Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
40
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 57/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Erstattungsverfahrens über das Vorliegen eines Arbeitsunfalles.
Die Klägerin ist für Bestattungsunternehmen der zuständige Unfallversicherungsträger. Die Beklagte ist die zuständige Krankenkasse, bei der der Beigeladene versichert ist. Streitig ist, ob der Unfall des Beigeladenen am 5. Mai 2007 ein Arbeitsunfall ist. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der 1931 geborene Beigeladene war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses bereits Bezieher einer Altersrente. Zur Aufbesserung seiner Rente war er geringfügig in einem P.- Markt beschäftigt sowie für den Bestattungsunternehmer und Zeugen M. zeitweise als Sargträger tätig. Am 5. Mai 2007 verletzte er sich bei einer Beerdigung als Sargträger beim Herausziehen der Sargablage den linken Zeigefinger mit einem Holzsplitter. Aufgrund von Komplikationen musste im weiteren Behandlungsverlauf eine Amputation des linken Zeigefingers im Grundgelenk durchgeführt werden.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2007 lehnte die Klägerin die Anerkennung eines Arbeitsunfalles gegenüber dem Beigeladenen mit der Begründung ab, er sei zum Zeitpunkt des Unfalles keine in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Person gewesen. Er sei weder als Beschäftigter mit einem Arbeitsvertrag im Verhältnis zum Bestattungsunternehmer M. tätig geworden, noch liege eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit vor. Der Beigeladene sei am 5. Mai 2007 als Sargträger bei einer Beerdigung tätig geworden. Nach Angaben des Herrn M. (Bestatter) sei der Beigeladene nur als Sargträger vermittelt worden. Das Entgelt für diese Tätigkeit habe er zwar von Herrn M. erhalten, dieser habe es jedoch von den Hinterbliebenen lediglich als Vermittler für die Tätigkeiten der Sargträger bekommen und es in voller Höhe an die Sargträger weitergeleitet. Die Bestellung der Sargträger sei daher keine Leistung des Bestattungsunternehmers gewesen. Auch habe Herr M. keinen eigenen wirtschaftlichen Zuwachs durch die Vermittlung der Sargträger erhalten, da er das Geld für die Sargträger, das er von den Hinterbliebenen erhalten habe, in voller Höhe an die Sargträger weiter geleitet habe. Da die Hinterbliebenen sich selbst ohne die Vermittlungstätigkeit des Herrn M. um Sargträger kümmern müssten, sei dies auch keine Leistung des Bestattungs-unternehmens gewesen. Ein Arbeitsunfall habe daher nicht vorgelegen.
Gegen den Bescheid hatte der Beigeladene verfristet Widerspruch erhoben, so dass die Klägerin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2008 als unzulässig zurückgewiesen hatte. Diese Entscheidung der Klägerin wurde mit Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade (Aktenzeichen: S 7 U 46/08) vom 25. September 2008 bestätigt.
Den Erstattungsbegehren der Klägerin unter anderem vom 29. Juni 2007, vom 10. September 2007 und vom 16. Oktober 2007 ist die Beklagte nicht nachgekommen.
Am 26. November 2007 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, der Beigeladene sei nicht als Beschäftigter des Bestattungsunternehmers M. tätig geworden. Er sei vielmehr sporadisch als Sargträger an die jeweiligen Hinterbliebenen vermittelt worden, die auch das entsprechende Entgelt gezahlt haben. Für einen Einsatz haben die Sargträger einen Betrag i.H.v. jeweils 25,00 EUR von den Hinterbliebenen erhalten, den der Bestattungsunternehmer M. in voller Höhe an die Sargträger weitergeleitet habe. Die Sargträgerkosten seien nicht in der Bestattungsrechnung für die Hinterbliebenen erfasst worden, weil andernfalls der Unternehmer M. hierfür hätte Steuern zahlen müssen. Der Beigeladene sei im Verhältnis zum Bestattungsunternehmer nicht als Beschäftigter tätig geworden, denn ein Arbeitsverhältnis habe nicht vorgelegen. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Hierbei sei auf die persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber abzustellen. Im vorliegenden Falle sei eine solche persönliche Abhängigkeit des Beigeladenen vom Bestattungsunternehmer nicht erkennbar. Es sei von einer unternehmerähnlichen Tätigkeit auszugehen, so dass auch Versicherungsschutz als arbeitnehmerähnliche Person nicht in Betracht komme. Der Beigeladene hätte sich freiwillig bei der zuständigen Berufsgenossenschaft für selbständige Sargträger freiwillig gegen Arbeitsunfälle versichern können.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß),
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die ihr anlässlich des Unfalls des Beigeladenen vom 5. Mai 2007 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 43.434,76 EUR nach Maßgabe der für die Beklagte geltenden Vorschriften zu erstatten.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt unter anderem vor, die Klage sei unbegründet, denn der Beigeladene habe einen Arbeitsunfall erlitten. Insbesondere habe er dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterlegen, denn der Bestattungsunternehmer habe Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeiten des Beigeladenen bestimmt. Der Beigeladene sei auch nicht unternehmerähnlich tätig geworden. Die Beklagte hat weiter einige gerichtliche Entscheidungen eingereicht.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten beigezogen. Weiter hat das Gericht am 25. März 2011 in einem Erörterungstermin den Zeugen M. (Bestattungsunternehmer) und den Beigeladenen als Zeugen gehört. Das Gericht hat den Beigeladenen mit Beschluss vom 29. März 2011 formell beigeladen.
Der Zeuge M. hat unter anderem ausgesagt, er betreibe das Bestattungsunternehmen als Familienbetrieb ohne weitere Angestellte. Es seien ca. 6-7 Rentner im Dorf, die noch einigermaßen mobil seien und als Sargträger in Betracht kämen. Bei den ca. 50 Beerdigungen jährlich würden diese Sargträger ca. 20-mal pro Jahr gebraucht. Den Sargträgern werde rechtzeitig Bescheid gesagt. Bei den anderen Beerdigungen würden Nachbarn bzw. Vereinsmitglieder als Sargträger tätig. Wenn jemand komme und eine Bestattung in Auftrag gebe, teile er diesen mit, dass er Sargträger besorgen könne, wenn der Kunde keine eigenen habe. Ein Preis werde vorab nicht besprochen. Der Preis tauche auf den offiziellen Rechnungen auch nicht auf, sondern werde über einen Extrabeleg (aus steuerrechtlichen Gründen) abgerechnet. Neue Träger sprächen ihn in der Regel an, dass sie als Sargträger bereit stünden. In der Regel wüssten die bereits alle, was zu tun sei, so dass er keine Einweisung geben müsse. Insbesondere jüngere neue Träger werden von ihm kurz eingewiesen. Die Sargträger bekämen von ihm pro Einsatz 25,00 EUR. Ein Einsatz dauere ca. ein Stunde. Ein Sargträger hätte jederzeit die Möglichkeit, einen Einsatz abzulehnen. Wäre es mal vorgekommen, dass alle seine Sargträger keine Zeit gehabt hätten, hätte er sich von einem Kollegen welche besorgen müssen. Dies sei aber nie vorgekommen.
Der Beigeladene hat als Zeuge unter anderem erklärt, er sei von Herrn M. mal angesprochen worden, ob er als Sargträger aushelfen könne. Er sei dann in der Folgezeit öfter angesprochen worden, ob er Zeit für die Tätigkeit hätte, und habe zum Schluss zum festen Stamm der sechs Sargträger gehört. Der Chef sei Herr M. gewesen, er gebe die Anordnungen. Weil er nicht so viel Rente habe, habe er die Tätigkeit gemacht. Alle Sargträger hätten hierbei einen eigenen schwarzen Anzug getragen. Das Geld hätten alle von Herrn M. in bar bekommen. Der Beigeladene hätte grundsätzlich einen Einsatz ablehnen können, wenn er etwas anderes vorgehabt hätte, aber es sei nie vorgekommen. Er habe nichts Eigenes zur Durchführung der Beerdigung mitbringen müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der Erörterung und Entscheidungsfindung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG-).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der ihr anlässlich des Unfalls des Beigeladenen vom 5. Mai 2007 entstandenen Aufwendungen. Die Klägerin hat nicht als unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, denn der Beigeladene hat am 5. Mai 2007 einen Arbeitsunfall in ihrem Zuständigkeitsbereich erlitten.
Als Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch kommt allein § 105 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Betracht. Danach gilt: Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, so ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen nicht vor, denn die Klägerin hat keine vorläufigen Leistungen nach § 43 Erstes Buch Sozialgesetzbuch erbracht. Die Klägerin hat auch nicht als unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht. Die Beklagte ist unzuständiger Leistungsträger. Aufgrund des Arbeitsunfalles hat der Beigeladene nach § 11 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch keinen Anspruch auf Sozialleistungen gegen die Beklagte.
Der Beigeladene hat am 5. Mai 2007 einen Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Körperschaden oder zum Tod führen. Die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls muss der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang) und zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis, dem Unfallereignis, führen (Unfallkausalität). Das Ereignis muss dann einen Gesundheitserstschaden verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Beigeladene war zum Unfallzeitpunkt als (geringfügig) Beschäftigter des Bestattungsunternehmers M. eine versicherte Person, die infolge einer versicherten Tätigkeit einen Unfall erlitten hat.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII stehen Beschäftigte unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist eine Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Merkmale für die Annahme einer solchen Beschäftigung sind die persönliche und/oder wirtschaftliche Abhängigkeit des Beschäftigten gegenüber seinem Arbeitgeber. Wesentliches Kriterium hierbei ist in der Regel die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten. Diese äußert sich vornehmlich in der Eingliederung des Arbeitenden in den Betrieb und in dem damit in aller Regel verbundenen Direktions- und Weisungsrecht des Unternehmers hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Dauer der Tätigkeit bzw. der Eingliederung in die Betriebsorganisation. Diese Voraussetzungen gelten auch bei der Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB IV.
Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung, die tatsächlichen Verhältnisse, unter denen eine Tätigkeit verrichtet wird. (vgl. Urteil des Bundessozialgericht –BSG- vom 24. Januar 2007 - Az. B 12 KR 31/06 R - in juris).
Unter Beachtung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Beigeladenen ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene zum Unfallzeitpunkt bei dem Bestattungsunternehmer M. geringfügig abhängig beschäftigt war. Die wesentlichen Merkmale einer abhängigen Beschäftigung waren überwiegend vorhanden. Der Beigeladene wurde nach den Vorgaben des Bestattungsunternehmers hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Dauer der Tätigkeit eingesetzt und war hierbei in die (äußere) Arbeitsorganisation des Bestattungsunternehmers eingegliedert und weisungsabhängig tätig.
Es spielt keine Rolle, dass dem Beigeladenen wohl weder bezahlter Urlaub noch Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle bzw. eine Weihnachtsgratifikation gewährt wurde. Es ist auch nicht ausschlaggebend, dass der Beigeladene keinen schriftlichen Arbeitsvertrag mit dem Bestattungsunternehmer M. hatte und ohne feste Arbeitszeiten tätig wurde. Es kann insoweit offen bleiben, ob der Beigeladene einen Anspruch auf einen schriftlichen Arbeitsvertrag nach dem Nachweisgesetz hatte, denn ob er arbeitsrechtlich einen Anspruch darauf hätte, ist für die Prüfung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht relevant. Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse, unter denen die konkrete Tätigkeit verrichtet wurde. Hierbei ist regelmäßig auf die objektiven Umstände, insbesondere auf die Handlungstendenz abzustellen, ob die Tätigkeit überwiegend fremdbestimmt oder selbständig verrichtet wurde.
Die Handlungstendenz war beim Beigeladenen nicht eigenwirtschaftlich (unternehmerähnlich) geprägt. Er hat eine Tätigkeit für den Bestattungsunternehmer M. verrichtet und keine "eigene" Unternehmertätigkeit. Nach seiner glaubhaften Aussage war Herr M. der "Chef", der die Anweisungen hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Dauer gegeben hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, die maßgeblich zum Versicherungsschutz nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII ("Wie"-Beschäftigte) entwickelt wurde, kommt der mit dem - objektiv arbeitnehmerähnlichen - Verhalten verbundenen Handlungstendenz, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist (siehe dazu BSG, Urteil vom 5. März 2002 - B 2 U 9/01 R - SGb 2002, 441), eine ausschlaggebende Bedeutung zu. Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 2 Abs 2 S. 1 SGB VII wie ein nach Abs 1 Nr 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (vgl. zu § 539 Abs 2 RVO: BSG Urteil vom 25. November 1992 - 2 RU 48/91 - USK 92181; sowie zu § 2 Abs 2 SGB VII: BSG Urteil vom 26.06.2007 in juris; Az.: B 2 U 35/06 R; BSG Urteil vom 31. Mai 2005 B 2 U 35/04 R in juris; BSG Urteil vom 5. März 2002 - B 2 U 8/01 R - HVBG-Info 2002, 1175.).
Dies gilt nach Auffassung der Kammer erst recht für den Versicherungsschutz auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 2 Abs 1 Nr. 1 SGB VII i.V.m § 7 Abs 1 SGB IV. Entscheidend ist daher, ob der Verunfallte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG SozR 2200 § 548 Nr 90; SozR 4-2700 § 8 Nr 5 RdNr 6; SozR 4-2700 § 2 Nr 7 RdNr 16).
Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung des BSG an, dass es für den Versicherungsschutz unerheblich ist, aus welchen Motiven oder Beweggründen der Entschluss zum Tätigwerden kommt, sondern dass vielmehr auf die mit dem Tun verbundene Handlungstendenz abzustellen ist. Die Handlungstendenz gibt nach objektiven Umständen Aufschluss darüber, welches Unternehmen in erster Linie wesentlich unterstützt werden soll. Bei der zum Unfall führenden Tätigkeit muss diese Handlungstendenz wesentlich auf die Belange des fremden Unternehmens gerichtet sein, damit die Handlung diesem Unternehmen zugerechnet werden kann. Hierbei ist zu beachten, dass die Bedeutung "wesentlich" nicht im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung zu verstehen ist, denn es geht nicht um Kausalitätsfragen, sondern um die Zurechnung, den sachlichen Zusammenhang der zu beurteilenden Tätigkeit. Der sozialpolitische Schutzzweck der Norm und die zugrunde liegende Ablösung der Unternehmerhaftpflicht sind in die Wertung mit einzubeziehen (vgl. P. Becker, "Der Arbeitsunfall" in SGb 2007, 721, 724).
Nach der Handlungstendenz diente die Tätigkeit des Beigeladenen nicht im Wesentlichen eigenen Zwecken, sondern war auf die Unterstützung des Bestattungsunternehmers M. gerichtet. Der Beigeladene wollte zwar mit seiner Tätigkeit für den Bestattungsunternehmer M. seine Rente aufbessern. Das wirtschaftliche Motiv "Geld verdienen zu wollen", ist grundsätzlich jeder fremd- oder selbstbestimmten Tätigkeit immanent und daher kein taugliches Abgrenzungskriterium. Die Auffassung der Beklagten, dass dies eine eigenwirtschaftliche und mithin unternehmerähnliche Handlungstendenz sei, ist jedoch unzutreffend, denn sie zielt ausschließlich auf das unbeachtliche Motiv, den inneren Entschluss zum Tätigwerden ab und übersieht die äußeren objektiven Umstände der Tätigkeit. Der Beigeladene hat glaubhaft bekundet, dass der Chef der Bestattungsunternehmer M. gewesen sei und er nach dessen Anweisungen gearbeitet habe.
Der Beigeladene hat kein eigenes "Sargträgerunternehmen" betrieben, wenn er ab und zu für den Bestattungsunternehmer M. tätig wurde. Es fehlt an einem eigenen Unternehmerrisiko, dem Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, der Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit einer selbständigen Unternehmertätigkeit. Der Beigeladene wurde nur dann als Sargträger tätig, wenn er vom Bestattungsunternehmer angerufen wurde. Er hatte insoweit keine weiteren Auftraggeber, welches für eine selbständige Tätigkeit sprechen könnte. Selbst die Vergütung in Höhe von 25,00 EUR wurde vom Bestattungsunternehmer M. vorgegeben. Weder der Beigeladene, noch die Hinterbliebenen hatten nach Aussage des Zeugen M. auf die Höhe der Vergütung einen Einfluss. Auch dies spricht dafür, dass der "Chef", der die Bestattung ausrichtet, alleiniger Unternehmer ist. Der Beigeladene stand auch nicht zu den Hinterbliebenen in einem Beschäftigungsverhältnis bzw. war für diese selbständig tätig, denn er hatte zu diesen keinerlei vertragliche Beziehungen. Alles wurde über den Bestattungsunternehmer M. abgewickelt, der mit der Durchführung der Bestattung beauftragt wurde und auch das Geld für die Sargträger in Empfang genommen hatte.
Aus dem Umstand, dass der Bestattungsunternehmer M. die Entgelte für die Sargträger nicht auf der Rechnung aufführte, folgt auch keine andere Wertung. Dass der Zeuge M. keinen eigenen wirtschaftlichen und steuerrechtlichen Zuwachs durch die Vermittlung der Sargträger erlangt habe, weil er das Geld für die Sargträgern voller Höhe weiter geleitet habe, ist unbeachtlich. Sozialversicherungsrechtlich sind die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend, die vorliegend ein Beschäftigungsverhältnis begründen. Für einen Bestattungsunternehmer ist es wichtig, dass er ein "Gesamtpaket" für eine Beerdigung anbietet, denn die Hinterbliebenen haben nach dem Tode eines Angehörigen bereits genügend Dinge, um die sie sich kümmern müssen. Daher muss ein Bestattungsunternehmer ein umfassendes Komplettpaket einer Beerdigung anbieten. Daher sind Sargträgertätigkeiten nach der Verkehrsauffassung regelmäßig dem Bestattungsunternehmen zu zurechnen.
Auch aus dem Umstand, dass der Beigeladene grundsätzlich Einsätze als Sargträger hätte ablehnen können, folgt nichts anderes. In der Gesamtschau der tatsächlich verrichteten Tätigkeiten des Beigeladenen ergibt sich, dass die Anteile an fremdbestimmten Elementen deutlich überwiegen. Hieraus folgt insbesondere nicht, dass der Beigeladene über seine Arbeitskraft tatsächlich selbstbestimmt verfügen konnte. Der Entschluss zum Tätigwerden ist selbstbestimmt, aber insoweit ein unbeachtliches Motiv. Die Tätigkeit als Sargträger ist dann aber wieder fremdbestimmt, denn der Bestattungsunternehmer gibt das Wesentliche vor. Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass beim Beigeladenen auch das für eine selbstständige Tätigkeit wesentliche Merkmal eines Unternehmerrisikos nicht vorhanden war. Der Beigeladene hat typischerweise seine eigene Arbeitskraft eingesetzt, ohne dass er der unternehmerischen Gefahr des Verlustes von Kapital etc. ausgesetzt war.
Der Beigeladene hat infolge der versicherten Tätigkeit einen Unfall erlitten, so dass der Versicherungsfall eines Arbeitsunfalles eingetreten ist. Selbst wenn man die Eingliederung in den Betrieb beim Bestattungsunternehmer M. und die Weisungsabhängigkeit verneinen würde, läge für den Beigeladenen nach den obigen Ausführungen jedenfalls Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII als "Wie"-Beschäftigter vor.
Der Feststellung eines Arbeitsunfalles steht auch nicht die bestandskräftige Ablehnung der Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall durch die Klägerin gegenüber dem Beigeladenen entgegen. Diese entfaltet im Erstattungsverhältnis keine Bindungswirkung (BSG Urteil vom 14. Dezember 1965, Az.: 2 RU 24/61, BSGE 24, 155ff und Breith. 1966, 565ff). Vielmehr dürfte die vorliegende Entscheidung Anlass für die Klägerin sein, die Ablehnungsentscheidung gegenüber dem Beigeladenen nach § 44 SGB X von Amts wegen (vgl. hierzu Schütze in v. Wulffen, SGB X, § 44 Rn. 39, 7. Aufl. 2010) oder auf etwaigen Antrag des Beigeladenen zu überprüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Erstattungsverfahrens über das Vorliegen eines Arbeitsunfalles.
Die Klägerin ist für Bestattungsunternehmen der zuständige Unfallversicherungsträger. Die Beklagte ist die zuständige Krankenkasse, bei der der Beigeladene versichert ist. Streitig ist, ob der Unfall des Beigeladenen am 5. Mai 2007 ein Arbeitsunfall ist. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der 1931 geborene Beigeladene war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses bereits Bezieher einer Altersrente. Zur Aufbesserung seiner Rente war er geringfügig in einem P.- Markt beschäftigt sowie für den Bestattungsunternehmer und Zeugen M. zeitweise als Sargträger tätig. Am 5. Mai 2007 verletzte er sich bei einer Beerdigung als Sargträger beim Herausziehen der Sargablage den linken Zeigefinger mit einem Holzsplitter. Aufgrund von Komplikationen musste im weiteren Behandlungsverlauf eine Amputation des linken Zeigefingers im Grundgelenk durchgeführt werden.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2007 lehnte die Klägerin die Anerkennung eines Arbeitsunfalles gegenüber dem Beigeladenen mit der Begründung ab, er sei zum Zeitpunkt des Unfalles keine in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Person gewesen. Er sei weder als Beschäftigter mit einem Arbeitsvertrag im Verhältnis zum Bestattungsunternehmer M. tätig geworden, noch liege eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit vor. Der Beigeladene sei am 5. Mai 2007 als Sargträger bei einer Beerdigung tätig geworden. Nach Angaben des Herrn M. (Bestatter) sei der Beigeladene nur als Sargträger vermittelt worden. Das Entgelt für diese Tätigkeit habe er zwar von Herrn M. erhalten, dieser habe es jedoch von den Hinterbliebenen lediglich als Vermittler für die Tätigkeiten der Sargträger bekommen und es in voller Höhe an die Sargträger weitergeleitet. Die Bestellung der Sargträger sei daher keine Leistung des Bestattungsunternehmers gewesen. Auch habe Herr M. keinen eigenen wirtschaftlichen Zuwachs durch die Vermittlung der Sargträger erhalten, da er das Geld für die Sargträger, das er von den Hinterbliebenen erhalten habe, in voller Höhe an die Sargträger weiter geleitet habe. Da die Hinterbliebenen sich selbst ohne die Vermittlungstätigkeit des Herrn M. um Sargträger kümmern müssten, sei dies auch keine Leistung des Bestattungs-unternehmens gewesen. Ein Arbeitsunfall habe daher nicht vorgelegen.
Gegen den Bescheid hatte der Beigeladene verfristet Widerspruch erhoben, so dass die Klägerin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2008 als unzulässig zurückgewiesen hatte. Diese Entscheidung der Klägerin wurde mit Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade (Aktenzeichen: S 7 U 46/08) vom 25. September 2008 bestätigt.
Den Erstattungsbegehren der Klägerin unter anderem vom 29. Juni 2007, vom 10. September 2007 und vom 16. Oktober 2007 ist die Beklagte nicht nachgekommen.
Am 26. November 2007 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, der Beigeladene sei nicht als Beschäftigter des Bestattungsunternehmers M. tätig geworden. Er sei vielmehr sporadisch als Sargträger an die jeweiligen Hinterbliebenen vermittelt worden, die auch das entsprechende Entgelt gezahlt haben. Für einen Einsatz haben die Sargträger einen Betrag i.H.v. jeweils 25,00 EUR von den Hinterbliebenen erhalten, den der Bestattungsunternehmer M. in voller Höhe an die Sargträger weitergeleitet habe. Die Sargträgerkosten seien nicht in der Bestattungsrechnung für die Hinterbliebenen erfasst worden, weil andernfalls der Unternehmer M. hierfür hätte Steuern zahlen müssen. Der Beigeladene sei im Verhältnis zum Bestattungsunternehmer nicht als Beschäftigter tätig geworden, denn ein Arbeitsverhältnis habe nicht vorgelegen. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Hierbei sei auf die persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber abzustellen. Im vorliegenden Falle sei eine solche persönliche Abhängigkeit des Beigeladenen vom Bestattungsunternehmer nicht erkennbar. Es sei von einer unternehmerähnlichen Tätigkeit auszugehen, so dass auch Versicherungsschutz als arbeitnehmerähnliche Person nicht in Betracht komme. Der Beigeladene hätte sich freiwillig bei der zuständigen Berufsgenossenschaft für selbständige Sargträger freiwillig gegen Arbeitsunfälle versichern können.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß),
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die ihr anlässlich des Unfalls des Beigeladenen vom 5. Mai 2007 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 43.434,76 EUR nach Maßgabe der für die Beklagte geltenden Vorschriften zu erstatten.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt unter anderem vor, die Klage sei unbegründet, denn der Beigeladene habe einen Arbeitsunfall erlitten. Insbesondere habe er dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterlegen, denn der Bestattungsunternehmer habe Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeiten des Beigeladenen bestimmt. Der Beigeladene sei auch nicht unternehmerähnlich tätig geworden. Die Beklagte hat weiter einige gerichtliche Entscheidungen eingereicht.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten beigezogen. Weiter hat das Gericht am 25. März 2011 in einem Erörterungstermin den Zeugen M. (Bestattungsunternehmer) und den Beigeladenen als Zeugen gehört. Das Gericht hat den Beigeladenen mit Beschluss vom 29. März 2011 formell beigeladen.
Der Zeuge M. hat unter anderem ausgesagt, er betreibe das Bestattungsunternehmen als Familienbetrieb ohne weitere Angestellte. Es seien ca. 6-7 Rentner im Dorf, die noch einigermaßen mobil seien und als Sargträger in Betracht kämen. Bei den ca. 50 Beerdigungen jährlich würden diese Sargträger ca. 20-mal pro Jahr gebraucht. Den Sargträgern werde rechtzeitig Bescheid gesagt. Bei den anderen Beerdigungen würden Nachbarn bzw. Vereinsmitglieder als Sargträger tätig. Wenn jemand komme und eine Bestattung in Auftrag gebe, teile er diesen mit, dass er Sargträger besorgen könne, wenn der Kunde keine eigenen habe. Ein Preis werde vorab nicht besprochen. Der Preis tauche auf den offiziellen Rechnungen auch nicht auf, sondern werde über einen Extrabeleg (aus steuerrechtlichen Gründen) abgerechnet. Neue Träger sprächen ihn in der Regel an, dass sie als Sargträger bereit stünden. In der Regel wüssten die bereits alle, was zu tun sei, so dass er keine Einweisung geben müsse. Insbesondere jüngere neue Träger werden von ihm kurz eingewiesen. Die Sargträger bekämen von ihm pro Einsatz 25,00 EUR. Ein Einsatz dauere ca. ein Stunde. Ein Sargträger hätte jederzeit die Möglichkeit, einen Einsatz abzulehnen. Wäre es mal vorgekommen, dass alle seine Sargträger keine Zeit gehabt hätten, hätte er sich von einem Kollegen welche besorgen müssen. Dies sei aber nie vorgekommen.
Der Beigeladene hat als Zeuge unter anderem erklärt, er sei von Herrn M. mal angesprochen worden, ob er als Sargträger aushelfen könne. Er sei dann in der Folgezeit öfter angesprochen worden, ob er Zeit für die Tätigkeit hätte, und habe zum Schluss zum festen Stamm der sechs Sargträger gehört. Der Chef sei Herr M. gewesen, er gebe die Anordnungen. Weil er nicht so viel Rente habe, habe er die Tätigkeit gemacht. Alle Sargträger hätten hierbei einen eigenen schwarzen Anzug getragen. Das Geld hätten alle von Herrn M. in bar bekommen. Der Beigeladene hätte grundsätzlich einen Einsatz ablehnen können, wenn er etwas anderes vorgehabt hätte, aber es sei nie vorgekommen. Er habe nichts Eigenes zur Durchführung der Beerdigung mitbringen müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der Erörterung und Entscheidungsfindung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG-).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der ihr anlässlich des Unfalls des Beigeladenen vom 5. Mai 2007 entstandenen Aufwendungen. Die Klägerin hat nicht als unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, denn der Beigeladene hat am 5. Mai 2007 einen Arbeitsunfall in ihrem Zuständigkeitsbereich erlitten.
Als Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch kommt allein § 105 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Betracht. Danach gilt: Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, so ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen nicht vor, denn die Klägerin hat keine vorläufigen Leistungen nach § 43 Erstes Buch Sozialgesetzbuch erbracht. Die Klägerin hat auch nicht als unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht. Die Beklagte ist unzuständiger Leistungsträger. Aufgrund des Arbeitsunfalles hat der Beigeladene nach § 11 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch keinen Anspruch auf Sozialleistungen gegen die Beklagte.
Der Beigeladene hat am 5. Mai 2007 einen Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Körperschaden oder zum Tod führen. Die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls muss der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang) und zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis, dem Unfallereignis, führen (Unfallkausalität). Das Ereignis muss dann einen Gesundheitserstschaden verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Beigeladene war zum Unfallzeitpunkt als (geringfügig) Beschäftigter des Bestattungsunternehmers M. eine versicherte Person, die infolge einer versicherten Tätigkeit einen Unfall erlitten hat.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII stehen Beschäftigte unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist eine Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Merkmale für die Annahme einer solchen Beschäftigung sind die persönliche und/oder wirtschaftliche Abhängigkeit des Beschäftigten gegenüber seinem Arbeitgeber. Wesentliches Kriterium hierbei ist in der Regel die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten. Diese äußert sich vornehmlich in der Eingliederung des Arbeitenden in den Betrieb und in dem damit in aller Regel verbundenen Direktions- und Weisungsrecht des Unternehmers hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Dauer der Tätigkeit bzw. der Eingliederung in die Betriebsorganisation. Diese Voraussetzungen gelten auch bei der Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB IV.
Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung, die tatsächlichen Verhältnisse, unter denen eine Tätigkeit verrichtet wird. (vgl. Urteil des Bundessozialgericht –BSG- vom 24. Januar 2007 - Az. B 12 KR 31/06 R - in juris).
Unter Beachtung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Beigeladenen ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene zum Unfallzeitpunkt bei dem Bestattungsunternehmer M. geringfügig abhängig beschäftigt war. Die wesentlichen Merkmale einer abhängigen Beschäftigung waren überwiegend vorhanden. Der Beigeladene wurde nach den Vorgaben des Bestattungsunternehmers hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Dauer der Tätigkeit eingesetzt und war hierbei in die (äußere) Arbeitsorganisation des Bestattungsunternehmers eingegliedert und weisungsabhängig tätig.
Es spielt keine Rolle, dass dem Beigeladenen wohl weder bezahlter Urlaub noch Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle bzw. eine Weihnachtsgratifikation gewährt wurde. Es ist auch nicht ausschlaggebend, dass der Beigeladene keinen schriftlichen Arbeitsvertrag mit dem Bestattungsunternehmer M. hatte und ohne feste Arbeitszeiten tätig wurde. Es kann insoweit offen bleiben, ob der Beigeladene einen Anspruch auf einen schriftlichen Arbeitsvertrag nach dem Nachweisgesetz hatte, denn ob er arbeitsrechtlich einen Anspruch darauf hätte, ist für die Prüfung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht relevant. Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse, unter denen die konkrete Tätigkeit verrichtet wurde. Hierbei ist regelmäßig auf die objektiven Umstände, insbesondere auf die Handlungstendenz abzustellen, ob die Tätigkeit überwiegend fremdbestimmt oder selbständig verrichtet wurde.
Die Handlungstendenz war beim Beigeladenen nicht eigenwirtschaftlich (unternehmerähnlich) geprägt. Er hat eine Tätigkeit für den Bestattungsunternehmer M. verrichtet und keine "eigene" Unternehmertätigkeit. Nach seiner glaubhaften Aussage war Herr M. der "Chef", der die Anweisungen hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Dauer gegeben hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, die maßgeblich zum Versicherungsschutz nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII ("Wie"-Beschäftigte) entwickelt wurde, kommt der mit dem - objektiv arbeitnehmerähnlichen - Verhalten verbundenen Handlungstendenz, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist (siehe dazu BSG, Urteil vom 5. März 2002 - B 2 U 9/01 R - SGb 2002, 441), eine ausschlaggebende Bedeutung zu. Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 2 Abs 2 S. 1 SGB VII wie ein nach Abs 1 Nr 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (vgl. zu § 539 Abs 2 RVO: BSG Urteil vom 25. November 1992 - 2 RU 48/91 - USK 92181; sowie zu § 2 Abs 2 SGB VII: BSG Urteil vom 26.06.2007 in juris; Az.: B 2 U 35/06 R; BSG Urteil vom 31. Mai 2005 B 2 U 35/04 R in juris; BSG Urteil vom 5. März 2002 - B 2 U 8/01 R - HVBG-Info 2002, 1175.).
Dies gilt nach Auffassung der Kammer erst recht für den Versicherungsschutz auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 2 Abs 1 Nr. 1 SGB VII i.V.m § 7 Abs 1 SGB IV. Entscheidend ist daher, ob der Verunfallte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG SozR 2200 § 548 Nr 90; SozR 4-2700 § 8 Nr 5 RdNr 6; SozR 4-2700 § 2 Nr 7 RdNr 16).
Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung des BSG an, dass es für den Versicherungsschutz unerheblich ist, aus welchen Motiven oder Beweggründen der Entschluss zum Tätigwerden kommt, sondern dass vielmehr auf die mit dem Tun verbundene Handlungstendenz abzustellen ist. Die Handlungstendenz gibt nach objektiven Umständen Aufschluss darüber, welches Unternehmen in erster Linie wesentlich unterstützt werden soll. Bei der zum Unfall führenden Tätigkeit muss diese Handlungstendenz wesentlich auf die Belange des fremden Unternehmens gerichtet sein, damit die Handlung diesem Unternehmen zugerechnet werden kann. Hierbei ist zu beachten, dass die Bedeutung "wesentlich" nicht im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung zu verstehen ist, denn es geht nicht um Kausalitätsfragen, sondern um die Zurechnung, den sachlichen Zusammenhang der zu beurteilenden Tätigkeit. Der sozialpolitische Schutzzweck der Norm und die zugrunde liegende Ablösung der Unternehmerhaftpflicht sind in die Wertung mit einzubeziehen (vgl. P. Becker, "Der Arbeitsunfall" in SGb 2007, 721, 724).
Nach der Handlungstendenz diente die Tätigkeit des Beigeladenen nicht im Wesentlichen eigenen Zwecken, sondern war auf die Unterstützung des Bestattungsunternehmers M. gerichtet. Der Beigeladene wollte zwar mit seiner Tätigkeit für den Bestattungsunternehmer M. seine Rente aufbessern. Das wirtschaftliche Motiv "Geld verdienen zu wollen", ist grundsätzlich jeder fremd- oder selbstbestimmten Tätigkeit immanent und daher kein taugliches Abgrenzungskriterium. Die Auffassung der Beklagten, dass dies eine eigenwirtschaftliche und mithin unternehmerähnliche Handlungstendenz sei, ist jedoch unzutreffend, denn sie zielt ausschließlich auf das unbeachtliche Motiv, den inneren Entschluss zum Tätigwerden ab und übersieht die äußeren objektiven Umstände der Tätigkeit. Der Beigeladene hat glaubhaft bekundet, dass der Chef der Bestattungsunternehmer M. gewesen sei und er nach dessen Anweisungen gearbeitet habe.
Der Beigeladene hat kein eigenes "Sargträgerunternehmen" betrieben, wenn er ab und zu für den Bestattungsunternehmer M. tätig wurde. Es fehlt an einem eigenen Unternehmerrisiko, dem Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, der Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit einer selbständigen Unternehmertätigkeit. Der Beigeladene wurde nur dann als Sargträger tätig, wenn er vom Bestattungsunternehmer angerufen wurde. Er hatte insoweit keine weiteren Auftraggeber, welches für eine selbständige Tätigkeit sprechen könnte. Selbst die Vergütung in Höhe von 25,00 EUR wurde vom Bestattungsunternehmer M. vorgegeben. Weder der Beigeladene, noch die Hinterbliebenen hatten nach Aussage des Zeugen M. auf die Höhe der Vergütung einen Einfluss. Auch dies spricht dafür, dass der "Chef", der die Bestattung ausrichtet, alleiniger Unternehmer ist. Der Beigeladene stand auch nicht zu den Hinterbliebenen in einem Beschäftigungsverhältnis bzw. war für diese selbständig tätig, denn er hatte zu diesen keinerlei vertragliche Beziehungen. Alles wurde über den Bestattungsunternehmer M. abgewickelt, der mit der Durchführung der Bestattung beauftragt wurde und auch das Geld für die Sargträger in Empfang genommen hatte.
Aus dem Umstand, dass der Bestattungsunternehmer M. die Entgelte für die Sargträger nicht auf der Rechnung aufführte, folgt auch keine andere Wertung. Dass der Zeuge M. keinen eigenen wirtschaftlichen und steuerrechtlichen Zuwachs durch die Vermittlung der Sargträger erlangt habe, weil er das Geld für die Sargträgern voller Höhe weiter geleitet habe, ist unbeachtlich. Sozialversicherungsrechtlich sind die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend, die vorliegend ein Beschäftigungsverhältnis begründen. Für einen Bestattungsunternehmer ist es wichtig, dass er ein "Gesamtpaket" für eine Beerdigung anbietet, denn die Hinterbliebenen haben nach dem Tode eines Angehörigen bereits genügend Dinge, um die sie sich kümmern müssen. Daher muss ein Bestattungsunternehmer ein umfassendes Komplettpaket einer Beerdigung anbieten. Daher sind Sargträgertätigkeiten nach der Verkehrsauffassung regelmäßig dem Bestattungsunternehmen zu zurechnen.
Auch aus dem Umstand, dass der Beigeladene grundsätzlich Einsätze als Sargträger hätte ablehnen können, folgt nichts anderes. In der Gesamtschau der tatsächlich verrichteten Tätigkeiten des Beigeladenen ergibt sich, dass die Anteile an fremdbestimmten Elementen deutlich überwiegen. Hieraus folgt insbesondere nicht, dass der Beigeladene über seine Arbeitskraft tatsächlich selbstbestimmt verfügen konnte. Der Entschluss zum Tätigwerden ist selbstbestimmt, aber insoweit ein unbeachtliches Motiv. Die Tätigkeit als Sargträger ist dann aber wieder fremdbestimmt, denn der Bestattungsunternehmer gibt das Wesentliche vor. Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass beim Beigeladenen auch das für eine selbstständige Tätigkeit wesentliche Merkmal eines Unternehmerrisikos nicht vorhanden war. Der Beigeladene hat typischerweise seine eigene Arbeitskraft eingesetzt, ohne dass er der unternehmerischen Gefahr des Verlustes von Kapital etc. ausgesetzt war.
Der Beigeladene hat infolge der versicherten Tätigkeit einen Unfall erlitten, so dass der Versicherungsfall eines Arbeitsunfalles eingetreten ist. Selbst wenn man die Eingliederung in den Betrieb beim Bestattungsunternehmer M. und die Weisungsabhängigkeit verneinen würde, läge für den Beigeladenen nach den obigen Ausführungen jedenfalls Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII als "Wie"-Beschäftigter vor.
Der Feststellung eines Arbeitsunfalles steht auch nicht die bestandskräftige Ablehnung der Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall durch die Klägerin gegenüber dem Beigeladenen entgegen. Diese entfaltet im Erstattungsverhältnis keine Bindungswirkung (BSG Urteil vom 14. Dezember 1965, Az.: 2 RU 24/61, BSGE 24, 155ff und Breith. 1966, 565ff). Vielmehr dürfte die vorliegende Entscheidung Anlass für die Klägerin sein, die Ablehnungsentscheidung gegenüber dem Beigeladenen nach § 44 SGB X von Amts wegen (vgl. hierzu Schütze in v. Wulffen, SGB X, § 44 Rn. 39, 7. Aufl. 2010) oder auf etwaigen Antrag des Beigeladenen zu überprüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
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