L 8 R 185/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 29 (3) R 286/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 185/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.11.2008 geändert und die Klage hinsichtlich der den Beigeladenen zu 1) betreffenden Beitragsforderung abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.460,04 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Klägerin für den als Interviewer für sie tätig gewesenen Beigeladenen zu 1) aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für Dezember 1999 und für den Zeitraum von April bis Juni 2000 sowie Beiträge für eine geringfügige Beschäftigung zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung für den Zeitraum von Januar bis März 2000 zu zahlen hat. Hinsichtlich der ursprünglich darüber hinaus gehenden Beitragsforderungen für den Zeitraum von September bis November 1999 hat die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 29.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2005 im Verhandlungstermin am 20.7.2011 aufgehoben und die Klägerin das entsprechende Teilanerkenntnis angenommen. Die Klägerin hat die Klage zurückgenommen, soweit die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid Beiträge für eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) als Supervisor im Zeitraum von Juli 2000 bis März 2002 nachgefordert hat.

Die Klägerin ist ein Markt- und Meinungsforschungsunternehmen, welches für verschiedene Auftraggeber Kundenzufriedenheitsbefragungen, Marktpotentialerhebungen und anderweitige Meinungsbefragungen im Streitzeitraum von 1999 bis 2002 durchführte. Sie entwickelte dafür unter anderem auftragsspezifische, strukturierte Interviews mit festgelegten Fragen, welche von den Interviewern der Klägerin telefonisch durchgeführt wurden. Darüber hinaus bestimmte die Klägerin die zu befragenden Zielgruppen, die Zahl der für ein Projekt bzw. eine Studie durchzuführenden Interviews sowie die einzuhaltende sog. Feldzeit, bei der es sich um den Zeitraum handelt, innerhalb dessen das Projekt bzw. die Studie abgeschlossen sein muss. Die Antworten der Gesprächspartner wurden über die für die jeweiligen Aufträge entwickelten Eingabemasken in den Computer eingegeben und die so gewonnenen Daten empirisch ausgewertet. Zur Durchführung der Interviews stellte die Klägerin den Interviewern anonymisierte Arbeitsplätze mit Computer und Telefon in sogenannten Telefonstudios mit 15 bis 30 Telefonarbeitsplätzen zur Verfügung. Pro 15 Telefonarbeitsplätze befand sich ein Supervisor im Telefonstudio. Dieser hatte auf die Einhaltung studienspezifischer Belange und allgemeiner Regeln der Interviewführung zu achten. Zu diesem Zwecke verfolgte er einzelne Interviews stichprobenartig mit, schrieb ein Bewertungsprotokoll, das als Grundlage für die Bewertung der Interview-Qualität des Interviewers diente, und gab dem Interviewer ein Feedback zu jedem bewerteten Interview. Weiterer Zweck des Verfolgens der Interviews war es sicherzustellen, dass die Interviews erbracht wurden. Darüber hinaus oblag dem Supervisor die technische und inhaltliche Betreuung der Interviewer. Der Einsatz der Interviewer erfolgte in einem System von 4-Stunden-Zeitkorridoren - von den Beteiligten teilweise als "Schicht" bezeichnet -, deren Lage sich vornehmlich nach der Erreichbarkeit der Zielpersonen richtete. Pro Stunde war eine bezahlte Pause von 5 Minuten, insgesamt 20 Minuten pro 4-Stunden-Zeitkorridor vorgesehen. Darüber hinaus war hinsichtlich Zeitpunkt und Dauer eine freie Pausenwahl möglich. Zum Teil wurden die Zeitkorridore bei Studien mit Auslandsbezug verändert. Gleiches galt beispielsweise bei Studien, die Handwerker betrafen.

Die von der Klägerin eingesetzten Interviewer wurden von dieser durch eine allgemeine Schulung auf ihre Tätigkeit als Interviewer vorbereitet. Dazu erhielten sie studienspezifische Einweisungen. Der konkrete Einsatz der Interviewer wurde wöchentlich im Voraus für die folgende Kalenderwoche zeitlich festgelegt und verbindlich vereinbart, wobei schriftliche Vereinbarungen nicht geschlossen wurden. Zu diesem Zwecke fanden sich die Interviewer bei der Klägerin zu einer festgelegten Zeit persönlich ein und verhandelten mit den für die Klägerin tätigen Supervisoren die konkreten Einsätze für die folgende Kalenderwoche. Dabei gaben die Interviewer jeweils an, an welchen Tagen sie in welchen Zeitkorridoren arbeiten wollten. Diesen Wünschen wurde soweit wie möglich Rechnung getragen. Wenn zu den nachgefragten Zeiträumen allerdings keine Arbeit zu vergeben war, wurde im Einzelnen verhandelt, ob ein Einsatz zu einer anderen Zeit erfolgen konnte. Falls auf diesem Wege der Bedarf an Interviewern nicht gedeckt werden konnte, wurden weitere Interviewer telefonisch kontaktiert, bis der Personalbedarf gedeckt war. Falls auch auf diesem Wege der Personalbedarf nicht gedeckt werden konnte, musste die Projektplanung entsprechend angepasst werden. Zusätzlich konnten durch kurzfristig angenommene Aufträge weitere Bedarfe an Interviewern entstehen, die die Klägerin ebenfalls durch telefonische Kontaktaufnahmen zu decken versuchte. Nicht auswählen konnten die Interviewer, bei welchen konkreten Studien sie eingesetzt wurden. Diese Auswahl lag bei der Klägerin. Ohne Angabe von Gründen konnten die Interviewer ihren Einsatz bis 8 Bürostunden vor Schichtbeginn absagen. Zu Beginn des Einsatzes mussten die Interviewer ihre Anfangszeit auf dem Einsatzplan notieren und die für sie vorgesehene Studie dort ablesen. Die Abrechnung erfolgte elektronisch. Dazu mussten sich die Interviewer im System mit der sog. CATI-Nummer, die nur Abrechnungszwecken diente, einloggen. Alle geleisteten Tätigkeitszeiten wurden sodann automatisch erfasst.

Die Klägerin behandelte die für sie tätigen Interviewer als nicht sozialversicherungspflichtige, freie Mitarbeiter. Sie zahlte eine Vergütung auf Stundenbasis. Diese setzte sich aus einem Basisstundensatz (14 DM bzw. 7,16 EUR) und erfolgsabhängigen Parametern (Schlagzahl, Ausschöpfung, Interviewqualität) zusammen, die zu einer Erhöhung des Stundensatzes bis auf 18 DM bzw. 9,20 EUR führen konnten. Teilweise haben Interviewer höhere Stundensätze ausgehandelt. Außerdem zahlte die Klägerin an Interviewer, die eine bestimmte Stundenzahl für sie tätig waren, einen Treue-Aufschlag zum Stundensatz. Die Zahlung des Entgelts erfolgte monatlich nach dem von der Klägerin festgehaltenen zeitlichen Umfang der Tätigkeit. Hierüber erhielt der Interviewer monatlich einen Kontoauszug. Eine Rechnungsstellung durch den Interviewer erfolgte nicht.

Der Beigeladene zu 1) übte die Tätigkeit als Interviewer für die Klägerin entsprechend den vorstehenden Ausführungen von September 1999 bis Juni 2000 aus. Er unterhielt keine eigenen Geschäfts- bzw. Büroräume, setzte kein eigenes Kapital ein und erbrachte keine Sicherheitsleistungen. Ein schriftlicher Vertrag wurde nicht abgeschlossen. Für andere Auftrag-/Arbeitgeber war der Beigeladene zu 1) im Streitzeitraum nicht tätig. Über seine Tätigkeit für die Klägerin erhielt der Beigeladene zu 1) ein Zeugnis vom 7.3.2002. Neben der Darstellung der ausgeübten Tätigkeiten mit den Aufgabenbereichen und der Beurteilung seiner fachlichen und persönlichen Fähigkeiten heißt es in dem Zeugnis weiter: " Herr E erledigte alle ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.

Gegenüber Kollegen und Vorgesetzten war sein Verhalten stets einwandfrei ..."

Nach Durchführung einer Betriebsprüfung für die Jahre 1999 bis 2002 kündigte die Beklagte mit Anhörungsschreiben vom 18.8.2003 gegenüber der Klägerin an, die in diesem Zeitraum für die Klägerin tätigen Interviewer als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte einzustufen. Zur Begründung führte sie aus, dass die von der Klägerin eingesetzten Interviewer keine Gewerbeanmeldung gehabt, keine eigenen Geschäfts-/Büroräume unterhalten und kein eigenes Kapital eingesetzt, Preise nicht frei gestaltet, Angebote nicht abgegeben und keine eigene Werbung betrieben hätten. Zu Beginn der Tätigkeit sei eine Interviewerschulung von der Klägerin durchgeführt worden und im Anschluss daran hätten überwachte Probeinterviews stattgefunden. Die Übernahme der Schichten sei durch nicht absolvierte studienspezifische Schulungen sowie durch bereits besetzte Schichten eingeschränkt gewesen. Auch seien bestimmte studienspezifische Anweisungen sowie weitere Verhaltensregeln zu beachten gewesen. Die Einhaltung dieser Vorgaben sei durch regelmäßiges Abhören der Telefoninterviews kontrolliert worden. Eine eigenbestimmte Auswahl der Studien sei nicht möglich gewesen. Die Absage einer Schicht habe innerhalb einer festgelegten Zeitspanne erfolgen müssen. Sei dies nicht der Fall gewesen, habe die Beendigung des Mitarbeiterverhältnisses gedroht. Es sei den Arbeitnehmern demnach nicht möglich gewesen, im Wesentlichen selbst über ihre Arbeitszeit zu verfügen. Die Vergütung der Tätigkeit habe zudem umfangreiche Berechnungsmodi beinhaltet. Berücksichtigt worden seien die Anzahl der geführten Interviews, das Verhältnis der verweigerten Interviews zu der Gesamtzahl der zu führenden Gespräche, die Tätigkeitsdauer für die Klägerin sowie die Bewertung der kontrollierten Gespräche. Die Art und Weise der Durchführung der Interviews sei so detailliert vorgegeben worden, dass den lnterviewern kein wesentlicher eigener Gestaltungsspielraum bei den Befragungen geblieben sei. Es liege eine wesentliche Eingliederung in einen fremden Betriebsablauf mit persönlicher Abhängigkeit vor.

Die Klägerin nahm mit Schriftsatz vom 26.8.2003, bei der Beklagten eingegangen am 27.8.2003, zu dem Anhörungsschreiben der Beklagten Stellung. Weisungen an die Interviewer würden nur insoweit erfolgen, als es nach der Natur des jeweils erteilten Auftrages unerlässlich sei. Zur Qualitätssicherung könne es den Interviewern nicht überlassen werden, welche Fragen sie wie und in welcher Reihenfolge an die zu befragenden Bevölkerungskreise richten. Auch die Antworten müssten zur Sicherung des marktforscherischen Qualitätsstandards in einheitlicher Form erfasst und den Fragen zugeordnet werden. Die Verwendung von einheitlichen Fragebögen mit vorgegebenen Antworten sei sachlich erforderlich und werde den Interviewern durch entsprechende Programme bzw. Abfrage-/Eingabemasken auf Arbeitsplatzrechnern zur Verfügung gestellt. Darüber hinausgehende Weisungen hinsichtlich des Inhalts ihrer Tätigkeit erhielten die Interviewer nicht. Die allgemeine Einweisung wie auch die 10- bis 20-minütigen studienspezifischen Einweisungen der Interviewer durch die Klägerin seien sachlich bedingt durch die Notwendigkeit, den Interviewern technisch, methodisch, psychologisch und studienspezifisch das notwendige Rüstzeug für die verlangten Qualitätsmaßstäbe zu vermitteln. Auch der sog. Schichtbetrieb sei kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Interviews müssten mit Blick auf die bei der Bevölkerung für Interviews erforderliche Bereitschaft im Rahmen üblicher Zeiten getätigt werden. Die Einteilung von Einzelaufträgen an die Interviewer im Rahmen der Schichten sei sachlich erforderlich, um eine auskömmliche Nutzung der vorhandenen Mittel - Räume, Telefonanlage, Rechner, Leitungskapazitäten - zu ermöglichen. Weisungen bezüglich der Schichteinteilung würden nicht erfolgen. Vielmehr würden die Interviewer mitteilen, dass und zu welchen Zeiten sie bereit wären, Aufträge anzunehmen. Soweit entsprechende Auftragsvolumina vorhanden seien, würden daraufhin - auch zeitlich - bestimmte Aufträge erteilt. Die Möglichkeit innerhalb einer Frist bereits zugesagte Schichten wieder abzusagen und das Fehlen von Zusagen bzgl. des Beschäftigungsumfangs sprächen gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses.

Mit Bescheid vom 29.12.2004 machte die Beklagte eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Beigeladenen zu 1) in Höhe von 3.460,04 Euro geltend und stufte diesen als abhängig Beschäftigten der Klägerin ein. Außerhalb dieses Verfahrens verlangt die Beklagte von der Klägerin 53.956,34 Euro für andere Interviewer, insgesamt also 57.416,38 Euro.

Die Klägerin erhob am 27.1.2005 Widerspruch gegen diesen Bescheid und verwies zur Begründung auf ihre Stellungnahme vom 26.8.2003. Ergänzend führte sie aus, dass die Interviewer auch für andere Marktforschungsunternehmen tätig seien und ihre Tätigkeit in diesem Zusammenhang in den Studios dieser Unternehmen erbrächten. Die Bereitstellung der erforderlichen Geräte durch sie, die Klägerin, sei erforderlich, denn es sei schlicht nicht möglich, die existierende Vielzahl von Hardware- sowie Softwarekonfigurationen und Telefonanlagenstandards in wirtschaftlich auskömmlicher Weise überörtlich zu integrieren. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.9.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Die Klägerin hat am 17.10.2005 zum Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Ergänzend zu ihrem vorprozessualen Vortrag hat sie unter anderem auf angebliche Parallelen zu der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.11.1974, 8 RU 266/73, verwiesen, in welcher das BSG die für den Erhalt auswertbarer Unterlagen erforderlichen Anweisungen nicht als Indiz einer abhängigen Beschäftigung von Interviewern bewertet habe. Zudem sei auch in der damaligen Konstellation die Vergütung von einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung abhängig gemacht worden und ein zeitlicher Rahmen vorgegeben worden. In Abgrenzung zu der eine abhängige Beschäftigung von Interviewern bejahenden Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW v. 2.2.2006, L 16 KR 253/04) weise der vorliegende Sachverhalt erhebliche Unterschiede auf. Unter anderem würden im Falle der Klägerin anders als in dem vom LSG NRW entschiedenen Fall eine Vielzahl von Auftragsangeboten von Seiten der Mitarbeiter abgelehnt (Absagequote von 70,44 %)‚ die Interviewer hätten kein Passwort zum Einloggen, die Rechnungsstellung erfolge nicht durch sie, die Klägerin, und die Mitarbeiter seien vielfach auch für andere Marktforschungsunternehmen tätig.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 29.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2005 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre im Verwaltungsverfahren vertretene Auffassung aufrechterhalten. Der Entscheidung des BSG vom 14.11.1974, 8 RU 266/73, habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen. Anders als im vorliegenden Rechtsstreit sei in der damaligen Fallgestaltung der Honoraranspruch einschließlich des Spesen- und Unkostenersatzes erst bei ordnungsgemäßer Erledigung entstanden. Vorliegend werde der Stundenaufwand der Interviewer bezahlt. Ein unternehmerisches Risiko bestehe für die Interviewer der Klägerin nicht. Die neuere Rechtsprechung messe zudem dem Indiz, ob ein Auftrag angenommen oder abgelehnt werden könne, nicht mehr dieselbe Bedeutung zu. In dem 1974 entschiedenen Fall habe das BSG die Interviewer auch deshalb als selbstständig angesehen, weil sie nicht in einem derartigen Umfang den Weisungen der Auftraggeberin unterlegen hätten, dass dadurch jede eigene Dispositionsbefugnis praktisch ausgeschlossen gewesen war.

Mit Urteil vom 6.11.2008 hat das SG Köln den Bescheid vom 29.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2005 aufgehoben. Es ist im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung von einem Überwiegen der für eine selbstständige Tätigkeit und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte ausgegangen.

Gegen das ihr am 11.12.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6.1.2009 Berufung eingelegt (Aktenzeichen L 8 R 2/09).

Der Senat hat mit Beschluss vom 2.3.2010 in dem Verfahren L 8 R 2/09 den Rechtsstreit hinsichtlich der Beitragsforderungen der Beklagten, soweit sie sich auf die vormaligen Beigeladenen zu 2) bis 10) beziehen, getrennt, anschließend die Beiladung der nicht mehr am jeweiligen streitigen Rechtsverhältnis beteiligten Interviewer aufgehoben (Beschluss vom 23.4.2010) und die jeweils beteiligten Sozialversicherungsträger - hier die Techniker Krankenkasse als Einzugsstelle und Träger der Pflegeversicherung sowie die Bundesagentur für Arbeit (BA) - beigeladen (Beschluss vom 6.9.2010).

Die Beklagte wiederholt und vertieft zur Begründung ihrer Berufung ihr bisheriges Vorbringen. Es handele sich hier um eine Tätigkeit nach detaillierten Weisungen, die im Gegensatz zur Auffassung des SG weit über das sachlich notwendige Maß hinausgingen. Die Beklagte beruft sich insoweit auf das Urteil des LSG NRW vom 2.2.2006, L 16 KR 253/04. Die tatsächlichen Verhältnisse zwischen den von der Klägerin eingesetzten Interviewern und denjenigen, die das LSG NRW als abhängig beschäftigt gewertet habe, wiesen keinen wesentlichen Unterschied auf. Vorliegend könne nicht von einer frei gestalteten Tätigkeit ausgegangen werden. Den Interviewern sei nicht nur das Ziel ihrer Tätigkeit (Erstellung eines Interviews), sondern auch die Art und Weise, und zwar über das sachlich notwendige Maß hinaus, vorgegeben gewesen. Das Tätigwerden der Interviewer sei derart fremdbestimmt gewesen, dass auch unter Berücksichtigung der methodisch bedingten Vorgaben schon begrifflich keine selbstständige Tätigkeit mehr vorliege. Die Interviewer hätten keine eigene Arbeitsorganisation gehabt, sondern seien im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts bei Ausübung ihrer Tätigkeit in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden gewesen. Sie hätten auch kein Unternehmer-, sondern allenfalls ein Einkommensrisiko getragen. Denn sie hätten nur dann kein Geld bekommen, wenn sie nicht gearbeitet hätten. Zudem sei die Höhe der Vergütung nicht maßgeblich von der Güte der Interviews abhängig gewesen. Innerhalb des von der Klägerin einseitig vorgegebenen Rahmens zwischen 14 und 18 DM seien nur geringfügige Steigerungen möglich gewesen, auf welche die Interviewer hätten Einfluss haben können. Die Interviewer hätten keine Unternehmerchancen gehabt, weil sie den Wert ihrer Leistung allenfalls in äußerst begrenztem Umfang hätten beeinflussen können. Im streitgegenständlichen Zeitraum hätten sie höchstens 18 DM pro Stunde verdienen können, vorausgesetzt, die Klägerin sei der Meinung gewesen, dass der Interviewer bei den Bereichen Schlagzahl, Ausschöpfung und Qualität die von ihr festgelegte Punktzahl erreicht habe. Lediglich hinsichtlich der Arbeitszeit habe in dem von der Klägerin einseitig vorgegebenen Rahmen eine gewisse Freiheit bestanden. Diese habe sich jedoch darauf beschränkt, sich für die von der Klägerin als Rahmen vorgegebenen Schichten eintragen zu lassen. Unter Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles überwögen vorliegend die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 6.11.2008 zu ändern und die Klage hinsichtlich der die Beigeladene zu 1) betreffenden Beitragsforderung abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führt sie aus, sowohl sie selbst als auch die Interviewer wünschten ihre Rechtsbeziehung zueinander derart, dass die Interviewer als freie Auftragnehmer für die Klägerin tätig würden. Unzutreffend gehe die Beklagte davon aus, dass die Interviewer bei der Erbringung der Leistungen "vollkommen auf die betrieblichen Strukturen der Klägerin angewiesen" seien. Die Interviewer könnten vielmehr "ihre" Leistungen ohne weiteres auch für andere Auftraggeber, einschließlich der durchaus unmittelbar vor Ort ansässigen Wettbewerber der Klägerin, erbringen und seien keineswegs auf deren betriebliche Strukturen angewiesen. Ausdruck der keineswegs arbeitnehmertypischen Selbstständigkeit sei gewesen, dass ein Interviewer die weitere Ausführung eines Auftrags aus Gründen des "guten Geschmacks" abgelehnt habe. Der Inhalt der seinerzeitigen Befragung habe dazu geführt, dass die Interviewer von den Angerufenen beschimpft bzw. auch sehr deutlich angesprochen worden seien. Der betreffende Interviewer habe die Vorstellungen der von ihm angerufenen Personen und ihre heftigen Reaktionen nachvollziehen können. Er habe seine Weigerung, den Auftrag weiter auszuführen, gegenüber ihr, der Klägerin, entsprechend nachdrücklich begründet. Sie habe sich durch diese Argumente überzeugen lassen und in der Folge das gesamte Befragungsobjekt abgebrochen. Bei Absagen bzw. Verspätungen sei die Vorlage eines ärztlichen Attestes nicht verlangt worden. Der unternehmerische Erfolg des Interviewers sei maßgeblich von der Art und Weise abhängig gewesen, wie er sein Interview geführt habe. Die wesentliche Gestaltungsfreiheit habe darin bestanden, die Zielperson davon zu überzeugen, das Interview zu führen und auch im Falle von Störungen oder Unterbrechungen zu Ende zu bringen bzw. zu einem späteren Zeitpunkt zu Ende zu führen. Wirtschaftlich wirke sich diese Gestaltungsfreiheit zum einen unmittelbar dahingehend aus, dass leistungsabhängig eine Gehaltsspreizung von etwa 30 % bestehe; diese sei von erheblichem Gewicht, zumal es sich um untere Gehaltsgruppen handele. Zum anderen sei sie von mittelbarer Bedeutung, als derjenige, der schlechte Interviews führe, gar nicht mehr beschäftigt werden werde. Es habe kein starres Schichtensystem gegeben. Innerhalb der sich aus der Erreichbarkeit der Zielgruppen ergebenden Zeitkorridore hätten die Interviewer ihren Arbeitszeiteinsatz flexibel gestalten können. Den von ihr festgelegten 4-Stunden-Zeitkorridoren stünden die tatsächlichen Login-Zeiten in der Anlage K 2 zu dem mit Schriftsatz vom 10.9.2007 eingereichten, an den Bundesfinanzhof gerichteten Schriftsatz vom 30.4.2007 gegenüber.

Der Senat hat in einem Erörterungstermin am 3.11.2010 den Vorstandsvorsitzenden der Klägerin, Dr. O, in dem Streitverfahren L 8 R 2/09 gehört. Die Sitzungsniederschrift aus dem Streitverfahren L 8 R 2/09 ist zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht worden. Auf den Inhalt dieser Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 4) verhandeln und entscheiden können, nachdem er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 29.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2005 nur noch hinsichtlich der den Beigeladenen zu 1) betreffenden Beitragsforderung, soweit nicht entsprechend den Ausführungen im Tatbestand die Beklagte den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Klägerin das Teilanerkenntnis angenommen und die Klage teilweise zurückgenommen hat.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das SG hat die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der noch streitigen Beitragsforderung zu Unrecht aufgehoben. Denn die Klage ist insoweit zwar zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 29.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2005 ist hinsichtlich der noch streitgegenständlichen Beitragsforderung rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Insoweit fordert die Beklagte zu Recht Beiträge für den Beigeladenen zu 1) zur Sozialversicherung nach.

Ermächtigungsgrundlage für die Nachforderung von Beiträgen ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV, vorstehende und nachfolgende Normen jeweils in der im Streitzeitraum geltenden Fassung). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfungen Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht zur Arbeitsförderung. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte zu Recht die Versicherungspflichtig des Beigeladenen zu 1) in der Rentenversicherung für Dezember 1999 und für den Zeitraum von April bis Juni 2000 angenommen und die Höhe der daher von der Klägerin für diesen Versicherungszweig zu zahlenden Beiträge sowie Versicherungsfreiheit aufgrund geringfügiger Beschäftigung für den Zeitraum von Januar bis März 2000 angenommen und die Höhe der insoweit zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung zu zahlenden Beiträge festgesetzt.

Die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich aus § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach ist Voraussetzung eine abhängige Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Das Vorliegen einer Beschäftigung ist gleichfalls Voraussetzung der Beitragspflicht der Klägerin gem. §§ 172 Abs. 3 Satz 1, 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV zur Rentenversicherung und gem. §§ 249b Satz 1, 7 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV zur Krankenversicherung.

Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (BSG, Urteil v. 1.12.1977, 12/3/12 RK 39/74, SozR 2200 § 1127 Nr. 8; v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; v. 10.8.2000, B 12 KR 21/98 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 15; v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; v. 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5; v. 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45; v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgeblich ist die zwischen den Beteiligten praktizierte Rechtsbeziehung und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Ausgangspunkt der Prüfung sind dabei jeweils die (schriftlichen) vertraglichen Vereinbarungen, soweit solche bestehen. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Abwicklung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen.

Ausgehend davon hat der Beigeladene zu 1) im Streitzeitraum zur Klägerin hinsichtlich der Tätigkeit als Interviewer in einer abhängigen Beschäftigung gestanden. Entgegen der Auffassung des SG zeigen die Bewertung und Gewichtung der genannten Abgrenzungsmerkmale, dass das tatsächlich praktizierte Vertragsverhältnis dem eines abhängig Beschäftigten entspricht, wohingegen Aspekte, die für eine Qualifikation als selbstständige Tätigkeit sprechen, nur in geringem Umfang vorhanden sind.

Der Senat legt seiner Beurteilung die Beschreibung der Tätigkeiten zugrunde, wie sie letztlich übereinstimmend und unwidersprochen durch den Beigeladenen zu 1) und den Geschäftsführer der Klägerin in den Terminen vor dem SG und vor dem LSG sowie schriftsätzlich erfolgt ist.

Danach war der Beigeladene zu 1) für die Klägerin im Streitzeitraum von Dezember 1999 bis Juni 2000 als Interviewer tätig. Seiner Tätigkeit als Interviewer ging eine Einweisung in die Interviewertätigkeit durch die Klägerin voraus. Darüber hinaus erhielt er studienspezifische Einweisungen. Der Beigeladene zu 1) arbeitete ausschließlich in den Studios der Klägerin mit deren Betriebsmitteln. Investitionen hat er nicht getätigt. Er unterhielt keine eigenen Geschäfts- oder Büroräume. Der Fragenkatalog der Interviews war von der Klägerin vorgegeben. Die Durchführung der Interviews hatte unter Anwendung der von der Klägerin vorgegebenen Soft- und Hardware zu erfolgen und erfolgte unter zeitweiser Kontrolle der Supervisoren. Die Klägerin entschied bei welchen Studien der Beigeladene zu 1) eingesetzt wurde. Die Vergütung erfolgte auf Stundenbasis. Sie setzte sich aus einem Basisstundensatz (14 DM bzw. 7,67 EUR) und erfolgsabhängigen Parametern (Schlagzahl, Ausschöpfung, Qualität) zusammen, die zu einer Erhöhung des Stundensatzes bis auf 18 DM bzw. 9,20 EUR führen konnten. Das Honorar war von der Klägerin festgelegt akzeptiert worden. Die Abrechnung erfolgte auf der Basis der von der Klägerin automatisch erfassten Daten. Eine Rechnungsstellung durch den Beigeladenen zu 1) erfolgte nicht.

Während seiner Tätigkeit als Interviewer war der Beigeladene zu 1) vollständig in den Betrieb der Klägerin eingegliedert, d.h. in die von ihr vorgegebene Ordnung, innerhalb derer mit Hilfe sächlicher oder sonstiger Mittel ein von der Klägerin als Unternehmerin bestimmter arbeitstechnischer Zweck verfolgt werden sollte. Er unterlag einem entsprechenden Weisungsrecht der Klägerin (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation: BSG, Urteil vom 10.8.2000, B 12 KR 21/98 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 15).

Dies gilt sowohl für den Ort als auch für den organisatorischen Rahmen seiner Tätigkeit. Der Beigeladene zu 1) hat ausschließlich in den Betriebsräumen mit Betriebsmitteln, insbesondere der Hard- und Software der Klägerin gearbeitet, war vollständig in die von der Klägerin einseitig vorgegebene Betriebsorganisation eingebunden. Als Interviewer unterlag er der Kontrolle der Supervisoren. Diese umfassende Eingliederung des Beigeladenen zu 1) wird durch Formulierungen in dem ihm erteilten Zeugnis vom 7.3.2002 unterstrichen, in dem undifferenziert nach den Tätigkeiten als Interviewer und Supervisor von den "ihm übertragenen Aufgaben" und "Kollegen und Vorgesetzten" die Rede ist. Derartige Formulierungen sind typisch für Arbeitszeugnisse, wie sie abhängig Beschäftigten von ihren Arbeitgebern erteilt werden.

Auch inhaltlich bestand eine vollständige Eingliederung in den Betrieb der Klägerin. Die Festlegung der Studien, zu deren Durchführung der Beigeladene zu 1) Interviews zu führen hatte, sowie des jeweiligen Fragenkatalogs und des Interviewablaufs ebenso die allgemeine Einweisung in die Tätigkeit eines Interviewers vor Tätigkeitsaufnahme sowie die studienspezifischen Einweisungen erfolgten durch die Klägerin. Durch die Supervisoren erfolgten Hinweise zur Qualitätsverbesserung. Es fehlten nennenswerte inhaltliche Gestaltungsspielräume für den Beigeladenen zu 1). Diese sind auch nicht darin zu sehen, dass es von der Art und Weise, wie ein Interviewer sein Interview führte, abhing, wie erfolgreich er war, die Zielperson davon zu überzeugen, das Interview zu führen und auch im Falle von Störungen oder Unterbrechungen zu Ende zu bringen bzw. zu einem späteren Zeitpunkt zu Ende zu führen. Mit dieser Argumentation der Klägerin wird keine inhaltliche Gestaltungsfreiheit des Interviewers dargestellt, sondern die Tatsache, dass der Tätigkeitserfolg von der Qualität der Tätigkeitsausübung abhängt. Dies ist aber kein für eine selbstständige Tätigkeit charakteristisches Kriterium, sondern auch in abhängigen Beschäftigungen nicht anders.

Der Beigeladene zu 1) war in der Gestaltung seiner Arbeitszeit nicht frei. Er konnte zwar selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang er für die Klägerin als Interviewer arbeiten wollte. Er war nicht verpflichtet, über das von ihm übernommene Stundenpensum hinaus Arbeit und diese zu bestimmten Zeiten zu leisten. Er konnte seine Arbeit aber nur im zeitlichen Rahmen der einvernehmlich aufgestellten Einsatzpläne der Klägerin erbringen und nur nach Maßgabe des Einsatzplans der Klägerin disponieren (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation: BSG, Urteil vom 10.8.2000, B 12 KR 21/98 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 15).

Die von der Klägerin gewährten Freiheiten in der Pausengestaltung stellen entgegen der Ansicht des SG keinen Gesichtspunkt von derartigem Gewicht dar, dass er das Gesamtbild einer fast vollständigen Eingliederung in den Betrieb und die Arbeitsorganisation der Klägerin hätte in Frage stellen können (vgl. LSG NRW, Urteil vom 2.2.2006, L 16 KR 253/04, juris). Es kann daher dahinstehen, in welchem Ausmaß der Beigeladene zu 1) bezahlte bzw. unbezahlte Pausen in Anspruch genommen hat.

Soweit die Klägerin geltend macht, die tatsächlichen Tätigkeitszeiten der Interviewer wichen von den vorgegebenen Zeitkorridoren ab, und sie sich hierzu auf graphische Darstellungen bezieht, wird die Eingliederung des Beigeladenen zu 1) hinsichtlich der Zeit und Dauer seiner Tätigkeit nicht entscheidend in Frage gestellt. Denn die Klägerin hat schon nicht angegeben, in welcher Weise dieser Vortrag konkret auf den Beigeladenen zu 1) zutrifft. Die für den Monat 2006 ausgewerteten und in graphischer Form dargestellten Daten betreffen zudem nicht den Streitzeitraum. Zudem enthält der Vortrag der Klägerin keine Angaben zu den Gründen für Abweichungen der tatsächlichen Tätigkeitszeiten von den vorgegebenen Zeitkorridoren, wie z.B. Erkrankungen, Arztermine, Abschluss einer Studie etc. Schließlich ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen, dass es im Fall des Beigeladenen zu 1) zu nennenswerten Abweichungen gekommen ist.

Der Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass dieser das Recht hatte, Arbeitsangebote der Klägerin abzulehnen (vgl. BSG, Urt. v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, zum Ausbeiner, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13). Auch tritt eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurück, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist (BSG, Urt. v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, zum Transportfahrer, juris).

Zudem hat der Beigeladene zu 1) nicht das für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Unternehmerrisiko getragen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28.5.2008, aaO) ist maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Eine solche Ungewissheit hat es hier jedoch nicht gegeben. Der Beigeladene zu 1) hat weder eigenes Kapital noch eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt. Er verfügte über keine eigenen Betriebsmittel und Betriebsstätte, sondern arbeitete ausschließlich in der Betriebsstätte der Klägerin mit deren Betriebsmitteln. Der Beigeladene zu 1) lief noch nicht einmal Gefahr, für seine Tätigkeit nicht bezahlt zu werden. Die Gefahr, bei Schlechtleistung nicht mehr tätig werden zu können, besteht auch in abhängigen Beschäftigungen. Noch weniger bestand die Gefahr, die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes einzusetzen. Denn die Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1) wurden auf Stundenbasis vergütet. Die Vergütung war hinsichtlich der Tätigkeit als Interviewer weitgehend erfolgsunabhängig. Die Steigerung des Stundensatzes konnte für die Interviewertätigkeit nur in engen Grenzen nach Maßgabe der von der Klägerin einseitig vorgegebenen Parameter und bis zu dem von ihr einseitig vorgegebenen Höchstbetrag erzielt werden, so dass im Wesentlichen die Vergütungssteigerung nur durch eine Erhöhung der Stundenzahl erreicht werden konnte, wie es typischerweise dem Bild einer abhängigen Beschäftigung entspricht. Allerdings waren der Erhöhung der Stundenzahl dadurch gewisse Grenzen gesetzt, dass – nach den schlüssigen Ausführungen der Klägerin - kaum jemand über einen 4-Stunden-Einsatz hinaus in der Lage ist, konzentriert Befragungen durchzuführen. Der erzielbaren Vergütungshöhe waren schließlich dadurch Grenzen gesetzt, dass es sich um untere Vergütungsgruppen handelte. Ein für eine abhängige Beschäftigung typischer Umstand besteht auch darin, dass die Höhe der Vergütung nicht zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1) ausgehandelt, sondern von der Klägerin einseitig vorgegeben wurde. Soweit ein Aushandeln der Vergütung gelegentlich vorgekommen ist, ist dies in Bezug auf den Beigeladenen zu 1) nicht vorgetragen worden und daher für vorliegendes Verfahren unbeachtlich. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht im Übrigen, dass die Abrechnung der Vergütung durch die Klägerin auf der Grundlage der von ihr gespeicherten Tätigkeitsdaten des Beigeladenen zu 1) und ohne Rechnungsstellung durch diesen erfolgte.

Für eine selbstständige Tätigkeit spricht nur, dass keine Beschäftigungspflicht der Klägerin und keine Pflicht des Beigeladenen zu 1), für die Klägerin tätig zu werden, bestand. Auch nach der Vereinbarung von Einzelaufträgen konnte der Beigeladene zu 1) die Durchführung unter Beachtung bestimmter Fristen ohne Angabe von Gründen ablehnen. Der Umstand, dass sogar nach Beginn einer Befragung die weitere Durchführung von einem Interviewer aufgrund der Reaktionen der Zielpersonen abgelehnt worden ist, fällt schon deshalb nicht entscheidend ins Gewicht, da es sich um einen nicht das Vertragsverhältnis des Beigeladenen zu 1) betreffenden und die Tätigkeit der Interviewer im Allgemeinen nicht prägenden Ausnahmefall handelte.

Die Höhe der noch streitigen Beitragsforderung ist von der Klägerin nicht beanstandet worden. Rechts- und Berechnungsfehler sind nicht ersichtlich. Die (noch) streitige Beitragsforderung ist auch nicht verjährt.

Die Kostenentscheidung folgt § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 1 und 3, 155 Abs. 1 Sätze 1 und 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und trägt dem teilweisen Obsiegen der Klägerin Rechnung. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der unterlegenen Klägerin aufzuerlegen, da diese keine eigenen Anträge gestellt haben und daher selbst kein Kostenrisiko eingegangen sind (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die vom Senat vorgenommene Beurteilung der Interviewer-Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) kommt zwar zu einem anderen Ergebnis als das BSG in dem Urteil vom 14.11.1974, 8 RU 266/73. Es liegt gleichwohl keine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG vor. Denn das Gesamtbild der Tätigkeit der Interviewer in dem vom BSG entschiedenen Fall unterscheidet sich grundlegend von dem vom Senat zu beurteilenden Fall. Die Freiheiten, die jenseits der methodisch bedingten Vorgaben in dem vom BSG entschiedenen Fall für Interviewer bestanden, räumt die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) weder vertraglich noch tatsächlich ein. Darüber hinaus trugen die Interviewer im früheren Fall ein unternehmereigentümliches finanzielles Risiko.

Der Streitwert richtet sich nach der ursprünglich streitigen Beitragsforderung betreffend den Beigeladenen zu 1).
Rechtskraft
Aus
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