S 5 AS 780/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 780/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 6.7.2010 und unter Abänderung des Bescheides vom 09.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2010 in der Fassung der Bescheide vom 2.3.2010 und 2.6.2010 verpflichtet, der Klägerin für die Monate Februar bis Juni 2010 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 685,09 EUR monatlich und für den Monat Juli 2010 in Höhe von 728,29 EUR zu gewähren; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Unterkunftskosten in der Zeit von Februar bis einschließlich Juli 2010.

Die unter dem 23.12.19xx geborene Klägerin steht seit dem 1.1.2005 im Bezug von Grundsicherungsleistungen. Sie bewohnt seit Juni 1999 eine 55 qm große Zweizimmerwohnung am "Exxxxx 12" in E. Die Grundmiete für diese Wohnung betrug in der streitgegenständlichen Zeit EUR 295,02, die Betriebskosten EUR 70,00 und die Heizkosten EUR 64,19 monatlich, im Januar und Februar 2009 noch EUR 54,19. Zusätzlich zahlt die Klägerin monatlich EUR 35,79 für die Anmietung eines Garagenstellplatzes.

Die Beklagte übernahm zunächst die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe. Mit Schreiben vom 13.7.2009 forderte die Beklagte die Klägerin zur Senkung ihrer Unterkunftskosten auf. Für einen 1-Personen-Haushalt in E. sei eine Grundmiete von insgesamt EUR 217,50 angemessen. Ihre tatsächlichen Kosten lägen mit EUR 295,02 insgesamt EUR 77,52 über diesem Wert.

Unter dem 2.12.2009 stellte die Klägerin einen Antrag auf Weitergewährung ihrer Grundsicherungsleistungen ab dem 1.2.2010.

Mit Bescheid vom 9.12.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 Grundsicherungsleistungen in Höhe von EUR 710,69 unter Berücksichtigung der aus ihrer Sicht lediglich angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung von insgesamt EUR 351,69.

Mit Schreiben vom 5.1.2010 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Sie bewohne eine Kellerwohnung mit 2 Zimmern und können sich nicht mehr verkleinern. Zu dem von der Beklagten angegebenen Preis gebe es keine akzeptablen Wohnungen.

Unter dem 12.1.2010 schloss die Klägerin mit dem Institut für Maßnahmen zur Förderung der beruflichen und sozialen Eingliederung GmbH (IMBSE) einen Honorarvertrag über eine freie Mitarbeit befristet für die Zeit vom 10.12.2009 bis 9.6.2010 ab. Im Rahmen dieser Tätigkeit verdiente die Klägerin im Januar und Juni 2010 EUR 108,00 monatlich und von Februar bis Mai 2010 EUR 162,00, die jeweils zum 15. des Folgemonats ausgezahlt wurden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Unter dem 25.1.2010 rechnete die ISTA die Nebenkosten für das Jahr 2009 ab und ermittelte für die Klägerin eine Nachforderung von EUR 404,59. Mit Rechnung vom 7.2.2010 erhielt die Klägerin außerdem von ihrem Vermieter die Jahresabrechnung für die Betriebskosten aus 2009.

Mit Schreiben vom 28.3.2010 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten insgesamt EUR 120,10 an weiteren Kosten für Unterkunft und Heizung für das Jahr 2009 geltend.

Mit ihrer unter dem 26.2.2010 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter. Sie wohne in einem über 40 Jahre alten Haus. Eine Mietsenkung sei nicht möglich, eine Untervermietung käme nicht in Betracht. Die Beklagte sei nicht in der Lage nachzuweisen, dass zu dem von ihr für angemessen befundenen Quadratmeterpreis Wohnungen verfügbar seien. Die unter www.immobilienscout24.de zu findenden Wohnungen in diesem Preissegment seien ganz überwiegend 1-Raum-Appartements und damit nicht zumutbar.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 6.7.2010 und unter Abänderung des Bescheides vom 09.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2010 zu verpflichten, ihr für den Zeitraum vom 1.2.2010 bis einschließlich 31.7.2010 Grundsicherungsleistungen in gesetzlicher Höhe, insbesondere die Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält an ihrer im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Rechtsansicht fest. Die von ihr zu Grunde gelegte Angemessenheitsgrenze sei höchstrichterlich bestätigt. Über die Nebenkosten aus der Rechnung von Januar 2010 sei noch nicht entschieden.

Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 2.3.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin unter Aufhebung der vorausgegangenen Bewilligung für Februar 2010 insgesamt EUR 661,09 an Grundsicherungsleistungen und für März bis einschließlich Juli 2010 EUR 646,69 jeweils unter Berücksichtigung der aus ihrer Sicht angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung von EUR 351,69 und unter Anrechnung von Erwerbseinkommen in Höhe von EUR 162,00 bzw. EUR 180,00 monatlich.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin unter dem 30.3.2010 Widerspruch ein.

Mit Änderungsbescheid vom 2.6.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin für März bis einschließlich Juli 2010 EUR 661,09, erneut unter Berücksichtigung der aus ihrer Sicht angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung von EUR 351,69, sowie eines Einkommens in Höhe von EUR 162,00 monatlich. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin unter dem 10.6.2010 Widerspruch.

Mit auf den 6.7.2010 datierenden Bescheiden hob die Beklagte die Bescheide vom 2.3.2010 und 6.7.2010 auf. In den Bescheiden heißt es wörtlich "Ihrem Widerspruch wird damit auf dem Verwaltungswege in vollem Umfang entsprochen."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist zulässig.

Das an diesem Verfahren beteiligte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei den Jobcentern (§ 6d SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 03.08.2010, BGBl. I S. 1112) handelt es sich um gemeinsame Einrichtungen (§ 44b Abs. 1 S. 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 03.08.2010, BGBl I. S. 1112), die mit Wirkung vom 1. 1.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaften sui generis entstanden sind (Luik, jurisPR-SozR 24/210 Anm. 1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II). Gemäß § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Wegen dieser Weiterentwicklung der Organisation des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ist somit kraft Gesetzes ein Beteiligtenwechsel sowohl auf Kläger- als auch Beklagtenseite eingetreten, so dass das Passivrubrum von Amts wegen entsprechend zu berichtigen war (vgl. BSG, Urteil v. 18.1.2011, B 4 AS 90/10 R, Rn. 11 zitiert nach juris; vgl. LSG NRW, Urteil v. 13.7.2011, L 12 AS 2155/10, unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).

II. Die Klage ist auch teilweise begründet.

1. Die Abhilfebescheide vom 6.7.2010 waren aufzuheben. Sie sind rechtswidrig und beschweren die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 S. 1 SGG in ihren Rechten. Der Bescheid vom 9.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.1.2010 in der Fassung der Bescheide vom 2.3.2010 und 2.6.2010 war abzuändern, denn er ist zum Teil rechtswidrig und beschwert die Klägerin ebenfalls im Sinne des § 54 SGG in ihren Rechten, soweit die Beklagte in der Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 lediglich angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 351,69 monatlich berücksichtigt hat.

Die Änderungsbescheide vom 2.3.2010 und 2.6.2010 sind gemäß § 96 SGG Streitgegenstand des Klageverfahrens geworden. Nach dieser Vorschrift wird ein Verwaltungsakt, der nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert, ebenfalls Gegenstand des Klageverfahrens. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Änderungsbescheide sind jeweils nach Erlass des angegriffenen Bescheides vom 9.12.2009 und nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 29.1.2010 ergangen und haben diesen insoweit geändert, als sie Leistungen für die Zeit von Februar bis Juli 2010 unter Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin neu festgesetzt haben.

Dasselbe gilt für die Aufhebungsbescheide vom 6.7.2010. Auch diese sind gem. § 96 SGG Verfahrensgegenstand geworden, da sie die Bescheide vom 2.3.2010 und 2.6.2010 nach Erlass des Widerspruchsbescheides, den sie ihrerseits geändert hatten, aufgehoben und so ebenfalls die streitgegenständliche Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 geregelt haben. § 96 SGG erfüllt insoweit seinen Zweck, dass die Beklagte die Änderungsbescheide nicht durch Aufhebung der Überprüfung im Klageverfahren entziehen kann.

Die Aufhebungsbescheide waren wegen Unbestimmtheit aufzuheben, weil sich nicht erkennen lassen, zu welchem Leistungsanspruch die Aufhebung der Änderungsbescheide führt. Sie sind bereits deswegen rechtswidrig, weil sie sich als volle Abhilfebescheide darstellen, die Beschwer der Klägerin jedoch noch in der Welt ist (vgl. Leitherer in: Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 96 Rn. 4b, wonach nur echte Abhilfebescheide nicht unter § 96 SGG fallen). Das in § 33 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geregelte Bestimmtheitserfordernis als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt zum einen, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, den Regelungsgehalt zu begreifen, zum anderen muss der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden (vgl. zuletzt BSG, Urteil v. 7.7.2011 – B 14 AS 153/10 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Diesen Anforderungen genügen die Änderungsbescheide vom 6.7.2010 nicht. Die (rechtswirksame) Aufhebung der Änderungsbescheide hätte zu einem Wiederaufleben des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 9.12.2009 geführt. Dieser berücksichtigt jedoch auf der einen Seite nicht das der Klägerin unstreitig zugeflossene Einkommen und auf der anderen Seite vor allem nur die aus Sicht der Beklagten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, wogegen sich die Klägerin gerade mit ihrem ersten Widerspruch und der Klage wendet, so dass gerade keine Abhilfe vorliegt, sondern eine widersprüchliche Regelung.

Vor diesem Hintergrund blieb der Bescheid vom 9.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.1.2010 in der Fassung der Bescheide vom 2.3.2010 und 2.6.2010 in Kraft. Da die Änderungsbescheide die der Klägerin mit dem ursprünglichen Bescheid vom 9.12.2009 gewährten Leistungen durch die nachträgliche Anrechnung von Einkommen unterschritten haben, handelt es sich im eigentlichen Sinne um Aufhebungsbescheide, die den Anforderungen der §§ 45 ff. SGB X zu genügen haben. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin jedoch später unstreitig Einkommen erzielt hat, was bei der ursprünglichen Bewilligung noch nicht bekannt war, handelt es sich um einen Fall der nachträglichen Erzielung von Einkommen, der die Behörde nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X grundsätzlich zur Aufhebung von Leistungen ab dem Änderungszeitpunkt berechtigt. Die Anrechnung von Einkommen ist auch als Grund für die Teilaufhebung benannt. Da es nur einen endgültigen Bewilligungsbescheid für den streitgegenständlichen Zeitraum gibt, der damit teilaufgehoben wurde, wurde auch hinreichend deutlich, welche Bewilligung von der Teilaufhebung betroffen war (vgl. BSG, Urteil v. 18.2.2010 – B 14 AS 76/08 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Die Änderungsbescheide waren allerdings insoweit rechtswidrig und daher abzuändern, wie die Beklagte in der Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 lediglich angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 351,69 monatlich berücksichtigt hat. Die Klägerin hatte nach Auffassung der Kammer in der streitgegenständlichen Zeit Anspruch auf Berücksichtigung angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt EUR 375,69 monatlich.

Dies folgt aus §§ 19, 22 Abs. 1 i.V.m. §§ 7 bis 9 SGB II in der für die Entscheidung gültigen Fassung.

a) Die Klägerin ist zunächst leistungsberechtigt im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Personen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4).

Diese Voraussetzungen sind für den streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt.

Die 43jährige Klägerin mit gewöhnlichem Aufenthalt in E. konnte ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhalten (vgl. § 9 Abs. 1 SGB II). Es lagen auch keine Anhaltspunkte vor, nach der die Klägerin erwerbsunfähig war.

b) Die Klägerin hat als Folge in der Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 unstreitig einen Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von monatlich EUR 359,00 gem. §§ 19, 20 SGB II.

c) Darüber hinaus hat die Klägerin auch einen Anspruch auf Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 375,69 monatlich, bestehend aus EUR 241,50 Grundmiete, EUR 64,10 an tatsächlichen Heizkosten und EUR 70,00 an tatsächlichen Betriebskosten.

aa) Dabei ist die Übernahmefähigkeit der tatsächlichen Heizkosten und der tatsächlichen Betriebskosten unstreitig. Die Kammer hat auch keine Anhaltspunkte, wonach die Nebenkosten der Klägerin unangemessen sein könnten.

Die Kammer geht zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht davon aus, dass Betriebskosten und Kaltmiete nur als Gesamtmiete im Sinne einer Bruttokaltmiete übernahmefähig sind (so möglicherweise zu verstehen der 14. Senat des BSG in seinen Urteilen vom 19.10.2010 – B 50/10 R, B 2/10 R, B 65/09 R und B 15/09 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de, allerdings sieht der Berliner Mietspiegel anders als die Mietspiegel der meisten Städte in NRW auch bereits eine Bruttokaltmiete vor; bei diesem Konzept ist zudem ungeklärt, wie sich eine nachträgliche Abrechnung der Betriebskosten auswirkt). Vielmehr ist das Konzept der jeweiligen Stadt zu untersuchen, so dass Kaltmiete und Betriebskosten weiterhin isoliert berücksichtigungsfähig sein sollten. Allerdings ist im Rahmen der Berechnungsmethode des angemessenen Quadratmeterpreises sicherzustellen, dass der Vergleich konsistent bleibt. Wird die Nettokaltmiete als Berechnungsgrundlage gewählt, sind die kalten Nebenkosten (Betriebskosten) von der Bruttokaltmiete abzuziehen. Ist die Bruttokaltmiete Vergleichsbasis, müssen auch Daten zu den vom Mieter gesondert zu zahlenden Betriebskosten erhoben werden (so bisher der 4. Senat des BSG in ständiger Rechtsprechung, vgl. nur Urteil v. 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).

bb) Die monatlich in Höhe von EUR 35,79 anfallende Garagenmiete fällt nicht unter die von der Beklagten zu übernehmenden Kosten und wurde daher von ihr zu Recht nicht berücksichtigt. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BSG sind nur die Aufwendungen, die mit der Unterkunft rechtlich und tatsächlich verknüpft sind, auch als Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II zu erbringen (vgl. grundlegend zur Garage als zusätzlichem Ausstattungsmerkmal BSG, Urteil vom 7.11.2008 - B 7b AS 10/06 R; seither BSG, Urteil v. 19.2.2009 – B 4 AS 48/08 R; Urteil v. 7.5.2009 – B 14 AS 14/08 R, jeweils unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Nach eingeholter schriftlicher Auskunft der Vermieter bzw. ihres Sohnes, der die Vertragsverhandlungen durchgeführt hat, wäre die von der Klägerin bewohnte Wohnung auch ohne die Garage anzumieten gewesen (vgl. Schreiben v. 15.5.2011, Bl. 104 der Gerichtsakte und Schreiben v. 27.6.2011, Bl. 114 der Gerichtsakte).

cc) Auch die Nebenkostenabrechnung für 2009 war in der hier streitgegenständlichen Zeit nicht zu berücksichtigen. Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BSG erhöhen Nebenkostenendabrechnungen den Bedarf des Fälligkeitsmonats (vgl. zuletzt BSG, Urteil v. 22.3.2010 – B 4 AS 62/09 R m.w.N. unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Die an die Klägerin persönlich adressierte Heizkostenabrechnung für 2009 datiert auf den 25.1.2010. Die Rechnung ist – in Ermangelung entgegenstehender Hinweise – nach allgemeinen Grundsätzen im Zweifel sofort fällig und erhöht damit den Bedarf der Klägerin im vorliegend nicht streitgegenständlichen Januar 2010. Unabhängig davon haben sich die Beteiligten im Verhandlungstermin geeinigt, dass die Nebenkosten aus 2009 nicht Streitgegenstand des hiesigen Verfahrens sein sollen. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

dd) Die Klägerin hat insbesondere einen Anspruch auf Berücksichtigung einer Kaltmiete in Höhe von EUR 241,50.

Gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (Urteile v. 7.11.2006, B 7b AS 18/06 R; 18.6.2008, B14/7b AS 44/06 R; 15.4.2008, B 14/7b AS 34/06 R; 18.6.2008, B 14/11b AS 61/06 R; 2.7.2009, B 14 AS 32/07 R; 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R; 17.12.2009, B 4 AS 50/09 R, je unter www.sozialgerichtsbarkeit.de) erfolgt die Prüfung der Angemessenheit von Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II in mehreren Schritten:

Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße typisierend zu bestimmen (hierzu unter (1)).

Sodann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen, wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil v. 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R, Rn. 21 m.w.N. zitiert nach juris) hierzu unter (2)).

Schließlich ist im Rahmen einer konkreten Angemessenheitsprüfung festzustellen, ob eine bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war (hierzu unter (3)).

Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt dabei als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG a.a.O.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der angemessene Bedarf der Klägerin bezüglich der Kaltmiete bei EUR 241,50 liegt.

Dies ergibt sich aus dem Produkt der für einen 1-Personen-Haushalt in der streitgegenständlichen Zeit angemessenen Quadratmeterzahl von 50 qm und dem nach Auffassung der Kammer in Essen maximal angemessenen Quadratmeterpreis von EUR 4,83.

Im Einzelnen:

(1) Die Wohnung der Klägerin überschreitet mit 55 qm Wohnfläche das angemessene Maß. Bei der Ermittlung der angemessenen Referenzmiete war jedoch entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten von einer angemessenen Wohnungsfläche von 50 qm für einen 1-Personen-Haushalt auszugehen.

Dies folgt aus der Anwendung der im streitigen Bewilligungszeitraum gültigen Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zur Belegung von gefördertem Wohnraum (so jetzt ausdrücklich: LSG NRW, Urteil v. 16.5.2011, L 19 AS 2202/10 unter www.sozialgerichtsbarkeit.de; vgl. auch Berlit, info-also 2010, 195 (197); a.A. LSG NRW, Urteil v. 29.4.2010, L 9 AS 58/08 unter www.sozialgerichtsbarkeit.de in einem obiter dictum, wonach auch in der Zeit nach dem 1.1.2010 die außer Kraft getretenen Verwaltungsvorschriften zum WoBindG zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche für SGB II-Bezieher weiter heranzuziehen seien, weil der Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Einführung des SGB II keine sich am Wohnbauförderungsrecht orientierende Dynamisierung beabsichtigt habe.).

Der Gesetzgeber hat es sowohl bei der Einführung des SGB II als auch später - trotz mehrfachen Forderungen seitens der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit - unterlassen, die angemessene Wohnfläche für Bezieher von SGB II-Leistungen konkret festzulegen und damit die Ausfüllung des Begriffs "angemessene Kosten der Unterkunft" der Rechtsprechung überlassen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in Ermangelung anderweitiger Erkenntnisquellen jedoch grundsätzlich an die anerkannten Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau und deshalb an die für die Belegung von gefördertem Wohnraum maßgebenden Vorschriften anzuknüpfen (vgl. zuletzt Urteil v. 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R = Rn. 22 m.w.N. zitiert nach juris.). Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtet sich demnach nach den Werten, welche die Bundesländer aufgrund § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) vom 13.09.2001 bzw. aufgrund des § 5 Abs. 2 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (BSG, Urteil v. 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R, Rn 15 m.w.N. zitiert nach juris) erlassen haben, wobei auf die im jeweiligen streitgegenständlichen Zeitraum gültigen Verwaltungsvorschriften abzustellen ist (vgl. BSG, Urteile v. 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R, Rn. 15 und v. 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R, Rn. 15 zitiert nach juris). Die danach maßgeblichen landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen zu § 10 WoFG, die zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II im Land Nordrhein-Westfalen heranzuziehen sind (vgl. hierzu BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R = juris Rn 16), nämlich Nr. 5.7 der VV-WoBindG, sind nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz für den sozialen Wohnungsbau vom Bund auf die Bundesländer - wie auch das WoFG - mit Wirkung zum 31.12.2009 außer Kraft getreten. Nach Nr. 19 Satz 2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB, vgl. MBl. NRW 2010, 1), die zum Vollzug der Teile 4 bis 6 des am 1.1.2010 in Kraft getretenen WFNG NRW vom 8.12.2009 (GV NRW 2009, 772) erlassen worden sind, ist vorgesehen, dass die VV-WoBindG mit Ausnahme der Nrn. 8 bis 8 b.3 und 22 und der Anlage mit Ablauf des 31.12.2009 außer Kraft treten. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum (vgl. § 18 WFNG NRW, der Nachfolgevorschrift zu § 27 WoFG ist (vgl. LT-Drs. 14/9394 S. 96)) sind ab dem 1.1.2010 die in Nr. 8.2 der WNB, welche die Regelung der Nr. 5.7 VV-WoBindG ersetzt, angesetzten Werte der Wohnflächen maßgeblich.

Nr. 8.2 der WNB weist im Vergleich zu den Werten nach Nr. 5.7 VV-WoBindG höhere Werte aus. Als angemessene Wohnfläche für einen 1-Personen-Haushalt sieht Nr. 8.2 der WNB anstelle von bisher 45 qm eine Wohnfläche von 50 qm vor.

Die Kammer geht jedoch davon aus, dass das BSG bei seiner Rechtsprechung, wonach die angemessene Wohnfläche nach den Werten des § 10 WoFG zu bestimmten ist, bereits berücksichtigt hat, dass nicht feststeht, ob der mit der Angemessenheitsprüfung verfolgte Zweck im Rahmen des § 22 SGB II mit den Zwecken des WoFG nebst Ausführungsbestimmungen der Länder weitgehend übereinstimmt. Gleichwohl hat es die höchstrichterliche Rechtsprechung aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität für vertretbar erachtet, auf die nach Maßgabe des § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Werte zurückzugreifen (Urteil v. 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R, Rn. 14 m.w.N. zitiert nach juris) und dabei jeweils die im streitigen Zeitraum aktuellen Verwaltungsvorschriften für anwendbar gehalten. Mithin ist das BSG schon von einer Veränderlichkeit der Werte als Folge von Änderungen der maßgeblichen Verwaltungsvorschriften, also auch von einer möglichen Dynamisierung, ausgegangen. Schließlich ist durch die Anhebung des Wertes von 45 qm auf 50 qm usw. im Land Nordrhein-Westfalen lediglich eine Anpassung an die in anderen Bundesländern übliche Praxis erfolgt.

Anhaltspunkte, wonach der Klägerin ein über 50 qm hinausgehender räumlicher Mehrbedarf zustehen könnte wie er nach der Ausnahmeregelung zu Nr. 8.2 der WNB z.B. bei rollstuhlfahrenden Schwerbehinderten oder Alleinerziehenden mit einem oder mehreren Kindern ab vollendetem 6. Lebensjahr anerkannt ist, liegen demgegenüber nicht vor.

(2) Die Wohnung der Klägerin ist auch im Hinblick auf die Grundmiete in Höhe von EUR 295,02 unangemessen. Sie entspricht nicht dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Allerdings ist die von der Beklagten mit EUR 217,50 angesetzte Kaltmiete zu niedrig angesetzt.

Bei einer angemessenen Wohnfläche von 50 qm für einen 1-Personen-Haushalt darf die angemessene Kaltmiete unter Zugrundelegung des von der Beklagten für angemessen befundenen Quadratmeterpreises von EUR 4,83, den die erkennende Kammer insoweit bestätigt, maximal EUR 241,50 betragen.

Dies ergibt sich aus der Auswertung des für den Wohnort der Klägerin geltenden Mietspiegels.

Nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) sind die angemessenen Quadratmeterkosten nach der Miete am Wohnort zu berechnen. Insoweit ist es ausreichend - sofern wie hier vorhanden - auf einen qualifizierten Mietspiegel abzustellen (vgl. BSG, Urteil v. 18.6.2008 – B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 15 ff. unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Ein Mietspiegel ist nach § 558d des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) qualifiziert, wenn er, wie der Essener Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist und darüber hinaus im Abstand von zwei Jahren an die Marktentwicklung angepasst und nach vier Jahren neu erstellt wird. Ein solcher Mietspiegel ist ein hinreichend repräsentativer Vergleichsmaßstab am Wohnort. Abweichungen vom Mietspiegel zu Lasten der Leistungsempfänger müssen im Einzelnen dargelegt und nachgewiesen werden.

Dabei geht die Kammer davon aus, dass das gesamte Gebiet der Stadt Essen in den kommunalverfassungsrechtlichen Grenzen als räumlicher Vergleichsmaßstab zur Ermittlung des abstrakt angemessenen Quadratmeterpreises heranzuziehen ist (vgl. LSG NRW, Urteil v. 16.2.2009, L 19 AS 62/08, unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Unter Zugrundelegung des Stadtgebietes von E. ist bei einem 1-Personen-Haushalt die Festlegung eines Quadratmeterpreises von EUR 4,83 angemessen im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II.

Die Kammer folgt insoweit dem Berechnungsmodell des 19. Senates des LSG NRW (Urteil v. 16.2.2009, a.a.O.), das durch das BSG bezogen auf einen 2-Personen-Haushalt bereits bestätigt wurde (vgl. Urteil v. 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Nach dem E. Mietspiegel 2009 (Stand: 1.12.2009) setzt sich der Mietwert aus dem Mietrichtwert, dem Einfluss der Wohnlage und dem Einfluss sonstiger Ausstattungsmerkmale und Gegebenheiten zusammen. Der Mietwert (Grundmietzins pro qm) errechnet sich aus dem Produkt dieser Faktoren (Mietrichtwert x Wohnlage x Ausstattung), wobei für die Wohnlage und die Ausstattungsmerkmale Punktwerte vergeben werden. Baujahr Mietrichtwert in EUR/m² von - bis 1912-1930-1948 5,25 - 5,40 – 5,60 1948 – 1961 - 1974 5,60 – 5,70 – 5,75 1974 – 1984 - 1994 5,75 – 6,15 – 6,50 1994 – 1999 – 2004 und jünger 6,50 – 6,65 – 6,80

Hinsichtlich des Mietrichtwertes finden sich abhängig vom Baujahr des Gebäudes Beträge zwischen EUR 5,25 EUR pro qm für bis 1912 erbaute Gebäude und EUR 6,80 EUR pro qm für ab 2004 erbaute Gebäude. Im Einzelnen:

Der sich aus der Wohnlage ergebende Faktor liegt zwischen 91 und 117 und wird zur Ermittlung des Mietwerts durch 100 dividiert. Im Einzelnen:

einfach 91 – 93 -94 einfach bis mittel 94 - 95 -97 mittel 97- 100 -103 mittel bis gut 103 - 105 -107 gut 107 – 110 -113 sehr gut 113 – 115 -117

Bezüglich der Ausstattung sind Heizung, Fassade, Treppenhaus, Fenster, Elektroanschlüsse, Warmwasserversorgung, sanitäre Einrichtungen, Wandfliesen und Fußboden zu bewerten. Wird jeweils der unterste Ausstattungswert addiert, ergibt sich eine Punktsumme von 83, die maximal zu erreichende Punktsumme liegt bei 120 bei überwiegend gehobener Ausstattung.

Für sonstige Einflüsse (Wohnungsgröße, Geschosslage, Aufzug, Anzahl der Wohneinheiten, Balkon/Loggia/Terrasse, Gartennutzung), ohne die Berücksichtigung von im Mietspiegel nicht spezifizierten Besonderheiten, die mit Werten von -5 bis +5 anzusetzen sind, sind weitere Werte zwischen –14 und +14 zu addieren.

Insgesamt ergibt sich ohne unspezifische Besonderheiten somit eine Punktsumme zwischen 69 (geringste Punktsumme 83 -14) und 134 (höchste Punktsumme 120 + 14) die durch 100 zu dividieren ist, was einem Faktor zwischen 0,69 und 1,34 entspricht.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Empfängern von Transferleistungen nur ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad einer Wohnung zusteht (BSG, Urteil v. 7.11.2006, a.a.O.), hält die Kammer Neubauwohnungen bis zu einem Alter von ca. 20 Jahren für nicht angemessen, so dass auf ältere Baualtersgruppen eines Mietspiegels, hier auf die Gebäude mit einem Baujahr bis 1984, abzustellen ist.

Unter Anwendung des Mietspiegels aus 2009 ergibt sich vor diesem Hintergrund bei Addition der Mietrichtwerte der bis 1984 fertig gestellten Gebäude (Bezugsfertigkeit vor 1912 bis 1984) ein durchschnittlicher Wert von EUR 5,64 (EUR 5,25 + EUR 5,40 + EUR 5,60 + EUR 5,70 + EUR 5,75 + EUR 6,15 = EUR 33,85: 6 Vergleichsgruppen = EUR 5,64). Soweit der 14. Senat des BSG zuletzt hinsichtlich der Baualtersklassen auf einen "gemischten arithmetischen Durchschnittswert" nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen dieser Größe und dieses Ausstattungsstandards in den jeweiligen Baualtersklassen abgestellt hat (Urteil v. 13.4.2011 – B 14 AS 32/09 R; v. 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), ergibt sich daraus nichts anderes. Nach den Ermittlungen des LSG NRW sind in nahezu allen Stadtteilen von E. alle qualitativ unterschiedlichen Wohnlagen in repräsentativer Anzahl vorhanden (vgl. Urteil v. 16.2.2009, a.a.O.). Entsprechend hat der 4. Senat des BSG eine Durchschnittsbildung über die Richtwerte des für die Stadt E. bis 1984 fertiggestellten Wohnraums ausdrücklich gebilligt (vgl. BSG, Urteil v. 17.12.2009, a.a.O. Rn. 18).

Hinsichtlich des Einfluss der Wohnlage hält die Kammer unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (a.a.O.) den unteren Wert für einfache bis mittlere Wohnlagen (0,94) für ausreichend.

In Bezug auf die Ausstattungsmerkmale geht die Kammer davon aus, dass sich die Ausstattung nicht zwingend nur im untersten, sondern im unteren Bereich zu bewegen hat (vgl. LSG NRW, Urteil v. 16.2.2009, a.a.O.; Lang/Link in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rn. 45a). In Einklang mit den vorgenannten Kriterien stünde die Annahme folgender exemplarischer Punktwerte für die jeweiligen Ausstattungsmerkmale: 25 (Heizung), 10 (Fassade), 7 (Treppenhaus), 12 (Fenster), 5 (Elektroanschlüsse), 7 (Wasserversorgung), 11 (Sanitäreinrichtung), 7 (Wandfliesen) und 7 (Fußbodenbeläge). Hieraus ergibt sich eine Summe von 91 Punkten.

Was die sonstigen Einflüsse betrifft, ist im Hinblick auf die Wohnungsgröße von 50 qm wiederum ein Punktwert von 0 zu berücksichtigen. Da es den Betroffenen durchaus zugemutet werden kann in Wohnungen zu wohnen, die im Erdgeschoss oder im 4. Obergeschoss liegen, ist ein Punktwert von – 1 abzuziehen. Ebenso ist es zumutbar, in Gebäuden mit mehr als 12 Wohneinheiten zu wohnen, so dass ein weiterer Punktwert von – 2 zu berücksichtigen ist. Da zu einem Wohnen in einer Wohnung im unteren aber nicht untersten Bereich aus Sicht der Kammer nicht standardmäßig das Vorhandensein eines Balkons, einer Loggia oder einer Terrasse gehört, ist es insoweit vertretbar, einen Punktwert von -4 zu berücksichtigen.

Für den Bereich Ausstattung und sonstige Einflüsse folgt daraus: 91 Punkte (Ausstattung) - 7 Punkte (sonstige Einflüsse) = 84 Punkte: 100 = 0,84.

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich damit ein Quadratmeterpreis von EUR 4,45 (5,64 x 0,94 x 0,84), der nach Auffassung der erkennenden Kammer den untersten Wert bildet, der unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch als angemessen angesehen werden kann. Die Wohnung der Klägerin übersteigt mit Kosten von EUR 5,90 pro Quadratmeter (Kaltmiete von EUR 295,02: 50 qm) diesen Wert deutlich. Sie liegt sogar oberhalb der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für einen 2-Personen-Haushalt in E. für angemessenen befundenen Referenzmiete von EUR 282,75, die sich allerdings auf 45 qm bezog (vgl. BSG, Urteil v. 17.12.2009, a.a.O.).

Die Angemessenheitsgrenze der Beklagten von EUR 4,83 bezogen auf 45 qm (= Kaltmiete EUR 217,50) liegt über dem von der Kammer berechneten Wert von EUR 4,45. Allerdings hält die Kammer einer Herabsenkung des von der Beklagten gewählten Wertes nicht für angezeigt. Wenn die Beklagte es verabsäumt, ein schlüssiges Konzept für den angemessenen Quadratmeterpreis bezogen auf eine abstrakt angemessene Wohnungsgröße von 50 qm vorzulegen, weil sie weiterhin von den gesetzlich überholten Wohnungsgrößen ausgeht, muss sie sich hinsichtlich des Quadratmeterpreises an ihrer bisherigen Verwaltungspraxis festhalten lassen.

(3) Die Kammer geht auch davon aus, dass eine entsprechend den vorgenannten Ausführungen abstrakt angemessene Wohnung für die Klägerin konkret verfügbar und zugänglich war.

Innerhalb des örtlichen Umzugsmarktes, des gesamten Stadtgebietes der Stadt E. (siehe dazu BSG, Urteil v. 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R, sowie Urteil v. 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), steht und stand zum streitgegenständlichen Zeitraum nach der Kenntnis des Gerichts aus anderen Verfahren und der ständigen Recherche auf www.immobilienscout24.de ausreichend Wohnraum zu einer Kaltmiete von 241,50 EUR zur Verfügung. Insbesondere die großen Wohnungsbaugesellschaften haben sich auf diese Schwelle eingestellt und ihr Angebot danach ausgerichtet.

Die Klägerin hat auch nicht nachweisen können, dass für sie trotz entsprechender Bemühungen kein konkret angemessener Wohnraum vorhanden war, so dass Anlass für weitere Ermittlungen bestanden hätte. Ein Hilfesuchender, der die Übernahme einer unangemessen hohen Miete für eine bereits bezogene Wohnung begehrt, ist verpflichtet, substantiiert darzulegen und nachzuweisen, dass eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Unterkunft auf dem örtlichen Wohnungsmarkt trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen nicht vorhanden war/ist (so bereits BVerwG, Urteil vom 11.9.2000 – 5 C 9/00, NJW 2001, 386; vgl. auch Fuchsloch, in: Sgb 9/07, 550, 551). Die Klägerin hat dies zwar vorgetragen, konnte allerdings keine entsprechenden Nachweise vorlegen. Soweit sie geltend macht, es handele sich bei den verfügbaren günstigen Wohnungen vielfach um 1-Raum-Wohnungen, folgt daraus nichts anderes. Für einen 1-Personen-Haushalt im Bereich der Grundsicherung wird vielmehr auch eine 1-Raum-Wohnung für zumutbar erachtet.

ee) Die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin überschreiten den Wert für angemessenen Wohnraum in Höhe von EUR 53,52 (EUR 295,02 – EUR 241,50); es handelt sich mithin um unangemessene Kosten, die von dem Grundsicherungsträger nach Ablauf von sechs Monaten gemäß § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II grundsätzlich nicht mehr übernommen werden müssen.

Voraussetzung für die auf das Niveau der Referenzmiete abgesenkte Leistungsgewährung ist eine Kostensenkungsaufforderung durch den Leistungsträger. Die Senkungsaufforderung der Beklagten vom 13.7.2009 genügt den Anforderungen der Rechtsprechung. § 22 Abs. 1 S 3 SGB normiert keine umfassenden Beratungs- und Aufklärungspflichten der Beklagten über die Obliegenheiten des Leistungsempfängers bei der Suche nach einer anderen, angemessenen Unterkunft. Die Vorschrift stellt auch keine sonstigen erhöhten inhaltlichen oder formellen Anforderungen an diese Erklärung. Die Aufklärungs- und Warnfunktion erfordert allerdings, dass zumindest die Angabe des angemessenen Mietpreises erfolgt (BSG, Urteil v. 17.12.2009, B 4 AS 19/09 R m.w.N. unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Dies ist hier erfolgt. Der Grundsicherungsträger ist nicht verpflichtet, über die Angabe des von ihm als angemessen anzusehenden Mietpreises hinaus den Leistungsempfänger "an die Hand zu nehmen" und ihm im Einzelnen aufzuzeigen, auf welche Weise er die Kosten der Unterkunft senken bzw. welche Wohnung er anmieten kann (BSG, Urteil v. 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).

d) Dem somit festgestellten Gesamtbedarf von EUR 734,69 (EUR 359,00 Regelleistung zzgl. EUR 375,69 an Kosten für Unterkunft und Heizung) stand nach den eingereichten Verdienstquittungen und Kontoauszügen in den Monaten Februar bis Juni 2010 anrechenbares Einkommen in Höhe von EUR 49,60 (EUR 162,00 minus EUR 112,40 Freibetrag iSv § 11 SGB II) und im Juli 2010 in Höhe von EUR 6,40 gegenüber (EUR 108,00 minus EUR 101,60 Freibetrag iSv § 11 SGB II).

Damit errechnet sich für die Klägerin in der Zeit vom 1.2.2010 bis 30.6.2010 ein (endgültiger) Anspruch in Höhe von 685,09 monatlich und für die Zeit vom 1.7.2010 bis 31.7.2010 in Höhe von EUR 728,29.

Diese Beträge hat die Beklagte mit den nicht wirksam aufgehobenen Änderungsbescheiden vom 2.3.2010 und 2.6.2010 jeweils unterschritten, allerdings aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 9.12.2009 bereits faktisch gewährt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

3. Die Entscheidung ist berufungsfähig.

Zwar ist die Berufungssumme von EUR 750,00 i.S.v. § 144 Abs. 1 SGG nicht erreicht, da der Beschwerdewert bei EUR 679,86 liegt (Differenz zwischen tatsächlichen und übernommenen Kosten für Unterkunft und Heizung: EUR 429,21 – EUR 351,69 = EUR 77,52 x 6 Monate = EUR 465,12, zzgl. den Garagenkosten von EUR 35,79 ebenfalls bezogen auf einen 6-Monats-Zeitraum = EUR 214,74).

Die Berufung war jedoch zuzulassen. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung unter anderem dann zuzulassen, wenn die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtsfrage zu, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechtes berührt ist oder wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtssicherheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Dies setzt zumindest voraus, dass es sich bei der aufgeworfenen Rechtsfrage um eine klärungsbedürftige Zweifelsfrage handelt, bezüglich derer Rechtsunsicherheit besteht, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung keine ausreichenden Grundsätze zur Auslegung des Gesetzes bereit hält (vgl. Meyer-Ladewig in: Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, 8. Aufl. 2005, § 144 SGG Rn. 28 und § 160 SGG Rn. 7).

Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung der Kammer erfüllt. Der Frage, nach welcher Methode - und ab dem 1.1.2010 auch nach welchen ergänzenden landesrechtlichen Vorschriften - die Angemessenheit im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II (insbesondere auch für einen 1-Personen-Haushalt in Essen) zu bestimmen ist, kommt grundsätzliche Bedeutung zu.
Rechtskraft
Aus
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