L 5 AS 93/11 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 45 AS 91356/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 93/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2011 wird aufgehoben und der Antragsgegner zu 2. im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellerinnen vorläufig weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft in Höhe von jeweils 61,00 EUR monatlich im Zeitraum vom 19. Oktober 2010 bis zum 30. September 2011 zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner zu 2. hat den Antragstellerinnen die ihnen entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zur Hälfte und des Beschwerdeverfahrens zur Gänze zu erstatten.

Gründe:

I.

Im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes begehren die Antragstellerinnen und Beschwerdeführerinnen vom Antrags- und Beschwerdegegner zu 2. noch weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) – hier: für die Kaltmiete von Stellplätzen – iHv 61,00 EUR pro Person monatlich.

Die im Jahr 1969 geborene Antragstellerin zu 1. studiert seit dem Wintersemester 2004/05 Rehabilitationspsychologie an der Hochschule M.-S ... Im Wintersemester 2010/11 und Sommersemester 2011 war sie von der Hochschule aus sonstigen Gründen beurlaubt. Erstmals am 26. Februar 2010 beantragte sie bei den Antragsgegnern die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie gab an, sie wohne in der Dorfstraße 5 in J./OT Z. beim Verein Projektpiraten e.V. gemeinsam mit ihren Töchtern, der im Jahr 2001 geborenen Antragstellerin zu 2. und der im Jahr 1992 geborenen M. M ... Letztere ist im Oktober/November 2010 nach H. verzogen. Sie lebten in drei Bauwagen bzw. Wohnmobilen auf einem vom Verein gemieteten Stellplatz mit einer Größe von 75 m². Hierfür müsse sie pro Wagen eine Grundmiete iHv 100,00 EUR sowie Nebenkosten iHv 25,00 EUR monatlich (insgesamt 375,00 EUR) zahlen. Die Beheizung der Wagen erfolge mit Holz, was im Jahr 720,00 EUR koste. Nach dem Mietvertrag vom 26. März 2010, den die Antragstellerin zu 1. zugleich als Mieterin und als Vermieterin und damals alleiniger Vereinsvorstand unterschrieben hatte, handelte es sich um drei Bauwagenstellplätze. Den Erstantrag lehnten der Antragsgegner zu 1. (Bescheid vom 16. April 2010) und der Antragsgegnerin zu 2. (Bescheid vom 25. Mai 2010) zunächst ab. Im Widerspruchs- bzw. Überprüfungsverfahren wurden später Leistungen bewilligt.

Mit Schreiben vom 26. September 2010 beantragten die Antragstellerinnen die Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II einschließlich eines Betrags iHv 700,00 EUR zur Beschaffung von Brennholz.

Nachdem der Antrag bis zum 18. Oktober 2010 nicht beschieden worden war, haben die Antragstellerinnen am 19. Oktober 2010 beim damaligen Sozialgericht Stendal (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und die Gewährung vorläufiger Leistungen (Regelleistung und KdU) begehrt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, die Antragstellerin zu 2. wohne während der Schulzeit von Montagnachmittag bis Freitag bei der Antragstellerin zu 1. und ansonsten bei ihrem Vater in einem benachbarten Dorf.

Als sie am 21. Oktober 2010 der Bewilligungsbescheid der Antragsgegnerin zu 1. vom 18. Oktober 2010 erhalten hatten, haben sie am 23. November 2010 das Verfahren gegen sie für erledigt erklärt.

Mit Bescheid vom 2. November 2010 hat der Antragsgegner zu 2. den Antragstellerinnen für den Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 vorläufig monatliche KdU-Leistungen iHv 99,86 EUR monatlich bewilligt. Es könnten nur die wirtschaftlich angemessenen Kosten für den Stellplatz berücksichtigt werden. Es sei eine angemessene Grundfläche von 70 m² zu berücksichtigen. Wie bei Mietwohnungen gehe er von einer Fläche für eine Einzelperson von 50 m² aus und mache für jede weitere Person einen Zuschlag von 10 m². Aufgrund der Umgangsregelung werde die ältere Tochter bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt. Es sei eine Stellplatzmiete von 1,00 EUR/m², insgesamt 70,00 EUR, berücksichtigungsfähig. Dies sei ein deutlich höherer Wert als üblicherweise durch Verpachtung von landwirtschaftlichen Flächen erzielt werden könne. Die für Wohnraummietverträge geltenden Höchstbeträge seien nicht anzuwenden, da die angemieteten einfachen Stellplätze keinen entsprechenden Standard aufwiesen. Weiter seien die Nebenkosten iHv 50,00 EUR zu berücksichtigen. Da sie Stromkosten enthielten, müsse deren Regelleistungsanteil iHv 11,51 EUR bei der Antragstellerin zu 1. und iHv 8,63 EUR für die Töchter abgezogen werden (70,00 EUR + 50,00 EUR - 20,14 EUR = 99,86 EUR). Mit weiterem Bescheid vom 2. November 2010 hat der Antragsgegner zu 2. 560,00 EUR zur Beschaffung von Heizmaterial bewilligt.

Daraufhin haben die Antragstellerinnen mit Schriftsatz vom 23. November 2010 den gegen den Antragsgegner zu 2. gerichteten Antrag teilweise für erledigt erklärt und nunmehr noch die Bewilligung von weiteren 65,00 EUR an KdU pro Person und Monat begehrt. Es gehe nicht mehr um die Heizkosten, auch der Abzug des Stromanteils werde vorläufig hingenommen. Da einer der Bauwagen am 16. Oktober 2010 längerfristig zur Reparatur vom Stellplatz entfernt worden sei, würden nur noch eine Kaltmiete iHv 200,00 EUR und Nebenkosten iHv 50,00 EUR geltend gemacht. Ohne Rechtsgrund habe der Antragsgegner zu 2. nur 70,00 EUR berücksichtigt. Maßgeblich sei, dass ein zivilrechtlich wirksamer Mietvertrag abgeschlossen worden sei und sie die Zahlungen tatsächlich zu erbringen hätten. Diese seien nicht unangemessen hoch. Im Übrigen hätten sie keine Kostensenkungsaufforderung erhalten, so dass die tatsächliche Stellplatzmiete zu berücksichtigen sei.

Der Antragsgegner zu 2. hat dazu unter dem 30. November 2010 (Bl. 264 GA) ausgeführt, die Inaugenscheinnahmen des Grundstücks Z., Dorfstr. 5 am 23. September 2009 (Bl. 114 VA) und am 25. Oktober 2010 (Bl. 137 VA) hätten ergeben, dass dort lediglich zwei Wagen (ein Lkw und ein Bauwagen) der Antragstellerinnen aufgestellt seien. Der Stellplatz befinde sich auf einer Wiese. Als Toilette werde ein "selbstgezimmertes Plumpsklo mit Vorhang" genutzt. Weitere Sanitäranlagen seien nicht vorhanden. Der Wert des Stellplatzes liege nur unerheblich über dem Pachtpreis für Ackerland. Der vereinbarte Kaltmietpreis sei unangemessen. Seine Recherchen hätten ergeben, dass auf den nahegelegenen Campingplätzen Dauerstellplätze mit einer Größe von bis zu 100 m² maximal 50,00 EUR/Monat kosteten. Diese seien voll erschlossen und ermöglichten die Nutzung von vollständigen Sanitäranlagen (Dusche, Waschmaschine). Stellplatzgebühren iHv 1,00 EUR/m² monatlich seien somit angemessen.

Die Antragstellerin zu 1. hat hierzu und zu ihren Lebensverhältnissen u.a. mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2010 Stellung genommen. Sie habe den Lebensunterhalt ihrer Familie zunächst aus dem Kindergeld und BAföG-Leistungen, später aus einem Stipendium (Rosa-Luxemburg-Stiftung) und Wohngeld bestritten. Nach Auslaufen dieser Leistungen habe sie SGB II-Leistungen beantragt. Der Verein Projektpiraten e.V. sei Ende des Jahres 2007 gegründet worden. Seit September 2009 sei sie alleiniger Vereinsvorstand gewesen. Der Verein verfolge das Ziel der Förderung von Kunst, Kultur und Kommunikation sowie die Etablierung von alternativen Wohnformen, ökologischer Landwirtschaft und traditionellem Handwerk. Er initiiere, unterstütze und koordiniere dazu verschiedene Projekte. Er habe im Jahr 2008 das 10.130 m² große Grundstück, das ausweislich des notariellen Kaufvertrags mit einem Kuhstall nebst Anbau bebaut ist, gekauft. Ihre drei Bauwagen seien bereits im Juli 2009 auf dem Vereinsgelände aufgestellt gewesen. Aus finanziellen Gründen habe sie sich entschlossen, ganz in Wagen umzuziehen. Zunächst (von Oktober 2009 bis März 2010) habe sie weiterhin Wohngeld iHv 353,00 EUR monatlich erhalten. Die zum Vereinsgrundstück gehörende Wiese sei für sieben Stellplätze ausgelegt. Der Verein habe zwei Drei-Kammer-Trockenkompost-Toiletten gebaut, die die Stellplatzinhaber nutzten. Ihre Wohnsituation sei nicht mit derjenigen von Dauercampern vergleichbar. Ihr werde eine alternative Lebensform geboten. In der Vereinsarbeit sehe sie auch ihre persönliche berufliche Perspektive nach dem Studienabschluss. Der Verein plane den Bau einer Pflanzenkläranlage, die Voraussetzung sei für den Bau von weiteren Sanitäranlagen, sowie den Ausbau von Wohnraum im vorhandenen Gebäude. Dafür erforderliche Darlehen sollten mit den Stellplatzmieten und Spenden finanziert werden. Derzeit entstünden ihr weitere Wasserkosten iHv 50,00 EUR, denn sie nutzten das Bad der Nachbarn zum Wäsche Waschen, Duschen und Baden.

Mit Beschluss vom 31. Januar 2011 hat das SG den gegen den Antragsgegner zu 2. gerichteten Antrag abgelehnt. Es seien weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es könne dahinstehen, ob die Antragstellerin zu 1. nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sei. Grundsätzlich sei auch die Stellpatzmiete für Wohnwagen etc. bei den KdU berücksichtigungsfähig, wenn ein wirksamer Vertrag vorliege, der zur Zahlung verpflichte. Die Antragstellerinnen hätten nicht belegt und nicht glaubhaft gemacht, dass sie die behauptete Gesamtmiete von 375,00 EUR/Monat bislang tatsächlich gezahlt hätten. Nach den Kontoauszügen seien lediglich 250,00 EUR gezahlt worden. Der vorgelegte Mietvertrag sei schwebend unwirksam. Er verstoße gegen § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da die Antragstellerin zu 1. zugleich als Mieterin und Vermieter aufgetreten sei. Sie sei als Vorstand nach der Vereinssatzung nicht vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen. Eine Genehmigung durch den Verein sei nicht erfolgt. Die Antragstellerinnen müssten daher nur den objektiven Wert der Nutzungsmöglichkeit erstatten. Dieser sei nicht höher als die vom Antragsgegner zu 2. bewilligten Leistungen. Es bestehe kein Anordnungsgrund, weil keine Wohnungslosigkeit drohe. Zwar fordere der Verein die Zahlung der ausstehenden Miete. Eine "Kündigung" des schwebend unwirksamen Vertrags drohe jedoch nicht.

Gegen den Beschluss haben die Antragstellerinnen am 27. Februar 2011 Beschwerde eingelegt und weiterhin die Gewährung von weiteren KdU iHv 65,00 EUR/Monat pro Person begehrt. Da die Antragstellerin zu 1. weiterhin von der Hochschule beurlaubt sei, betreibe sie keine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung. Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II greife nicht. Der mit den Projektpiraten e.V. abgeschlossene Mietvertrag sei wirksam, denn die Mitgliederversammlung habe am 10. Oktober 2010 ausdrücklich den Vertragsschluss durch die Antragstellerin zu 1. als Vorstand für die drei Bauwagenplätze genehmigt und sie von den Beschränkungen des § 181 BGB freigestellt. Eine einzelfallbezogene Gestattung von Insichgeschäften durch die Mitgliederversammlung sei möglich. Zugleich sei eine Satzungsänderung beschlossen worden. Nunmehr bestehe der Vorstand aus mindestens einer Person; jedes Vorstandsmitglied sei allein vertretungsberechtigt. Neben der Antragstellerin zu 1. sei nunmehr T. F. weiteres Vorstandsmitglied. Die beiden Änderungen sind im März 2011 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Stendal eingetragen worden. Die Aufwendungen für die Badbenutzung bei den Nachbarn seien nicht Gegenstand des Eilverfahrens. Es gehe nur um die bei den KdU zu berücksichtigende Stellpatzmiete (200,00 EUR statt 70,00 EUR). Es komme daher nicht darauf an, ob die Antragstellerinnen in der Vergangenheit tatsächlich 375,00 EUR gezahlt hätten. Unstreitig seien jedenfalls 250,00 EUR per Dauerauftrag monatlich überwiesen worden. Der weitere Betrag iHv 125,00 EUR sei bis einschließlich Mai 2010 bar gezahlt worden, was der Verein mit Schreiben vom 16. Dezember 2010 bestätigt habe. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund. Die Mahnung des Vereins vom 25. Oktober 2010 sei von dem weiteren, seit dem 10. Oktober 2010 amtierenden, vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied unterschrieben worden. Es sei ihnen nicht zuzumuten, sich zur Aufbringung der monatlichen Differenz iHv 130,00 EUR weiter zu verschulden. Die Kostenentscheidung im Beschluss sei zu ändern. Beide Antragsgegner hätten erst nach Rechtshängigkeit überhaupt Leistungen bewilligt und Anlass zur Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtschutzes gegeben, da sie trotz anwaltlicher Fristsetzung und ersichtlicher Eilbedürftigkeit eine zeitgerechte Bescheidung unterlassen hätten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. April 2011 hat der Antragsgegner zu 2. den KdU-Bedarf der Antragstellerinnen für die KdU ohne Heizung für die Monate Oktober bis Dezember 2010 auf 107,86 EUR/Monat und für die Zeit von Januar bis März 2011 auf 117,86 EUR/Monat festgelegt (Aufgrund einer Einkommensanrechnung im Oktober 2010 sowie zusätzlich gewährter Leistungen für Heizkosten in den Monaten November 2010 und Februar 2011 kamen abweichende Leistungen zur Auszahlung). Zur Begründung hat er ausgeführt, nach seiner seit dem 1. Januar 2011 geltenden Richtlinie zu § 22 SGB II seien Aufwendungen für Stellplätze von Wohnwagen, Wohnmobilen o.ä. iH der Gebühren für Dauerstellplätze auf Campingplätzen zu berücksichtigen, soweit sie die angemessenen Aufwendungen für andere Stellplätze nicht überschritten. Danach werde eine angemessene Stellplatzgröße von 75 m² und eine Nutzungsentschädigung iHv 1,00 EUR/m² als angemessen berücksichtigt. Über 75,00 EUR hinausgehende Beträge seien nicht zu berücksichtigen. Die Nutzung eines dritten Stellplatzes und dessen Bezahlung seien nicht belegt. Aufwendungen iHv 250,00 EUR/Monat seien auch nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II vorübergehend anzuerkennen, denn es sei den Antragstellerinnen zumutbar gewesen, die KdU zu senken. Die Antragstellerin zu 1. habe gewusst, dass die von ihr abgeschlossenen Mietverträge schwebend unwirksam gewesen seien. Sie habe sich daher im Verein und in der Vorstandssitzung vom 10. Oktober 2010 aktiv darum bemüht, diese zu legitimieren. In dieser Situation sei es ihr zuzumuten gewesen, die Aufwendungen auf eine angemessene Höhe zu senken, was sie aufgrund des vorliegenden Interessenskonflikts als Vereinsvorstand und Mieterin nicht getan habe. Da sie ein Bemühen darum nicht nachgewiesen habe, könnten im streitigen Zeitraum nur die angemessenen KdU berücksichtigt werden. Es seien die zu berücksichtigenden Nebenkosten zu korrigieren. Aus der Nebenkostenaufstellung vom 17. November 2010 ergäben sich für einen Stellplatz Stromkosten iHv 8,57 EUR. Daher seien von den Nebenkosten 17,14 EUR abzusetzen. Es sei eine Gesamtmiete iHv 107,86 EUR (75,00 + 32,86 EUR) zu berücksichtigen. Es werde ab Januar 2011 ein weiterer Betrag iHv 10,00 EUR/Monat für die zusätzlichen Wasserkosten gewährt.

Daraufhin haben die Antragstellerinnen unter dem 16. April 2011 das Beschwerdeverfahren iHv weiteren 4,00 EUR/Monat pro Person für erledigt erklärt. Die Erhöhung der Leistungen durch die Gewährung von Wasserkosten wirke sich auf das Beschwerdeverfahren nicht aus, da diese nicht Gegenstand des Verfahrens seien. Nach Erlass des Widerspruchsbescheids des Antragsgegners zu 2. haben die Antragstellerinnen Klage beim SG erhoben.

Mit Bescheid vom 18. April 2011 hat die Antragsgegnerin zu 1. für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2011 Regelleistungen bewilligt. Mit Bescheid vom 30. Mai 2011 hat der Antragsgegner zu 2. für den vorgenannten Zeitraum KdU-Leistungen iHv 117,86 EUR/Monat gewährt. Gegen beide Bescheide haben die Antragstellerinnen Widerspruch eingelegt. Unter dem 31. Mai 2011 haben die Antragstellerinnen den Bescheid des Antragsgegners zu 2. beim Senat vorgelegt.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2011 hat der Antragsgegner zu 2. KdU-Leistungen für die Monate April bis September 2010 bewilligt (iHv 71,90 EUR/Monat) und für Oktober und November 2010 (aufgrund einer unterlassenen Einkommensanrechnung) geringfügig geändert, ohne die berücksichtige Kaltmiete für den Stellplatz zu verändern.

Auf Nachfrage der Berichterstatterin haben die Antragstellerinnen unter dem 29. Juli 2011 mitgeteilt, sie hätten nur noch im Zeitraum von April bis September 2010 Wohngeld iHv 89,00 EUR/Monat erhalten. Weiter habe die Antragstellerin zu 1. von Mai bis September 2010 einen Kinderbetreuungszuschlag gemäß § 14b BAföG iHv 113,00 EUR monatlich bezogen. Der Verein Projektpiraten e.V. hat unter dem 24. Juli 2011 mitgeteilt, dass er maximal sieben Stellplätze vermieten könne, die jedoch nicht immer alle belegt seien. Ein Stellplatz koste – wie auch die Anmietung eines Werkstatt-, Büro- oder Veranstaltungsraums – für Mitglieder 100,00 EUR/Monat.

Die Antragstellerinnen beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2011 aufzuheben und den Antragsgegner zu 2. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig im Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. September 2011 weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft iHv 61,00 EUR/Monat pro Person zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hat sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren vertieft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegner zu 1. und zu 2. ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.

II.

Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist gemäß den §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Insbesondere wird der seit dem 1. April 2008 gültige, hier maßgebliche Beschwerdewert von 750,00 EUR überschritten. Zwar ist im erstinstanzlich gestellten Antrag gegen den Antragsgegner zu 2. kein konkreter Leistungszeitraum genannt. Unter Einbeziehung ihres Vorbringens und des in Bezug auf den Antragsgegner zu 1. formulierten Antrags ist ihr Begehren so auszulegen (§ 123 SGG), dass es ihnen um die Leistungsgewährung in dem am 1. Oktober 2010 beginnenden sechsmonatigen Bewilligungszeitraum geht. Dementsprechend beträgt die vom erstinstanzlichen Beschluss ausgehende Beschwer nach dem zuletzt begehrten Leistungsbetrag iHv 65,00 EUR/Monat pro Person bezogen auf den zugrunde zu legenden sechsmonatigen Bewilligungszeitraum 780,00 EUR.

Streitgegenständlich im Beschwerdeverfahren ist jedoch nach einer weiteren Begrenzung des Antrags nur noch ein Monatsbetrag iHv 61,00 EUR pro Person. Indes hat sich der streitgegenständliche Zeitraum aufgrund einer konkludenten Antragserweiterung der Antragstellerinnen iSv § 99 SGG verlängert. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu 2. mit Bescheid vom 30. Mai 2011 KdU-Leistungen für den zwischenzeitlich begonnenen nächsten Bewilligungsabschnitt (April bis September 2011) bewilligt. Diesen haben die Antragstellerinnen im Beschwerdeverfahren vorgelegt. Nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz ist davon auszugehen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. September 2011 begehren. Dazu hat sich der Antragsgegner in den Schriftsätzen vom 7. und 28. Juni 2011 rügelos eingelassen. Zudem erachtet der Senat die Einbeziehung des weiteren Bewilligungszeitraums als sachdienlich, da im Kern dieselben Rechtsfragen zu entscheiden sind und insoweit der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren – vorläufig – beigelegt werden kann.

Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet. Das SG hat zu Unrecht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insgesamt abgelehnt.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.

Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet.

Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 86b RN 16b). Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung jedenfalls für den Zeitraum vom 1. bis zum 18. Oktober 2010 nicht zu beanstanden. Ein Leistungsanspruch für die Zeit vor Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes beim SG, die am 19. Oktober 2010 erfolgt ist, scheidet wegen eines fehlenden Anordnungsgrunds aus.

Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Verfahren zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, Az. 1 BvR 1582/02, NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005, Az. 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803).

Hier kommt die von den Antragstellerinnen sinngemäß begehrte Verpflichtung zur Bewilligung höherer KdU-Leistungen ab dem 1. Oktober 2010, d.h. vor dem Zeitpunkt des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz nicht in Betracht. Es handelt es sich um Zeiträume der Vergangenheit, die regelmäßig keine gegenwärtige akute Notlage mehr begründen. Insoweit besteht kein Anordnungsgrund. Einen im Zeitpunkt der Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes aktuell bestehenden, dringenden Nachholbedarf haben die Antragstellerinnen nicht dargelegt.

Für die Zeit ab Inanspruchnahme des einstweiligen Rechtsschutzes am 19. Oktober 2010 ist eine erhebliche wirtschaftliche Notlage glaubhaft gemacht worden. Das Ausbleiben der Leistungen für die KdU führt zu Mietschulden, die generell geeignet sind, den Erhalt der Unterkunft zu gefährden. Auch wenn im vorliegenden Fall der Vermieter, der Verein Projektpiraten e.V., das Mietverhältnis nicht gekündigt und zudem die Antragstellerinnen durch ein Darlehen unterstützt hat, hat er jedoch mit Schreiben vom 25. Oktober 2010 und 16. Dezember 2010 die ausstehenden Mietzahlungen angemahnt und dadurch zu erkennen gegeben, dass er nicht bereit ist, auf Mietzahlungen zu verzichten. Zudem ergibt sich aus den von den Antragstellerinnen vorgelegten Unterlagen, dass sie zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts und der Mietzahlungen im Mai 2010 ein Härtefondsdarlehen des Studentenwerks M. über insgesamt 3.300,00 EUR (ausgezahlt in 6 monatlichen Teilbeträgen iHv 550,00 EUR) aufnehmen mussten, welches seit Februar 2011 in monatliche Raten iHv 70,00 EUR zu tilgen ist. Sie sind wirtschaftlich auf die ihnen zustehenden Leistungen angewiesen.

Im Übrigen ist nach den zuvor dargelegten Grundsätzen ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragstellerinnen sind im hier streitigen Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. September 2011 nach Auffassung des Senats leistungsberechtigt iSv § 7 SGB II. Die Antragstellerin zu 1. hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, ist erwerbsfähig sowie hilfebedürftig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie gehört im streitigen Zeitraum nicht zu den Personengruppen, die gemäß § 7 Abs. 5 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben.

Nach § 7 Abs. 5 SGB II (entspricht § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F.) haben Auszubildende, deren Ausbildung u.a. im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) dem Grunde nach förderungsfähig ist, grundsätzlich (d.h. über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus) keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Grundsätzlich ist das von der Antragstellerin zu 1. an der Hochschule betriebene Studium der Rehabilitationspsychologie eine förderungsfähige Ausbildung, für die sie in der Vergangenheit auch BAföG-Leistungen erhalten hat. Indes fehlt es im hier streitigen Zeitraum an der Grundvoraussetzung für eine Förderung nach dem BAföG, nämlich dem Besuch einer Ausbildungsstätte. Denn die Antragstellerin zu 1. war sowohl im Sommersemester 2010 als auch im Wintersemester 2010/2011 von ihrer Ausbildungsstätte beurlaubt.

Bereits das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 25. August 1999, Az.: 5 B 153/99, juris) hatte zu dem mit § 7 Abs. 5 SGB II fast wortgleichen Leistungsausschluss nach § 26 Bundessozialhilfegesetz ausgeführt, es fehle an der Grundvoraussetzung für eine Förderung nach dem BAföG, dem Besuch einer Ausbildungsstätte, wenn und solange der Auszubildende von dieser Ausbildungsstätte beurlaubt sei. Dem ist das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 5. Februar 2008, Az.: L 25 B 146/08 AS ER) gefolgt. Soweit das Sächsische Landessozialgericht (Beschluss vom 11. November 2010, Az.: L 7 AS 435/10 B ER, www.sozialgerichtsbarkeit.de) die gegenteilige Auffassung vertritt und ausführt, es komme weder auf den Grund für die Inanspruchnahme des Urlaubssemesters noch darauf an, ob die Hochschule tatsächlich besucht werde, vermag der Senat dem bezogen auf die Situation in Sachsen-Anhalt nicht zu folgen. Während nach § 16 Abs. 3 Satz 1 Sächsisches Hochschulgesetz es Studierenden möglich ist, Studien- und Prüfungsleistungen während der Beurlaubung zu erbringen, besteht diese Möglichkeit im Land Sachsen-Anhalt nicht. Dort können während der Beurlaubung Studien- und Prüfungsleistungen an der Hochschule, die die Beurlaubung ausgesprochen hat, grundsätzlich nicht erbracht werden. Nach § 13 Abs. 3 Satz 2 und 3 Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt sollen die Prüfungsordnungen lediglich für Studierende, die wegen familiärer Verpflichtungen beurlaubt worden sind, vorsehen, dass freiwillige Studien- und Prüfungsleistungen erbracht werden können. Diese Möglichkeit besteht jedoch nach der für die Antragstellerin zu 1. maßgeblichen Diplomprüfungsordnung für den Studiengang Rehabilitationspsychologie der Hochschule M./S. (vom 28. August 2003) nicht. Sie sieht nur vor, dass Urlaubssemester die Frist zur Wiederholung nicht bestandener Prüfungsleistungen entsprechend verlängern (§ 12 Abs. 2 Satz 3 Diplom-Prüfungsordnung). Im Allgemeinen ist die Erbringung von Prüfungsleistungen während einer Beurlaubung nach der Prüfungsordnung nicht vorgesehen.

Zudem war die Antragstellerin zu 1. im Sommersemester 2011 nicht aus familiären, sondern nach der Bescheinigung der Hochschule vom 14. Februar 2011 aus sonstigen Gründen beurlaubt.

Soweit das Sächsische LSG zur Begründung seiner Begründung seiner Entscheidung weiterhin auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. Juli 2009 (Az.: B 4 AS 67/08 R, juris, RN 14) verweist, überzeugt dies nicht. Das BSG hat es lediglich als unbeachtlich erachtet, in welchem Umfang ein ordnungsgemäß immatrikulierter, d.h. nicht beurlaubter, Studierender die Hochschule tatsächlich besucht. Wie sich eine Beurlaubung auf das Tatbestandsmerkmal "Betreiben einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung" auswirkt, hat das BSG bislang nicht entschieden. Die Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II steht daher der begehrten Leistungsgewährung für die KdU nicht entgegen.

Da der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II zu Lasten der Antragstellerin zu 1. im hier streitigen Zeitraum nicht greift, kommt es nicht darauf an, ob der Antragsgegner an die Feststellungen der Antragsgegnerin zu 1. zu den Leistungsvoraussetzungen und der Hilfebedürftigkeit der Antragstellerinnen gebunden ist. Nach § 44a Abs. 1 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung war dies nach der Rechtsprechung des BSG nicht der Fall (vgl. Urteil vom 29. März 2007, Az. B 7b AS 2/06 R, RN 19). Nach der derzeit geltenden Regelung in § 44a Abs. 4 Satz 1 und 3 SGB II entscheidet die Agentur für Arbeit über den Umfang des Hilfebedarfs und einen Leistungsausschluss. Diese Feststellungen über die Leistungsberechtigung sind für den kommunalen Träger seit dem 1. Januar 2011 verbindlich (vgl. Korte in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 44a RN 35 ff.).

Die Antragstellerin zu 1. ist unstreitig hilfebedürftig iSv § 9 Abs. 1 SGB II, denn sie kann ihren Lebensunterhalt, ihre Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen – der Antragstellerin zu 2. – nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern und erhält die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen. Die Antragstellerin zu 2. hat als das in der Haushaltsgemeinschaft lebende, zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kind iSv §§ 7 Abs. 3 Nr. 2, 9 Abs. 2 SGB II dem Grunde nach Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II. Beide haben aus §§ 19, 22 Abs. 1 SGB II im streitigen Bewilligungszeitraum einen Anspruch auf Gewährung weiterer Leistungen für die KdU iHv 61,00 EUR/Monat pro Person.

Der Antragsgegner zu 2. ist passiv legitimiert im Hinblick auf die hier streitigen Leistungen für die KdU nach § 22 SGB II, da die in seinem Zuständigkeitsbereich praktizierte getrennte Aufgabenwahrnehmung durch den jeweiligen Leistungsträger iSv § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II a.F. noch bis zum Ende des Jahres 2011 zulässig ist. Der Antragsgegner zu 2. erbringt als zuständiger kommunaler Träger die ihm obliegenden Leistungen für die KdU.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang, sind sie als Bedarfsgemeinschaft solange zu berücksichtigen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners zu 2. sind im streitbefangenen Zeitraum die tatsächlichen Aufwendungen der Antragstellerinnen für die zwei Stellplätze iHv 200,00 EUR/Monat berücksichtigungsfähig. Tatsächliche Aufwendungen in dieser Höhe (2 x 100,00 EUR für den Stellplatz und 2 x 25,00 EUR für die Nebenkosten) haben die Antragstellerinnen durch Vorlage ihrer Kontoauszüge nachgewiesen. Ob sie in der Vergangenheit tatsächlich auch die Kosten für drei Stellplätze zuzüglich Nebenkosten (375,00 EUR) aufgebracht haben, kann dahinstehen. Dies ist nicht Streitgegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens. Im Übrigen geht auch der Antragsgegner zu 2. in seinem Widerspruchsbescheid vom 1. April 2011 (S. 8) von nachgewiesenen Stellplatz- und Nebenkosten iHv 250,00 EUR monatlich aus.

Zudem geht es im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausschließlich um die reinen Stellplatzkosten iS einer Kaltmiete. Die Neben- und Heizkosten sind nicht Gegenstand des Verfahrens. Die nachgewiesenen reinen Stellplatzkosten iHv 200,00 EUR monatlich für die Bedarfsgemeinschaft hat der Antragsgegner zu 2. iHv 70,00 EUR anerkannt und entsprechend geleistet, sodass Streit lediglich hinsichtlich des Differenzbetrags iHv 125,00 EUR monatlich besteht, von dem die Antragstellerinnen im Beschwerdeverfahren noch 61,00 EUR monatlich pro Person geltend machen.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners zu 2. sind im streitbefangenen Zeitraum (1. Oktober 2010 bis zum 30. September 2011) die tatsächlichen Aufwendungen der Antragstellerinnen für den Stellplatz iHv 200,00 EUR grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Dieser Betrag der tatsächlichen Aufwendungen wird insbesondere nicht dadurch begrenzt, dass der zwischen der Antragstellerin zu 1. und dem Vermieter, dem Projektpiraten e. V., zivilrechtlich unwirksam gewesen ist.

Das BSG hat in seinem Urteil vom 22. September 2009 (Az. B 4 AS 8/09 R, juris, RN 16 ff.) ausgeführt, dass es maßgeblich nicht auf die Wirksamkeit des Mietvertrags ankommt, sondern darauf, dass Mietaufwendungen auf der Grundlage einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung tatsächlich gezahlt werden. Es sei ausreichend, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt sei. Daher orientiert sich das BSG bei der Bewertung vorrangig an der tatsächlichen Abwicklung des Mietverhältnisses (BSG, a.a.O. RN 19).

Insoweit zutreffend hat das SG im angegriffenen Beschluss ausgeführt, dass der Mietvertrag zwischen der Antragstellerin zu 1. als Mieterin und dem Verein Projektpiraten e.V. als Vermieter gemäß § 181 BGB schwebend unwirksam war. Es handelte sich um ein unzulässiges Insichgeschäft, denn die Antragstellerin zu 1. hatte den Vertrag zugleich als alleinvertretungsberechtigter Vereinsvorstand für den Verein als Vermieter und als Mieterin abgeschlossen. Zum damaligen Zeitpunkt lag auch keine Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot durch die Vereinssatzung vor.

Indes ist dieser Schwebezustand durch eine nachträgliche Genehmigung beendet worden. Zum einen hat die Mitgliederversammlung des Vereins in ihrer Sitzung vom 10. Oktober 2010 den Abschluss der Mietverträge der Antragstellerin zu 1. vom 1. Juli 2009 und 26. März 2010 bestätigt und diese von den Beschränkungen des § 181 BGB freigestellt. Zum anderen hat der Verein eine Satzungsänderung beschlossen, nach der der Vorstand nunmehr aus mindestens einem Vereinsmitglied besteht, und mit T. F. einen weiteren Vorstand gewählt, der neben der Antragstellerin zu 1. amtiert. Diese Änderungen sind zum 1. März 2011 ins Vereinsregister beim Amtsgericht Stendal eingetragen worden. Durch die nachträgliche Genehmigung des Rechtsgeschäft und die entsprechende Satzungsänderung ist die Antragstellerin zu 1. von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und zum Abschluss der Mietverträge bevollmächtigt worden (vgl. Landgericht Ravensburg, Beschluss vom 19. Oktober 1989, Az. 1 T 256/89, juris RN 19; Palandt, 67. Auflage 2008, § 181 RN 15, 21).

Zwar dürfen nach der Rechtsprechung des BSG Aufwendungen für die KdU, die auf einer zivilrechtlich unwirksamen Grundlage beruhen, nicht dauerhaft aus öffentlichen Mitteln bestritten werden (vgl. BSG, a.a.O. RN 21). Jedoch ist der Grundsicherungsträger, der eine Vereinbarung über die Unterkunftskosten für unwirksam hält, gehalten, das Kostensenkungsverfahren nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu betreiben. Dieses darf sich dann nicht darauf beschränken, den nach seiner Auffassung angemessenen Mietzins zu nennen und die Folgen mangelnder Kostensenkung vor Augen zu führen. Vielmehr muss dem Hilfebedürftigen das vom Grundsicherungsträger befürwortete Vorgehen gegenüber dem Vermieter in einer Weise verdeutlicht werden, die ihn zur Durchsetzung seiner Rechte in die Lage versetzt. Bis zum Erhalt der erforderlichen Erläuterungen sind Maßnahmen der Kostensenkung für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen regelmäßig subjektiv unmöglich iSv § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II (vgl. BSG, a.a.O., RN 23). Solange kein Kostensenkungsverfahren betrieben worden ist, besteht damit grundsätzlich ein Anspruch auf Übernahme der vollständigen tatsächlichen Kosten.

Vorliegend hat der Antragsgegner zu 2. gegenüber den Antragstellerinnen ein Kostensenkungsverfahren nicht betrieben. Er hat sie nicht beizeiten über die von ihm für angemessen gehaltene Stellplatzmiete belehrt und zur Kostensenkung aufgefordert. Es ist auch keine konkludente Kostensenkungsaufforderung erfolgt.

Die erforderlichen Informationen konnten die Antragstellerinnen nicht dem Bescheid vom 20. Mai 2010 für den Bewilligungszeitraum ab März 2010 entnehmen, denn mit diesem lehnte der Antragsgegner zu 2. die Leistungsgewährung ausschließlich wegen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 5 SGB II für die damals noch nicht vom Studium beurlaubte Antragstellerin zu 1. ab. Erstmalig im Bescheid vom 2. November 2010, mit dem der Antragsgegner zu 2. für den Bewilligungszeitraum von Oktober 2010 bis März 2011 eine Stellplatzmiete iHv 70,00 EUR monatlich (zunächst) zu Grunde legte, fanden die Antragstellerinnen Anhaltspunkte dafür, dass die von ihnen aufgewendeten Kosten nicht als angemessen erachtet wurden. Indes fehlten dem Bescheid eine Aufforderung zu Kostensenkung oder Hinweise darauf, wie die Antragstellerinnen gegen den Vermieter hätten vorgehen sollen. Im Übrigen wurden mit dem Bescheid nur vorläufige Leistungen bewilligt, sodass die Antragstellerinnen nicht wissen konnten, ob der anerkannte Mietbetrag "das letzte Wort" des Antragsgegners zu 2. zur Höhe der Miete sein sollte. Tatsächlich wurde dann auch im folgenden Bewilligungszeitraum eine etwas höhere Stellplatzmiete (75,00 EUR) anerkannt.

Soweit der Antragsgegner zu 2. im Widerspruchsbescheid vom 1. April 2001 ausgeführt hat (S. 8/9), der Antragstellerin zu 1. sei es im Zeitraum von Oktober 2010 bis März 2011, d.h. von Anfang an zuzumuten gewesen, ihre KdU-Aufwendungen tatsächlich zu senken, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Selbst wenn der Antragstellerin zu 1. bei der Mitgliederversammlung des Vereins Projektpiraten e.V. am 10. Oktober 2010 die rechtliche Problematik ihres Insichgeschäfts als Vereinsvorstand und Mieterin bewusst war und sie bestrebt war, dieses über eine Genehmigung der Mitgliederversammlung zu legalisieren, war sie zum damaligen Zeitpunkt – mangels einer eindeutigen Kostensenkungsaufforderung durch den Antragsgegner zu 2. – nicht verpflichtet, in ihrer Funktion als Vereinsvorstand ihre privaten Mietaufwendungen zu reduzieren. Denn eine erstmalige Leistungsbewilligung für die KdU durch den Antragsgegner zu 2. erfolgte erst mit Bescheid vom 2. November 2010, d.h. nach der Mitgliederversammlung. Allein aufgrund des Umstands, dass der Antragstellerin zu 1. damals bewusst sein musste, dass sie die zu zahlende Stellplatzmiete aus eigenen Mitteln nicht würde finanzieren können, folgte keine Verpflichtung, auf eine Senkung der Entgelte für die Stellplätze hinzuwirken. Soweit bestand für sie eine Interessenkollision, die der Antragsgegner zu 2. zutreffend erkannt hat.

Möglicherweise könnte man im Widerspruchsbescheid vom 1. April 2011 eine Kostensenkungsaufforderung sehen. Doch diese würde mangels Fristsetzung durch den Antragsgegner zu 2. auch erst nach Ablauf der des gesetzlich vorgesehenen Halbjahreszeitraumes für das Kostensenkungsverlangen zu einer Möglichkeit der Reduzierung der Unterkunftskosten auf das vom Antragsgegner zu 2. für angemessen erachtete Maß führen. Sie könnte erst zum Oktober 2011 wirksam werden.

Schließlich stellt auch die ab dem 1. Januar 2011 geltende KdU-Richtlinie des Antragsgegners zu 2., die unter Nr. 1.3.6 für Stellplätze von Wohnwagen, Caravans und Wohnmobile Nutzungsentschädigungen von bis zu 1,00 EUR/m² Platzgröße als berücksichtigungsfähig vorsieht, keinen Grund dar, die tatsächlichen Aufwendungen zu reduzieren. Die Richtlinie ist erst im Verlauf des zweiten hier streitigen Bewilligungsabschnitts in Kraft getreten, und es ist ausweislich der Verwaltungsakte des Antragsgegners zu 2. nicht ersichtlich, dass diese den Antragstellerinnen bekannt gegeben worden ist.

Da eine wirksame Kostensenkungsaufforderung nicht ergangen ist, waren im streitbefangenen Zeitraum die von den Antragstellerinnen tatsächlich aufgewendeten Kosten für die "kalte" Stellplatzmiete iHv 200,00 EUR bei der Bewilligung der KdU-Leistungen zugrunde zu legen. Die Antragstellerinnen haben daher gegen den Antragsgegner zu 2. einen Anordnungsanspruch für die Differenz zwischen den zu berücksichtigenden (200,00 EUR) und den tatsächlich berücksichtigten Aufwendungen (75,00 EUR) in der beantragten Höhe von 61,00 EUR pro Person und Monat glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner war im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen im beantragten Umfang weitere Leistungen für die KdU im Zeitraum vom 19. Oktober 2010 bis zum 30. September 2011 zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Da der Antragsgegner zu 2. wegen der KdU unterlegen ist, hat er sowohl die insoweit im erstinstanzlichen als auch im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen zu tragen.

Eine Kostenentscheidung in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 1. ist entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Denn diese ist aufgrund der Erledigungserklärung vom 27. Oktober 2010 aus dem Verfahren ausgeschieden, ohne dass die Antragstellerinnen insoweit den nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG möglichen Kostenantrag gestellt hätten. Dementsprechend ist im angegriffenen Beschluss des SG auch kein Kostenausspruch im Hinblick auf die Antragsgegnerin zu 1. enthalten.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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