S 1 KR 54/11

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
SG Trier (RPF)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 1 KR 54/11
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine private Berufsunfähigkeitsrente führt nicht gemäß § 44 Abs. 1 Satz Nr. 4 SGB V zum Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld.
2. Private Vorsorgeleistungen sind keine Renten aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder einer anderen vergleichbaren Stelle.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 19.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.3.2011 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Erstattungsbescheides.
Der am ...1961 geborene Kläger ist selbständiger Dachdeckermeister. Den letzten Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlte er im Jahre 1998. Er ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit.
Ab dem 31.8.2009 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt wegen chronischer Polyarthritis mit Beschwerden des rechten Handgelenkes, die Beklagte zahlte Krankengeld vom 21.9.2009 bis zum 21.10.2010.
Der Kläger hatte am 1.5.1998 bei der H M (inzwischen E Lebensversicherungs-AG) eine Kapitallebensversicherung mit Überschussbeteiligung für die Dauer von 23 Jahren abgeschlossen. Die Versicherung beinhaltete unter anderem eine Beitragsbefreiung bei Berufs- und Dienstunfähigkeit vor dem 1.6.2021 und eine monatliche Rentenzahlung (LV). Weiterhin war bei der gleichen Versicherungsgesellschaft eine Direktversicherung (Versorgungsbezug) abgeschlossen worden (LV).
Mit Schreiben vom 5.10.2010 teilte die E Lebensversicherung-AG dem Kläger mit, dass sie ihre Leistungspflicht wegen Berufsunfähigkeit ab dem 1.9.2009 anerkenne. Die monatliche Rente aus der LV betrage monatlich 476,20 Euro und ab dem 1.1.2010 monatlich 479,55 Euro. Die Nachzahlung für den Zeitraum vom 1.9.2009 bis 1.11.2010 betrug 10.952,62 Euro. Aus der LV bewilligte die E Lebensversicherung-AG dem Kläger eine monatliche Rente von 2.090,25 Euro, der Nachzahlungsbetrag für den Zeitraum vom 1.9.2009 bis 1.11.2010 betrug 37.004,62 Euro.
Nachdem die Beklagte vom Kläger über die Zahlung aus der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung informiert worden war und der Kläger das Schreiben der E Lebensversicherung-AG vom 5.10.2010 vorgelegt hatte, teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 29.10.2010 mit, er sei bereits mit Schreiben vom 15.9.2010 informiert worden, dass bei Zubilligung von Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung auch rückwirkend der Anspruch auf Krankengeld ganz oder teilweise entfalle. Die Kasse habe dann einen Anspruch auf die Rentennachzahlung. Um abschließend prüfen zu können, auf welche der Rentenzahlungen und in welcher Höhe ein Erstattungsanspruch der Beklagten bestehe, benötige sie genauere Angaben. Es werde daher um Einreichung von Kopien der Versicherungsverträge gebeten. Nachdem der Kläger die entsprechenden Unterlagen vorgelegt hatte, machte die Beklagte mit Bescheid vom 19.11.2010 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 27.184,23 Euro für den Zeitraum vom 21.9.2009 bis 21.10.2010 geltend. Zur Begründung wurde ausgeführt, ab dem 1.1.2009 habe § 44 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) eine Änderung erfahren. § 44 SGB V regele in Abs 2, in welchen Fällen kein Anspruch auf Krankengeld bestehe. Er sei ab dem 1.1.2009 um die Nr 4 erweitert worden. Hier heiße es, dass für Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs 1 SGB V genannten Leistungen entsprächen, § 50 Abs 2 SGB V entsprechend gelte, soweit sie eine Leistung bezögen, die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspräche. Leistungen nach § 50 Abs 1 SGB V seien zB eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, Erwerbsunfähigkeit oder eine Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung. § 50 Abs 2 SGB V bestimme, dass Krankengeld um den Zahlbetrag zB eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, Berufsunfähigkeit oder der Teilrente wegen Alters der gesetzlichen Rentenversicherung zu kürzen sei. Die Erweiterung des § 44 SGB V führe dazu, dass das Krankengeld des Klägers rückwirkend ab dem 21.9.2009 um den Rentenzahlbetrag der E Lebensversicherung-AG zu kürzen sei. Die bewilligte Leistung entspreche ihrer Art nach der Leistung des § 50 Abs 2 SGB V und werde von einer "anderen vergleichbaren Stelle" gezahlt.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.3.2011 zurückgewiesen. Die Beklagte führte ergänzend zu den Ausführungen im Bescheid vom 19.11.2010 aus, Rechtsgrundlage für den Erstattungsbescheid sei entweder § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X oder § 45 SGB X. Sie habe dem Kläger durch das ungekürzt ausgezahlte Krankengeld einen rechtlich erheblichen Vorteil zugebilligt, somit liege ein begünstigender Verwaltungsakt vor. Nach erfolgter Zahlung des Krankengeldes sei festgestellt worden, dass anstatt des ausgezahlten Krankengeldes letztlich eine Kürzung um die entsprechend seit 1.9.2009 bewilligte Berufsunfähigkeitsrente vorzunehmen gewesen wäre. Mit Abschluss des Vertrages mit der E Lebensversicherung-AG sei dem Kläger bewusst gewesen, dass beim Vorliegen entsprechender gesundheitlicher Beschwerden diese auch Auswirkungen auf die Höhe des entsprechenden Krankengeldanspruches haben könne bzw haben. Die Tatsache, dass der Kläger tatsächlich ein zu hohes Krankengeld erhalten habe, sei durch den erfolgten Vertragsabschluss sowie die Rentennachzahlung ebenso offenkundig wie für ihn erkennbar gewesen. Ein schutzwürdiges Vertrauen hinsichtlich des bereits bezogenen Krankengeldes habe durch den Bezug bzw Erhalt der Rentennachzahlung in der entsprechenden Höhe nicht vorgelegen. Im Ergebnis habe der Kläger die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes gekannt oder zumindest wegen grob fahrlässiger Unkenntnis nicht gekannt. Unabhängig davon, ob es sich bei der Bewilligung der Krankengeldzahlung um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 45 oder § 48 SGB X gehandelt habe, sei die Beklagte demzufolge befugt, die Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit nach pflichtgemäßem Ermessen auszuheben und den Betrag zurückzufordern. Bei ihrer Ermessensentscheidung habe die Beklagte die wirtschaftlichen Folgen der Aufhebung der Bewilligungsentscheidung berücksichtigt, außerdem das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Verpflichtung zur zweckentsprechenden Verwendung von Haushaltsmitteln. Der Kläger habe nach § 50 Abs 1 SGB X den Betrag in Höhe von 27.184,23 Euro zurückzuzahlen.
Hiergegen richtet sich die am 11.4.2011 beim Sozialgericht Trier eingegangene Klage. Der Kläger trägt vor, bei dem Produkt der E Lebensversicherung handele es sich ausschließlich um eine private und freiwillige Absicherung bei Berufsunfähigkeit. Die Versicherungsbedingungen schlössen auch nicht den Bezug von Krankengeld neben der Rente aus. Es existiere keine gesetzliche Meldepflicht gegenüber der Krankenkasse. Die Krankenkasse sei auch nicht berechtigt, wie bei den gesetzlichen Renten Erstattungsansprüche anzumelden und zu realisieren. Er habe zwar in den von der Beklagten in den laufenden Auszahlungsscheinen für das Krankengeld gestellten Fragen den Bezug von Renten und vergleichbaren Leistungen verneint, hierzu sei er aber auch nicht verpflichtet gewesen. Auch in dem Schreiben der E Lebensversicherung-AG vom 5.10.2010 sei er nicht auf eine solche Auswirkung der Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente hingewiesen worden. Der dort enthaltene Hinweis beziehe sich ausschließlich auf die Meldepflicht gegenüber der Krankenkasse, wenn es sich um eine betriebliche Alterversorgung handele. Hierbei gehe es ausschließlich um die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Es handele sich jedoch bei der streitigen Berufsunfähigkeitsrente nicht um einen Versorgungsbezug. Daher sei er nicht verpflichtet gewesen, die Beantragung und den Bezug der Beklagten mitzuteilen. Schließlich könne er sich auf Vertrauensschutz berufen. Er habe das Krankengeld als laufende Einkommensersatzleistung im guten Glauben empfangen und auch verbraucht.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.3.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidungen für rechtmäßig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 19.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.3.2011 ist rechtswidrig und deshalb aufzuheben.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung des ab 21.9.2009 bewilligten Krankengeldes ist § 48 SGB X. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
die Änderung Zugunsten des Betroffenen erfolgt,
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
§ 45 SGB X regelt dagegen die Rücknahme eines von Anfang an rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes. Da der Kläger zum Zeitpunkt der Bewilligung von Krankengeld, die jeweils aufgrund der Vorlage von Krankengeldauszahlungsscheinen erfolgt ist, noch keine Berufsunfähigkeitsrente der E Lebensversicherung bezog und die Anspruchsvoraussetzungen hierfür auch noch unklar waren, war die Bewilligung von Krankengeld bis zum 21.10.2010 nicht von Anfang an rechtswidrig.
Es kann offen bleiben, ob vorliegend die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2, Nr 3 oder Nr 4 SGB X erfüllt sind, denn es fehlt bereits an einer wesentlichen Änderung im Sinne von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Die Bewilligung der privaten Berufsunfähigkeitsrente durch die E Lebensversicherung-AG an den Kläger hat keine Auswirkungen auf seinen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld dem Grunde und der Höhe nach.
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder einer Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Voraussetzung war bis zum 31.12.2008 ferner eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld, die grundsätzlich auch von freiwilligen Mitgliedern abgeschlossen werden konnte. Bis zum 31.12.2008 regelte § 44 Abs 2 SGB V, dass die Satzung für freiwillig Versicherte den Anspruch auf Krankengeld ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen konnte. § 44 Abs 2 SGB V wurde mit Wirkung ab 1.1.2009 durch das Gesetz vom 26.3.2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 378) neu gefasst. Er regelte nun, dass unter anderem hauptberuflich selbständig Erwerbstätige (§ 44 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V) sowie Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von einer anderen vergleichbaren Stelle beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs 1 SGB V genannten Leistungen entspricht (§ 44 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V) keinen Anspruch auf Krankengeld haben. Für Versicherte nach Satz 1 Nr 4 gilt § 50 Abs 2 SGB V entsprechend, soweit sie eine Leistung beziehen, die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspricht. § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V wurde mit Wirkung ab 1.8.2009 durch das Gesetz vom 17.7.2009 (Bundesgesetzblatt I Seite 1990) dahingehend geändert, dass hauptberuflich selbständige Erwerbstätige nur dann keinen Anspruch auf Krankengeld haben, wenn sie nicht eine Wahlerklärung abgegeben haben, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll. Da der Kläger eine entsprechende Erklärung abgegeben hat, hatte er grundsätzlich ab dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 31.8.2009 nach einer Wartezeit von 21 Tagen Anspruch auf Krankengeld gegenüber der Beklagten.
Der Kläger war nicht nach § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V von dem Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen, da er keine der dort genannten Renten von der E Lebensversicherung-AG bezieht. Mit § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V wird § 50 SGB V für die Empfänger von Versicherungs- und Versorgungsleistungen aus berufsständigen Versorgungswerken übernommen. Daher haben Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen, keinen Anspruch auf Krankengeld. Durch die Verweisung in § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 4 Satz 2 SGB V auf § 50 Abs 2 SGB V wird klargestellt, dass bei Bezug einer in § 44 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Satz 1 SGB V genannten Leistungen das Krankengeld um den Zahlbetrag gekürzt wird, wenn die Leistung von einem Zeitpunkt nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der stationären Behandlung an zuerkannt wird. Da die Bewilligung der privaten Berufsunfähigkeitsrente ab 21.9.2009 erfolgt ist und Arbeitsunfähigkeit bereits am 31.8.2009 eingetreten ist, ist § 50 Abs 2 SGB V grundsätzlich anwendbar, so dass das gewährte Krankengeld um den Zahlbetrag der privaten Berufsunfähigkeitsrente zu kürzen wäre, wenn diese zu den in § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V genannten Leistungen gehört.
§ 44 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB V umfasst Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da der Kläger keine Leistung aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung erhält. Der Bezug der privaten Berufsunfähigkeitsrente erfüllt auch nicht das Tatbestandsmerkmal "die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspricht". Hierzu gehören Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen der auf Landesrecht beruhenden öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherungseinrichtungen der Angehörigen der "verkammerten freien Berufe", wie Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Architekten, Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Tierärzte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, psychologische Psychotherapeuten, Ingenieure (Gerlach in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB V, § 44 RdNr 34). Nicht hierzu gehören jedoch Leistungen, die ein Versicherter aufgrund allein privater Vorsorge von einem privaten Versicherungsunternehmen erhält. Bereits der Wortlaut des § 44 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB V lässt keine Auslegung dahingehend zu, dass auch Leistungen aufgrund privater Absicherung den Anspruch auf Krankengeld entfallen lassen oder einschränken sollen.
Wie bereits höchstrichterlich entschieden ist (BSG, Urteil vom 23.4.1996, 1 RK 19/95), kann im Bereich der Anrechnung von Leistungen auf den Anspruch auf Krankengeld eine analoge Anwendung der bestehenden Regelungen nicht erfolgen. Zur Ausfüllung von Regelungslücken sind die Richter nur berufen, wenn das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat. Keine dieser Voraussetzungen ist hier gegeben (BSG aaO insoweit zur damals fehlenden Regelung der Anrechnung von Renten aus berufsständigen Versorgungswerken). Es ist nicht ersichtlich, dass die fehlende Einbeziehung von Rentenzahlungen oder vergleichbaren Zahlungen, die allein auf einem privaten Versicherungsvertrag beruhen, auf einem Versehen des Gesetzgebers beruhen und damit eine planwidrige Regelungslücke in § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V besteht.
Auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/3100 zu Nr 30 Buchstabe b) ergibt sich nicht, dass abweichend von dem bisherigen Regelungskonzept in der gesetzlichen Sozialversicherung allein private Vorsorgeleistungen zur Kürzung oder zum Wegfall von Ansprüchen aus gesetzlichen Versicherungssystemen führen sollen. Dort heißt es: "Sofern Bezieher von Krankengeld bisher eine Rente bezogen haben, die mit denen in § 50 genannten Leistungen vergleichbar ist, entfiel weder der Anspruch auf Krankengeld noch wurde das Krankengeld entsprechend gekürzt. Dies stellt eine Ungleichbehandlung von Versicherten dar, die entsprechende Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, so dass die Ergänzung in Nr 4 sachgerecht ist. Durch die neu bezogene Leistung, welche das Krankengeld als Einnahme zum Lebensunterhalt regelmäßig ablöst, ist der Lebensunterhalt weiter sichergestellt". Hieraus ergibt sich lediglich die Intention des Gesetzgebers, Leistungsbezieher von berufsständigen Versorgungseinrichtungen vom Bezug von Krankengeld auszuschließen. Durch die Einbeziehung von Leistungen "von anderen vergleichbaren Stellen" sollte lediglich sichergestellt werden, dass alle Versorgungseinrichtungen, unter Umständen auch privatrechtlich organisierte, die für bestimmte selbständige Berufsgruppen eingerichtet sind, von der Vorschrift umfasst werden. Bei der vom Kläger vorgenommenen privaten Absicherung in Form einer privaten Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung handelt es sich jedoch nicht um eine Leistung, die für die Angehörigen seiner Berufsgruppe landes- oder bundesweit von einem Versorgungswerk oder einer vergleichbaren Einrichtung durchgeführt werden. Hinzu kommt, dass für Versicherte, die in den Zuständigkeitsbereich eines beruflichen Versorgungswerkes fallen, grundsätzlich eine Pflichtmitgliedschaft mit Pflicht zur Beitragszahlung besteht. Dagegen beruht der Abschluss der Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung durch den Kläger allein auf seiner freien Willensentscheidung, er konnte die Versicherung zu jedem Zeitpunkt beenden oder die Beitragszahlung einstellen und die Versicherung beitragsfrei weiterführen.
Insgesamt ist somit eine wesentliche Änderung durch die Zahlung der privaten Berufsunfähigkeitsrente nicht eingetreten, so dass der Aufhegungsbescheid der Beklagten vom 19.11.2010 rechtswidrig ist.
Die Klage hat nach alledem Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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