Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 R 462/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 74/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte die Altersrente des Klägers mit einer Forderung der Beigeladenen nach §§ 354 ff Drittes Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung – SGB III) in der Fassung vom 24. März 1997 (BGBL. I S.594) - Winterbau-Umlage - in Verbindung mit der Verordnung über die Umlage zur Aufbringung der Mittel für das Wintergeld und das Winterausfallgeld (Winterbau-Umlageverordnung (Winterbau-UmlageVO)) vom 13. Juli 1972 (BGBL. I S. 1201) verrechnen kann.
Der am ... 1935 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 1. September 2000 eine Altersrente.
Mit Bescheid vom 7. Dezember 2004 teilte die Beigeladene dem Kläger mit, die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK) habe das dort geführte Winterbau-Umlagekonto des Klägers aufgelöst und die Einziehung der Forderung an sie abgetreten. Als ehemaliger Inhaber der Firma G. W. hafte er mit seinem Privatvermögen, so dass er zur Begleichung der nachfolgenden Forderungen herangezogen werde. Die Gesamtforderung in Höhe von 6.268,33 EUR setze sich wie folgt zusammen:
Winterbau-Umlage gemäß §§ 354 ff. SGB III 4.854,21 EUR
Pauschale gemäß § 6 Winterbau-UmlageVO 509,37 EUR
Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV
bereits durch Leistungsbescheid geltend gemacht 637,50 EUR
und Neuberechnung ab 16.7.2004 bis 15.11.2005 242,50 EUR
Mahngebühr gem. § 19 II Verwaltungsvollstreckungsgesetz 24,75 EUR.
Dem Bescheid ist die Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, dass der Widerspruch nur insoweit zulässig sei, als damit die geltend gemachte Pauschale und die Neuberechnung der Säumniszuschläge angefochten werde; die den übrigen Forderungen zugrunde liegenden Leistungsbescheide seien bereits bestandskräftig.
Unter dem 6. Juli 2005 übersandte die Beigeladene dem Klägerbevollmächtigten die von diesem unter dem 21. Juni 2005 gewünschte Forderungsaufstellung zur Vorbereitung einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung des Klägers. In dieser Aufstellung sind - nach geringfügiger Tilgung - folgende (Rest-)Forderungen aufgeführt:
- Winterbau-Umlage (1.12.98 – 2.1.01) 4.854,21 EUR
- Kosten für die Einziehung der Winterbau-Umlage (1.12.98 – 2.1.01) 397,75 EUR
- Säumniszuschläge 880,00 EUR
Gesamt: 6.131,96 EUR
Am 2. November 2005 ermächtigte die Beigeladene die Beklagte zur Verrechnung mit einer Forderung in Höhe von insgesamt 6.131,96 EUR. Die einbeziehbare und nicht verjährte Forderung setze sich aus einer Winterbau-Umlage in Höhe von 4.854,21 EUR, Kosten für die Einziehung der Winterbau-Umlage in Höhe von 397,75 EUR und Säumniszuschlägen, Verzugs- und Stundungszinsen in Höhe von 880,00 EUR zusammen. Unter dem 9. November 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, von der monatlichen Rente in Höhe von 974,46 EUR einen monatlichen Betrag in Höhe von 487,23 EUR für die Beigeladene zu verrechnen. Diese Verrechnung erfolge im Hinblick auf die "zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen" der Winterbau-Umlage im Zeitraum vom 1. Dezember 1998 bis zum 2. Januar 2001 bezogen auf die Gesamtforderung in Höhe von 6.131,96 EUR. Der verbleibende Restbetrag in Höhe von 487,23 EUR werde an den Kläger ausgezahlt. Der Kläger teilte hierzu mit, zahlungsunfähig zu sein und zurzeit das gesetzlich vorgesehene außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren nach der Insolvenzordnung zur Vorbereitung eines Regel-/Verbraucherinsolvenzverfahrens durchzuführen. Daraufhin wies die Beklagte ihn mit Schriftsatz vom 29. November 2005 unter Übersendung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. Juni 1981 in dem Verfahren - 5b/5 RJ 18/80 - ergänzend darauf hin, dass es sich bei der Winterbau-Umlage um eine Forderung analog eines Beitragsanspruches im Sinne des § 51 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil - SGB I) handele und deshalb die Verrechnung zulässig sei, solange der Kläger nicht nachweise, dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitssuchende - SGB II) bzw. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt zu werden.
Auf Anfrage der Beklagten vom 9. Januar 2006 stellte die Beigeladene mit Schriftsatz vom 17. Januar 2006 klar, dass sie das Verrechnungsersuchen aufrecht erhalte.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie werde mit der monatlichen Rente in Höhe von 974,46 EUR einen Betrag in Höhe von 487,23 EUR verrechnen und den Restbetrag in Höhe von 487,23 EUR auszahlen. Ein Nachweis über eine entstehende Hilfebedürftigkeit sei nicht vorgelegt worden. Die Beigeladene habe mitgeteilt, dass trotz laufenden Insolvenzverfahrens an dem Verrechnungsersuchen festgehalten werde. Das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Zahlung der geschuldeten Beträge überwiege gegenüber dem Interesse des Klägers, die genannten Beträge nicht zahlen zu müssen.
Hiergegen hat der Kläger am 20. Februar 2006 Widerspruch eingelegt und zur Begründung darauf hingewiesen, dass die Beigeladene die Forderung mit Schreiben vom 6. Juli 2005 angemeldet und gleichzeitig angezeigt habe, Vollstreckungsmaßnahmen zurückzunehmen. Eine Verrechnung stehe jedoch einer Erfüllung gleich. Eine Bevorrechtigung einer Gläubigerforderung nach der Insolvenzordnung (InsO) gegenüber der Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) sei nicht mehr gegeben. Folge wäre eine Gläubigerbegünstigung und die Anfechtung der erhaltenen Zahlungen durch den einzusetzenden Insolvenzverwalter. Eine Verrechnung in der angekündigten Höhe wäre auch unbillig. Er würde mit einem Selbstbehalt unter die absolute Unpfändbarkeit fallen und hätte dann Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
Eine amtliche Bedarfsrechnung legte der Kläger trotz entsprechender Aufforderung durch die Beklagte nicht vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 SGB I seien erfüllt. Die Verrechnung sei trotz des Insolvenzverfahrens möglich, da sie keine Vollstreckungsmaßnahme darstelle. Der Nachweis der Hilfebedürftigkeit, der mit der Änderung des § 51 Abs. 2 SGB I dem Leistungsberechtigten obliege, sei nicht erbracht worden. Nach der Aktenlage ließen sich schließlich keine besonderen Umstände erkennen, die das Interesse der Versichertengemeinschaft an der zweckgebundenen Verwendung der Gelder der Versichertengemeinschaft zurücktreten ließen.
Hiergegen hat der Kläger am 11. Oktober 2006 Klage beim Sozialgericht Dessau (heute Dessau-Roßlau; im Weiteren: SG) erhoben und die Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006 verfolgt. Er hat daran festgehalten, der Verrechnung stünden § 54 Abs. 2 SGB I und die Grenzen des § 850 i.V.m. § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) entgegen. Er sei seiner Ehefrau gegenüber unterhaltsverpflichtet, so dass sich die Pfändungsfreigrenze auf 1.164,00 EUR netto erhöhe.
Im Erörterungstermin des SG am 30. Juli 2007 hat der Kläger vorgetragen, die Forderung der Beigeladenen in Höhe von 6.131,96 EUR sei bestandskräftig festgestellt worden. Er werde sich bemühen, eine Bescheinigung des Sozialamtes über den Eintritt einer Sozialhilfebedürftigkeit bei vollzogener Verrechnung vorzulegen. Am 7. Januar 2008 hat er dem SG dann mitgeteilt, die Berechnungen des Sozialamtes hätten ergeben, dass ihm kein Anspruch auf Sozialhilfe zustehen werde.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. Januar 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006 sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf ungekürzte Auszahlung der ihm von der Beklagten bewilligten Altersrente. Die Voraussetzungen der Verrechnung gemäß § 51 Abs. 2 SGB I seien erfüllt. Im Hinblick auf die dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen Beitragsforderungen der Beigeladenen in Höhe von 6.131,96 EUR könne die Beklagte mit den Ansprüchen des Klägers auf Altersrente grundsätzlich bis zur Hälfte verrechnen, da dieser nicht nachgewiesen habe, durch die Verrechnung hilfebedürftig zu werden. Die Beklagte habe bei der Festsetzung der Verrechnungsbeträge auch in nicht zu beanstandender Weise von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Sie habe das Interesse der Versichertengemeinschaft an der zweckgebundenen Verwendung der Gelder mit den Individualinteressen des Klägers abgewogen.
Gegen den ihm am 1. Februar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. Februar 2008 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hat an seiner Rechtsauffassung, wonach die Verrechnung nach § 54 Abs. 2 SGB I nicht zulässig sei, festgehalten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 28. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihren Bescheid für zutreffend. Sie hat darauf hingewiesen, dass zugunsten der Beigeladenen bislang keine Beiträge einbehalten oder verrechnet worden seien.
Mit Beschluss der Berichterstatterin vom 3. Januar 2011 ist die Beiladung der das Verrechnungsersuchen betreibenden Behörde bewirkt worden, die keinen Antrag gestellt hat.
Die Beigeladene hat unter dem 4. Juli 2008 um Sachstandmitteilung bei der Beklagten hinsichtlich ihres Verrechnungsersuchens gebeten und darauf hingewiesen, dass der Verrechnung kein Insolvenzverfahren und erst recht nicht ein - außergerichtliches - Schuldenbereinigungsverfahren entgegen stehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Der angefochtene Bescheid ist weder formell noch materiell rechtswidrig.
Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Voraussetzung einer Aufrechnung ist nach § 51 Abs. 1 SGB I, dass ein Leistungsträger Ansprüche auf Geldleistungen gegen den Betroffenen hat und dieser gegen den Leistungsträger nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbare Ansprüche auf Geldleistungen hat. Unter anderem mit Beitragsansprüchen kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs. 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird.
Die Beklagte konnte die Verrechnung gegenüber dem Kläger durch Bescheid im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) vornehmen. Der Senat folgt der Auffassung des 13. Senats, nach der eine Verrechnung in diese Handlungsform gekleidet werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 5. Februar 2009 - B 13 R 13/08 R -, Vorlagebeschluss vom 25. Februar 2010 - B 13 R 76/09 R -, beide juris). Die Verrechnung regelt öffentlich-rechtlich gegenüber dem Leistungsberechtigten, dass auf seinen Sozialleistungsanspruch teilweise eine Auszahlung des sich daraus ergebenden Geldbetrages nicht an ihn erfolgt, sondern dieser zur Erfüllung gegen ihn bestehender Forderungen eines anderen Sozialleistungsträgers einbehalten wird. Der Gesetzgeber hat der Behörde mit der Verrechnungsermächtigung auch die Möglichkeit zum Handeln im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens im Sinne des § 8 SGB X eröffnet, das hier - da die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages nach § 53 Abs. 2 SGB X nicht gegeben sind - durch Erlass eines Verwaltungsaktes abzuschließen war. Das dem verrechnenden Sozialleistungsträger zustehende Ermessen ("kann ...verrechnen") ist im Rahmen einer Entscheidung durch Verwaltungsakt auszuüben, da die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz des Leistungsberechtigten an diese Handlungsform anknüpfen. So sieht § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X besondere Begründungsanforderungen für Ermessensentscheidungen vor. Auch die Vorschrift über die Rechtsbehelfsbelehrung (§ 36 SGB X) knüpft an die Entscheidung durch Verwaltungsakt an.
Dem steht nach Auffassung des Senats auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) oder des Bundesfinanzhofs (BFH) entgegen. Das BVerwG hat sich zur Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im öffentlichen Recht dahin gehend geäußert, dass einer solchen Anwendbarkeit nichts entgegen stehe und damit im Wesentlichen die Behörde so gestellt werde wie ein Privatrechtssubjekt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1982 - 3 C 6/82 - BVerwGE 66, 218, 220). Die Vorschrift in § 226 Abs. 1 Abgabenordnung 1977, zu welcher das Urteil des BFH vom 2. April 1987 (- VII R 148/83 - BFHE 149, 482 ff., zitiert nach juris) ergangen ist, verweist ausdrücklich auf die Regelungen des bürgerlichen Rechts. Demgegenüber hat der Gesetzgeber in den §§ 51, 52 SGB I von einer solchen Verweisung abgesehen und eine eigenständige Regelung mit weitergehenden Einschränkungen, als sie in den §§ 387 ff. BGB vorgesehen sind, getroffen. Insoweit obliegt der Behörde bei der Vorgehensweise nach den §§ 51, 52 SGB I die Prüfung der wirtschaftlichen Belange des Schuldners. Sie muss im Rahmen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung feststellen, ob bzw. in welchem Umfang eine Verrechnung/Aufrechnung vorzunehmen ist. Bezüglich der Rollenverteilung bei der Geltendmachung des zur Verrechnung gestellten Anspruchs ist ferner zu berücksichtigen, dass nach diesen Vorschriften nur mit Forderungen von Leistungsträgern auf- bzw. verrechnet werden kann. In der Praxis liegen zum Zeitpunkt der Verrechnung bestandskräftige Bescheide des zur Verrechnung ermächtigenden Leistungsträgers vor, aus denen dieser selbst vollstrecken könnte und im Regelfall bei Beitragsforderungen bereits zu vollstrecken versucht hat. Auch soweit man der hier vertretenen Auffassung nicht folgt, ergibt sich aus der formellen Einkleidung in die Form eines Bescheides nicht, dass die in dem Verwaltungsakt enthaltene Willenserklärung keine Wirksamkeit entfaltet (vgl. BSG, Beschluss vom 22. September 2009 - B 4 SF 1/09 S - juris).
Bei den von der Beigeladenen geforderten Winterbau-Umlagebeiträgen handelt es sich um Beitragsansprüche im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I (BSG, Urteil vom 30. Juni 1981 - 5b/5 RJ 18/80 -, juris). Das Gesetz beschränkt die Aufrechnung nicht auf Beitragsansprüche, die aus einer Versicherung des Leistungsberechtigten entstanden sind. Der Begriff der Beitragsansprüche umfasst auch Umlagen. "Sozialversicherungsbeiträge" im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I sind alle Geldleistungspflichten, die Privaten zur Finanzierung der öffentlichen Leistungsträger der Sozialversicherung auferlegt werden. Zahlungspflichtiger und Beitragsschuldner der Winterbau-Umlage ist ausschließlich der Arbeitgeber (§ 354 SGB III) d.h. im vorliegenden Fall der Kläger. Maßgebend kann nur sein, ob der Leistungsberechtigte durch eine Verrechnung von einer Beitragszahlungsverpflichtung entlastet wird. Diese Voraussetzungen liegen auch bei Winterbau-Umlagebeiträgen für den diese schuldenden Arbeitgeber vor. Das vorstehende gilt auch für die Pauschale gemäß § 6 Winterbau-UmlageVO in Höhe von (noch) 397,75 EUR. Diese Pauschale ergibt sich aus der Vorschrift zur Höhe der Umlage, d.h. aus § 355 Satz 2 SGB III und ist aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 357 Satz 1 SGB III in § 6 Winterbau-UmlageVO im Einzelnen geregelt. Hierbei handelt es sich um einen gesetzlich normierten Teil der Winterbau-Umlage und nicht um Verwaltungskosten bzw. Gebühren des Beitragseinzugs, die nicht als Beitragsanspruch im o.g. Sinne anzusehen sind (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - L 8 R 605/10 B -, juris). Die unzutreffende Bezeichnung der zu verrechnenden Forderung als solche als "zu Unrecht erbrachte Leistungen" im Rahmen der Anhörung vor Erlass des angefochtenen Bescheides und im Bescheid vom 30. Januar 2006 führt nicht zu einem anderen Ergebnis, da die Art der eigentlichen Forderung aus der Bezeichnung "Winterbau-Umlage" eindeutig erkennbar war. Zudem waren dem Kläger aufgrund der angeforderten Forderungsaufstellung seit Kenntnis des Antwortschreibens der Beigeladenen vom 6. Juli 2005 Art und Höhe der Forderung auf Zahlung von Winterbau-Umlage bekannt. Im Übrigen war der Ergänzung der Anhörung mit Schreiben vom 29. November 2005 die einschlägige Entscheidung des BSG zur Winterbau-Umlage beigefügt.
Eine Aufrechnungslage ist hier ebenfalls gegeben. Die Winterbau-Umlage und die Pauschale nach § 6 Winterbau-UmlageVO, die die Beigeladene als Forderungsinhaberin für den Zeitraum von Dezember 1998 bis Januar 2001 geltend gemacht hat, sind fällig und mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden festgestellt. Die geschuldete Beitragsforderung und die geforderte Pauschale waren dem Kläger durch die Beitragsbescheide und aufgrund des Bescheides vom 7. Dezember 2004 sowie aufgrund der vom Bevollmächtigten des Klägers von der Beigeladenen angeforderten und unter dem 6. Juli 2005 übersandten Forderungsaufstellung. Sie sind zudem - wie der Kläger im Erörterungstermin beim SG bestätigt hat - bestandskräftig festgestellt.
Die aus der Winterbau-Umlageforderung in Höhe von 4.854,21 EUR resultierenden Säumniszuschläge ergeben sich aus § 24 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch- (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV). Danach ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 EUR nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Der Stand der Gesamtforderung lässt sich damit mit einfachsten Mitteln für den Kläger selbst zu jedem Zeitpunkt ermitteln. Im Übrigen ist dem Bescheid der Beigeladenen vom 7. Dezember 2004 auch die Höhe der monatlich entstehenden Säumniszuschläge zu entnehmen.
Ferner hat die Beigeladene die Beklagte zur Verrechnung ermächtigt und an diesem Ersuchen im Verlaufe des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens festgehalten.
Die von der Beklagten beabsichtigte Verrechnung in Höhe von 487,23 EUR monatlich stellt die Hälfte der dem Kläger zustehenden Rentenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung dar. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, durch die Verrechnung hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften über die Grundsicherung nach dem SGB II oder im Sinne der Vorschriften über die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu werden. Die Voraussetzungen von Leistungen nach dem SGB II erfüllt der Kläger nach §§ 7, 7a SGB II nicht, da er die für eine Leistungsberechtigung maßgebende Altersgrenze von höchstens 65 Jahren bereits vor Bekanntgabe des Bescheides der Beklagten überschritten hatte. Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII steht ihm nach seinen Angaben nicht zu. Nach § 51 Abs. 2 SGB I in der mit Wirkung zum 1. Januar 2005 geänderten und damit für den hier angefochtenen Bescheid maßgebenden Fassung hat der Leistungsberechtigte selbst den Eintritt der Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII nachzuweisen (vgl. z.B. Pflüger in PraxisKommentar SGB I, § 51 RdNr. 68). Der Kläger hat hier darauf hingewiesen, ihm werde auch nach der Verrechnung kein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe zustehen. Der Senat hat auf dieser Grundlage keine Veranlassung gesehen, insoweit weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen.
Die Beklagte hat in Übereinstimmung mit ihrer Handlungsform durch Verwaltungsakt auch eine Ermessensentscheidung über die Durchführung und die Höhe der Verrechnung vorgenommen. Da sich aus dem Vortrag des Klägers keine weiterführenden Erkenntnisse haben gewinnen lassen, konnte die Beklagte in diesem Zusammenhang auf vorrangige Interessen der Versichertengemeinschaft an der zweckgebundenen Verwendung der Beiträge abstellen.
Der Einwand des Klägers, der Verrechnung stünden § 54 Abs. 2 SGB I und die Grenzen des § 850 i.V.m. § 850 c ZPO entgegen, ist unzutreffend. Die Pfändungsgrenzen des § 54 Abs. 3 bis 5 SGB I müssen bei der Verrechnung gemäß § 52 i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I nicht beachtet werden (vgl. J. Häußler in Hauck/Noftz, a.a.O., § 51 Rn. 12; Seewald in Kassler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 51 Rn. 18).
Ferner steht § 114 bzw. § 96 InsO einer Verrechnung nicht entgegen. Denn Gegenstand des Insolvenzverfahrens können nur solche Sozialleistungen sein, die über der Pfändungsfreigrenze liegen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Juli 2009 - L 33 R 204/09 B ER, L 33 § 207/09 B PKH -; juris). Schließlich stellt die Verrechnung - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - keine Vollstreckungshandlung dar (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Juli 2009 - L 33 R 204/09 B ER, L 33 § 207/09 B PKH -, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht. Die Frage der Rechtsform, in der eine Verrechnungserklärung von der Verwaltung umzusetzen ist, wird von verschiedenen Senaten des BSG unterschiedlich beantwortet. Die hierzu vom Senat bezogene Position ist aber für das Ergebnis des Verfahrens nicht erheblich.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte die Altersrente des Klägers mit einer Forderung der Beigeladenen nach §§ 354 ff Drittes Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung – SGB III) in der Fassung vom 24. März 1997 (BGBL. I S.594) - Winterbau-Umlage - in Verbindung mit der Verordnung über die Umlage zur Aufbringung der Mittel für das Wintergeld und das Winterausfallgeld (Winterbau-Umlageverordnung (Winterbau-UmlageVO)) vom 13. Juli 1972 (BGBL. I S. 1201) verrechnen kann.
Der am ... 1935 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 1. September 2000 eine Altersrente.
Mit Bescheid vom 7. Dezember 2004 teilte die Beigeladene dem Kläger mit, die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK) habe das dort geführte Winterbau-Umlagekonto des Klägers aufgelöst und die Einziehung der Forderung an sie abgetreten. Als ehemaliger Inhaber der Firma G. W. hafte er mit seinem Privatvermögen, so dass er zur Begleichung der nachfolgenden Forderungen herangezogen werde. Die Gesamtforderung in Höhe von 6.268,33 EUR setze sich wie folgt zusammen:
Winterbau-Umlage gemäß §§ 354 ff. SGB III 4.854,21 EUR
Pauschale gemäß § 6 Winterbau-UmlageVO 509,37 EUR
Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV
bereits durch Leistungsbescheid geltend gemacht 637,50 EUR
und Neuberechnung ab 16.7.2004 bis 15.11.2005 242,50 EUR
Mahngebühr gem. § 19 II Verwaltungsvollstreckungsgesetz 24,75 EUR.
Dem Bescheid ist die Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, dass der Widerspruch nur insoweit zulässig sei, als damit die geltend gemachte Pauschale und die Neuberechnung der Säumniszuschläge angefochten werde; die den übrigen Forderungen zugrunde liegenden Leistungsbescheide seien bereits bestandskräftig.
Unter dem 6. Juli 2005 übersandte die Beigeladene dem Klägerbevollmächtigten die von diesem unter dem 21. Juni 2005 gewünschte Forderungsaufstellung zur Vorbereitung einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung des Klägers. In dieser Aufstellung sind - nach geringfügiger Tilgung - folgende (Rest-)Forderungen aufgeführt:
- Winterbau-Umlage (1.12.98 – 2.1.01) 4.854,21 EUR
- Kosten für die Einziehung der Winterbau-Umlage (1.12.98 – 2.1.01) 397,75 EUR
- Säumniszuschläge 880,00 EUR
Gesamt: 6.131,96 EUR
Am 2. November 2005 ermächtigte die Beigeladene die Beklagte zur Verrechnung mit einer Forderung in Höhe von insgesamt 6.131,96 EUR. Die einbeziehbare und nicht verjährte Forderung setze sich aus einer Winterbau-Umlage in Höhe von 4.854,21 EUR, Kosten für die Einziehung der Winterbau-Umlage in Höhe von 397,75 EUR und Säumniszuschlägen, Verzugs- und Stundungszinsen in Höhe von 880,00 EUR zusammen. Unter dem 9. November 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, von der monatlichen Rente in Höhe von 974,46 EUR einen monatlichen Betrag in Höhe von 487,23 EUR für die Beigeladene zu verrechnen. Diese Verrechnung erfolge im Hinblick auf die "zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen" der Winterbau-Umlage im Zeitraum vom 1. Dezember 1998 bis zum 2. Januar 2001 bezogen auf die Gesamtforderung in Höhe von 6.131,96 EUR. Der verbleibende Restbetrag in Höhe von 487,23 EUR werde an den Kläger ausgezahlt. Der Kläger teilte hierzu mit, zahlungsunfähig zu sein und zurzeit das gesetzlich vorgesehene außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren nach der Insolvenzordnung zur Vorbereitung eines Regel-/Verbraucherinsolvenzverfahrens durchzuführen. Daraufhin wies die Beklagte ihn mit Schriftsatz vom 29. November 2005 unter Übersendung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. Juni 1981 in dem Verfahren - 5b/5 RJ 18/80 - ergänzend darauf hin, dass es sich bei der Winterbau-Umlage um eine Forderung analog eines Beitragsanspruches im Sinne des § 51 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil - SGB I) handele und deshalb die Verrechnung zulässig sei, solange der Kläger nicht nachweise, dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitssuchende - SGB II) bzw. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt zu werden.
Auf Anfrage der Beklagten vom 9. Januar 2006 stellte die Beigeladene mit Schriftsatz vom 17. Januar 2006 klar, dass sie das Verrechnungsersuchen aufrecht erhalte.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie werde mit der monatlichen Rente in Höhe von 974,46 EUR einen Betrag in Höhe von 487,23 EUR verrechnen und den Restbetrag in Höhe von 487,23 EUR auszahlen. Ein Nachweis über eine entstehende Hilfebedürftigkeit sei nicht vorgelegt worden. Die Beigeladene habe mitgeteilt, dass trotz laufenden Insolvenzverfahrens an dem Verrechnungsersuchen festgehalten werde. Das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Zahlung der geschuldeten Beträge überwiege gegenüber dem Interesse des Klägers, die genannten Beträge nicht zahlen zu müssen.
Hiergegen hat der Kläger am 20. Februar 2006 Widerspruch eingelegt und zur Begründung darauf hingewiesen, dass die Beigeladene die Forderung mit Schreiben vom 6. Juli 2005 angemeldet und gleichzeitig angezeigt habe, Vollstreckungsmaßnahmen zurückzunehmen. Eine Verrechnung stehe jedoch einer Erfüllung gleich. Eine Bevorrechtigung einer Gläubigerforderung nach der Insolvenzordnung (InsO) gegenüber der Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) sei nicht mehr gegeben. Folge wäre eine Gläubigerbegünstigung und die Anfechtung der erhaltenen Zahlungen durch den einzusetzenden Insolvenzverwalter. Eine Verrechnung in der angekündigten Höhe wäre auch unbillig. Er würde mit einem Selbstbehalt unter die absolute Unpfändbarkeit fallen und hätte dann Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
Eine amtliche Bedarfsrechnung legte der Kläger trotz entsprechender Aufforderung durch die Beklagte nicht vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 SGB I seien erfüllt. Die Verrechnung sei trotz des Insolvenzverfahrens möglich, da sie keine Vollstreckungsmaßnahme darstelle. Der Nachweis der Hilfebedürftigkeit, der mit der Änderung des § 51 Abs. 2 SGB I dem Leistungsberechtigten obliege, sei nicht erbracht worden. Nach der Aktenlage ließen sich schließlich keine besonderen Umstände erkennen, die das Interesse der Versichertengemeinschaft an der zweckgebundenen Verwendung der Gelder der Versichertengemeinschaft zurücktreten ließen.
Hiergegen hat der Kläger am 11. Oktober 2006 Klage beim Sozialgericht Dessau (heute Dessau-Roßlau; im Weiteren: SG) erhoben und die Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006 verfolgt. Er hat daran festgehalten, der Verrechnung stünden § 54 Abs. 2 SGB I und die Grenzen des § 850 i.V.m. § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) entgegen. Er sei seiner Ehefrau gegenüber unterhaltsverpflichtet, so dass sich die Pfändungsfreigrenze auf 1.164,00 EUR netto erhöhe.
Im Erörterungstermin des SG am 30. Juli 2007 hat der Kläger vorgetragen, die Forderung der Beigeladenen in Höhe von 6.131,96 EUR sei bestandskräftig festgestellt worden. Er werde sich bemühen, eine Bescheinigung des Sozialamtes über den Eintritt einer Sozialhilfebedürftigkeit bei vollzogener Verrechnung vorzulegen. Am 7. Januar 2008 hat er dem SG dann mitgeteilt, die Berechnungen des Sozialamtes hätten ergeben, dass ihm kein Anspruch auf Sozialhilfe zustehen werde.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. Januar 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006 sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf ungekürzte Auszahlung der ihm von der Beklagten bewilligten Altersrente. Die Voraussetzungen der Verrechnung gemäß § 51 Abs. 2 SGB I seien erfüllt. Im Hinblick auf die dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen Beitragsforderungen der Beigeladenen in Höhe von 6.131,96 EUR könne die Beklagte mit den Ansprüchen des Klägers auf Altersrente grundsätzlich bis zur Hälfte verrechnen, da dieser nicht nachgewiesen habe, durch die Verrechnung hilfebedürftig zu werden. Die Beklagte habe bei der Festsetzung der Verrechnungsbeträge auch in nicht zu beanstandender Weise von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Sie habe das Interesse der Versichertengemeinschaft an der zweckgebundenen Verwendung der Gelder mit den Individualinteressen des Klägers abgewogen.
Gegen den ihm am 1. Februar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. Februar 2008 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hat an seiner Rechtsauffassung, wonach die Verrechnung nach § 54 Abs. 2 SGB I nicht zulässig sei, festgehalten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 28. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihren Bescheid für zutreffend. Sie hat darauf hingewiesen, dass zugunsten der Beigeladenen bislang keine Beiträge einbehalten oder verrechnet worden seien.
Mit Beschluss der Berichterstatterin vom 3. Januar 2011 ist die Beiladung der das Verrechnungsersuchen betreibenden Behörde bewirkt worden, die keinen Antrag gestellt hat.
Die Beigeladene hat unter dem 4. Juli 2008 um Sachstandmitteilung bei der Beklagten hinsichtlich ihres Verrechnungsersuchens gebeten und darauf hingewiesen, dass der Verrechnung kein Insolvenzverfahren und erst recht nicht ein - außergerichtliches - Schuldenbereinigungsverfahren entgegen stehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Der angefochtene Bescheid ist weder formell noch materiell rechtswidrig.
Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Voraussetzung einer Aufrechnung ist nach § 51 Abs. 1 SGB I, dass ein Leistungsträger Ansprüche auf Geldleistungen gegen den Betroffenen hat und dieser gegen den Leistungsträger nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbare Ansprüche auf Geldleistungen hat. Unter anderem mit Beitragsansprüchen kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs. 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird.
Die Beklagte konnte die Verrechnung gegenüber dem Kläger durch Bescheid im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) vornehmen. Der Senat folgt der Auffassung des 13. Senats, nach der eine Verrechnung in diese Handlungsform gekleidet werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 5. Februar 2009 - B 13 R 13/08 R -, Vorlagebeschluss vom 25. Februar 2010 - B 13 R 76/09 R -, beide juris). Die Verrechnung regelt öffentlich-rechtlich gegenüber dem Leistungsberechtigten, dass auf seinen Sozialleistungsanspruch teilweise eine Auszahlung des sich daraus ergebenden Geldbetrages nicht an ihn erfolgt, sondern dieser zur Erfüllung gegen ihn bestehender Forderungen eines anderen Sozialleistungsträgers einbehalten wird. Der Gesetzgeber hat der Behörde mit der Verrechnungsermächtigung auch die Möglichkeit zum Handeln im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens im Sinne des § 8 SGB X eröffnet, das hier - da die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages nach § 53 Abs. 2 SGB X nicht gegeben sind - durch Erlass eines Verwaltungsaktes abzuschließen war. Das dem verrechnenden Sozialleistungsträger zustehende Ermessen ("kann ...verrechnen") ist im Rahmen einer Entscheidung durch Verwaltungsakt auszuüben, da die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz des Leistungsberechtigten an diese Handlungsform anknüpfen. So sieht § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X besondere Begründungsanforderungen für Ermessensentscheidungen vor. Auch die Vorschrift über die Rechtsbehelfsbelehrung (§ 36 SGB X) knüpft an die Entscheidung durch Verwaltungsakt an.
Dem steht nach Auffassung des Senats auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) oder des Bundesfinanzhofs (BFH) entgegen. Das BVerwG hat sich zur Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im öffentlichen Recht dahin gehend geäußert, dass einer solchen Anwendbarkeit nichts entgegen stehe und damit im Wesentlichen die Behörde so gestellt werde wie ein Privatrechtssubjekt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1982 - 3 C 6/82 - BVerwGE 66, 218, 220). Die Vorschrift in § 226 Abs. 1 Abgabenordnung 1977, zu welcher das Urteil des BFH vom 2. April 1987 (- VII R 148/83 - BFHE 149, 482 ff., zitiert nach juris) ergangen ist, verweist ausdrücklich auf die Regelungen des bürgerlichen Rechts. Demgegenüber hat der Gesetzgeber in den §§ 51, 52 SGB I von einer solchen Verweisung abgesehen und eine eigenständige Regelung mit weitergehenden Einschränkungen, als sie in den §§ 387 ff. BGB vorgesehen sind, getroffen. Insoweit obliegt der Behörde bei der Vorgehensweise nach den §§ 51, 52 SGB I die Prüfung der wirtschaftlichen Belange des Schuldners. Sie muss im Rahmen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung feststellen, ob bzw. in welchem Umfang eine Verrechnung/Aufrechnung vorzunehmen ist. Bezüglich der Rollenverteilung bei der Geltendmachung des zur Verrechnung gestellten Anspruchs ist ferner zu berücksichtigen, dass nach diesen Vorschriften nur mit Forderungen von Leistungsträgern auf- bzw. verrechnet werden kann. In der Praxis liegen zum Zeitpunkt der Verrechnung bestandskräftige Bescheide des zur Verrechnung ermächtigenden Leistungsträgers vor, aus denen dieser selbst vollstrecken könnte und im Regelfall bei Beitragsforderungen bereits zu vollstrecken versucht hat. Auch soweit man der hier vertretenen Auffassung nicht folgt, ergibt sich aus der formellen Einkleidung in die Form eines Bescheides nicht, dass die in dem Verwaltungsakt enthaltene Willenserklärung keine Wirksamkeit entfaltet (vgl. BSG, Beschluss vom 22. September 2009 - B 4 SF 1/09 S - juris).
Bei den von der Beigeladenen geforderten Winterbau-Umlagebeiträgen handelt es sich um Beitragsansprüche im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I (BSG, Urteil vom 30. Juni 1981 - 5b/5 RJ 18/80 -, juris). Das Gesetz beschränkt die Aufrechnung nicht auf Beitragsansprüche, die aus einer Versicherung des Leistungsberechtigten entstanden sind. Der Begriff der Beitragsansprüche umfasst auch Umlagen. "Sozialversicherungsbeiträge" im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I sind alle Geldleistungspflichten, die Privaten zur Finanzierung der öffentlichen Leistungsträger der Sozialversicherung auferlegt werden. Zahlungspflichtiger und Beitragsschuldner der Winterbau-Umlage ist ausschließlich der Arbeitgeber (§ 354 SGB III) d.h. im vorliegenden Fall der Kläger. Maßgebend kann nur sein, ob der Leistungsberechtigte durch eine Verrechnung von einer Beitragszahlungsverpflichtung entlastet wird. Diese Voraussetzungen liegen auch bei Winterbau-Umlagebeiträgen für den diese schuldenden Arbeitgeber vor. Das vorstehende gilt auch für die Pauschale gemäß § 6 Winterbau-UmlageVO in Höhe von (noch) 397,75 EUR. Diese Pauschale ergibt sich aus der Vorschrift zur Höhe der Umlage, d.h. aus § 355 Satz 2 SGB III und ist aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 357 Satz 1 SGB III in § 6 Winterbau-UmlageVO im Einzelnen geregelt. Hierbei handelt es sich um einen gesetzlich normierten Teil der Winterbau-Umlage und nicht um Verwaltungskosten bzw. Gebühren des Beitragseinzugs, die nicht als Beitragsanspruch im o.g. Sinne anzusehen sind (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - L 8 R 605/10 B -, juris). Die unzutreffende Bezeichnung der zu verrechnenden Forderung als solche als "zu Unrecht erbrachte Leistungen" im Rahmen der Anhörung vor Erlass des angefochtenen Bescheides und im Bescheid vom 30. Januar 2006 führt nicht zu einem anderen Ergebnis, da die Art der eigentlichen Forderung aus der Bezeichnung "Winterbau-Umlage" eindeutig erkennbar war. Zudem waren dem Kläger aufgrund der angeforderten Forderungsaufstellung seit Kenntnis des Antwortschreibens der Beigeladenen vom 6. Juli 2005 Art und Höhe der Forderung auf Zahlung von Winterbau-Umlage bekannt. Im Übrigen war der Ergänzung der Anhörung mit Schreiben vom 29. November 2005 die einschlägige Entscheidung des BSG zur Winterbau-Umlage beigefügt.
Eine Aufrechnungslage ist hier ebenfalls gegeben. Die Winterbau-Umlage und die Pauschale nach § 6 Winterbau-UmlageVO, die die Beigeladene als Forderungsinhaberin für den Zeitraum von Dezember 1998 bis Januar 2001 geltend gemacht hat, sind fällig und mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden festgestellt. Die geschuldete Beitragsforderung und die geforderte Pauschale waren dem Kläger durch die Beitragsbescheide und aufgrund des Bescheides vom 7. Dezember 2004 sowie aufgrund der vom Bevollmächtigten des Klägers von der Beigeladenen angeforderten und unter dem 6. Juli 2005 übersandten Forderungsaufstellung. Sie sind zudem - wie der Kläger im Erörterungstermin beim SG bestätigt hat - bestandskräftig festgestellt.
Die aus der Winterbau-Umlageforderung in Höhe von 4.854,21 EUR resultierenden Säumniszuschläge ergeben sich aus § 24 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch- (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV). Danach ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 EUR nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Der Stand der Gesamtforderung lässt sich damit mit einfachsten Mitteln für den Kläger selbst zu jedem Zeitpunkt ermitteln. Im Übrigen ist dem Bescheid der Beigeladenen vom 7. Dezember 2004 auch die Höhe der monatlich entstehenden Säumniszuschläge zu entnehmen.
Ferner hat die Beigeladene die Beklagte zur Verrechnung ermächtigt und an diesem Ersuchen im Verlaufe des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens festgehalten.
Die von der Beklagten beabsichtigte Verrechnung in Höhe von 487,23 EUR monatlich stellt die Hälfte der dem Kläger zustehenden Rentenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung dar. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, durch die Verrechnung hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften über die Grundsicherung nach dem SGB II oder im Sinne der Vorschriften über die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu werden. Die Voraussetzungen von Leistungen nach dem SGB II erfüllt der Kläger nach §§ 7, 7a SGB II nicht, da er die für eine Leistungsberechtigung maßgebende Altersgrenze von höchstens 65 Jahren bereits vor Bekanntgabe des Bescheides der Beklagten überschritten hatte. Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII steht ihm nach seinen Angaben nicht zu. Nach § 51 Abs. 2 SGB I in der mit Wirkung zum 1. Januar 2005 geänderten und damit für den hier angefochtenen Bescheid maßgebenden Fassung hat der Leistungsberechtigte selbst den Eintritt der Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII nachzuweisen (vgl. z.B. Pflüger in PraxisKommentar SGB I, § 51 RdNr. 68). Der Kläger hat hier darauf hingewiesen, ihm werde auch nach der Verrechnung kein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe zustehen. Der Senat hat auf dieser Grundlage keine Veranlassung gesehen, insoweit weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen.
Die Beklagte hat in Übereinstimmung mit ihrer Handlungsform durch Verwaltungsakt auch eine Ermessensentscheidung über die Durchführung und die Höhe der Verrechnung vorgenommen. Da sich aus dem Vortrag des Klägers keine weiterführenden Erkenntnisse haben gewinnen lassen, konnte die Beklagte in diesem Zusammenhang auf vorrangige Interessen der Versichertengemeinschaft an der zweckgebundenen Verwendung der Beiträge abstellen.
Der Einwand des Klägers, der Verrechnung stünden § 54 Abs. 2 SGB I und die Grenzen des § 850 i.V.m. § 850 c ZPO entgegen, ist unzutreffend. Die Pfändungsgrenzen des § 54 Abs. 3 bis 5 SGB I müssen bei der Verrechnung gemäß § 52 i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I nicht beachtet werden (vgl. J. Häußler in Hauck/Noftz, a.a.O., § 51 Rn. 12; Seewald in Kassler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 51 Rn. 18).
Ferner steht § 114 bzw. § 96 InsO einer Verrechnung nicht entgegen. Denn Gegenstand des Insolvenzverfahrens können nur solche Sozialleistungen sein, die über der Pfändungsfreigrenze liegen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Juli 2009 - L 33 R 204/09 B ER, L 33 § 207/09 B PKH -; juris). Schließlich stellt die Verrechnung - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - keine Vollstreckungshandlung dar (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Juli 2009 - L 33 R 204/09 B ER, L 33 § 207/09 B PKH -, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht. Die Frage der Rechtsform, in der eine Verrechnungserklärung von der Verwaltung umzusetzen ist, wird von verschiedenen Senaten des BSG unterschiedlich beantwortet. Die hierzu vom Senat bezogene Position ist aber für das Ergebnis des Verfahrens nicht erheblich.
Rechtskraft
Aus
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SAN
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