L 1 R 236/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 46 R 90291/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 236/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob zugunsten des Klägers Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz (AVItech) mit den dabei erzielten Entgelten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) festzustellen sind.

Der am ... 1943 geborene Kläger studierte an der Ingenieurschule für Textiltechnik Forst in der Fachrichtung Textilreinigung und ist aufgrund des Zeugnisses dieser Ingenieurschule vom 24. Juli 1982 berechtigt, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Er arbeitete vom 1. Juli 1980 bis zum 30. Juni 1990 als Direktor für Technik im VEB Hauswirtschaftliche Dienstleistungen G ... Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung trat er nicht bei. Eine positive Versorgungszusage erhielt er zur Zeit der DDR nicht.

Seinen ersten Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17. April 2002 ab, da der Kläger nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb gearbeitet habe. Am 21. Januar 2009 beantragte er bei der Beklagten erneut die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaft. Mit Bescheid vom 16. Februar 2009 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag ab. Hiergegen legte der Kläger am 24. Februar 2009 Widerspruch ein und führte aus, er habe in einem volkseigenen Produktionsbetrieb gearbeitet. Zu seinem Verantwortungsbereich habe die Sicherstellung von Dreherarbeiten, die Herstellung von Wasserkochern, die Herstellung von Textilbekleidung und die Versorgung der Bevölkerung mit technischen Gasen gehört. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Der Kläger hat am 18. Dezember 2009 Klage beim ehemaligen Sozialgericht Stendal (nunmehr Sozialgericht Magdeburg (SG)) erhoben und vorgetragen, der VEB Hauswirtschaftliche Dienstleistungen G. sei ein Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung gewesen. Das SG hat betriebliche Unterlagen vom Amtsgericht Stendal – Handelsregister – beigezogen und den Kläger um eine ausführliche Betriebsbeschreibung gebeten. Mit Gerichtsbescheid vom 8. Juli 2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, auch nach der vom Kläger eingereichten Betriebsbeschreibung sei der überwiegende Teil der Arbeitnehmer nicht in der Produktion, sondern in der Dienstleistung eingesetzt gewesen. So hätten von den ca. 220 Arbeitnehmern 100 in der Wäscherei, 15 an Kittelpressen, 10 an der Heißmangel, 15 in der Chemischen Reinigung, 10 im Fuhrpark und 5 in der Glas- und Gebäudereinigung gearbeitet. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers sei daher der Betrieb kein Produktionsbetrieb gewesen, sondern – wie der Name schon sage – ein Dienstleistungsbetrieb. Das Abfüllen von Gasflaschen mache ihn auch nicht zu einem Versorgungsbetrieb.

Der Kläger hat gegen den ihm am 13. Juli 2011 zugestellten Gerichtsbescheid am 21. Juli 2011 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Das SG habe die Hilfsgeschäfte und Hilfstätigkeiten in den Vordergrund gerückt und damit den Charakter des Produktionsbetriebes verneint. Er habe mehrfach aufgezeigt, welche Produkte erstellt worden seien und dass es sich hierbei nicht um Hilfsgeschäfte gehandelt habe, die im Zusammenhang mit der Erstellung der Produkte getätigt worden seien. Der Hauptzweck des Betriebes sei nicht Dienstleistung gewesen, sondern Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw. Produktion von Sachgütern oder auch die Errichtung von Anlagen, wie dies für Produktionsbetriebe, Industrie oder Bauwesen kennzeichnend sei. Der Kläger hat mit der Berufungseinlegung auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Berufungsverfahren unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht ist zulässig, aber nicht begründet.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit den §§ 114 ff. Zivilprozessordnung erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 13. März 1990 - 1 BvR 94/98, in: NJW 1991, S. 413 ff. -). PKH kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 17. Februar 1989 - B 13 RJ 83/97 R, SozR 1500, § 72 Nr. 19 -). Das Gericht muss den Rechtsstandpunkt des antragstellenden Beteiligten auf Grund seiner Sachdarstellung, der vorhandenen Unterlagen und unter Berücksichtigung des gegnerischen Vorbringens für zumindest vertretbar halten und – soweit nötig – in tatsächlicher Hinsicht zumindest von der Möglichkeit einer Beweisführung überzeugt sein.

Vor dem Hintergrund dieses Prüfungsmaßstabs sind keine hinreichenden Erfolgsaussichten dahingehend gegeben, dass der Senat die Verwaltungsentscheidung der Beklagten aufhebt und diese verpflichtet, die Zeit vom 24. Juli 1982 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech mit den dabei erzielten Entgelten festzustellen. Der die Verwaltungsentscheidung bestätigende Gerichtsbescheid des SG ist daher nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt werden. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (AVItech, Zusatzvorsorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 11).

Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden, noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Falle nicht stattgefunden.

Im Ergebnis kommt es nicht darauf an, dass der Senat der Rechtsprechung des BSG nicht folgt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (siehe unter 1.), da auch die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen (2.).

1.

Der Senat ist zum einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 12; nunmehr BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 22, 23). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum anderen ist der Senat der Ansicht, dass, wenn die Annahme des BSG tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist, zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre. Im Übrigen hätte das Bundessozialgericht wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs" keine erweiternde Auslegung vornehmen dürfen, sondern eine konkrete Normenkontrolle an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) veranlassen müssen. Denn die vom Bundessozialgericht vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom BSG vorgenommene Interpretation nicht nahelegt. Es ist deshalb nicht notwendig, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R – juris, Rdnr. 19).

Selbst wenn man bei Anknüpfung an den Wortlaut wegen des verwendeten Begriffs "Zugehörigkeit" zu einem Verständnis der Norm gelangen würde, welches nicht allein auf die tatsächliche Einbeziehung abstellt (so nunmehr der 5. Senat des BSG, der die fiktive Einbeziehung bereits mit dem Wortlaut begründet, siehe Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 23, 24, 27), verbietet sich dieses Ergebnis bei Berücksichtigung der weiteren Auslegungskriterien (Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und Systematik, siehe zu den Auslegungskriterien z. B. BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1999 – 1 BvL 25/97 – juris). Bereits nach der Auffassung des früheren 4. Senats des BSG waren dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG nur zwei Tatbestände zu entnehmen, die zu einer Anwendbarkeit des AAÜG führen. Entweder war der Betreffende tatsächlich Inhaber einer Versorgungsanwartschaft oder er hatte diese durch Ausscheiden vor dem Leistungsfall wieder verloren (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 3/06 R – juris, Rdnr. 17, 16).

In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R, a. a. O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405, S. 113). Aus der weiteren Gesetzesbegründung ist jedoch ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den Bund beziehen (a. a. O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).

Es trifft auch nicht zu, dass bereits durch den EVertr das Neueinbeziehungsverbot modifiziert worden ist (so aber BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 22). In Art. 17 EVertr wurde die Absicht bekräftigt, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um Personen, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind, rehabilitieren zu können. Hier ist schon fraglich, ob einer bloßen Absichtserklärung überhaupt ein Regelungsinhalt entnommen werden kann. Darüber hinaus ist dem Wortlaut von Art. 17 EVertr nicht zu entnehmen, wie die Rehabilitierung im Einzelfall erfolgen sollte und insbesondere auch nicht, dass diese unter Durchbrechung des Neueinbeziehungsverbotes durch Einbeziehung in ein Versorgungssystem möglich sein sollte. Dementsprechend ergeben sich aus dem Rehabilitierungsgesetz vom 6. September 1990 (RehabG, GBl. I S. 1459) Hinweise, dass das Neueinbeziehungsverbot auch bei Rehabilitierungsmaßnahmen zu berücksichtigen war (zur Heranziehung des RehabG zum Verständnis des Art. 17 EVertr siehe Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Januar 1999 – 3 C 5/98 – juris, dort Rdnr. 21). Nach § 9 Nr. 2 RehabG waren nämlich Zeiten des Freiheitsentzuges bei einem Rehabilitierten nur dann als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem anzurechnen, wenn er vor Beginn des Freiheitsentzuges dem Zusatzversorgungssystem angehörte. Es geht also nicht um eine Neueinbeziehung, sondern um die Feststellung weiterer Zeiten, vergleichbar der Regelung des § 5 Abs. 2 AAÜG. Auch dem Wortlaut von Art. 19 Satz 2 EVertr ist eine Modifizierung des Neueinbeziehungsverbots nicht zu entnehmen. Darüber hinaus behandelt er, soweit danach untergegangene Versorgungszusagen wieder aufleben können (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – a. a. O.), keine Fälle der Neu-, sondern der Wiedereinbeziehung. Art. 17 EVertr und Art. 19 EVertr lassen damit nur Schlussfolgerungen für die Fälle zu, in denen bereits, im Gegensatz zu der fiktiven Einbeziehung nach der Rechtsprechung des BSG, eine durch Zusage oder dergleichen dokumentierte Beziehung zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem vorlag.

Den Senat überzeugt nicht, dass aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – a. a. O., S. 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a. a. O., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BTDrs. 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem".

Der Gesetzgeber ging auch nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.

Im Übrigen hat auch die Bundesregierung mehrfach betont, dass das AAÜG nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nur anwendbar sein sollte, wenn eine ausdrückliche Versorgungszusage vorliegt (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BTDrs. 16/11127 vom 28. November 2008; Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Franz-Josef Lersch-Mense auf eine Frage der Abgeordneten Dr. M. B. , BTDrs. 16/13916 vom 21. August 2009).

Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (über den Wortlaut hinaus) lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – a. a. O., S. 12).

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird jedoch verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u. a. – juris, Rdnr. 36).

Für den Senat ist bereits nicht nachvollziehbar, weshalb das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a. a. O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF 1/05 – juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.

Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem – aber nicht am – 30. Juni 1990 jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten.

Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, a. a. O., Rdnr. 45):

"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BTDrs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."

Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einem Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.

2.

Nach der Rechtsprechung des BSG hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I S. 844, VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech (GBl. I S. 487, 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für

Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und

die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar

in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Nach der Rechtsprechung des BSG müssen diese drei Voraussetzungen, damit das AAÜG überhaupt anwendbar ist, am 30. Juni 1990 vorgelegen haben.

Bei Beachtung dieser Voraussetzungen hatte der Kläger am 1. August 1991 (dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG) keinen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech, da die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt ist. Eine Versorgungsanwartschaft konnte nur bei einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb in der Industrie oder im Bauwesen oder in einem gleichgestellten Betrieb erworben werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 10/02 R – SozR 3–8570 § 1 Nr. 5, S. 30). Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt haben. Der Betrieb muss auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 41/01 RSozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – juris). Das BSG setzt industriell und serienmäßig wiederkehrend ausdrücklich gleich (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R – juris, dort Rdnr. 28). Schließlich muss die industrielle Serienproduktion dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Bei dem VEB Hauswirtschaftliche Dienstleistungen G. handelte es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb in der Industrie oder im Bauwesen im Sinne der genannten Rechtsprechung des BSG. Dies gilt jedenfalls vor dem Hintergrund des eingangs dargestellten Prüfungsmaßstabs. Denn schon aufgrund der eigenen Sachdarstellung und unter Berücksichtigung der vorhandenen Unterlagen handelte es sich nicht um einen Produktionsbetrieb. Nach den Ausführungen des Klägers in seinem Schreiben vom 23. Februar 2011 hatte der VEB Hauswirtschaftliche Dienstleistungen G. zwölf verschiedene Abteilungen. Hiernach fand allenfalls in der Schneiderei und in der Abteilung Elektrische Hausgeräte (teilweise) Produktion im Sinne der Rechtsprechung des BSG statt, wobei auch dies sehr zweifelhaft ist. In der Wäscherei ist nach den Ausführungen des Klägers gewaschen, gemangelt und Haushaltsfertigwäsche gelegt worden. In der Abteilung Kittelpressen ist Berufskleidung gewaschen, gepresst und gelegt worden. In der Abteilung Heißmangel ist Mangelwäsche gemangelt und gelegt worden. In der Abteilung Schneiderei ist Neubekleidung für Kinder und Damen angefertigt worden. Es erscheint hier zweifelhaft, ob diese im Sinne einer seriellen Produktion angefertigt wurde. Hiergegen spricht, dass es sich um eine Schneiderei handelte. In der Abteilung Elektrische Haushaltsgeräte sind Wasserkocher neu aufgebaut sowie elektrische Haushaltsgeräte repariert worden (Staubsauger, Bügeleisen, elektrische Wasserthermen, Föne und Rasierapparate). Auch in den Bereichen Propangasversorgung, Rohrleitungsbau, Chemische Reinigung, Technik und Dreherei sowie im Fuhrpark und der Glas- und Gebäudereinigung sind keine Produktionen im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu verzeichnen gewesen. Selbst wenn in den Abteilungen Elektrische Hausgeräte und Schneiderei (teilweise) in diesem Sinne produziert worden wäre, gab dies dem Betrieb nicht das Gepräge. Dies folgt auch aus der vom Kläger mitgeteilten und vom SG zutreffend bewerteten Verteilung des Personals auf die einzelnen Abteilungen. Diese Wertung wird dadurch bestätigt, dass aufgrund des Beschlusses des Kreistages G. vom 16. November 1973, mit dem der VEB Dienstleistungskombinat G. in zwei selbständige Betriebe, den VEB Hauswirtschaftliche Dienstleistungen und den VEB S. umstrukturiert wurde, ausgeführt wird: "Entsprechend den wachsenden Anforderungen an die Leitung und Planung des Reproduktionsprozesses bei der weiteren Durchführung der Beschlüsse des VIII. Parteitages sowie des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe ist die Versorgung der Bevölkerung mit Reparaturen und Dienstleistungen rationell zu gestalten mit dem Ziel, das Versorgungsniveau weiter zu erhöhen."

Die Beschwerde ist nicht zulässig, § 177 SGG.

gez. Grell gez. Hüntemeyer gez. Dr. Peters
Rechtskraft
Aus
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