S 12 KA 258/10

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 258/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 9/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Nach der Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV KV Hessen ist der Fallwert des aktuellen Quartals mit dem Fallwert des Referenzquartals im Vorjahr zu vergleichen und hat bei einer Fallwertminderung von mehr als 15% eine einzelfallbezogene Prüfung zu erfolgen. Soweit Leistungen im aktuellen Quartal nicht mehr erbracht werden, ist der Fallwert im Referenzquartal entsprechend zu bereinigen. Es kann nicht auf den Leistungsrückgang einer einzelnen Leistung mit der Folge, dass bei deren Rückgang über 15 % kein weitergehender Ausgleich erfolgt, abgestellt werden.
2. Ein Leistungsrückgang im Bereich der Leistungen nach Nr. 06333 EBM 2005 (Binokulare Untersuchung des Augenhintergrundes) ist grundsätzlich zu berücksichtigen.
3. Die Kausalitätsklausel nach Ziff. 7.5.2 Satz 5 HVV KV Hessen, wonach ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2005 haben müssen, ist rechtswidrig, da sie gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstößt.
1. Unter Abänderung des Honorarbescheids für das Quartal I/06 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2010 wird die Beklagte verurteilt, den Kläger über seinen Honoraranspruch für das Quartal I/06 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

2. Die Beklagte hat dem Kläger ¾ der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Gerichtskosten haben der Kläger zu ¼ und die Beklagte zu ¾ zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars für das Quartal I/06 und hierbei insb. um die Bewilligung von Ausgleichzahlungen nach Ziff. 7.5 HVV.

Der Kläger ist als Facharzt für Augenheilkunde mit Praxissitz seit 01.04.1990 in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Vom 01.07.1998 bis 31.12.2005 war er mit der Augenärztin G in Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in C-Stadt tätig. Seit dem 01.01.2006 führt er seine Praxis allein, zunächst mit Praxissitz in C-Stadt, ab dem 01.10.2006 mit Praxissitz in A-Stadt.

Die Beklagte setzte im streitbefangenen Quartal sowie den Folgequartalen das Honorar des Klägers wie folgt fest:

I/06 III/06 III/06 IV/06
Honorarbescheid vom 20.01.2007 04.02.2007 17.03.2007 18.04.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 17.502,06 24.062,23 16.089,98 5.547,48
Bruttohonorar PK + EK in EUR 17.596,92 24.598,75 16.429,01 5.490,90
Fallzahl PK + EK 1.211 1.075 746 223

Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV - - - -

Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV
Fallwert 610,9 611,3 608,6 603,5
Fallzahl 1.211 1.066 736 223
Praxisbezogenes RLV in Punkten 739.799,9 651.645,8 447.029,6 134.580,5
Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten 642.070,0 543.905,0 368.615,0 170.520,0
Überschreitung in Punkten - - - 35.939,5

Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV
Referenz-Fallzahl 1.154 1.209 1.181 1.083
Referenz-Fallwert EUR 15,1505 22,6558 22,1478 25,3952
Aktueller Fallwert EUR 14,4320 18,3449 16,8689 22,1097
Auffüll-/Kürzungsbetrag je Fall EUR - 0,6679 + 3,7131 + 4,1715 + 1,5613
Auffüll-/Kürzungsbetrag gesamt in EUR - 808,78 + 3.991,62 + 3.111,94 + 348,18

Gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/06 legte der Kläger am 27.02.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung seines Widerspruchs trug der Kläger vor, das Honorar sei zu gering. Es liege weit unter dem, was angemessen wäre. Die Bemessung der Vergütung müsse neben der Zahl der Behandlungsfälle den hohen materiellen und immateriellen Wert des dem Arzt anvertrauten Rechtsgutes berücksichtigen, die langjährige anspruchsvolle ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung, die gesetzlich verankerte Forderung an die ärztliche Berufsausübung, stets dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen, und die damit verbundene apparative Ausstattung, die umfassende ärztliche Aufklärungs- und Dokumentationspflicht, die zahlreichen Vorschriften, die die ärztliche Arbeitszeit zusätzlich verteuerten. Mit dem EBM 2005 sei ein Punktwert von 5,11 Cent als angemessen bewertet worden. Der tatsächlich ausgezahlte Punktwert liege weit darunter.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2010 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, sie habe im Honorarverteilungsvertrag die Vorgaben des Bewertungsausschusses umgesetzt. Der Kläger habe das Regelleistungsvolumen nicht überschritten. Die Honoraranforderungen seien zum oberen Punktwert vergütet worden. Der Bewertungsausschuss habe weiter beschlossen, dass die ursprüngliche Zugrundelegung eines Punktwerts von 5,11 Cent nicht gelte. Ein solcher Punktwert könne auch nicht ausgezahlt werden, da die vereinbarte Gesamtvergütung begrenzt sei. Zur Ermittlung der Daten für die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV sei auf die Daten der ehemaligen Gemeinschaftspraxis zurückgegriffen worden. Hierbei sei gem. der EHV-Aufteilung für den Kläger ein Anteil von 55% der Werte zugrunde gelegt worden. Abhängig von dem Honorarvolumen in der Honorar(unter)gruppe könne die zusätzliche Quotierung der Punktwerte dazu führen, dass der Fallwert im aktuellen Quartal praxisindividuell mehr als 5% von dem Fallwert des Ausgangsquartals abweichen könne. Soweit in dem aktuellen Quartal I/06 im Vergleich zu dem Ausgangsquartal die erwirtschafteten und für die Ausgleichsregelung maßgeblichen Gesamthonorarvolumina angestiegen seien und diese auf den neuen EBM Bewertungen beruhten, sähen die Vorgaben in Ziffer 7.5 HVV gerade einen Ausgleich dieser Honorarverwerfungen vor. Soweit die Honoraranstiege im Übrigen auf dem Abrechnungsverhalten des Arztes beruhten, sei darauf hinzuweisen, dass die streitgegenständlichen Leistungen Teil der budgetierten Gesamtvergütung seien und Erweiterungen im Leistungsumfang zu Lasten der übrigen Leistungserbringer der jeweiligen Honorar(unter)gruppe gingen. Es bestünden keine Bedenken, dass die Ausgleichsregelung auch für diesen Fall durchgeführt worden sei, da dennoch gleiche Rahmenbedingungen (berücksichtigte Änderung der Praxiskonstellation bzw. keine Erweiterung im Leistungsspektrum) vorlägen. Der Grundsatz der "angemessenen Vergütung" begründe keinen Anspruch eines einzelnen Arztes auf eine höhere Vergütung.

Hiergegen hat der Kläger am 07.04.2010 die Klage erhoben. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 hat er die Klage auf die fehlerhafte Berechnung des Referenzfallwertes und die Nichtbeachtung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV bezogen und die übrigen, im Widerspruchsbescheid genannten Gesichtspunkte nicht mehr aufgegriffen. Er trägt vor, die Beklagte gehe von einem fehlerhaften Referenzfallwert aus. Dies beruhe darauf, dass sie ihm von dem Fallwert des Quartals I/05 155% zugebilligt habe. Der Referenzfallwert müsse 27,54 EUR betragen. Der ausgesprochen niedrige Fallwert für das Quartal I/06 von 14,43 EUR beruhe darauf, dass er aufgrund des EBM 2005 Augenhintergrunduntersuchungen nur noch dann abrechnen dürfe, wenn diese in Mydriasis, d. h. durch Pupillenerweiterung, erfolgten. Zuvor habe er auch dann eine Augenhintergrunduntersuchung abrechnen können, wenn diese nicht in Mydriasis erfolgt sei.

Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Honorarbescheids für das Quartal I/06 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2010 die Beklagte zu verurteilen, über seinen Honoraranspruch für das Quartal I/06 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, auf der Grundlage der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18.08.2010 – B 6 KA 16/09 R –, wonach eine Honorarkürzung aufgrund der Ziffer 7.5 HVV unzulässig sei, sei sie zu einer Neubescheidung nach entsprechender Änderung des Honorarverteilungsvertrages bereit. Ein Anspruch auf Teilnahme an der Ausgleichsregelung sei nicht ersichtlich. Unter Berücksichtigung der EHV-Quote von 55% habe sich für das Quartal I/05 für den Kläger ein Honorar von 17.483,73 EUR ergeben. Ausgehend von der entsprechend quotierten Fallzahl von 1.154 Fällen (55% der Gesamtfallzahl von 2.099 Fällen) habe sich hieraus der Zugrunde gelegte Referenzfallwert von 15,1505 EUR ergeben. Nach einer erneuten Überprüfung halte sie hieran aber nicht mehr fest. Es sei ihr ein Fehler unterlaufen. Aufgrund eines Übertragungsfehlers sei ein zu hoher Honoraranspruch abgezogen worden, worauf dann die fehlerhafte Berechnung beruht habe. Es sei ein relevantes Honorar von 29.359,73 EUR und ein RLV-Fallwert von 25,4417 EUR zu berücksichtigen. Unter Zugrundelegung dieses korrigierten Referenzfallwertes würde sich im Quartal I/06 ein Auffüllbetrag von 11.237,21 EUR ergeben. Ein Ausgleich sei aber u. a. dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht worden seien oder sich das Leistungsspektrum der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis verändert habe. Er sei auch ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis im Vergleich zum Vorjahresquartal geändert habe. Aufgrund der Fallwertminderung von mehr als 15% habe eine einzelfallbezogene Prüfung zu erfolgen. Im Bereich der Sonderleistungen (binokulare Untersuchungen des Augenhintergrundes, Nr. 1242 EBM 96 bzw. Nr. 06333 EBM 2005) sei ein nicht unerheblicher Leistungsrückgang festgestellt worden. Die Leistungslegende im EBM 2005 habe sich gegenüber dem Ausgangsquartal nicht geändert. Es sei lediglich eine Veränderung im Bezug auf die Bewertung vorgenommen worden. Eine Vergleichbarkeit des Leistungsspektrums sei daher nicht mehr gegeben. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für die Ausgleichsregelung. Der prozentuale Leistungsrückgang betrage 87%. Der Auffüllungsbetrag in Höhe von 11.237,21 EUR sei anteilig zu reduzieren. Der Anteil, der den 15%igen Fallwertverlust überschreite, entspreche einem Betrag von 8.301,24 EUR, so dass der Auffüllungsbetrag nach Überprüfung nur noch einem Betrag von 2.935,97 EUR entspreche. Unter Berücksichtigung des Kürzungsbetrages verbleibe ein Betrag in Höhe von 3.744,75 EUR, abzüglich von Verwaltungskosten in Höhe von 108,60 EUR und Verwaltungskosten Weiterbildung in Höhe von 2,51 EUR. Es ergebe sich ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 3.633,64 EUR. Dies biete sie vergleichsweise an.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Honorarbescheids für das Quartal I/06 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2010 ist rechtswidrig, soweit er noch angefochten wird. Er war daher abzuändern. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung über seinen Honoraranspruch für das Quartal I/06 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Die Beklagte geht fehlerhaft davon aus, dass der Fallwertrückgang zu mehr als 15 % auf einem Leistungsrückgang beruht.

Der Honorarbescheid für das Quartal I/06 ist rechtswidrig, soweit die Beklagte die sog. Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005, bekannt gemacht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10.11.2005 (HVV), die insoweit bis zum Quartal I/07 fortgeführt wurde, angewandt hat.

Im Einzelnen bestimmt Ziffer 7.5 HVV:

7.5.1 Zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus erfolgt nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziffer 7.2 ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranspruches (Fallwert in EUR) der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung in EUR im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004 ausschließlich beschränkt auf Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung unterliegen und mit Ausnahme der zeitbezogenen genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen. Bei der Ermittlung des Fallwertes bleiben Fälle, die gemäß Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.1 zur Honorierung kommen, unberücksichtigt. Zeigt der Fallwertvergleich eine Fallwertminderung oder Fallwerterhöhung von jeweils mehr als 5% (bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 2004), so erfolgt eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5%. Die für eine Stützung bei Fallwertminderungen – Einzelheiten siehe Ziffer 7.5.2 – notwendigen Honoraranteile gehen zu Lasten der jeweiligen Honorar(unter)gruppe, der die Praxis im aktuellen Quartal zugeordnet ist, und sind gegebenenfalls durch weitergehende Quotierung der Bewertungen bzw. Punktwerte zu generieren, falls die aus der Begrenzung der Fallwerte auf einen Zuwachs von 5% resultierende Honoraranteile hierfür nicht ausreichend sein sollten. Sollte durch eine solche Quotierung die Fallwertminderung (wieder) auf einen Wert oberhalb von 5% steigen, führt dies zu keinem weitergehenden Ausgleich.

7.5.2 Ein Ausgleich von Fallwertminderungen bis zur Grenze von 5% erfolgt grundsätzlich auf der Basis vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden Quartal des Jahres 2004 zur Abrechnung gekommen ist. Ein Ausgleich ist in diesem Sinne u. a. dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht wurden oder sich das Leistungsspektrum der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis, verändert hat. Er ist des weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis entsprechend Ziffer 5.2 Buchstabe g) im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal geändert hat. Beträgt die Fallwertminderung mehr als 15%, ist eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf vorstehend aufgeführte Kriterien durchzuführen, bevor eine Ausgleichszahlung erfolgt. Ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% müssen vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2000plus haben.

7.5.3 Die vorstehende Ausgleichsvorschrift steht im Übrigen unter dem Vorbehalt, dass von Seiten der Verbände der Krankenkassen mindestens eine gegenüber dem Ausgangsquartal vergleichbare budgetierte Gesamtvergütungszahlung geleistet wird und die aufgrund der Beschlussfassung des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 vorzunehmenden Honorarverschiebungen nach Abschluss des Abrechnungsquartals – siehe Ziffer 2.5 der Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.2 – noch ein ausreichendes Honorarvolumen für diese Maßnahme in der einzelnen Honorar(unter)gruppe belassen.

Die Beklagte geht nunmehr davon aus, dass unter Zugrundelegung eines korrigierten Referenzfallwertes sich im Quartal I/06 ein Auffüllbetrag von 11.237,21 EUR ergeben würde, dieser Betrag aber wegen des Leistungsrückgangs nicht maßgeblich sei, soweit die Fallwertminderung den Umfang von 15 % überschreite.

Zutreffend ist zunächst der Ansatz der Beklagten, dass aufgrund der Fallwertminderung von mehr als 15% eine einzelfallbezogene Prüfung zu erfolgen hat und dass im Bereich der Sonderleistungen (binokulare Untersuchungen des Augenhintergrundes, Nr. 1242 EBM 96 bzw. Nr. 06333 EBM 2005) ein nicht unerheblicher Leistungsrückgang vorliegt. Zu vergleichen ist der Fallwert des aktuellen Quartals mit dem Fallwert des Referenzquartals im Vorjahr. Soweit Leistungen im aktuellen Quartal nicht mehr erbracht werden, ist der Fallwert im Referenzquartal entsprechend zu bereinigen. Auszugehen ist vom Fallwert für das Quartal I/05 in Höhe von 25,4417 EUR. Dieser Fallwert ist um den durchschnittlichen Wert für den Leistungsrückgang zu vermindern.

Im Quartal I/06 erbrachte der Kläger die Leistungen nach Nr. 06333 EBM 2005 97 mal bzw. - bei 1.211 Behandlungsfällen - 8,0 mal auf 100 Behandlungsfälle. Demgegenüber wurden die Leistungen nach Nr. 1242 EBM 96 im Quartal I/05 1.387 mal bzw. - bei 2.099 Behandlungsfällen - 66,1 mal erbracht. Bei einer entsprechenden Häufigkeit von 8,0 mal auf 100 Behandlungsfälle wären im Quartal I/05 nur 197,9 Leistungen erbracht worden bzw. 1.219,1 Leistungen wenigen. Das Punktzahlvolumen für diese Leistungen ist nicht in den Fallwert einzurechnen, dies sind 1.219,1 Leistungen zu 160 Punkten bzw. 195.056 Punkte. Dieses Punktzahlvolumen hat, da - unter Vernachlässigung der unterschiedlichen EHV-Quote - alle Leistungen zum oberen Punktwert mit 3,430 Cent vergütet wurden, einen Wert von 6.690,42 EUR (195.056 x 0,0343 EUR) bzw. - geteilt durch 2.099 Behandlungsfälle - von 3,1874 EUR pro Behandlungsfall. Der zu bereinigte Ausgangsfallwert für das Quartal I/05 beträgt somit - 25,4417 EUR minus 3,1874 EUR - noch 22,2543 EUR. Der Fallwertrückgang vom bereinigten Ausgangsfallwert in Höhe von 22,2543 EUR auf den Fallwert im aktuellen Quartal in Höhe von 14,4320 EUR beträgt noch 35,15 % bzw. der Fallwert ist auf 64,85 % abgesunken. Der Leistungsrückgang aufgrund geringerer Leistungserbringung ist anhand des Werts der geringeren Leistungserbringung zu berechnen, hier des Rückgangs um 3,1874 EUR bei einem Ausgangsfallwert für das Quartal I/05 von 25,4417 EUR. Damit beträgt der Rückgang nur 12,5 % und liegt unter der 15 %-Grenze. Soweit die Beklagte demgegenüber einen Leistungsrückgang von 87 % errechnet hat, beruht dies darauf, dass sie allein die Leistungen nach Nr. 1242 EBM 96 und Nr. 06333 EBM 2005 verglichen hat und nicht die Auswirkungen des Leistungsrückgangs auf den Fallwert. Nach Ziff. 7.5.2 Satz 4 HVV erfolgt aber eine Prüfung nur, wenn die "Fallwertminderung" mehr als 15% beträgt. Die Kausalitätsklausel nach Ziff. 7.5.2 Satz 5 HVV, wonach ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2005 haben müssen, ist aber auf den Fallwert bezogen und nicht auf den Rückgang einzelner Leistungen.

Im Übrigen ist die Kausalitätsklausel nach Ziff. 7.5.2 Satz 5 HVV rechtswidrig, da sie gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstößt. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist - im Sinne einer unzulässigen Gleichbehandlung - verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen wird, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten oder Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist (vgl. BSG, Urt. v. 23.03.2011 - B 6 KA 6/10 R - juris Rdnr. 25 m.w.N.). Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass die Kausalitätsklausel zu willkürlichen Ergebnissen führen würde im Sinne eines entweder/oder. Ein Fallwertrückgang bis 15 % führt immer zur vorbehaltslosen Anwendung der Ziff. 7.5 HVV. Ein Fallwertrückgang von 15 und mehr, der auf einer Leistungsverringerung beruht, führt demgegenüber immer zum völligen Absehen von der Ausgleichsregelung, unabhängig davon, ob nicht der Fallwertrückgang zum größten Teil EBM-bedingt ist.

Mit der Kausalitätsklausel, wie sie von der Beklagten praktiziert wird, wird auch der Regelungszweck der Ausgleichsregelung verfehlt. Eine Kassenärztliche Vereinigung ist aufgrund des ihr nach § 75 Abs. 1 SGB V obliegenden Sicherstellungsauftrags berechtigt, zwar nicht anstelle, jedoch ergänzend zu den Regelleistungsvolumina mit den Krankenkassenverbänden im HVV Maßnahmen zu vereinbaren, die eine Stützung gefährdeter Praxen beinhalten(vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 27/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 58 = USK 2010-95 = GesR 2011, 304 = Breith 2011, 415, juris Rdnr. 46). Mit der 5-% Grenze hat die Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV eher den Charakter einer Bestandsschutzmaßnahme zugunsten etablierter Praxen denn einer Stützungsmaßnahme zugunsten gefährdeter Praxen. Die Auffüllbeträge und Honorarkürzungen nach Ziffer 7.5. HVV glichen offenbar nicht nur extreme, ausreißerähnliche Verluste aus und begrenzten extreme Gewinne als Folge der neuen Regelleistungsvolumina bzw. des neuen EBM, sondern schrieben faktisch gewachsene Vergütungsstrukturen fort (vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 27/09 R - a.a.O., Rdnr. 48). Von daher ist es noch weniger zu rechtfertigen, wenn EBM-bedingte Honorarrückgänge in größerem Umfang nicht zum Ausgleich berechtigen würden.

Der Leistungsrückgang im Bereich der Leistungen nach Nr. 06333 EBM 2005 ist grundsätzlich zu berücksichtigen. Nr. 06333 EBM 2005 (Binokulare Untersuchung des Augenhintergrundes) mit dem obligatorischen Leistungsinhalt "Binokulare Untersuchung des gesamten Augenhintergrundes in Mydriasis" wird mit 140 Punkten bewertet. Nr. 1242 EBM 1996 sah als Leistungsinhalt die "binokulare Untersuchung des gesamten Augenhintergrundes, einschl. Spaltlampenmikroskopie der vorderen und mittleren Augenabschnitte" vor und war mit 160 Punkten bewertet. Die Gemeinschaftspraxis des Klägers mit Frau G rechnete im Primär- und Ersatzkassenbereich im Quartal I/05 die Leistungen nach Nr. 1242 EBM 1996 1.387 mal bzw. 66 mal auf 100 Behandlungsfälle ab, die Vergleichsgruppe 40 mal auf 100 Behandlungsfälle, wobei die Leistung in allen der 308 Praxen mit 369 Behandlern erbracht wurde. Der Kläger rechnete im Quartal I/06 die Leistungen nach Nr. 06333 EBM 2005 97 mal bzw. 8 mal auf 100 Behandlungsfälle ab, die Vergleichsgruppe 49 mal auf 100 Behandlungsfälle, wobei die Leistung in allen der 310 Praxen mit 376 Behandlern erbracht wurde. Die Bedenken des Klägers gegen die Anwendung der nunmehr geforderten Untersuchungsmethode und die insofern konsequente geringere Abrechnung der Leistung nach Nr. 06333 EBM 2005 beruht auf seiner eigenen Entscheidung und trifft nicht die Fachgruppe des Klägers, wie die Abrechnungswerte der Vergleichsgruppe zeigen.

Bei einer Neubescheidung wird die Beklagte daher von den von der Kammer aufgezeigten Rechenschritten auszugehen haben. Der auf dem Leistungsrückgang beruhende Fallwertverlust ist aber, auch wenn er wie hier unter 15 % liegt, nicht auszugleichen. Insofern ist die bestehende Pauschalierung der Ausgleichsregelung hinzunehmen, die noch zu einem Ausgleich führt, wenn der gesamte Fallwertverlust unter 15 % beruht, auch wenn dies vollumfänglich einem Leistungsrückgang geschuldet ist.

Im Ergebnis war der Klage daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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