Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 70/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 322/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Abgrenzung von unfallbedingten Schäden vor allem der Halswirbelsäule nach einem Auffahrunfall von schicksalshaften und degenerativen Funktionsstörungen auf orthopädischem und HNO-ärztlichem Fachgebiet.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26.05.2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Verletztenrente im Wege einer Zugunstenentscheidung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) über den 02.01.2004 hinaus.
Der 1942 geborene Kläger hat als Inhaber der Firma C. Weberei in A-Stadt am 02.01.2002 einen versicherten Wegeunfall erlitten. Ihm ist auf der Autobahn nach K. ein anderes Fahrzeug mit erheblicher Wucht auf seinen stehenden PKW aufgefahren. Der Kläger ist angeschnallt gewesen.
Nach Erstversorgung durch Prof. Dr. H. ist der Kläger stationär im Klinikum B-Stadt vom 02.01.2002 bis 09.01.2002 behandelt worden. Dort hat Prof. Dr. R. folgende Diagnosen gestellt: Halswirbelsäulen (HWS)-Distorsion, Lendenwirbelsäulen (LWS)-Prellung, intracerebrales Aneurysma der Arteria cerebri medial rechts (ohne nachweisbare frische Blutung) und Zustand nach Infarkt im Bereich der Capsula interna rechts. Weiter hat Prof. Dr. R. mit Durchgangsarztbericht vom 12.02.2002 folgenden Befund erhoben: Wacher, voll orientierter Patient. Druck- und Bewegungsschmerz im Bereich der linken Schulter. Diskrete Sensibilitätsstörung im Bereich der linken Fingerkuppen. Druck- und Bewegungsschmerz über der Halswirbelsäule. Druckschmerz im gesamten Thorax ohne Instabilität. Röntgenologisch hat sich kein Nachweis einer frischen Knochenverletzung ergeben. Unfallbedingt ist eine HWS-Distorsion und LWS-Prellung diagnostiziert worden.
Die Beklagte hat im Folgenden Unterlagen des Klinikums B-Stadt beigezogen und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. K. vom 12.08.2002, ein orthopädisches Gutachten von Dr. K. vom 16.08.2008 und ein HNO-ärztliches Gutachten von Prof. Dr. S. vom 05.02.2003 eingeholt. Danach hat wegen der unfallbedingten HWS-Distorsion eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 15.06.2002 bestanden. Vom 16.06.2002 bis 02.01.2003 ist eine MdE von 20 v.H. befürwortet worden, dann voraussichtlich für den Verlauf eines weiteren Jahres bis zum 02.01.2004 eine MdE von 10 v.H. Gestützt auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. H. vom 10.06.2003 (auch danach hat unfallbedingt eine HWS-Distorsion II. Grades vorgelegen) hat es die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.09.2003 abgelehnt, dem Kläger über den 15.06.2002 hinaus Verletztengeld zu gewähren.
In dem sich anschließenden Klageverfahren (S 9 U 716/03) hat das Sozialgericht München (SG) das HNO-ärztliche Gutachten des Dr. K. vom 22.01.2005 und das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. P. vom 27.06.2005 eingeholt. Danach habe der Kläger unfallbedingt eine HWS-Distorsion ohne strukturelle Schäden sowie eine Prellung im Bereich der LWS sowie eine Commotio cerebri (Gehirnerschütterung) erlitten. Schäden auf HNO-ärztlichem Fachgebiet oder bleibende Schäden auf neurologisch-psychiatri-schem Fachgebiet würden nicht vorliegen. Jedoch sei eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit für einen Zeitraum von sechs Monaten im Hinblick auf den verzögerten Heilungsverlauf anzunehmen. Dementsprechend ist in der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2006 ein Vergleich dahingehend geschlossen worden, Verletztengeld bis einschließlich 01.07.2002 zu zahlen. Ob darüber hinaus Stützrente zu gewähren sei, werde die Beklagte erneut prüfen und entscheiden. (Bei dem Kläger ist eine Berufskrankheit nach der Ziffer 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung - BKV - anerkannt.).
In Ausführungen dieses Vergleichs hat die Beklagte mit Bescheid vom 26.06.2006 in Ge-stalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2006 ein HWS-Distorsionstrauma II. Grades als Unfallfolge förmlich anerkannt und vom 02.07.2002 bis 02.01.2003 Rente nach einer MdE von 20 v.H. und vom 03.01.2003 bis 02.01.2004 Rente nach einer MdE von 10 v.H. geleistet. Darüber hinaus bestehe kein Anspruch auf Rente.
In dem sich wiederum anschließenden Klageverfahren (S 24 U 680/06) hat das SG das chirurgische Gutachten des Dr. Dr. K. vom 24.10.2007 eingeholt. Die rückläufigen HWS-Distorsionsbeschwerden (bei vorgeschädigter Wirbelsäule) würden vom 03.01.2003 bis zum 02.01.2004 eine MdE von 10 v.H. bedingen, anschließend eine MdE unter 10 v.H. Auf entsprechenden Hinweis des SG in der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2008, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe, hat der Bevollmächtigte des Klägers den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 30.09.2008 die Überprüfung und Rücknahme des Bescheides vom 26.06.2006 unter Bezugnahme auf ein von Prof. Dr. A. vom Krankenhaus R. am 09.07.2008 für das Landgericht N. erstattetes Gutachtens auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet beantragt. Dieser Gutachter hatte ausgeführt, dass der Kläger durch den Unfall eine erhebliche Schädigung der Halswirbelsäule erlitten habe. Der Unfall vom 02.01.2002 sei das einschneidende Ereignis im Leben des Verletzten gewesen. Es hätten zwar auch bereits zuvor nicht unerhebliche Schäden vorgelegen; der Kläger sei aber noch in der Lage gewesen zu arbeiten, während er nach dem Unfall seine Erwerbsfähigkeit vollständig verloren habe.
Die Beklagte hat es mit Bescheid vom 09.12.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2009 abgelehnt, den Bescheid vom 26.06.2006 nach § 44 SGB X zurückzunehmen und auf die bereits von der Beklagten und dem SG eingeholten Gutachten Bezug genommen. Die Annahmen von Prof. Dr. A. entsprächen nicht den im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsregeln.
Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 16.02.2009 erneut Klage beim SG erhoben und geltend gemacht, aus Anlass des Unfalles vom 02.01.2002 über den 02.01.2004 hinaus Verletztenrente zu gewähren ist.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26.05.2010 abgewiesen. Das von Prof. Dr. A. am 09.07.2008 im Rahmen eines zivilgerichtlichen Prozesses erstellte Gutachten sei nicht überzeugend, da dieses nicht den in der gesetzlichen Unfallversicherung anzuwendenden Beurteilungskriterien entspräche. Der Nachweis für konkrete unfallbedingte Verletzungen an der Halswirbelsäule habe auch dem Gutachten des Prof. Dr. A. nicht entnommen werden können. Für die Annahme eines Unfallzusammenhangs in der gesetzlichen Unfallversicherung reiche ein zeitlicher Zusammenhang nach ständiger Rechtsprechung nicht aus.
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 13.07.2010 ist am 15.07.2010 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) eingegangen. Von Seiten des Senats sind die Unfallakten der Beklagten, die Röntgenaufnahmen des Klägers, Unterlagen des Kreiskrankenhauses B-Stadt, die erstinstanzlichen Streitakten sowie die Schwerbehinderten-Akten des ZBFS Region Niederbayern beigezogen worden. Dort sind mit dem zuletzt maßgeblichen Änderungsbescheid vom 26.06.2009 nach dem SGB IX vor allem wegen Funktionsstörungen auf nervenfachärztlichem Gebiet (Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, Gleichgewichtsstörungen mit Sturzneigung, Parkinsonsyndrom u.a.) der Grad der Behinderung (GdB) ab 06.05.2009 mit 100 bewertet sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt worden.
Der Sachverständige Dr. D. ist mit fachorthoädisch-allgemeinärztlichem Gutachten vom 26.01.2011 zu dem Ergebnis gelangt, dass insbesondere die im Gutachten des Prof. Dr. A. aufgeführten ausgeprägten Veränderungen der Halswirbelsäule weder kernspintomographisch noch radiologisch als unfallabhängig gesichert seien. Die Schleuderverletzung der Halswirbelsäule bedinge nur bei günstiger Auslegung einen Schweregrad I bis II nach Erdmann. Über den 02.01.2004 hinaus liege auf orthopädischem Fachgebiet keine unfallbedingte MdE mehr vor. Eine weitere fachfremde Begutachtung sei nicht erforderlich. Insbesondere sei im HNO-fachärztlichen Gutachten der Prof. Dr. S. vom 05.02.2003 keine unfallbedingte Ursache für die Schwindelsymptomatik auf HNO-fachärztlichem Gebiet festgestellt worden.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 28.02.2011 die unfallanalytische Stellungnahme des Dr. rer.biol.hum.A. vom 28.01.2011 vorgelegt und hervorgehoben, dass die von Dr. D. zugrunde gelegte Kausalitätsauffassung überholt sei und einer modernen unfallanalytischen Begutachtung nicht genüge, wie sie der Bundesgerichtshof (BGH) in Zivilsachen fordere. Dr. D. sei zu Unrecht davon ausgegangen, von einer Kausalität könne nur dann ausgegangen werden, wenn bildgebende Verfahren entsprechende pathologische Befunde wiedergeben würden. Dr. A. habe zutreffend in Berücksichtigung der Kriterien "Beschwerdebild vor dem Unfall, adäquates Unfallereignis, Auftreten typischer Beschwerden nach dem Unfall, Fehlen einer anderen Ursache als dem Unfallereignis" eine Spitzenbeschleunigung am Kopf-Hals-System von etwa 20 g bestätigt.
Ferner haben die Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 29.03.2011 betont, dass in dem Gutachten des Landgerichts N. Vorschäden bereits berücksichtigt worden seien. Die letztlich dauerhaft festgestellte Invalidität von 30 % sei ausschließlich auf den Unfall zurückzuführen, wobei eine etwaige Mitverursachung durch Vorschäden oder Schadensanlage bereits berücksichtigt sei. Hier habe der Unfall die rechtlich wesentliche Ursache dargestellt. Ohne diesen wäre es nicht zur Erwerbsunfähigkeit wegen der genannten körperlichen Beeinträchtigungen gekommen, aufgrund derer der Kläger noch heute arbeitsunfähig krank sei. Im Übrigen spreche alleine schon die Tatsache, dass er bis zu dem Unfall vollschichtig arbeitstätig und erwerbsfähig gewesen sei dafür, dass der Unfall die wesentliche Ursache für die Erwerbsunfähigkeit darstelle.
In der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2011 stellt der Bevollmächtigte des Klägers den Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München vom 26.05.2010 sowie des Bescheides vom 09.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2009 zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 26.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2006 dem Kläger aufgrund des Arbeitsunfalls vom 02.01.2002 Verletztenrente über den 02.01.2004 hinaus nach einer MdE von 30 v. H. zu gewähren.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26.05.2010 zurückzuweisen.
Die Auffassung der Klägerbevollmächtigten sei nicht zutreffend, dass die Beschwerden des Klägers zwanglos mit dem Unfall in Übereinstimmung zu bringen seien. Es würden die nachgewiesenen unfallfremden Erkrankungen des Klägers außer Acht gelassen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des ZBFS Region Niederbayern, der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26.05.2010 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente über den 02.01.2004 hinaus hat. Der Bescheid der Beklagten vom 09.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2009 ist rechtmäßig, weil der Bescheid vom 26.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.09.2006 nicht im Wege einer Zugunstenentscheidung zurückzunehmen gewesen ist (§ 44 SGB X).
Nach § 56 Abs.1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26.Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 v.H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vom-Hundert-Sätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs.1 Sätze 2 und 3
SGB VII).
Unter Berücksichtigung der bei dem Kläger anerkannten Berufskrankheit nach der Nr.2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) hat hier aufgrund des Unfalles vom 02.01.2002 bzw. des hieraus resultierenden HWS-Distorsionstrauma II. Grades ein Anspruch auf Verletztenrente nur bis zum 02.01.2004 bestanden, nicht jedoch darüber hinaus. Die unfallbedingten HWS-Distorsionsbeschwerden haben sich zurückgebildet. Die weiteren Schäden im Bereich der Wirbelsäule sind schicksalshaft.
Gesundheits- oder Körperschäden sind Folgen eines Arbeitsunfalls, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf den Unfall zurückzuführen sind. Dabei müssen die Gesundheits- und Körperschäden "voll", d.h. mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Dagegen gilt die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie zwischen dem Unfall und der maßgebenden Erkrankung. Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für einen Unfall anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf dem Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und wenn die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, d.h. nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl. BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286).
Entsprechend diesen Grundsätzen ist der Senat zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger am 02.01.2002 einen Arbeitsunfall erlitten hat, der keine Gesundheitsstörungen zur Folge hatte, die über den 02.01.2004 hinaus eine MdE von 10 v.H. bedingen. Denn unabhängig von den verwaltungsseitig beauftragten Sachverständigen haben die gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. K. mit HNO-ärztlichem Gutachten vom 22.01.2005, Dr. P. mit neurologisch-psychiatrischem Gutachten vom 27.06.2005, Dr. Dr. K. mit chirurgischem Gutachten vom 24.10.2007 und Dr. D. mit fachorthopädisch-allgemeinärztlichem Gutachten vom 26.01.2011 übereinstimmend bestätigt, dass bei dem Kläger unfallbedingt keine weiteren Gesundheitsstörungen aufgetreten sind. Hierbei haben die vorstehend genannten Sachverständigen schlüssig nachvollziehbar auch die Unterlagen des Klinikums B-Stadt (Arztbrief des Prof. Dr. R. vom 18.02.2002) und des Durchgangsarztberichtes des Prof. Dr. R. vom12.02.2002 ausgewertet und mitberücksichtigt, nach welchen es bei dem Unfall vom 02.01.2002 zu einer HWS-Distorsion und LWS-Prellung gekommen ist, als auf den Pkw des Klägers, der sich auf dem Weg zu einem Kunden befunden hat, im Stau ein anderer PKW von hinten aufgefahren ist.
Die Ausführungen der vorstehend genannten Sachverständigen sind für den erkennenden Senat auch deswegen schlüssig und überzeugend, weil zum einen den Akten des ZBFS Region Niederbayern ebenfalls keine weiteren Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen entnommen werden können, zum anderen die gutachterlichen Voten den sozialrechtlich-unfallrechtlichen Kausalitätskriterien entsprechen, wie sie in den medizinischen Standardwerken zur Begutachtung von Distorsionen an der Halswirbelsäule (u.a. in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Rz.8.3.4) wiedergegeben sind. Danach sind bei einem Heckaufprall mit erheblicher Wucht, wie hier, vor allem eine Hyperextension des Kopfes mit maximaler Reklination zu erwarten, selten jedoch weitere Schäden wie zum Beispiel Zungenbeinabrissfrakturen, ein Einriss der prävertebralen Muskulatur oder eine Ruptur des vorderen Längsbandes. Vielmehr sind die bei dem Kläger bestehenden multiplen Funktionsstörungen (u.a. Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, Gleichgewichtsstörungen mit Sturzneigung, Parkinsonsyndrom, Schwerhörigkeit beidseits mit Tinnitus) mit Ausnahme der Lärmschwerhörigkeit schicksalhafter Natur. Dies gilt auf orthopädischem Fachgebiet vor allem für die deutlichen Verschleißveränderungen der unteren Halswirbelsäule mit degenerativ zugeschärften Wirbelhinterkanten sowie Wirbelvorderkanten (vergleiche das Gutachten des Dr. Dr. K. vom 24.10.2007) sowie für die Funktionsbehinderung des Schultergelenks links sowie die Gleichgewichtsstörungen und Schwindelsensationen. Prof. Dr. S. hat bereits mit verwaltungsseitig eingeholtem Gutachten vom 05.02.2003 schlüssig und für den erkennenden Senat überzeugend darauf hingewiesen, dass auch der bei dem Kläger bestehende Tinnitus in einem Frequenzbereich liegt, der für ein Tinnitus nach stumpfem Schädeltrauma charakteristisch ist. Da jedoch der Tinnitus auf beiden Ohren gleich laut ist und nicht rechts lauter als links, obwohl der Kläger während des Aufpralls den Kopf nach rechts gehalten hat, und vor allem weil der Tinnitus nach den ärztlichen Unterlagen bereits in den 80er Jahren dokumentiert ist, ist er nicht als Unfallfolge anzuerkennen.
Soweit sich die Bevollmächtigten des Klägers auf das Gutachten des Prof. Dr. A. vom 09.07.2008 stützen bzw. mit Schriftsatz vom 28.02.2011 die unfallanalytische Stellungnahme des Dr. A. vom 28.01.2011 vorgelegt haben, die in dem zivilrechtlichen Verfahren des Klägers wegen Schadensersatz erstellt worden sind, stützt dies das hiesige Klagebegehren nicht. Denn während in Zivilverfahren ein adäquat-kausal verursachter Schaden zu entschädigen ist, müssen in der gesetzlichen Unfallversicherung der Gesundheits- oder Körperschäden, wie bereits erwähnt, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf den Unfall zurückzuführen sein. Es ist somit nicht ausreichend, dass der Kläger trotz aktenkundiger degenerativer Vorschäden auch im Bereich der Wirbelsäule vor dem Unfall vom 02.01.2002 noch in der Lage gewesen ist, seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen, danach aber seine Erwerbsfähigkeit vollständig verloren hat. Denn ein Nachweis für eine konkrete unfallbedingte Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule kann auch dem Gutachten des Prof. Dr. A. vom 09.07.2008 nicht entnommen werden.
Im Übrigen ergibt sich auch aufgrund des Gutachtens des Dr. A. vom 07.06.2010 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28.01.2011 nur, dass der streitgegenständliche Unfall ohne Zweifel zu einer HWS-Distorsion Grad II nach Erdmann geführt hat. Außerdem ist es zu einer LWS-Prellung gekommen. Der streitgegenständliche Unfall war jedoch nicht dazu geeignet, bei dem Kläger zu einer Gehirnerschütterung zu führen. Hier wären mittlere Beschleunigungen von etwa 50 g erforderlich gewesen; tatsächlich waren mittlere Beschleunigungen von etwa 10 g aufgetreten. Abschließend führt Dr. A. im Gutachten vom 07.06.2010 aus, inwiefern es bei dem Kläger zu einer dauerhaften, ausgeprägten unfallbedingten Veränderung der HWS gekommen sei, bleibe einer weiteren medizinischen Begutachtung vorbehalten. Eine fast völlige Einschränkung der Beweglichkeit der HWS könne aus biomechanischer Sicht zunächst nicht bestätigt werden, da beim belastungsfreien Sitzversuch durchaus eine Beweglichkeit trotz des zwischenzeitlich vorliegenden Schlaganfalls gegeben gewesen sei.
Soweit Dr. A. gegenüber dem Landgericht T. im Hinblick auf die dortigen zivilrechtlichen Ansprüche des Klägers eine weitere Begutachtung vorgeschlagen hat, ist diese hier bereits abschließend erfolgt. Denn Dr. D. hat mit fachorthopädisch-allgemein- ärztlichem Gutachten vom 26.01.2011 bestätigt, dass über den 02.01.2004 hinaus auf orthopädischem Fachgebiet keine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit mehr vorliegt. Eine weitere fachfremde Begutachtung ist nicht erforderlich. Insbesondere wurde im HNO-fachärztlichen Gutachten der Prof. Dr. S. vom 05.02.2003 keine unfallbedingte Ursache für die Schwindelsymptomatik auf HNO-fachärztlichem Gebiet festgestellt. Entsprechendes gilt für den Tinnitus des Klägers.
Die Entscheidung der Frage, in welchem Umfang die Erwerbsfähigkeit eines Verletzten gemindert ist, ist eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs.1
Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSGE 4, 147, 149; BSGE 6, 267, 268; BSG Urteil vom 23.04.1987 - 2 RU 42/86). Die Bemessung des Grades der unfallbedingten MdE richtet sich nach dem Umfang der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens des Verletzten durch die Unfallfolgen und nach dem Umfang der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Da Dr. Dr. K. mit chirurgischem Gutachten vom 24.10.2007 rückläufige und zwischenzeitlich ausgeheilte HWS-Distorsionsbeschwerden (bei degenerativ vorgeschädigter Wirbelsäule) beschrieben hat und dies von Dr. D. mit fachorthopädisch-allgemeinärztlichem Gutachten vom 26.01.2011 bestätigt worden ist, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass über den 02.01.2004 hinaus eine Verletztenrente nicht mehr zusteht, weil die MdE auf unter 10 v.H. abgesunken ist (§ 56 Abs.1 Sätze 2 und 3
SGB VII).
Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26.05.2010 zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Verletztenrente im Wege einer Zugunstenentscheidung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) über den 02.01.2004 hinaus.
Der 1942 geborene Kläger hat als Inhaber der Firma C. Weberei in A-Stadt am 02.01.2002 einen versicherten Wegeunfall erlitten. Ihm ist auf der Autobahn nach K. ein anderes Fahrzeug mit erheblicher Wucht auf seinen stehenden PKW aufgefahren. Der Kläger ist angeschnallt gewesen.
Nach Erstversorgung durch Prof. Dr. H. ist der Kläger stationär im Klinikum B-Stadt vom 02.01.2002 bis 09.01.2002 behandelt worden. Dort hat Prof. Dr. R. folgende Diagnosen gestellt: Halswirbelsäulen (HWS)-Distorsion, Lendenwirbelsäulen (LWS)-Prellung, intracerebrales Aneurysma der Arteria cerebri medial rechts (ohne nachweisbare frische Blutung) und Zustand nach Infarkt im Bereich der Capsula interna rechts. Weiter hat Prof. Dr. R. mit Durchgangsarztbericht vom 12.02.2002 folgenden Befund erhoben: Wacher, voll orientierter Patient. Druck- und Bewegungsschmerz im Bereich der linken Schulter. Diskrete Sensibilitätsstörung im Bereich der linken Fingerkuppen. Druck- und Bewegungsschmerz über der Halswirbelsäule. Druckschmerz im gesamten Thorax ohne Instabilität. Röntgenologisch hat sich kein Nachweis einer frischen Knochenverletzung ergeben. Unfallbedingt ist eine HWS-Distorsion und LWS-Prellung diagnostiziert worden.
Die Beklagte hat im Folgenden Unterlagen des Klinikums B-Stadt beigezogen und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. K. vom 12.08.2002, ein orthopädisches Gutachten von Dr. K. vom 16.08.2008 und ein HNO-ärztliches Gutachten von Prof. Dr. S. vom 05.02.2003 eingeholt. Danach hat wegen der unfallbedingten HWS-Distorsion eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 15.06.2002 bestanden. Vom 16.06.2002 bis 02.01.2003 ist eine MdE von 20 v.H. befürwortet worden, dann voraussichtlich für den Verlauf eines weiteren Jahres bis zum 02.01.2004 eine MdE von 10 v.H. Gestützt auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. H. vom 10.06.2003 (auch danach hat unfallbedingt eine HWS-Distorsion II. Grades vorgelegen) hat es die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.09.2003 abgelehnt, dem Kläger über den 15.06.2002 hinaus Verletztengeld zu gewähren.
In dem sich anschließenden Klageverfahren (S 9 U 716/03) hat das Sozialgericht München (SG) das HNO-ärztliche Gutachten des Dr. K. vom 22.01.2005 und das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. P. vom 27.06.2005 eingeholt. Danach habe der Kläger unfallbedingt eine HWS-Distorsion ohne strukturelle Schäden sowie eine Prellung im Bereich der LWS sowie eine Commotio cerebri (Gehirnerschütterung) erlitten. Schäden auf HNO-ärztlichem Fachgebiet oder bleibende Schäden auf neurologisch-psychiatri-schem Fachgebiet würden nicht vorliegen. Jedoch sei eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit für einen Zeitraum von sechs Monaten im Hinblick auf den verzögerten Heilungsverlauf anzunehmen. Dementsprechend ist in der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2006 ein Vergleich dahingehend geschlossen worden, Verletztengeld bis einschließlich 01.07.2002 zu zahlen. Ob darüber hinaus Stützrente zu gewähren sei, werde die Beklagte erneut prüfen und entscheiden. (Bei dem Kläger ist eine Berufskrankheit nach der Ziffer 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung - BKV - anerkannt.).
In Ausführungen dieses Vergleichs hat die Beklagte mit Bescheid vom 26.06.2006 in Ge-stalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2006 ein HWS-Distorsionstrauma II. Grades als Unfallfolge förmlich anerkannt und vom 02.07.2002 bis 02.01.2003 Rente nach einer MdE von 20 v.H. und vom 03.01.2003 bis 02.01.2004 Rente nach einer MdE von 10 v.H. geleistet. Darüber hinaus bestehe kein Anspruch auf Rente.
In dem sich wiederum anschließenden Klageverfahren (S 24 U 680/06) hat das SG das chirurgische Gutachten des Dr. Dr. K. vom 24.10.2007 eingeholt. Die rückläufigen HWS-Distorsionsbeschwerden (bei vorgeschädigter Wirbelsäule) würden vom 03.01.2003 bis zum 02.01.2004 eine MdE von 10 v.H. bedingen, anschließend eine MdE unter 10 v.H. Auf entsprechenden Hinweis des SG in der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2008, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe, hat der Bevollmächtigte des Klägers den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 30.09.2008 die Überprüfung und Rücknahme des Bescheides vom 26.06.2006 unter Bezugnahme auf ein von Prof. Dr. A. vom Krankenhaus R. am 09.07.2008 für das Landgericht N. erstattetes Gutachtens auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet beantragt. Dieser Gutachter hatte ausgeführt, dass der Kläger durch den Unfall eine erhebliche Schädigung der Halswirbelsäule erlitten habe. Der Unfall vom 02.01.2002 sei das einschneidende Ereignis im Leben des Verletzten gewesen. Es hätten zwar auch bereits zuvor nicht unerhebliche Schäden vorgelegen; der Kläger sei aber noch in der Lage gewesen zu arbeiten, während er nach dem Unfall seine Erwerbsfähigkeit vollständig verloren habe.
Die Beklagte hat es mit Bescheid vom 09.12.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2009 abgelehnt, den Bescheid vom 26.06.2006 nach § 44 SGB X zurückzunehmen und auf die bereits von der Beklagten und dem SG eingeholten Gutachten Bezug genommen. Die Annahmen von Prof. Dr. A. entsprächen nicht den im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsregeln.
Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 16.02.2009 erneut Klage beim SG erhoben und geltend gemacht, aus Anlass des Unfalles vom 02.01.2002 über den 02.01.2004 hinaus Verletztenrente zu gewähren ist.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26.05.2010 abgewiesen. Das von Prof. Dr. A. am 09.07.2008 im Rahmen eines zivilgerichtlichen Prozesses erstellte Gutachten sei nicht überzeugend, da dieses nicht den in der gesetzlichen Unfallversicherung anzuwendenden Beurteilungskriterien entspräche. Der Nachweis für konkrete unfallbedingte Verletzungen an der Halswirbelsäule habe auch dem Gutachten des Prof. Dr. A. nicht entnommen werden können. Für die Annahme eines Unfallzusammenhangs in der gesetzlichen Unfallversicherung reiche ein zeitlicher Zusammenhang nach ständiger Rechtsprechung nicht aus.
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 13.07.2010 ist am 15.07.2010 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) eingegangen. Von Seiten des Senats sind die Unfallakten der Beklagten, die Röntgenaufnahmen des Klägers, Unterlagen des Kreiskrankenhauses B-Stadt, die erstinstanzlichen Streitakten sowie die Schwerbehinderten-Akten des ZBFS Region Niederbayern beigezogen worden. Dort sind mit dem zuletzt maßgeblichen Änderungsbescheid vom 26.06.2009 nach dem SGB IX vor allem wegen Funktionsstörungen auf nervenfachärztlichem Gebiet (Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, Gleichgewichtsstörungen mit Sturzneigung, Parkinsonsyndrom u.a.) der Grad der Behinderung (GdB) ab 06.05.2009 mit 100 bewertet sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt worden.
Der Sachverständige Dr. D. ist mit fachorthoädisch-allgemeinärztlichem Gutachten vom 26.01.2011 zu dem Ergebnis gelangt, dass insbesondere die im Gutachten des Prof. Dr. A. aufgeführten ausgeprägten Veränderungen der Halswirbelsäule weder kernspintomographisch noch radiologisch als unfallabhängig gesichert seien. Die Schleuderverletzung der Halswirbelsäule bedinge nur bei günstiger Auslegung einen Schweregrad I bis II nach Erdmann. Über den 02.01.2004 hinaus liege auf orthopädischem Fachgebiet keine unfallbedingte MdE mehr vor. Eine weitere fachfremde Begutachtung sei nicht erforderlich. Insbesondere sei im HNO-fachärztlichen Gutachten der Prof. Dr. S. vom 05.02.2003 keine unfallbedingte Ursache für die Schwindelsymptomatik auf HNO-fachärztlichem Gebiet festgestellt worden.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 28.02.2011 die unfallanalytische Stellungnahme des Dr. rer.biol.hum.A. vom 28.01.2011 vorgelegt und hervorgehoben, dass die von Dr. D. zugrunde gelegte Kausalitätsauffassung überholt sei und einer modernen unfallanalytischen Begutachtung nicht genüge, wie sie der Bundesgerichtshof (BGH) in Zivilsachen fordere. Dr. D. sei zu Unrecht davon ausgegangen, von einer Kausalität könne nur dann ausgegangen werden, wenn bildgebende Verfahren entsprechende pathologische Befunde wiedergeben würden. Dr. A. habe zutreffend in Berücksichtigung der Kriterien "Beschwerdebild vor dem Unfall, adäquates Unfallereignis, Auftreten typischer Beschwerden nach dem Unfall, Fehlen einer anderen Ursache als dem Unfallereignis" eine Spitzenbeschleunigung am Kopf-Hals-System von etwa 20 g bestätigt.
Ferner haben die Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 29.03.2011 betont, dass in dem Gutachten des Landgerichts N. Vorschäden bereits berücksichtigt worden seien. Die letztlich dauerhaft festgestellte Invalidität von 30 % sei ausschließlich auf den Unfall zurückzuführen, wobei eine etwaige Mitverursachung durch Vorschäden oder Schadensanlage bereits berücksichtigt sei. Hier habe der Unfall die rechtlich wesentliche Ursache dargestellt. Ohne diesen wäre es nicht zur Erwerbsunfähigkeit wegen der genannten körperlichen Beeinträchtigungen gekommen, aufgrund derer der Kläger noch heute arbeitsunfähig krank sei. Im Übrigen spreche alleine schon die Tatsache, dass er bis zu dem Unfall vollschichtig arbeitstätig und erwerbsfähig gewesen sei dafür, dass der Unfall die wesentliche Ursache für die Erwerbsunfähigkeit darstelle.
In der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2011 stellt der Bevollmächtigte des Klägers den Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München vom 26.05.2010 sowie des Bescheides vom 09.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2009 zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 26.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2006 dem Kläger aufgrund des Arbeitsunfalls vom 02.01.2002 Verletztenrente über den 02.01.2004 hinaus nach einer MdE von 30 v. H. zu gewähren.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26.05.2010 zurückzuweisen.
Die Auffassung der Klägerbevollmächtigten sei nicht zutreffend, dass die Beschwerden des Klägers zwanglos mit dem Unfall in Übereinstimmung zu bringen seien. Es würden die nachgewiesenen unfallfremden Erkrankungen des Klägers außer Acht gelassen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des ZBFS Region Niederbayern, der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26.05.2010 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente über den 02.01.2004 hinaus hat. Der Bescheid der Beklagten vom 09.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2009 ist rechtmäßig, weil der Bescheid vom 26.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.09.2006 nicht im Wege einer Zugunstenentscheidung zurückzunehmen gewesen ist (§ 44 SGB X).
Nach § 56 Abs.1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26.Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 v.H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vom-Hundert-Sätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs.1 Sätze 2 und 3
SGB VII).
Unter Berücksichtigung der bei dem Kläger anerkannten Berufskrankheit nach der Nr.2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) hat hier aufgrund des Unfalles vom 02.01.2002 bzw. des hieraus resultierenden HWS-Distorsionstrauma II. Grades ein Anspruch auf Verletztenrente nur bis zum 02.01.2004 bestanden, nicht jedoch darüber hinaus. Die unfallbedingten HWS-Distorsionsbeschwerden haben sich zurückgebildet. Die weiteren Schäden im Bereich der Wirbelsäule sind schicksalshaft.
Gesundheits- oder Körperschäden sind Folgen eines Arbeitsunfalls, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf den Unfall zurückzuführen sind. Dabei müssen die Gesundheits- und Körperschäden "voll", d.h. mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Dagegen gilt die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie zwischen dem Unfall und der maßgebenden Erkrankung. Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für einen Unfall anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf dem Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und wenn die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, d.h. nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl. BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286).
Entsprechend diesen Grundsätzen ist der Senat zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger am 02.01.2002 einen Arbeitsunfall erlitten hat, der keine Gesundheitsstörungen zur Folge hatte, die über den 02.01.2004 hinaus eine MdE von 10 v.H. bedingen. Denn unabhängig von den verwaltungsseitig beauftragten Sachverständigen haben die gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. K. mit HNO-ärztlichem Gutachten vom 22.01.2005, Dr. P. mit neurologisch-psychiatrischem Gutachten vom 27.06.2005, Dr. Dr. K. mit chirurgischem Gutachten vom 24.10.2007 und Dr. D. mit fachorthopädisch-allgemeinärztlichem Gutachten vom 26.01.2011 übereinstimmend bestätigt, dass bei dem Kläger unfallbedingt keine weiteren Gesundheitsstörungen aufgetreten sind. Hierbei haben die vorstehend genannten Sachverständigen schlüssig nachvollziehbar auch die Unterlagen des Klinikums B-Stadt (Arztbrief des Prof. Dr. R. vom 18.02.2002) und des Durchgangsarztberichtes des Prof. Dr. R. vom12.02.2002 ausgewertet und mitberücksichtigt, nach welchen es bei dem Unfall vom 02.01.2002 zu einer HWS-Distorsion und LWS-Prellung gekommen ist, als auf den Pkw des Klägers, der sich auf dem Weg zu einem Kunden befunden hat, im Stau ein anderer PKW von hinten aufgefahren ist.
Die Ausführungen der vorstehend genannten Sachverständigen sind für den erkennenden Senat auch deswegen schlüssig und überzeugend, weil zum einen den Akten des ZBFS Region Niederbayern ebenfalls keine weiteren Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen entnommen werden können, zum anderen die gutachterlichen Voten den sozialrechtlich-unfallrechtlichen Kausalitätskriterien entsprechen, wie sie in den medizinischen Standardwerken zur Begutachtung von Distorsionen an der Halswirbelsäule (u.a. in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Rz.8.3.4) wiedergegeben sind. Danach sind bei einem Heckaufprall mit erheblicher Wucht, wie hier, vor allem eine Hyperextension des Kopfes mit maximaler Reklination zu erwarten, selten jedoch weitere Schäden wie zum Beispiel Zungenbeinabrissfrakturen, ein Einriss der prävertebralen Muskulatur oder eine Ruptur des vorderen Längsbandes. Vielmehr sind die bei dem Kläger bestehenden multiplen Funktionsstörungen (u.a. Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, Gleichgewichtsstörungen mit Sturzneigung, Parkinsonsyndrom, Schwerhörigkeit beidseits mit Tinnitus) mit Ausnahme der Lärmschwerhörigkeit schicksalhafter Natur. Dies gilt auf orthopädischem Fachgebiet vor allem für die deutlichen Verschleißveränderungen der unteren Halswirbelsäule mit degenerativ zugeschärften Wirbelhinterkanten sowie Wirbelvorderkanten (vergleiche das Gutachten des Dr. Dr. K. vom 24.10.2007) sowie für die Funktionsbehinderung des Schultergelenks links sowie die Gleichgewichtsstörungen und Schwindelsensationen. Prof. Dr. S. hat bereits mit verwaltungsseitig eingeholtem Gutachten vom 05.02.2003 schlüssig und für den erkennenden Senat überzeugend darauf hingewiesen, dass auch der bei dem Kläger bestehende Tinnitus in einem Frequenzbereich liegt, der für ein Tinnitus nach stumpfem Schädeltrauma charakteristisch ist. Da jedoch der Tinnitus auf beiden Ohren gleich laut ist und nicht rechts lauter als links, obwohl der Kläger während des Aufpralls den Kopf nach rechts gehalten hat, und vor allem weil der Tinnitus nach den ärztlichen Unterlagen bereits in den 80er Jahren dokumentiert ist, ist er nicht als Unfallfolge anzuerkennen.
Soweit sich die Bevollmächtigten des Klägers auf das Gutachten des Prof. Dr. A. vom 09.07.2008 stützen bzw. mit Schriftsatz vom 28.02.2011 die unfallanalytische Stellungnahme des Dr. A. vom 28.01.2011 vorgelegt haben, die in dem zivilrechtlichen Verfahren des Klägers wegen Schadensersatz erstellt worden sind, stützt dies das hiesige Klagebegehren nicht. Denn während in Zivilverfahren ein adäquat-kausal verursachter Schaden zu entschädigen ist, müssen in der gesetzlichen Unfallversicherung der Gesundheits- oder Körperschäden, wie bereits erwähnt, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf den Unfall zurückzuführen sein. Es ist somit nicht ausreichend, dass der Kläger trotz aktenkundiger degenerativer Vorschäden auch im Bereich der Wirbelsäule vor dem Unfall vom 02.01.2002 noch in der Lage gewesen ist, seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen, danach aber seine Erwerbsfähigkeit vollständig verloren hat. Denn ein Nachweis für eine konkrete unfallbedingte Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule kann auch dem Gutachten des Prof. Dr. A. vom 09.07.2008 nicht entnommen werden.
Im Übrigen ergibt sich auch aufgrund des Gutachtens des Dr. A. vom 07.06.2010 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28.01.2011 nur, dass der streitgegenständliche Unfall ohne Zweifel zu einer HWS-Distorsion Grad II nach Erdmann geführt hat. Außerdem ist es zu einer LWS-Prellung gekommen. Der streitgegenständliche Unfall war jedoch nicht dazu geeignet, bei dem Kläger zu einer Gehirnerschütterung zu führen. Hier wären mittlere Beschleunigungen von etwa 50 g erforderlich gewesen; tatsächlich waren mittlere Beschleunigungen von etwa 10 g aufgetreten. Abschließend führt Dr. A. im Gutachten vom 07.06.2010 aus, inwiefern es bei dem Kläger zu einer dauerhaften, ausgeprägten unfallbedingten Veränderung der HWS gekommen sei, bleibe einer weiteren medizinischen Begutachtung vorbehalten. Eine fast völlige Einschränkung der Beweglichkeit der HWS könne aus biomechanischer Sicht zunächst nicht bestätigt werden, da beim belastungsfreien Sitzversuch durchaus eine Beweglichkeit trotz des zwischenzeitlich vorliegenden Schlaganfalls gegeben gewesen sei.
Soweit Dr. A. gegenüber dem Landgericht T. im Hinblick auf die dortigen zivilrechtlichen Ansprüche des Klägers eine weitere Begutachtung vorgeschlagen hat, ist diese hier bereits abschließend erfolgt. Denn Dr. D. hat mit fachorthopädisch-allgemein- ärztlichem Gutachten vom 26.01.2011 bestätigt, dass über den 02.01.2004 hinaus auf orthopädischem Fachgebiet keine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit mehr vorliegt. Eine weitere fachfremde Begutachtung ist nicht erforderlich. Insbesondere wurde im HNO-fachärztlichen Gutachten der Prof. Dr. S. vom 05.02.2003 keine unfallbedingte Ursache für die Schwindelsymptomatik auf HNO-fachärztlichem Gebiet festgestellt. Entsprechendes gilt für den Tinnitus des Klägers.
Die Entscheidung der Frage, in welchem Umfang die Erwerbsfähigkeit eines Verletzten gemindert ist, ist eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs.1
Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSGE 4, 147, 149; BSGE 6, 267, 268; BSG Urteil vom 23.04.1987 - 2 RU 42/86). Die Bemessung des Grades der unfallbedingten MdE richtet sich nach dem Umfang der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens des Verletzten durch die Unfallfolgen und nach dem Umfang der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Da Dr. Dr. K. mit chirurgischem Gutachten vom 24.10.2007 rückläufige und zwischenzeitlich ausgeheilte HWS-Distorsionsbeschwerden (bei degenerativ vorgeschädigter Wirbelsäule) beschrieben hat und dies von Dr. D. mit fachorthopädisch-allgemeinärztlichem Gutachten vom 26.01.2011 bestätigt worden ist, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass über den 02.01.2004 hinaus eine Verletztenrente nicht mehr zusteht, weil die MdE auf unter 10 v.H. abgesunken ist (§ 56 Abs.1 Sätze 2 und 3
SGB VII).
Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26.05.2010 zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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