt Urt. v. 21.6.2011, - B 1 KR 18/10 R -) Bezug genommen.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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