L 10 AS 781/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 14 AS 20/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 781/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 24. Februar 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit der am 31. Dezember 2009 vor dem Sozialgericht (SG) Cottbus erhobenen Klage hatte die Klägerin die Übernahme von erstmals mit dieser Klage im Einzelnen aufgeführten Umzugs- und Fahrtkosten aus dem Jahr 2006 begehrt, ohne zuvor die bereits am 25. April 2006 erhaltenen Antragsunterlagen ausgefüllt und mit Belegen versehen beim Beklagten eingereicht zu haben. Mit Schreiben vom 29. März 2010 (zugestellt am 30. März 2010) hat das SG Cottbus die Klägerin unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 102 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgefordert, das Verfahren zu betreiben. Am 30. Juni 2010 hat das SG das Verfahren als erledigt betrachtet. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2010 hat sich die Klägerin gegen die "Erledigung" gewandt. Auf die Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21. Februar 2011 "einem Verfahren im Schriftverkehr zugestimmt". Mit Gerichtsbescheid vom 24. Februar 2011 hat das SG Cottbus festgestellt, dass die Klage zu dem Aktenzeichen S 14 AS 2208/09 als zurückgenommen gelte und sich der Rechtsstreit erledigt habe.

Gegen den ihr am 15. März 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat sich die Klägerin mit einem Telefax-Brief gewandt, der ihre Unterschrift und als Datum der Abfassung den 15. April 2011 trägt und am 16. April 2011 als Fax bei dem SG Cottbus einging. Mit Schreiben vom 29. April 2011 hat die Berichterstatterin des Senats die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Berufung unzulässig sei. Sie habe erst am 16. April 2011, und damit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am 15. April 2011 Berufung eingelegt. Die Kläger hat daraufhin die Sendeberichte ihres Schreibens vom 15. April 2011 eingereicht, wonach die Übermittlung am 16. April 2011 um 0h13 und 0h15 gescheitert und erst um 22h37 gelungen sei. Die geringfügige Verspätung werde für wenig relevant gehalten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 15. März 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Umzugs- und Fahrtkosten in Höhe von 1.020,33 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie der Leistungsakten der Beklagten (ein Band), die vorgelegen haben, Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unzulässig und war daher nach § 158 Satz 1 SGG zu verwerfen. Sie ist nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim SG oder beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingelegt worden (vgl § 105 Abs 2 iVm § 151 Abs 1 und Abs 2 SGG).

Nach § 64 Abs 1 SGG begann der Lauf der Monatsfrist am 16. März 2011, dem Tage nach der Zustellung des Gerichtsbescheides, die am 15. März 2011 erfolgte. Die Frist zur Einlegung der Berufung endete mit Ablauf des 15. April 2011 (einem Freitag). Dies ergibt sich aus § 64 Abs 2 Satz 1 SGG, wonach eine nach Monaten bestimmte Frist - hier: die Frist zur Einlegung der Berufung aus § 151 Abs 1 SGG - mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats endet, welcher nach der Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Die Berufung der Klägerin ist ausweislich des gerichtlichen Eingangsstempels jedoch erst am 16. April 2011, also nach Ablauf der Frist, bei Gericht eingegangen.

Der Klägerin war nicht gemäß § 67 Abs 1 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin unverschuldet verhindert gewesen wäre, die gesetzliche Berufungsfrist einzuhalten. Soweit sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf berufen hat, dass sie in der Nacht vom 15. auf den 16. April 2011 vergeblich versucht habe, ihr Schreiben vom 15. April 2011 per Fax zu übermitteln, geht der Vortrag ins Leere, denn ausweislich der von der Klägerin übermittelten Protokolle sind diese Übermittlungsversuche erst nach Mitternacht, dh bereits am 16. April 2011, und damit nach Ablauf der Berufungsfrist, unternommen worden. Wollte man den Vortrag so verstehen, sie habe noch am 15. April 2011 – vor Mitternacht – Absendeversuche unternommen, rechtfertigt dies eine Wiedereinsetzung ebenfalls nicht. Zunächst ist ein solcher Sachverhalt nicht glaubhaft gemacht, da die Klägerin nur Sendeberichte vorgelegt hat, die auf den 16. April 2011 (Zeitpunkte kurz nach Mitternacht) datieren. Aber selbst wenn Versuche, die Berufungsschrift unmittelbar vor Fristablauf per Fax zu versenden, erfolgt sein sollten, ergibt ein solcher Sachverhalt aus Rechtsgründen keinen Wiedereinsetzungsgrund, da das Fehlschlagen eines solchen Versuchs keine unverschuldete Fristversäumnis darstellt. Denn die Belegung eines gerichtseigenen Telefaxanschlusses durch andere eingehende Sendungen kurz vor Fristablauf ist eine allgemein zu beobachtende Erscheinung, der ein Beschwerdeführer im Hinblick auf die ihm obliegende Sorgfaltspflicht durch einen zeitlichen Sicherheitszuschlag Rechnung zu tragen hat (vgl Bundesverfassungsgericht, 1. Senat 2. Kammer, Beschluss vom 20. Januar 2006 – 1 BvR 2683/05, zitiert nach juris).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist weder zur Frage der Fristversäumnis noch zur Wiedereinsetzung von Bedeutung, dass die Berufungsfrist nur geringfügig verfehlt wurde. Die maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen erlauben insoweit keine Differenzierung.

Der Senat hat von dem ihm in § 158 Satz 2 SGG eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht, die Berufung durch Beschluss zu verwerfen. Nicht grundlegend anders als im Rahmen von § 153 Abs 4 Satz 1 SGG (vgl dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 28/02 R -, SozSich 2004, 35; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 1 RdNr 6 ff) ist die Möglichkeit, nach § 158 Satz 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, eng und in einer für die Beteiligten möglichst schonenden Weise auszulegen und anzuwenden. Auch die Ausgestaltung des vereinfachten Berufungsverfahrens im SGG unter Berücksichtigung der Rechtsbehelfe gegen Gerichtsbescheide nach § 153 Abs 4, § 105 Abs 2 SGG ist nach dem Willen des Gesetzgebers allgemein an Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) orientiert (BSG, Beschlüsse vom 09. Dezember 2008 – B 8 SO 13/08 B und B 8 SO 17/08 B, zitiert nach juris, BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2). Vorliegend gebietet das Gebot eines fairen Verfahrens nicht, vor der Verwerfung der Berufung eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Da sich die Klägerin im Verfahren vor dem SG Cottbus ausdrücklich mit einem schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hat, ist davon auszugehen, dass die Klägerin auf ihr Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem SG verzichtet hat. Im Berufungsverfahren ist die Klägerin zu der Möglichkeit, die Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist nach § 158 SGG durch Beschluss zu verwerfen, angehört worden (vgl zum Erfordernis einer Anhörung: BSG, Beschluss vom 02. Juli 2009 – B 14 AS 51/08 B, zitiert nach juris). Sie hat daraufhin Umstände der Berufungseinlegung mitgeteilt. Einwendungen gegen die Absicht des Senats, über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden, hat die Klägerin indes nicht formuliert. Bei dieser Sachlage ist dem Gebot eines fairen Verfahrens, das nur regelhaft die Möglichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfordert, hinreichend Rechnung getragen worden (vgl für den Fall der Möglichkeit nach Erlass eines Gerichtsbescheides mündliche Verhandlung zu beantragen: Beschluss des Senats vom 18. Juni 2010 – L 10 AS 779/10, zitiert nach juris).

Es gab keinen Grund, die Beschlussfassung im vorliegenden, entscheidungsreifen Berufungsverfahren bis zur Entscheidung der Beklagten über den aus Sicht der Klägerin mit der Klage gestellten Überprüfungsantrag der Klägerin zurückzustellen, zumal die anstehende behördliche Entscheidung von der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung, der allein prozessuale Erwägungen zugrunde liegen, nicht berührt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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