Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 AL 2475/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 179/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei der Bedürftigkeitsberechnung für die Beraufsausbildungsbeihilfe ist grundsätzlich von den positiven Einkünften auszugehen (§ 21 Abs. 1 S. 1 BAföG). Die Rückausnahme nach § 21 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 BAföG gilt nur für die einkommensteuerrechtlichen Einkünfte im Sinne des § 21 Abs. 1 S. 1 BAföG. Sonstiges Einkommen nach § 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 1-4 BAföG ist ausnahmslos in Höhe der tatsächlichen Beträge zu berücksichtigen.
2. Stellt die Nichtberücksichtigung von Verlusten oder Vorsorgeaufwendungen bei Einkommen nach § 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 1-4 BAföG eine unzumutbare Härte dar, ist das auf Antrag durch weitere Freibeträge nach § 25 Abs. 6 BAföG auszugleichen. Erfolgt die endgültige Festsetzung der Berufsausbildungsbeihilfe erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes, ist der Antrag nach § 25 Abs. 6 BAföG entgegen dem Wortlaut der Vorschrift auch noch rechtzeitig gestellt, wenn er unverzüglich erfolgt, sobald die Härte bei der endgültigen Bewilligung zu erkennen ist (BVerwG, 23.2.2010 - 5 C 2/09). Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kommt bei verspäteter Antragstellung in Betracht, wenn Anhaltspunkte für eine Härte für den Leistungsträger offen zu Tage getreten sind.
2. Stellt die Nichtberücksichtigung von Verlusten oder Vorsorgeaufwendungen bei Einkommen nach § 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 1-4 BAföG eine unzumutbare Härte dar, ist das auf Antrag durch weitere Freibeträge nach § 25 Abs. 6 BAföG auszugleichen. Erfolgt die endgültige Festsetzung der Berufsausbildungsbeihilfe erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes, ist der Antrag nach § 25 Abs. 6 BAföG entgegen dem Wortlaut der Vorschrift auch noch rechtzeitig gestellt, wenn er unverzüglich erfolgt, sobald die Härte bei der endgültigen Bewilligung zu erkennen ist (BVerwG, 23.2.2010 - 5 C 2/09). Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kommt bei verspäteter Antragstellung in Betracht, wenn Anhaltspunkte für eine Härte für den Leistungsträger offen zu Tage getreten sind.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. September 2008 wird zurückgewiesen.
II. Kosten der Berufung sind auch nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der endgültig bewilligten Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und Erstattung der vorläufig überzahlten BAB für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis 31. Juli 2001 in Höhe von insgesamt 2.705,76 EUR (5.292,00 DM).
Für eine Berufsausbildung in D. vom 1. August 2000 bis 31. Juli 2003 beantragte die 1980 geborene und zuvor bei ihren Eltern in C. wohnhafte Klägerin deutscher Staatsangehörigkeit am 4. Juli 2000 BAB. Ihre Kosten der Unterkunft betrugen pauschal 450,00 DM monatlich. Pendelfahrtkosten (Hin- und Rückfahrt) von der auswärtigen Unterkunft hatte sie für vier Fahrten zur Ausbildungsstätte (jeweils 30 km) und eine Fahrt zur Berufsschule (jeweils 120 km) wöchentlich sowie eine Familienheimfahrt (760 km) monatlich.
Mit Bescheid vom 11. September 2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin BAB für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis 16. Juli 2000 in Höhe von 116,00 DM monatlich und für den Zeitraum vom 17. Juli 2001 bis 31. Juli 2001 in Höhe von monatlich 161,00 DM. Der Unterschiedsbetrag ergab sich daraus, dass ab 17. Juli 2001 wegen Vollendung des 21. Lebensjahres der Klägerin ein monatlich um 45,00 DM höherer Bedarf zu berücksichtigen war. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Berechnungsbogen der Beklagten (Bl. 28 BAB-Akte) verwiesen.
Hiergegen legte die Klägerin am 28. September 2000 schriftlich mit der Begründung Widerspruch ein, das zugrunde gelegte Einkommen aus 1998 entspreche nicht den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Ihr Vater sei seit 1. August 1998 arbeitslos und habe aus einer nebenberuflichen selbstständigen Tätigkeit negative Einkünfte erzielt. Ab dem 27. September 2000 wolle der Vater die selbstständige Tätigkeit als Haupttätigkeit fortsetzen. Zugleich stellte sie am selben Tag einen Antrag auf Aktualisierung des Einkommens nach § 71 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 24 Abs. 3 BAföG für das erste Bewilligungsjahr. Einen entsprechenden Aktualisierungsantrag stellte sie am 5. Oktober 2000 auch für ihre Mutter.
Aufgrund der vorgelegten Unterlagen zum gegenwärtigen Einkommen ihrer Eltern änderte die Beklagte mit Bescheid vom 8. November 2000 den BAB-Bewilligungsbescheid vom 11. September 2000 dergestalt ab, dass sie nunmehr für den Zeitraum bis 16. Juli 2001 BAB in Höhe von 1.103,00 DM monatlich und für den Zeitraum ab 17. Juli 2001 in Höhe von 1.148,00 DM monatlich bewilligte. Zur Begründung führte sie aus, die Änderung beruhe auf § 48 SGB X, weil sich das Einkommen der Eltern verringert habe. Ausdrücklich wies die Beklagte in dem Bescheid darauf hin, die Bewilligung erfolge unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Eine endgültige Bewilligung sei derzeit nicht möglich, weil sich das Einkommen der Eltern im Bewilligungszeitraum nicht abschließend feststellen lasse (§ 71 SGB III i.V.m. § 328 SGB III). Die Klägerin werde gebeten, Nachweise vorzulegen, sobald das Einkommen in den Kalenderjahren 2000 und 2001 feststehe. Dabei ging die Beklagte zu Berechnung des Einkommens des Vaters aufgrund des vorgelegten Änderungsbescheids der Beklagten vom 30. August 2000 für den Zeitraum ab 22. Juni 2000 von gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von ca. 29.185,00 DM für das Kalenderjahr 2000 aus. Für das Kalenderjahr 2001 schätzte sie das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit auf 29.000,00 DM. Hinsichtlich des Einkommens der Mutter legte sie deren angegebenes voraussichtliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 33.600,00 DM sowie Kindergeldzahlungen in Höhe von 3.240,00 DM jährlich zu Grunde. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf den Berechnungsbogen der Beklagten (Bl. 45 ff. BAB-Akte) verwiesen.
Auf Aufforderung der Beklagten legte die Klägerin am 21. März 2003 die angeforderten Einkommenssteuerbescheide der Eltern für die Kalenderjahre 2000 und 2001 vor. Den Einkommenssteuerbescheiden für die Klägerin ist der Verlust aus der selbstständigen Tätigkeit für das Kalenderjahr 2000 in Höhe von 4.776,00 DM und für das Folgejahr in Höhe von 7.143,00 DM zu entnehmen. Daneben enthalten sie noch Abzüge für das zu versteuernde Einkommen (Kalenderjahr 2000: Versicherungsbeiträge in Höhe von 4.554,00 DM und Steuerberatungskosten in Höhe von 433,00 DM, sowie Kalenderjahr 2001: Versicherungsbeiträge in Höhe von 2.810,00 DM und Steuerberatungskosten in Höhe von 357,00 DM). Beigefügt war zudem der Leistungsnachweis für an den Vater gezahltes Arbeitslosengeld im Kalenderjahr 2000, der Bewilligungsbescheid der Beklagten für die Zahlung von Überbrückungsgeld an den Vater in Höhe von monatlich 4.185,64 DM für den Zeitraum vom 27. September 2000 bis 26. März 2001, der Leistungsnachweis für gezahltes Arbeitslosengeld in Höhe von 86,09 DM und Arbeitslosenhilfe in Höhe von 16.964,46 DM für das Kalenderjahr 2001. Die Klägerin reichte Bescheide des Finanzamts E. über den verbleibenden Verlustvortrag aus dem Gewerbebetrieb des Vaters aus 2000 und 2001 nach, die den Angaben in den Einkommenssteuerbescheiden entsprachen. Weiter bestätigte das Arbeitsamt F. mit Schreiben vom 15. März 2004, an die Mutter der Klägerin Kindergeld in Höhe von 270,00 DM monatlich für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2001 ohne Abzweigung gezahlt zu haben.
Auf Grundlage dieser Unterlagen setzte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2004 für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis 16. Juli 2001 einen Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 5.292,00 DM (2.705,92 EUR) fest, der sich aus einer monatlichen Überzahlung in Höhe von 441,00 DM ergebe. Dem beigefügten Berechnungsbogen ist zu entnehmen, dass zugleich eine monatliche BAB in Höhe von gerundet 662,00 DM monatlich für den Zeitraum bis 16. Juli 2001 und in Höhe von 707,00 DM monatlich ab 17. Juli 2001 endgültig festgesetzt ist.
Folgendes Einkommen der Eltern berücksichtigte die Beklagte bei der Bedürftigkeitsberechnung:
Kalenderjahr Einkommensart Vater in DM Mutter in DM
2000 Entgeltersatzleistungen 21.963,59 1.272,00
Überbrückungsgeld 13.115,01
Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit abzgl. Einkommenssteuer (ESt) + Sozialpauschale 22.287,59
Kindergeld 3.240,00
Gesamtjahr 35.078,60 26.799,59
Gesamtjahr/Monat 2.923,22 2.233,59
2001 Entgeltersatzleistungen 17.050,55
Überbrückungsgeld 11.998,83
Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit abzgl. ESt + Sozialpauschale 36.664,89
Kindergeld 3.240,00
Gesamtjahr 29.049,32 39.904,89
Gesamtjahr/Monat 2.420,78 3.325,41
Monatlicher Durchschnitt im Bewilligungszeitraum 2.630,13 2.870,36
Laut aktenkundiger Berechnung (Bl. 129 BAB-Akte) verteilte die Beklagte das monatliche Einkommen anteilig auf den Bewilligungszeitraum und bildete daraus ein durchschnittliches Monatseinkommen für den gesamten Bewilligungszeitraum. Wegen der Bedürftigkeitsberechnung im Übrigen wird auf den Berechnungsbogen der Beklagten (Bl. 132 ff. BAB-Akte) verwiesen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 27. April 2004 bei der Beklagten schriftlich Widerspruch ein. Die Anrechnung des Einkommens ihrer Eltern sei für sie aus der dem Bescheid anliegenden Berechnung nicht nachvollziehbar. Dem von der Klägerin bevollmächtigten Vater erläuterte die Beklagte laut Aktenvermerk vom selben Tage die Einkommensberechnung bei seiner Vorsprache mündlich.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2004 als unbegründet zurück. Sie berichtigte lediglich das Ende des Erstattungszeitraums auf den 31. Juli 2001. Im Übrigen führte sie zur Begründung aus, ausgehend von einem Gesamtbedarf in Höhe von 815,00 DM monatlich bis 16. Juli 2001 und 860,00 DM ab 17. Juli 2001 nach § 65 Abs. 1 SGB III für Lebensunterhalt und Kosten der Unterkunft sei zudem der Fahrkostenbedarf nach § 67 Abs. 1 und 2 SGB III und als sonstige Aufwendungen nach § 68 Abs. 3 SGB III eine Pauschale für Kosten der Arbeitskleidung in Höhe von 10,00 DM monatlich zu berücksichtigen. Auf den danach maßgeblichen Gesamtbedarf in Höhe von monatlich 1.594,00 DM, ab 17. Juli 2001 1639,00 DM sei das Einkommen des Auszubildenden, seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten und seiner Eltern in dieser Reihenfolge nach § 71 Abs. 1 SGB III anzurechnen.
Für die Mittelung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen gelten nach § 71 Abs. 2 SGB III die Vorschriften des Vierten Abschnittes des BAföG mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen entsprechend. Dabei ergebe sich nach Abzug der zu berücksichtigenden Freibeträge aus dem Einkommen der Klägerin ein monatlicher Anrechnungsbetrag in Höhe von 490,35 EUR (gemeint ist wohl DM).
Zusätzlich sei das Einkommen der Eltern auf den Gesamtbedarf der Klägerin anzurechnen. Nach § 24 Abs. 1 BAföG seien für die Anrechnung des Einkommens der Eltern des Auszubildenden die Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraumes maßgebend. Nur wenn das Einkommen im Bewilligungszeitraum voraussichtlich niedriger als in dem nach Abs. 1 maßgeblichen Zeitraum sei, sei auf besonderen Antrag des Auszubildenden bei der Anrechnung von den Einkommensverhältnissen im Bewilligungszeitraum auszugehen; nach dessen Ende gestellte Anträge würden nicht berücksichtigt. Der Auszubildende habe das Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 1 glaubhaft zu machen. Ausbildungsvergütung werde insoweit unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet. Sobald sich das Einkommen in dem Bewilligungszeitraum endgültig feststellen lasse, werde über den Antrag abschließend entschieden (§ 24 Abs. 3 BAföG). Nach § 328 Abs. 3 SGB III seien aufgrund vorläufiger Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt werde.
Da die Klägerin hinsichtlich der Berücksichtigung des Einkommens ihrer Eltern einen entsprechenden Antrag auf Aktualisierung nach § 24 Abs. 3 BAföG gestellt habe, sei damit die Berechnung des Anspruchs nach § 24 Abs. 1 BAföG aufgegeben. Bei der Anrechnung des Einkommens der Eltern sei daher von den Einkommensverhältnissen im Bewilligungszeitraum auszugehen.
Ausgehend von einem durchschnittlichen Monatseinkommen im Bewilligungszeitraum von 2.870,36 DM für die Mutter und 2.630,13 DM für den Vater sei für beide ein Freibetrag in Höhe von jeweils 1.565,00 DM nach § 25 Abs. 1 BAföG und in Höhe von 195,00 DM nach § 25 Abs. 3 Nr. 1 BAföG abzuziehen. Weiter sei abzuziehen ein Freibetrag wegen auswärtiger Unterbringung in Höhe von insgesamt 1.000,00 DM (gemeint ist wohl der Freibetrag nach § 71 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB III), der auf beide Elternteile hälftig zu verteilen sei, sowie nach § 25 Abs. 4 BAföG ein Freibetrag in Höhe von 302,37 DM für die Mutter und 236,90 DM für den Vater.
Unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens der Mutter in Höhe von monatlich 247,39 DM und des Vaters in Höhe von 193,83 DM zuzüglich des anzurechnenden Einkommens der Klägerin in Höhe von 490,35 DM ergebe sich die nunmehr bewilligte BAB.
Infolgedessen seien nach § 328 Abs. 3 SGB III überzahlte Leistungen für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis 31. Juli 2001 in Höhe von insgesamt 5.292,00 DM (2.705,76 EUR) zu erstatten.
Hiergegen hat die anwaltlich vertretene Klägerin am 2. Juni 2004 bei dem Sozialgericht Braunschweig Klage erhoben. Das Sozialgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 23. Juni 2004 den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) verwiesen. Das SG hat die Klage mit dem sinngemäßen Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Mai 2004 aufzuheben, mit Gerichtsbescheid vom 12. September 2008, der Klägerin zugestellt am 7. Oktober 2008, abgewiesen. Zur Begründung hat es nach § 136 Abs. 2 SGG auf die Gründe des angefochtenen Bescheids der Beklagten verwiesen, auch weil die Klägerin die Klage trotz Aufforderung nicht begründet habe.
Hiergegen hat die Klägerin am 5. November 2008 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22. Juli 2011 auf Hinweis des Berichterstatters den Sachantrag um ein Leistungsbegehren erweitert. Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin weist zunächst darauf hin, die Klage sei entgegen der Entscheidungsgründe des SG mit Schriftsatz vom 15. Februar 2008 begründet worden. Ausweislich ihres Faxberichtes habe sie den Schriftsatz am selben Tage an das SG übersandt. Weiter greift sie die Bedürftigkeitsberechnung der Beklagten an. Hierzu führt sie aus, von dem berücksichtigten Einkommen des Vaters der Klägerin seien seine Verluste aus dem Gewerbebetrieb abzuziehen, die für das Kalenderjahr 2000 insgesamt 10.133,00 DM (gemeint ist ausweislich des Einkommenssteuerbescheides wohl das Kalenderjahr 2001 einschließlich Versicherungsbeiträge und Steuerberatungskosten) und für das Kalenderjahr 2001 9.763,00 DM (gemeint ist ausweislich des Einkommenssteuerbescheides wohl das Kalenderjahr 2000 einschließlich Versicherungsbeiträge und Steuerberatungskosten) betragen hätten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Gewerbetätigkeit nicht um eine steuerrechtlich fiktive Verlustzuweisung gehandelt habe, sondern der Vater der Klägerin damit tatsächlich seine wirtschaftliche Existenz habe aufbauen wollen und deswegen die Verluste tatsächlich entstanden seien. Zumindest seien die Verluste von dem Einkommen aus Überbrückungsgeld abzuziehen, weil das Überbrückungsgeld gerade dafür geleistet sei, eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen zu können. Sollte dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt werden, müssten zumindest nach § 21 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 BAföG die Beiträge des Vaters zur privaten Krankenversicherung abgezogen werden. Der Vater der Klägerin sei seit dem 1. Oktober 1998 selbstständig tätig gewesen. Am 27. September 2000 habe er die Tätigkeit hauptberuflich aufgenommen. Nach Ablauf der Fördermittel der Bundesagentur für Arbeit habe der Vater die selbstständige Tätigkeit jedoch wieder zurückgefahren, weil er nicht in der Lage gewesen sei, damit seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Der Vater der Klägerin habe für den Zeitraum vom 27. September 2000 bis 31. Dezember 2000 1.954,14 EUR Krankenversicherungsbeiträge und weitere 1.980,00 EUR als Altersvorsorge für eine Lebensversicherung gezahlt, da er nicht mehr Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen sei. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis 8. Mai 2001 sei auf die Krankenversicherung ein Betrag von 2.640,16 EUR und die Lebensversicherung von 1.879,00 EUR angefallen.
Weiter hat die Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 27. Juli 2011 außergewöhnliche Belastungen ihres Vaters wegen der Kosten der Beerdigung seiner Mutter als zusätzlichen Abzugsposten geltend gemacht.
Die Klägerin beantragt nunmehr in der Berufung auf Hinweis des Berichterstatters,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. September 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2004 a) aufzuheben, soweit ein Erstattungsbetrag festgesetzt wurde, sowie b) abzuändern, soweit die Berufsausbildungshilfe endgültig bewilligt wurde und die Beklagte zu verurteilen, die vorläufige Bewilligung mit Bescheid vom 8. November 2011 endgültig zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zu Begründung ihres Antrags auf die Gründe des angefochtenen Bescheids. Ergänzend weist sie darauf hin, dass der Vater der Klägerin seine Tätigkeit nur vom 27. September 2000 bis 7. Mai 2001 ausgeübt und anschließend mangels wirtschaftlicher Tragfähigkeit wohl aufgegeben habe. Es sei ausdrücklich gesetzlich bestimmt, dass bei der Einkommensermittlung nur positive Einkünfte zu berücksichtigen sein. Als eine solche positive Einkunft sei auch das Überbrückungsgeld anzusehen.
Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der BAB-Akte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit schriftsätzlich einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die Klägerin hat auf Hinweis des Berichterstatters ihren Sachantrag geändert. Der Hinweis ist von der Überlegung getragen, dass bei verständiger Auslegung die Klägerin in der Sache sich nicht nur im Wege der Anfechtungsklage dagegen wendet, dass die Beklagte mit angefochtenem Bescheid einen Erstattungsbetrag für überzahlte BAB festgesetzt hat, sondern zugleich begehrt, die Beklagte zu verurteilen, BAB endgültig in Höhe der vorläufigen Bewilligung zu zahlen.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten hat trotz des unvollständigen Wortlautes des Verfügungssatzes nicht nur zum Gegenstand, einen Erstattungsbetrag nach § 328 Abs. 3 S. 2 1. Hs. SGB III idF des Änderungsgesetzes vom 16.12.1997 (BGBl I 2970) - F. 1998 - bzw. § 328 Abs. 3 S. 2 SGB III aF festzusetzen, sondern ist bei verständiger Auslegung zugleich darauf gerichtet, die zunächst nur vorläufige Bewilligung aufgrund der nunmehr tatsächlich nachgewiesenen Einkommensverhältnisse endgültig in Höhe des aus der Berechnung maßgeblichen Betrages festzusetzen. Allein die endgültige Bewilligung berechtigt zur Erstattung nach § 328 Abs. 3 S. 2 1. Hs. SGB III F. 1998 bzw. § 328 Abs. 3 S. 2 SGB III aF.
Setzt der Leistungsträger jedoch im Anschluss an eine vorläufige Bewilligung eine endgültige fest, ersetzt die endgültige Bewilligung die vorläufige gemäß § 39 Abs. 2 SGB X (BSG, 10.5.2011 - B 4 AS 139/10 R).
Das berücksichtigt ist davon auszugehen, dass die Klägerin zugleich den angefochtenen Bescheid der Beklagten abändern will, soweit das BAB endgültig bewilligt ist, und weiter im Wege der unechten Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG beantragt (vgl. zur Klageart: BSG, 10.5.2011, a.a.O.), die Beklagte zu verurteilen, BAB in Höhe der vorläufigen Bewilligung endgültig zu zahlen.
Die so verstandene Berufung ist zulässig.
Insbesondere ist davon auszugehen, dass die Klägerin erstmals in der Berufung die Klage um das Leistungsbegehren nach §§ 153 Abs. 1, 99 SGG erweitern durfte. Es handelt sich nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nur um eine Klageerweiterung, die nicht den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 SGG unterliegt.
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, weil der Gerichtsbescheid des SG und der angefochtenen Bescheid rechtlich nicht zu beanstanden sind.
Der Bescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig.
Zwar hat die Beklagte die Klägerin vor Erlass des Bescheids vom 19. April 2004 nicht angehört, obwohl sie hierzu nach § 24 Abs. 1 SGB X verpflichtet gewesen ist, soweit sie einen Erstattungsbetrag festgesetzt hat, weil sie allein damit in Rechte der Klägerin eingegriffen hat. Die erstmalige endgültige Bewilligung der BAB stellt hingegen keinen belastenden Verwaltungsakt dar.
Doch hat die Beklagte gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X die Anhörung im Widerspruchsverfahren nachgeholt, weil bereits der Ausgangsbescheid unter Hinzuziehung der Berechnungsbögen alle für die Entscheidung wesentlichen Angaben enthalten hat und zudem dem Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren die Berechnung erläutert ist, soweit sein Einkommen als Vater berücksichtigt ist.
Gemäß § 328 Abs. 3 S. 2 1. Hs. SGB III F. 1998 bzw. § 328 Abs. 3 S. 2 SGB III aF sind vorläufige Leistungen zu erstatten, wenn mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird.
Die Beklagte hat der Klägerin vorläufig Leistungen in Höhe von 1.103,00 DM monatlich für den Zeitraum bis 16. Juli 2001 und in Höhe von 1.148,00 DM für den Zeitraum ab 17. Juli 2001 bewilligt.
Der festgesetzte Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 5.292,00 DM (2.705,76 EUR) steht der Beklagten zu, weil sie die BAB zu Recht endgültig in entsprechend niedrigerer Höhe von monatlich 662,00 DM bzw. ab 17. Juli 2001 in Höhe von 707,00 DM monatlich bewilligt hat, was gegenüber der vorläufigen Bewilligung einer Überzahlung in Höhe des Erstattungsbetrages entspricht.
Maßstab für Grund und Höhe der zustehenden BAB bildet nach § 422 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB III das Recht, das zu Beginn der Ausbildung am 1. August 2000 und der Entstehung des Anspruchs gegolten hat, weil es sich bei der BAB um eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung handelt (§ 3 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 SGB III). Der Anspruch ist am 1. August 2000 entstanden, weil zu diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen vorgelegen haben und der Beklagten kein Ermessenspielraum eröffnet ist (§ 40 Abs. 1 SGB I).
Streitig ist allein die Höhe der BAB, welche sich nach der Bedürftigkeit der Klägerin richtet (§ 59 Nr. 3 SGB III). Hierzu ist von dem Bedarf der Klägerin, den die Beklagte monatlich zutreffend in Höhe von 890,00 bzw. ab 17. Juli 2001 935,00 DM für den Lebensunterhalt (§ 65 Abs. 1 SGB III idF des Änderungsgesetzes vom 7.5.1999 - BGBl I 850 - SGB III F. 1999), in Höhe von 684,00 DM für Fahrtkosten unter Berücksichtigung einer Kilometerpauschale von 0,38 DM (§ 67 SGB III i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Bundesreisekostengesetz idF des Änderungsgesetzes vom 29.11.1991 - BGBl I 2154 -) und in Höhe von 20,00 DM für sonstige Aufwendungen (§ 68 Abs. 3 S. 1 SGB III) festgesetzt hat, das anrechenbare Einkommen der Klägerin und ihrer Eltern nach § 71 SGB III F. 1998 i.V.m. mit §§ 21 ff. BAföG abzuziehen.
Dabei ist die Einkommensanrechnung der Beklagten nicht zu beanstanden, soweit sie von der Klägerin im Rechtsstreit nicht angegriffen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheids verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGB III).
Streitig ist die Einkommensanrechnung zwischen den Beteiligten nur, soweit das Einkommen des Vaters der Klägerin nicht um seine steuerrechtlichen Verluste aus der selbstständigen Tätigkeit sowie seine Vorsorgeaufwendungen für die private Kranken- und Lebensversicherung und außergewöhnliche Belastung wegen des Todes seiner Mutter gemindert ist.
Das ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil der Vater der Klägerin im maßgeblichen Berechnungszeitraum Einkommen nur aus Sozialleistungen erzielt hat, die in Höhe der tatsächlich geleisteten Beiträge ohne weitere Abzüge als Einkommen zu berücksichtigen sind.
Die Entgeltersatzleistungen des Vaters der Klägerin nach dem SGB III und das Überbrückungsgeld sind nach § 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 BAföG idF des Änderungsgesetzes vom 7.5.1999 (BGBl I 850) - BAföG 1999 - i.V.m. § 1 a und c BAföG-EinkommensV idF des Änderungsgesetzes vom 23.9.1990 (BGBl II 885) - BAföGVwV 1999 - als Einkommen in tatsächlicher Höhe ohne weitere Abzüge zu berücksichtigen.
Letzteres ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis der Einkommensregelung in § 21 Abs. 1 und 2 BAföG idF des Änderungsgesetzes vom 25.6.1998 (BGBl I 1609) BAföG F. 1998 - zu § 21 Abs. 3 BAföG 1998 und dessen Wortlaut.
Allein für die steuerrechtlichen positiven Einkünfte im Sinne des § 21 Abs. 1 S. 1 und 2 BAföG 1998 sieht § 21 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 BAföG 1998 als Rückausnahme Abzugsbeträge vor. In diese Rückausnahme sind die weiteren Einkommen nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BAföG 1998 nicht eingebettet, wie auch der Wortlaut zum Ausdruck bringt, nach dem die Einkommen in Höhe der geleisteten Beträge zu berücksichtigen sind (Humborg in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Januar 2011, § 21 Rn. 3.4).
Soweit der Vater der Klägerin mit diesem Einkommen tatsächlich Verluste ausgleichen musste, um für sich eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufzubauen, ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die pauschalen Berechnungsregeln der §§ 21 ff. BAföG unzumutbare Härten nach sich ziehen. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber jedoch eine ausreichende Vorkehrung getroffen (vgl. BVerfG, 4.4.2001 - 2 BvL 7/98; BVerwG, 25.9.2006 - 5 C 27/04), indem er in § 25 Abs. 6 idF des Änderungsgesetzes vom 22.12.1999 (BGBl I 2552) - BAföG 2000 vorsieht, zur Vermeidung unbilliger Härten, insbesondere bei außergewöhnlichen Belastungen nach den §§ 33 bis 33 b EStG sowie Aufwendungen für behinderte Personen (Satz 2), könne ein weiterer Teil des Einkommens anrechnungsfrei bleiben (Satz 1). Auch kann die Härteregelung greifen, wenn nach den allgemeinen Berechnungsregeln Verluste nicht zu berücksichtigen sind (vgl. OVG Lüneburg, 9.3.2011 - 4 LA 218/10). Maßstab für die Annahme einer unbilligen Härte ist vor allem, ob der Leistungsberechtigte den verbleibenden Anrechnungsbetrag des unterhaltsverpflichteten Elternteils unterhaltsrechtlich durchsetzen kann oder atypische Umstände dem entgegenstehen (BVerwG, 23.2.1010 - 5 C 2/09). Die Härtefallregelung kommt hier allerdings schon deshalb nicht zum Tragen, weil die Klägerin den erforderlichen Antrag nicht unverzüglich gestellt hat. Zwar ist entgegen dem Wortlaut der Regelung (Satz 1) der Antrag nicht allein dann unverzüglich gestellt, wenn er vor Ende des Bewilligungszeitraumes erfolgt ist. Insbesondere bei einer nachträglichen endgültigen Bewilligung der BAB kann der Antrag auch nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes gestellt werden, wenn erst aus den Steuerbescheiden der Eltern oder der endgültigen Bewilligung für den Leistungsberechtigten die höhere Anrechnung des Elterneinkommens erkennbar wird (BVerwG, aaO mwN). Jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem der Leistungsberechtigte die Umstände kennt, die eine Rückforderung erwarten lassen, setzt die Obliegenheit ein, den Antrag ohne schuldhaftes Zögern zu stellen (BVerwG, aaO).
Wann genau diese Frist abgelaufen ist, kann sogar für den Fall dahingestellt bleiben, dass alleine der Geltendmachung weiterer Abzüge konkludent ein Härteantrag zu entnehmen ist. Denn die bereits bei Erhebung der Klage anwaltlich vertretene Klägerin hat frühestens mit dem behaupteten anwaltlichen Schriftsatz vom 25. Februar 2008 erstmals weitere Abzüge vom Einkommen des Vaters geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt ist die Antragsfrist in jedem Fall verstrichen. Ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten ist der Klägerin entsprechend § 278 BGB zuzurechnen.
Die Klägerin kann auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe sie den Antrag noch rechtzeitig gestellt.
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt unter anderem voraus, dass der Sozialleistungsträger eine Beratungs- oder Auskunftspflicht nach §§ 14, 15 SGB I verletzt hat.
In Betracht kommt hier alleine eine Verletzung der Beratungspflicht nach § 14 SGB I, wenn die Beklagte die Klägerin oder deren bevollmächtigten Vater im Widerspruchsverfahren darauf hätte hinweisen müssen, einen Antrag nach § 25 Abs. 6 BAföG F. 1999 stellen zu können.
Soweit vereinzelt in der Rechtsprechung vertreten wird, alleine der Hinweis in den Formblättern für Auskünfte der Personen, deren Einkommen bei der Bedürftigkeit zu berücksichtigen sind, schließe jede weitere Beratungspflicht aus (so: OVG Z., 24.6.1996 Bs IV 8/96), ist dem nicht zu folgen. Zwar hat auch das Formblatt, welches der Vater der Klägerin zur Ermittlung seiner Einkommensverhältnisse am 16. Juli 2001 ausgefüllt hat, einen entsprechenden Hinweis auf einen Antrag nach § 25 Abs. 6 BAföG enthalten. Die nachträgliche endgültige Bewilligung der BAB erst im Jahre 2004 hätte jedoch zumindest eine weitere Beratungspflicht ausgelöst, wenn sich die Beklagte hierzu hätte veranlasst sehen müssen.
Die Antragspflicht hat der Gesetzgeber damit begründet, sie solle den Einkommensbezieher veranlassen, Tatbestände klar und rechtzeitig vorzutragen, die einen Härtebetrag rechtfertigen können (BT-Drucks 7/2098 S. 22). Ist damit vorrangig die Berücksichtigung in die Hände des Einkommensbeziehers gelegt, hat gleichwohl der Leistungsträger auf ausdrückliches Ersuchen oder bei hinreichenden Anhaltspunkten im Verwaltungsverfahren, anhand derer sich ein solcher Antrag als zweckmäßig aufdrängt und von einem verständigen Einkommensbezieher genutzt würde (allgemein: BSG, 28.9.2010 - B 1 KR 31/09 mwN; zu Antrag nach § 25 Abs. 6 BAföG: VG Chemnitz, 13.11.2009 - 4 K 1444/08; VG Dresden, 21.12.2009 - 5 K 318/08), von sich aus auf derartige naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen - sogenannte Spontanberatung -. Eine Spontanberatung ist vor allem angezeigt, wenn aus dem Verhalten des Betroffenen erkennbar ist, über die gesetzliche Möglichkeit nicht entsprechend informiert zu sein (BSG, 28.9.2010 aaO mwN). Für einen Antrag nach § 25 Abs. 6 BAföG tritt die Pflicht besonders hervor, weil alleine dieser Härteantrag eine notwendige Korrektur der pauschalen Berechnungsweise gemäß §§ 21 ff. BAföG im Einzelfall sicherstellt.
Ein ausdrückliches Ersuchen der Klägerin oder ihres Vaters gegenüber der Beklagten ist nicht zu erkennen. Beide haben bis zum ersten schriftsätzlichen Vorbringen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin alleine die Einkommensberechnung selbst in Zweifel gezogen, weil diese sich für sie nicht erschlossen hat. Auch aus dem Aktenvermerk vom 27. April 2004 über das Beratungsgespräch mit dem Vater geht nur hervor, ihm die Einkommensberechnung mündlich erläutert zu haben.
Für eine spontane Pflicht zur Beratung bieten sich auch sonst keine ausreichenden Anhaltspunkte. Zwar können diese sich für den Leistungsträger bereits aus den vorgelegten Einkommensbescheiden ergeben (VG Chemnitz aaO; VG Dresden aaO). Vorliegend konnte die Beklagte den Einkommenssteuerbescheiden relevante Anhaltspunkte ausschließlich hinsichtlich der ausgewiesenen Verluste aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit entnehmen. Zwar waren auch Versicherungsbeiträge und Steuerberatungskosten ausgewiesen. Eine unterhaltsrechtliche Relevanz dieser Abzugsposten war jedoch ohne nähere Prüfung nicht zu erkennen. Insbesondere war nicht ersichtlich, dass die Versicherungsbeiträge Vorsorgeaufwendungen darstellten, die zur Bestimmung des unterhaltsrechtlich berücksichtigungsfähigen Einkommen von den Betriebseinnahmen abzuziehen sind (BGH, 16.1.1985 - IVb ZR 59/83). Betrugen die Verluste jedoch für das Kalenderjahr 2000 4.776,00 DM und für das Kalenderjahr 2001 7.143,00 DM hätten sie das monatliche Einkommen des Vaters der Klägerin nur um maximal 400,00 DM monatlich im Kalenderjahr 2000 und 600,00 DM monatlich im Jahr 2001 auf monatlich mindestens 2.523,22 DM in 2001 und 1.820,78 DM in 2001 mindern können. Damit wäre der Vater der Klägerin in jedem Fall oberhalb des angemessenen Selbstbehaltes nach der Berliner Tabelle für einen Unterhaltsanspruch gemäß § 1603 BGB geblieben (1.7.1999: monatlich für Erwerbstätige 1.645,00 DM, Nichterwerbstätige 1.460,00 DM; 1.7.2001: 1.610,00 DM für Nichterwerbstätige). Da er bereits Ende März 2001 seine selbstständige Erwerbstätigkeit wieder aufgab, hätte sein angemessener Selbstbehalt monatlich maximal 1.645,00 DM betragen. Bei einem verbleibenden Einkommen oberhalb des angemessenen Selbstbehaltes, welches selbst unter Berücksichtigung seines durchschnittlich anzurechnenden Einkommens in Höhe von monatlich 193,83 DM als weiteren Abzugsposten im Durchschnitt oberhalb dieses Selbstbehaltes mit monatlich 1.919,58 DM blieb (5X2.523,22 DM + 7 X 1.820,78 DM: 12 = 2.113,46 DM - 193,88 DM = 1.919,58 DM), war die Beklagte nicht verpflichtet, ohne weitere Anhaltspunkte auf die Antragspflicht nach § 25 Abs. 6 BAföG hinzuweisen. Zumal von der Beklagten zur Begründung einer Spontanberatungspflicht allenfalls eine überschlägige Berechnung hätte verlangt werden dürfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem Ausgang des Rechtsstreits gemäß § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Gründe die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen sind nicht ersichtlich.
II. Kosten der Berufung sind auch nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der endgültig bewilligten Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und Erstattung der vorläufig überzahlten BAB für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis 31. Juli 2001 in Höhe von insgesamt 2.705,76 EUR (5.292,00 DM).
Für eine Berufsausbildung in D. vom 1. August 2000 bis 31. Juli 2003 beantragte die 1980 geborene und zuvor bei ihren Eltern in C. wohnhafte Klägerin deutscher Staatsangehörigkeit am 4. Juli 2000 BAB. Ihre Kosten der Unterkunft betrugen pauschal 450,00 DM monatlich. Pendelfahrtkosten (Hin- und Rückfahrt) von der auswärtigen Unterkunft hatte sie für vier Fahrten zur Ausbildungsstätte (jeweils 30 km) und eine Fahrt zur Berufsschule (jeweils 120 km) wöchentlich sowie eine Familienheimfahrt (760 km) monatlich.
Mit Bescheid vom 11. September 2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin BAB für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis 16. Juli 2000 in Höhe von 116,00 DM monatlich und für den Zeitraum vom 17. Juli 2001 bis 31. Juli 2001 in Höhe von monatlich 161,00 DM. Der Unterschiedsbetrag ergab sich daraus, dass ab 17. Juli 2001 wegen Vollendung des 21. Lebensjahres der Klägerin ein monatlich um 45,00 DM höherer Bedarf zu berücksichtigen war. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Berechnungsbogen der Beklagten (Bl. 28 BAB-Akte) verwiesen.
Hiergegen legte die Klägerin am 28. September 2000 schriftlich mit der Begründung Widerspruch ein, das zugrunde gelegte Einkommen aus 1998 entspreche nicht den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Ihr Vater sei seit 1. August 1998 arbeitslos und habe aus einer nebenberuflichen selbstständigen Tätigkeit negative Einkünfte erzielt. Ab dem 27. September 2000 wolle der Vater die selbstständige Tätigkeit als Haupttätigkeit fortsetzen. Zugleich stellte sie am selben Tag einen Antrag auf Aktualisierung des Einkommens nach § 71 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 24 Abs. 3 BAföG für das erste Bewilligungsjahr. Einen entsprechenden Aktualisierungsantrag stellte sie am 5. Oktober 2000 auch für ihre Mutter.
Aufgrund der vorgelegten Unterlagen zum gegenwärtigen Einkommen ihrer Eltern änderte die Beklagte mit Bescheid vom 8. November 2000 den BAB-Bewilligungsbescheid vom 11. September 2000 dergestalt ab, dass sie nunmehr für den Zeitraum bis 16. Juli 2001 BAB in Höhe von 1.103,00 DM monatlich und für den Zeitraum ab 17. Juli 2001 in Höhe von 1.148,00 DM monatlich bewilligte. Zur Begründung führte sie aus, die Änderung beruhe auf § 48 SGB X, weil sich das Einkommen der Eltern verringert habe. Ausdrücklich wies die Beklagte in dem Bescheid darauf hin, die Bewilligung erfolge unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Eine endgültige Bewilligung sei derzeit nicht möglich, weil sich das Einkommen der Eltern im Bewilligungszeitraum nicht abschließend feststellen lasse (§ 71 SGB III i.V.m. § 328 SGB III). Die Klägerin werde gebeten, Nachweise vorzulegen, sobald das Einkommen in den Kalenderjahren 2000 und 2001 feststehe. Dabei ging die Beklagte zu Berechnung des Einkommens des Vaters aufgrund des vorgelegten Änderungsbescheids der Beklagten vom 30. August 2000 für den Zeitraum ab 22. Juni 2000 von gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von ca. 29.185,00 DM für das Kalenderjahr 2000 aus. Für das Kalenderjahr 2001 schätzte sie das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit auf 29.000,00 DM. Hinsichtlich des Einkommens der Mutter legte sie deren angegebenes voraussichtliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 33.600,00 DM sowie Kindergeldzahlungen in Höhe von 3.240,00 DM jährlich zu Grunde. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf den Berechnungsbogen der Beklagten (Bl. 45 ff. BAB-Akte) verwiesen.
Auf Aufforderung der Beklagten legte die Klägerin am 21. März 2003 die angeforderten Einkommenssteuerbescheide der Eltern für die Kalenderjahre 2000 und 2001 vor. Den Einkommenssteuerbescheiden für die Klägerin ist der Verlust aus der selbstständigen Tätigkeit für das Kalenderjahr 2000 in Höhe von 4.776,00 DM und für das Folgejahr in Höhe von 7.143,00 DM zu entnehmen. Daneben enthalten sie noch Abzüge für das zu versteuernde Einkommen (Kalenderjahr 2000: Versicherungsbeiträge in Höhe von 4.554,00 DM und Steuerberatungskosten in Höhe von 433,00 DM, sowie Kalenderjahr 2001: Versicherungsbeiträge in Höhe von 2.810,00 DM und Steuerberatungskosten in Höhe von 357,00 DM). Beigefügt war zudem der Leistungsnachweis für an den Vater gezahltes Arbeitslosengeld im Kalenderjahr 2000, der Bewilligungsbescheid der Beklagten für die Zahlung von Überbrückungsgeld an den Vater in Höhe von monatlich 4.185,64 DM für den Zeitraum vom 27. September 2000 bis 26. März 2001, der Leistungsnachweis für gezahltes Arbeitslosengeld in Höhe von 86,09 DM und Arbeitslosenhilfe in Höhe von 16.964,46 DM für das Kalenderjahr 2001. Die Klägerin reichte Bescheide des Finanzamts E. über den verbleibenden Verlustvortrag aus dem Gewerbebetrieb des Vaters aus 2000 und 2001 nach, die den Angaben in den Einkommenssteuerbescheiden entsprachen. Weiter bestätigte das Arbeitsamt F. mit Schreiben vom 15. März 2004, an die Mutter der Klägerin Kindergeld in Höhe von 270,00 DM monatlich für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2001 ohne Abzweigung gezahlt zu haben.
Auf Grundlage dieser Unterlagen setzte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2004 für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis 16. Juli 2001 einen Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 5.292,00 DM (2.705,92 EUR) fest, der sich aus einer monatlichen Überzahlung in Höhe von 441,00 DM ergebe. Dem beigefügten Berechnungsbogen ist zu entnehmen, dass zugleich eine monatliche BAB in Höhe von gerundet 662,00 DM monatlich für den Zeitraum bis 16. Juli 2001 und in Höhe von 707,00 DM monatlich ab 17. Juli 2001 endgültig festgesetzt ist.
Folgendes Einkommen der Eltern berücksichtigte die Beklagte bei der Bedürftigkeitsberechnung:
Kalenderjahr Einkommensart Vater in DM Mutter in DM
2000 Entgeltersatzleistungen 21.963,59 1.272,00
Überbrückungsgeld 13.115,01
Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit abzgl. Einkommenssteuer (ESt) + Sozialpauschale 22.287,59
Kindergeld 3.240,00
Gesamtjahr 35.078,60 26.799,59
Gesamtjahr/Monat 2.923,22 2.233,59
2001 Entgeltersatzleistungen 17.050,55
Überbrückungsgeld 11.998,83
Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit abzgl. ESt + Sozialpauschale 36.664,89
Kindergeld 3.240,00
Gesamtjahr 29.049,32 39.904,89
Gesamtjahr/Monat 2.420,78 3.325,41
Monatlicher Durchschnitt im Bewilligungszeitraum 2.630,13 2.870,36
Laut aktenkundiger Berechnung (Bl. 129 BAB-Akte) verteilte die Beklagte das monatliche Einkommen anteilig auf den Bewilligungszeitraum und bildete daraus ein durchschnittliches Monatseinkommen für den gesamten Bewilligungszeitraum. Wegen der Bedürftigkeitsberechnung im Übrigen wird auf den Berechnungsbogen der Beklagten (Bl. 132 ff. BAB-Akte) verwiesen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 27. April 2004 bei der Beklagten schriftlich Widerspruch ein. Die Anrechnung des Einkommens ihrer Eltern sei für sie aus der dem Bescheid anliegenden Berechnung nicht nachvollziehbar. Dem von der Klägerin bevollmächtigten Vater erläuterte die Beklagte laut Aktenvermerk vom selben Tage die Einkommensberechnung bei seiner Vorsprache mündlich.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2004 als unbegründet zurück. Sie berichtigte lediglich das Ende des Erstattungszeitraums auf den 31. Juli 2001. Im Übrigen führte sie zur Begründung aus, ausgehend von einem Gesamtbedarf in Höhe von 815,00 DM monatlich bis 16. Juli 2001 und 860,00 DM ab 17. Juli 2001 nach § 65 Abs. 1 SGB III für Lebensunterhalt und Kosten der Unterkunft sei zudem der Fahrkostenbedarf nach § 67 Abs. 1 und 2 SGB III und als sonstige Aufwendungen nach § 68 Abs. 3 SGB III eine Pauschale für Kosten der Arbeitskleidung in Höhe von 10,00 DM monatlich zu berücksichtigen. Auf den danach maßgeblichen Gesamtbedarf in Höhe von monatlich 1.594,00 DM, ab 17. Juli 2001 1639,00 DM sei das Einkommen des Auszubildenden, seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten und seiner Eltern in dieser Reihenfolge nach § 71 Abs. 1 SGB III anzurechnen.
Für die Mittelung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen gelten nach § 71 Abs. 2 SGB III die Vorschriften des Vierten Abschnittes des BAföG mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen entsprechend. Dabei ergebe sich nach Abzug der zu berücksichtigenden Freibeträge aus dem Einkommen der Klägerin ein monatlicher Anrechnungsbetrag in Höhe von 490,35 EUR (gemeint ist wohl DM).
Zusätzlich sei das Einkommen der Eltern auf den Gesamtbedarf der Klägerin anzurechnen. Nach § 24 Abs. 1 BAföG seien für die Anrechnung des Einkommens der Eltern des Auszubildenden die Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraumes maßgebend. Nur wenn das Einkommen im Bewilligungszeitraum voraussichtlich niedriger als in dem nach Abs. 1 maßgeblichen Zeitraum sei, sei auf besonderen Antrag des Auszubildenden bei der Anrechnung von den Einkommensverhältnissen im Bewilligungszeitraum auszugehen; nach dessen Ende gestellte Anträge würden nicht berücksichtigt. Der Auszubildende habe das Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 1 glaubhaft zu machen. Ausbildungsvergütung werde insoweit unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet. Sobald sich das Einkommen in dem Bewilligungszeitraum endgültig feststellen lasse, werde über den Antrag abschließend entschieden (§ 24 Abs. 3 BAföG). Nach § 328 Abs. 3 SGB III seien aufgrund vorläufiger Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt werde.
Da die Klägerin hinsichtlich der Berücksichtigung des Einkommens ihrer Eltern einen entsprechenden Antrag auf Aktualisierung nach § 24 Abs. 3 BAföG gestellt habe, sei damit die Berechnung des Anspruchs nach § 24 Abs. 1 BAföG aufgegeben. Bei der Anrechnung des Einkommens der Eltern sei daher von den Einkommensverhältnissen im Bewilligungszeitraum auszugehen.
Ausgehend von einem durchschnittlichen Monatseinkommen im Bewilligungszeitraum von 2.870,36 DM für die Mutter und 2.630,13 DM für den Vater sei für beide ein Freibetrag in Höhe von jeweils 1.565,00 DM nach § 25 Abs. 1 BAföG und in Höhe von 195,00 DM nach § 25 Abs. 3 Nr. 1 BAföG abzuziehen. Weiter sei abzuziehen ein Freibetrag wegen auswärtiger Unterbringung in Höhe von insgesamt 1.000,00 DM (gemeint ist wohl der Freibetrag nach § 71 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB III), der auf beide Elternteile hälftig zu verteilen sei, sowie nach § 25 Abs. 4 BAföG ein Freibetrag in Höhe von 302,37 DM für die Mutter und 236,90 DM für den Vater.
Unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens der Mutter in Höhe von monatlich 247,39 DM und des Vaters in Höhe von 193,83 DM zuzüglich des anzurechnenden Einkommens der Klägerin in Höhe von 490,35 DM ergebe sich die nunmehr bewilligte BAB.
Infolgedessen seien nach § 328 Abs. 3 SGB III überzahlte Leistungen für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis 31. Juli 2001 in Höhe von insgesamt 5.292,00 DM (2.705,76 EUR) zu erstatten.
Hiergegen hat die anwaltlich vertretene Klägerin am 2. Juni 2004 bei dem Sozialgericht Braunschweig Klage erhoben. Das Sozialgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 23. Juni 2004 den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) verwiesen. Das SG hat die Klage mit dem sinngemäßen Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Mai 2004 aufzuheben, mit Gerichtsbescheid vom 12. September 2008, der Klägerin zugestellt am 7. Oktober 2008, abgewiesen. Zur Begründung hat es nach § 136 Abs. 2 SGG auf die Gründe des angefochtenen Bescheids der Beklagten verwiesen, auch weil die Klägerin die Klage trotz Aufforderung nicht begründet habe.
Hiergegen hat die Klägerin am 5. November 2008 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22. Juli 2011 auf Hinweis des Berichterstatters den Sachantrag um ein Leistungsbegehren erweitert. Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin weist zunächst darauf hin, die Klage sei entgegen der Entscheidungsgründe des SG mit Schriftsatz vom 15. Februar 2008 begründet worden. Ausweislich ihres Faxberichtes habe sie den Schriftsatz am selben Tage an das SG übersandt. Weiter greift sie die Bedürftigkeitsberechnung der Beklagten an. Hierzu führt sie aus, von dem berücksichtigten Einkommen des Vaters der Klägerin seien seine Verluste aus dem Gewerbebetrieb abzuziehen, die für das Kalenderjahr 2000 insgesamt 10.133,00 DM (gemeint ist ausweislich des Einkommenssteuerbescheides wohl das Kalenderjahr 2001 einschließlich Versicherungsbeiträge und Steuerberatungskosten) und für das Kalenderjahr 2001 9.763,00 DM (gemeint ist ausweislich des Einkommenssteuerbescheides wohl das Kalenderjahr 2000 einschließlich Versicherungsbeiträge und Steuerberatungskosten) betragen hätten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Gewerbetätigkeit nicht um eine steuerrechtlich fiktive Verlustzuweisung gehandelt habe, sondern der Vater der Klägerin damit tatsächlich seine wirtschaftliche Existenz habe aufbauen wollen und deswegen die Verluste tatsächlich entstanden seien. Zumindest seien die Verluste von dem Einkommen aus Überbrückungsgeld abzuziehen, weil das Überbrückungsgeld gerade dafür geleistet sei, eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen zu können. Sollte dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt werden, müssten zumindest nach § 21 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 BAföG die Beiträge des Vaters zur privaten Krankenversicherung abgezogen werden. Der Vater der Klägerin sei seit dem 1. Oktober 1998 selbstständig tätig gewesen. Am 27. September 2000 habe er die Tätigkeit hauptberuflich aufgenommen. Nach Ablauf der Fördermittel der Bundesagentur für Arbeit habe der Vater die selbstständige Tätigkeit jedoch wieder zurückgefahren, weil er nicht in der Lage gewesen sei, damit seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Der Vater der Klägerin habe für den Zeitraum vom 27. September 2000 bis 31. Dezember 2000 1.954,14 EUR Krankenversicherungsbeiträge und weitere 1.980,00 EUR als Altersvorsorge für eine Lebensversicherung gezahlt, da er nicht mehr Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen sei. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis 8. Mai 2001 sei auf die Krankenversicherung ein Betrag von 2.640,16 EUR und die Lebensversicherung von 1.879,00 EUR angefallen.
Weiter hat die Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 27. Juli 2011 außergewöhnliche Belastungen ihres Vaters wegen der Kosten der Beerdigung seiner Mutter als zusätzlichen Abzugsposten geltend gemacht.
Die Klägerin beantragt nunmehr in der Berufung auf Hinweis des Berichterstatters,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. September 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2004 a) aufzuheben, soweit ein Erstattungsbetrag festgesetzt wurde, sowie b) abzuändern, soweit die Berufsausbildungshilfe endgültig bewilligt wurde und die Beklagte zu verurteilen, die vorläufige Bewilligung mit Bescheid vom 8. November 2011 endgültig zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zu Begründung ihres Antrags auf die Gründe des angefochtenen Bescheids. Ergänzend weist sie darauf hin, dass der Vater der Klägerin seine Tätigkeit nur vom 27. September 2000 bis 7. Mai 2001 ausgeübt und anschließend mangels wirtschaftlicher Tragfähigkeit wohl aufgegeben habe. Es sei ausdrücklich gesetzlich bestimmt, dass bei der Einkommensermittlung nur positive Einkünfte zu berücksichtigen sein. Als eine solche positive Einkunft sei auch das Überbrückungsgeld anzusehen.
Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der BAB-Akte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit schriftsätzlich einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die Klägerin hat auf Hinweis des Berichterstatters ihren Sachantrag geändert. Der Hinweis ist von der Überlegung getragen, dass bei verständiger Auslegung die Klägerin in der Sache sich nicht nur im Wege der Anfechtungsklage dagegen wendet, dass die Beklagte mit angefochtenem Bescheid einen Erstattungsbetrag für überzahlte BAB festgesetzt hat, sondern zugleich begehrt, die Beklagte zu verurteilen, BAB endgültig in Höhe der vorläufigen Bewilligung zu zahlen.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten hat trotz des unvollständigen Wortlautes des Verfügungssatzes nicht nur zum Gegenstand, einen Erstattungsbetrag nach § 328 Abs. 3 S. 2 1. Hs. SGB III idF des Änderungsgesetzes vom 16.12.1997 (BGBl I 2970) - F. 1998 - bzw. § 328 Abs. 3 S. 2 SGB III aF festzusetzen, sondern ist bei verständiger Auslegung zugleich darauf gerichtet, die zunächst nur vorläufige Bewilligung aufgrund der nunmehr tatsächlich nachgewiesenen Einkommensverhältnisse endgültig in Höhe des aus der Berechnung maßgeblichen Betrages festzusetzen. Allein die endgültige Bewilligung berechtigt zur Erstattung nach § 328 Abs. 3 S. 2 1. Hs. SGB III F. 1998 bzw. § 328 Abs. 3 S. 2 SGB III aF.
Setzt der Leistungsträger jedoch im Anschluss an eine vorläufige Bewilligung eine endgültige fest, ersetzt die endgültige Bewilligung die vorläufige gemäß § 39 Abs. 2 SGB X (BSG, 10.5.2011 - B 4 AS 139/10 R).
Das berücksichtigt ist davon auszugehen, dass die Klägerin zugleich den angefochtenen Bescheid der Beklagten abändern will, soweit das BAB endgültig bewilligt ist, und weiter im Wege der unechten Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG beantragt (vgl. zur Klageart: BSG, 10.5.2011, a.a.O.), die Beklagte zu verurteilen, BAB in Höhe der vorläufigen Bewilligung endgültig zu zahlen.
Die so verstandene Berufung ist zulässig.
Insbesondere ist davon auszugehen, dass die Klägerin erstmals in der Berufung die Klage um das Leistungsbegehren nach §§ 153 Abs. 1, 99 SGG erweitern durfte. Es handelt sich nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nur um eine Klageerweiterung, die nicht den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 SGG unterliegt.
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, weil der Gerichtsbescheid des SG und der angefochtenen Bescheid rechtlich nicht zu beanstanden sind.
Der Bescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig.
Zwar hat die Beklagte die Klägerin vor Erlass des Bescheids vom 19. April 2004 nicht angehört, obwohl sie hierzu nach § 24 Abs. 1 SGB X verpflichtet gewesen ist, soweit sie einen Erstattungsbetrag festgesetzt hat, weil sie allein damit in Rechte der Klägerin eingegriffen hat. Die erstmalige endgültige Bewilligung der BAB stellt hingegen keinen belastenden Verwaltungsakt dar.
Doch hat die Beklagte gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X die Anhörung im Widerspruchsverfahren nachgeholt, weil bereits der Ausgangsbescheid unter Hinzuziehung der Berechnungsbögen alle für die Entscheidung wesentlichen Angaben enthalten hat und zudem dem Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren die Berechnung erläutert ist, soweit sein Einkommen als Vater berücksichtigt ist.
Gemäß § 328 Abs. 3 S. 2 1. Hs. SGB III F. 1998 bzw. § 328 Abs. 3 S. 2 SGB III aF sind vorläufige Leistungen zu erstatten, wenn mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird.
Die Beklagte hat der Klägerin vorläufig Leistungen in Höhe von 1.103,00 DM monatlich für den Zeitraum bis 16. Juli 2001 und in Höhe von 1.148,00 DM für den Zeitraum ab 17. Juli 2001 bewilligt.
Der festgesetzte Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 5.292,00 DM (2.705,76 EUR) steht der Beklagten zu, weil sie die BAB zu Recht endgültig in entsprechend niedrigerer Höhe von monatlich 662,00 DM bzw. ab 17. Juli 2001 in Höhe von 707,00 DM monatlich bewilligt hat, was gegenüber der vorläufigen Bewilligung einer Überzahlung in Höhe des Erstattungsbetrages entspricht.
Maßstab für Grund und Höhe der zustehenden BAB bildet nach § 422 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB III das Recht, das zu Beginn der Ausbildung am 1. August 2000 und der Entstehung des Anspruchs gegolten hat, weil es sich bei der BAB um eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung handelt (§ 3 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 SGB III). Der Anspruch ist am 1. August 2000 entstanden, weil zu diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen vorgelegen haben und der Beklagten kein Ermessenspielraum eröffnet ist (§ 40 Abs. 1 SGB I).
Streitig ist allein die Höhe der BAB, welche sich nach der Bedürftigkeit der Klägerin richtet (§ 59 Nr. 3 SGB III). Hierzu ist von dem Bedarf der Klägerin, den die Beklagte monatlich zutreffend in Höhe von 890,00 bzw. ab 17. Juli 2001 935,00 DM für den Lebensunterhalt (§ 65 Abs. 1 SGB III idF des Änderungsgesetzes vom 7.5.1999 - BGBl I 850 - SGB III F. 1999), in Höhe von 684,00 DM für Fahrtkosten unter Berücksichtigung einer Kilometerpauschale von 0,38 DM (§ 67 SGB III i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Bundesreisekostengesetz idF des Änderungsgesetzes vom 29.11.1991 - BGBl I 2154 -) und in Höhe von 20,00 DM für sonstige Aufwendungen (§ 68 Abs. 3 S. 1 SGB III) festgesetzt hat, das anrechenbare Einkommen der Klägerin und ihrer Eltern nach § 71 SGB III F. 1998 i.V.m. mit §§ 21 ff. BAföG abzuziehen.
Dabei ist die Einkommensanrechnung der Beklagten nicht zu beanstanden, soweit sie von der Klägerin im Rechtsstreit nicht angegriffen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheids verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGB III).
Streitig ist die Einkommensanrechnung zwischen den Beteiligten nur, soweit das Einkommen des Vaters der Klägerin nicht um seine steuerrechtlichen Verluste aus der selbstständigen Tätigkeit sowie seine Vorsorgeaufwendungen für die private Kranken- und Lebensversicherung und außergewöhnliche Belastung wegen des Todes seiner Mutter gemindert ist.
Das ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil der Vater der Klägerin im maßgeblichen Berechnungszeitraum Einkommen nur aus Sozialleistungen erzielt hat, die in Höhe der tatsächlich geleisteten Beiträge ohne weitere Abzüge als Einkommen zu berücksichtigen sind.
Die Entgeltersatzleistungen des Vaters der Klägerin nach dem SGB III und das Überbrückungsgeld sind nach § 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 BAföG idF des Änderungsgesetzes vom 7.5.1999 (BGBl I 850) - BAföG 1999 - i.V.m. § 1 a und c BAföG-EinkommensV idF des Änderungsgesetzes vom 23.9.1990 (BGBl II 885) - BAföGVwV 1999 - als Einkommen in tatsächlicher Höhe ohne weitere Abzüge zu berücksichtigen.
Letzteres ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis der Einkommensregelung in § 21 Abs. 1 und 2 BAföG idF des Änderungsgesetzes vom 25.6.1998 (BGBl I 1609) BAföG F. 1998 - zu § 21 Abs. 3 BAföG 1998 und dessen Wortlaut.
Allein für die steuerrechtlichen positiven Einkünfte im Sinne des § 21 Abs. 1 S. 1 und 2 BAföG 1998 sieht § 21 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 BAföG 1998 als Rückausnahme Abzugsbeträge vor. In diese Rückausnahme sind die weiteren Einkommen nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BAföG 1998 nicht eingebettet, wie auch der Wortlaut zum Ausdruck bringt, nach dem die Einkommen in Höhe der geleisteten Beträge zu berücksichtigen sind (Humborg in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Januar 2011, § 21 Rn. 3.4).
Soweit der Vater der Klägerin mit diesem Einkommen tatsächlich Verluste ausgleichen musste, um für sich eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufzubauen, ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die pauschalen Berechnungsregeln der §§ 21 ff. BAföG unzumutbare Härten nach sich ziehen. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber jedoch eine ausreichende Vorkehrung getroffen (vgl. BVerfG, 4.4.2001 - 2 BvL 7/98; BVerwG, 25.9.2006 - 5 C 27/04), indem er in § 25 Abs. 6 idF des Änderungsgesetzes vom 22.12.1999 (BGBl I 2552) - BAföG 2000 vorsieht, zur Vermeidung unbilliger Härten, insbesondere bei außergewöhnlichen Belastungen nach den §§ 33 bis 33 b EStG sowie Aufwendungen für behinderte Personen (Satz 2), könne ein weiterer Teil des Einkommens anrechnungsfrei bleiben (Satz 1). Auch kann die Härteregelung greifen, wenn nach den allgemeinen Berechnungsregeln Verluste nicht zu berücksichtigen sind (vgl. OVG Lüneburg, 9.3.2011 - 4 LA 218/10). Maßstab für die Annahme einer unbilligen Härte ist vor allem, ob der Leistungsberechtigte den verbleibenden Anrechnungsbetrag des unterhaltsverpflichteten Elternteils unterhaltsrechtlich durchsetzen kann oder atypische Umstände dem entgegenstehen (BVerwG, 23.2.1010 - 5 C 2/09). Die Härtefallregelung kommt hier allerdings schon deshalb nicht zum Tragen, weil die Klägerin den erforderlichen Antrag nicht unverzüglich gestellt hat. Zwar ist entgegen dem Wortlaut der Regelung (Satz 1) der Antrag nicht allein dann unverzüglich gestellt, wenn er vor Ende des Bewilligungszeitraumes erfolgt ist. Insbesondere bei einer nachträglichen endgültigen Bewilligung der BAB kann der Antrag auch nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes gestellt werden, wenn erst aus den Steuerbescheiden der Eltern oder der endgültigen Bewilligung für den Leistungsberechtigten die höhere Anrechnung des Elterneinkommens erkennbar wird (BVerwG, aaO mwN). Jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem der Leistungsberechtigte die Umstände kennt, die eine Rückforderung erwarten lassen, setzt die Obliegenheit ein, den Antrag ohne schuldhaftes Zögern zu stellen (BVerwG, aaO).
Wann genau diese Frist abgelaufen ist, kann sogar für den Fall dahingestellt bleiben, dass alleine der Geltendmachung weiterer Abzüge konkludent ein Härteantrag zu entnehmen ist. Denn die bereits bei Erhebung der Klage anwaltlich vertretene Klägerin hat frühestens mit dem behaupteten anwaltlichen Schriftsatz vom 25. Februar 2008 erstmals weitere Abzüge vom Einkommen des Vaters geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt ist die Antragsfrist in jedem Fall verstrichen. Ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten ist der Klägerin entsprechend § 278 BGB zuzurechnen.
Die Klägerin kann auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe sie den Antrag noch rechtzeitig gestellt.
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt unter anderem voraus, dass der Sozialleistungsträger eine Beratungs- oder Auskunftspflicht nach §§ 14, 15 SGB I verletzt hat.
In Betracht kommt hier alleine eine Verletzung der Beratungspflicht nach § 14 SGB I, wenn die Beklagte die Klägerin oder deren bevollmächtigten Vater im Widerspruchsverfahren darauf hätte hinweisen müssen, einen Antrag nach § 25 Abs. 6 BAföG F. 1999 stellen zu können.
Soweit vereinzelt in der Rechtsprechung vertreten wird, alleine der Hinweis in den Formblättern für Auskünfte der Personen, deren Einkommen bei der Bedürftigkeit zu berücksichtigen sind, schließe jede weitere Beratungspflicht aus (so: OVG Z., 24.6.1996 Bs IV 8/96), ist dem nicht zu folgen. Zwar hat auch das Formblatt, welches der Vater der Klägerin zur Ermittlung seiner Einkommensverhältnisse am 16. Juli 2001 ausgefüllt hat, einen entsprechenden Hinweis auf einen Antrag nach § 25 Abs. 6 BAföG enthalten. Die nachträgliche endgültige Bewilligung der BAB erst im Jahre 2004 hätte jedoch zumindest eine weitere Beratungspflicht ausgelöst, wenn sich die Beklagte hierzu hätte veranlasst sehen müssen.
Die Antragspflicht hat der Gesetzgeber damit begründet, sie solle den Einkommensbezieher veranlassen, Tatbestände klar und rechtzeitig vorzutragen, die einen Härtebetrag rechtfertigen können (BT-Drucks 7/2098 S. 22). Ist damit vorrangig die Berücksichtigung in die Hände des Einkommensbeziehers gelegt, hat gleichwohl der Leistungsträger auf ausdrückliches Ersuchen oder bei hinreichenden Anhaltspunkten im Verwaltungsverfahren, anhand derer sich ein solcher Antrag als zweckmäßig aufdrängt und von einem verständigen Einkommensbezieher genutzt würde (allgemein: BSG, 28.9.2010 - B 1 KR 31/09 mwN; zu Antrag nach § 25 Abs. 6 BAföG: VG Chemnitz, 13.11.2009 - 4 K 1444/08; VG Dresden, 21.12.2009 - 5 K 318/08), von sich aus auf derartige naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen - sogenannte Spontanberatung -. Eine Spontanberatung ist vor allem angezeigt, wenn aus dem Verhalten des Betroffenen erkennbar ist, über die gesetzliche Möglichkeit nicht entsprechend informiert zu sein (BSG, 28.9.2010 aaO mwN). Für einen Antrag nach § 25 Abs. 6 BAföG tritt die Pflicht besonders hervor, weil alleine dieser Härteantrag eine notwendige Korrektur der pauschalen Berechnungsweise gemäß §§ 21 ff. BAföG im Einzelfall sicherstellt.
Ein ausdrückliches Ersuchen der Klägerin oder ihres Vaters gegenüber der Beklagten ist nicht zu erkennen. Beide haben bis zum ersten schriftsätzlichen Vorbringen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin alleine die Einkommensberechnung selbst in Zweifel gezogen, weil diese sich für sie nicht erschlossen hat. Auch aus dem Aktenvermerk vom 27. April 2004 über das Beratungsgespräch mit dem Vater geht nur hervor, ihm die Einkommensberechnung mündlich erläutert zu haben.
Für eine spontane Pflicht zur Beratung bieten sich auch sonst keine ausreichenden Anhaltspunkte. Zwar können diese sich für den Leistungsträger bereits aus den vorgelegten Einkommensbescheiden ergeben (VG Chemnitz aaO; VG Dresden aaO). Vorliegend konnte die Beklagte den Einkommenssteuerbescheiden relevante Anhaltspunkte ausschließlich hinsichtlich der ausgewiesenen Verluste aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit entnehmen. Zwar waren auch Versicherungsbeiträge und Steuerberatungskosten ausgewiesen. Eine unterhaltsrechtliche Relevanz dieser Abzugsposten war jedoch ohne nähere Prüfung nicht zu erkennen. Insbesondere war nicht ersichtlich, dass die Versicherungsbeiträge Vorsorgeaufwendungen darstellten, die zur Bestimmung des unterhaltsrechtlich berücksichtigungsfähigen Einkommen von den Betriebseinnahmen abzuziehen sind (BGH, 16.1.1985 - IVb ZR 59/83). Betrugen die Verluste jedoch für das Kalenderjahr 2000 4.776,00 DM und für das Kalenderjahr 2001 7.143,00 DM hätten sie das monatliche Einkommen des Vaters der Klägerin nur um maximal 400,00 DM monatlich im Kalenderjahr 2000 und 600,00 DM monatlich im Jahr 2001 auf monatlich mindestens 2.523,22 DM in 2001 und 1.820,78 DM in 2001 mindern können. Damit wäre der Vater der Klägerin in jedem Fall oberhalb des angemessenen Selbstbehaltes nach der Berliner Tabelle für einen Unterhaltsanspruch gemäß § 1603 BGB geblieben (1.7.1999: monatlich für Erwerbstätige 1.645,00 DM, Nichterwerbstätige 1.460,00 DM; 1.7.2001: 1.610,00 DM für Nichterwerbstätige). Da er bereits Ende März 2001 seine selbstständige Erwerbstätigkeit wieder aufgab, hätte sein angemessener Selbstbehalt monatlich maximal 1.645,00 DM betragen. Bei einem verbleibenden Einkommen oberhalb des angemessenen Selbstbehaltes, welches selbst unter Berücksichtigung seines durchschnittlich anzurechnenden Einkommens in Höhe von monatlich 193,83 DM als weiteren Abzugsposten im Durchschnitt oberhalb dieses Selbstbehaltes mit monatlich 1.919,58 DM blieb (5X2.523,22 DM + 7 X 1.820,78 DM: 12 = 2.113,46 DM - 193,88 DM = 1.919,58 DM), war die Beklagte nicht verpflichtet, ohne weitere Anhaltspunkte auf die Antragspflicht nach § 25 Abs. 6 BAföG hinzuweisen. Zumal von der Beklagten zur Begründung einer Spontanberatungspflicht allenfalls eine überschlägige Berechnung hätte verlangt werden dürfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem Ausgang des Rechtsstreits gemäß § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Gründe die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen sind nicht ersichtlich.
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