Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 39 KA 7/11 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 46/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
wegen einstweiliger Anordnung
Die Krankenkassen haben bei Verträgen über die hausarztzentrierte Versorgung kein einseitiges Recht zum Einbehalt der Vergütung (Zurückhaltungsrecht).
Die Krankenkassen haben bei Verträgen über die hausarztzentrierte Versorgung kein einseitiges Recht zum Einbehalt der Vergütung (Zurückhaltungsrecht).
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom
6. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin berechtigt ist, die nach dem "Vertrag zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73 b SGB V" (Hausarztvertrag) am 13.12.2010 fällige Schlusszahlung für das Quartal 3/2010 um 16.179.057,23 EUR zu kürzen.
Die Beteiligten, der Bayerische Hausärzteverband e.V. und die AOK Bayern, sind Partner des Hausarztvertrages.
Nachdem durch Schiedsspruch für den Bereich der bayerischen Betriebskrankenkassen ein Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung mit einem Fallwert von 76 EUR festgesetzt worden war, teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller am 16.8.2010 mit, dass sie, falls keine Einigung erreicht werde, mit Wirkung ab 1.7.2010 eine Reduzierung des allgemeinen Fallwerts auf das Niveau der Mitbewerber, das heißt auf 76 EUR, vornehmen werde. Mit Schreiben vom 15.9.2010 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie sich nach dem Scheitern der Verhandlungen über die so genannte "Meistbegünstigungsklausel" in § 24 des Hausarztvertrages gezwungen sehe, den im Vertrag bestimmten Fallwert von maximal 84,09 EUR an das Niveau der Mitbewerber mit Wirkung ab dem 1.1.2010 anzupassen. Zwischenzeitlich sei nach Festsetzung durch die Schiedsperson mit Wirkung vom 1.1.2010 ein "Vertrag zur Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73 b SGB V" zwischen verschiedenen Betriebskrankenkassen und dem Antragsteller vereinbart worden. Nach § 10 Abs. 9 dieses Vertrages gelte für die Vergütung die Regelung, dass der finanzielle Rahmen von 76 EUR nicht überschritten werden solle. Nachdem beide Verträge die umfassende hausärztliche Versorgung der Versicherten vorsähen, lägen vergleichbare Vergütungstatbestände vor, so dass aus der Sicht der Antragsgegnerin die Voraussetzungen für die Anwendung der Meistbegünstigungsklausel nach § 24 des Hausarztvertrages erfüllt seien. Ab 1.1.2010 werde deshalb die Antragsgegnerin nur noch eine Fallwertobergrenze von 76 EUR gegen sich gelten lassen. Die Überzahlungen für das 1. und 2. Quartal 2010 werde sie mit der Schlussrechnung für das 2. Quartal, fällig am 15.9.2010, verrechnen. Gemäß dieses Schreibens behielt die Antragsgegnerin einen Teilbetrag von 37.851.631,66 EUR ein. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Sozialgericht München gab diesem Antrag mit Beschluss vom 3. Dezember 2010 statt (S 39 KA 672/10 ER). Die Beschwerde wies das Bayerische Landessozialgericht mit Beschluss vom 17. Januar 2011 zurück (L 12 KA 123/10 B ER).
Für das Quartal 3/2010 stellte der Antragsteller am 23.11.2010 die Rechnung für die Schlusszahlung über 72.134.014,36 EUR, die am 13.12.2010 fällig war. Mit Schreiben vom 9.12.2010 erklärte die Antragsgegnerin, sie sehe sich wie bereits angekündigt weiterhin gezwungen, auch im Rahmen der Schlussrechnung für das Quartal 3/2010 den im Vertrag bestimmten Fallwert in Anwendung der so genannten "Meistbegünstigungsklausel" (§ 24 Hausärztevertrag) an das Niveau der Wettbewerber anzupassen. Aus der Schlussrechnung ergebe sich ein durchschnittlicher Fallwert von 82,25 EUR. Dieser sei an die Fallwertobergrenze von 76 EUR anzupassen, woraus sich ein Einbehalt von 16.179.057,23 EUR ergebe, in dem ein Kürzungsbetrag in Höhe von 265.527,27 EUR infolge zulässiger Rückrechnungen für die Vorquartale 1/2010 und 2/2010 enthalten sei.
Am 4.1.2011 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht München (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Kürzungsbetrag von 16.179.057,23 EUR der am 13.12.2010 fälligen Schlusszahlung an die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft (HÄVG) auszuzahlen. Er trug vor, dass der Antrag zulässig sei, da auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens verzichtet worden sei. Bezüglich des Betrags von 265.527,27 EUR für die Quartale 1 und 2/2010 sei ein Einbehalt ohnehin ausgeschlossen, wie das Bayerische Landessozialgericht im Beschluss vom 17. Januar 2011 entschieden habe. Im Übrigen sei die Meistbegünstigungsklausel nicht anwendbar, da der Hausarztvertrag mit den Betriebskrankenkassen im Wege eines Schiedsspruches festgesetzt worden sei. Im Übrigen sei der Fallwert bei den Betriebskrankenkassen entsprechend der niedrigeren Morbidität der BKK-Versicherten niedriger als der mit der Antragsgegnerin vereinbarte. Vergleichbare Vergütungstatbestände lägen ebenfalls nicht vor, da zwischen den Hausarztverträgen erhebliche Unterschiede bestünden. Insbesondere sehe der Hausarztvertrag mit der Antragsgegnerin diverse Einzelleistungen vor, die in den BKK-Verträgen nicht enthalten seien, die aber den durchschnittlichen Fallwert des Hausarztvertrages maßgeblich beeinflussten und deren Höhe zusätzlich zur Morbidität zu begründen und zu rechtfertigen sei. Dabei handle es sich zum Beispiel um die Leistungen "prä- und postoperative hausärztliche Betreuung" und "prä- und poststationäre hausärztliche Betreuung", die in den BKK-Verträgen nicht enthalten seien. Auch die Diabetespauschale und die Kleinkindpauschale sowie verschiedene weitere seien nur im Hausarztvertrag mit der Antragsgegnerin enthalten. Im Übrigen führe der Abschluss eines weiteren Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung nicht zu einer automatischen Anpassung, da die Umsetzung - wie auch vom Antragsgegner eingeräumt - unklar sei. Eine automatische Absenkung des Fallwerts sehe auch der Wortlaut der Meistbegünstigungsklausel nicht vor. Vielmehr handle es sich um eine "Verhandlungsklausel". Außerdem sei der vertraglich vereinbarte Korridor von 5 % nicht berücksichtigt worden. Die Rechtswidrigkeit der Kürzung ergebe sich ferner daraus, dass sie rückwirkend erst am 10.12.2010, lange nach Beendigung des 3. Quartals, erfolgt sei.
Die Antragsgegnerin legte demgegenüber dar, dass die Meistbegünstigungsklausel eine automatische Fallwertanpassung rechtfertige. Im Übrigen machte sie als Einrede ein Zurückbehaltungsrecht analog § 273 BGB im Hinblick auf die nicht erfolgte Vertragsanpassung geltend. Im Einzelnen führte sie aus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der Meistbegünstigungsklausel vorlägen. So sei sie insbesondere auch bei im Schiedsverfahren abgeschlossenen Verträgen anwendbar. Der Schiedsspruch stehe einem Vertragsabschluss gleich, wie auch das Bayerische Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom 17. Januar 2011 unmissverständlich klargestellt habe. Die Schiedsperson sei Vertragshelfer im Sinne von § 317 BGB, weshalb die Festsetzung ein Vertragsabschluss sei. Die Vergütungstatbestände seien in beiden Verträgen gleich. Es handle sich bei beiden Verträgen um so genannte "Vollversorgungsverträge". Die "Korridorregelung" sei nicht anwendbar, der im BKK-Vertrag bestimmte Fallwert von 76 EUR sei die Obergrenze. Im Übrigen sei jedenfalls deshalb kein Anordnungsanspruch gegeben, weil die Antragsgegnerin ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen könne. Die Voraussetzungen von § 273 BGB lägen vor. Die Antragsgegnerin habe den Antragsteller bereits mit Schreiben vom 14.1.2010 aufgefordert, die Anwendung der Meistbegünstigungsklausel im Hinblick auf den BKK-Vertrag anzuerkennen. Zuletzt habe die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 3. Februar 2011 die Erfüllung ihres Anspruchs auf Vertragsanpassung zumindest ab 1.7.2010 angemahnt. Da der Antragsteller seiner Pflicht zur Vertragsanpassung bisher nicht nachgekommen sei, sei die Antragsgegnerin berechtigt, die Zahlung des von der Schlussrechnung für das Quartal 3/2010 einbehaltenen Honorars auch weiterhin zu verweigern. Der Antrag sei schließlich auch deshalb abzulehnen, weil er eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache sei. Würde dem Eilantrag stattgegeben, hätte die Antragsgegnerin nach Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu ihren Gunsten auch nach dem Vortrag des Antragstellers keine Möglichkeit mehr, die zu Unrecht gezahlten Leistungen zurückzufordern oder ihren Anspruch auf Vertragsanpassung gegen den Antragsteller durchzusetzen.
Der Antragsteller wies demgegenüber darauf hin, dass ein Zurückbehaltungsrecht nicht bestehe. Der Hausarztvertrag sehe kein Zurückbehaltungsrecht vor. Er sei vielmehr darauf gerichtet, fortlaufend zu erbringende hausärztliche Leistungen zu vergüten.
Das SG gab dem Antrag mit Beschluss vom 6. Juni 2011 statt. Es verpflichtete die Antragsgegnerin, den von der Schlusszahlung für das 3. Quartal 2010 einbehaltenen Kürzungsbetrag in Höhe von 16.179.057,23 EUR auszuzahlen. Ein Anordnungsanspruch bestehe offensichtlich. Eine unmittelbare Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel sei vertraglich nicht vorgesehen. Die von der Antragsgegnerin angeführte analoge Anwendung von § 273 BGB verbiete sich bereits deshalb, weil keine Regelungslücke bestehe. Die Beteiligten seien gehalten, sich über die Anwendung der Meistbegünstigungsklausel für das Jahr 2010 zu einigen beziehungsweise ein Schiedsverfahren durchzuführen. Eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache liege ebenfalls nicht vor.
Am 10.6.2011 zahlte die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Betrag in Höhe von 16.179.057,23 EUR.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 6. Juni 2011 legte die Antragsgegnerin am 5.7.2011 Beschwerde ein. Sie beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 6. Juni 2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen und den Antragsteller zu verpflichten, die von der Antragsgegnerin in Umsetzung des Beschlusses des Sozialgerichts München geleistete Zahlung in Höhe von 16.179.057,23 EUR an die Beschwerdeführerin zurückzugewähren,
hilfsweise:
den Antragsteller zu verpflichten, den von der Antragsgegnerin in Umsetzung des Beschlusses des Sozialgerichts München gezahlten Betrag in Höhe von 16.179.057,23 EUR auf ein Treuhandkonto einzuzahlen, bis ein Schiedsspruch zur Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel im Jahr 2010 ergangen ist.
Ein Anordnungsanspruch bestehe nicht. Die Antragsgegnerin habe ein Zurückbehaltungsrecht. Dies habe das Sozialgericht in der angegriffenen Entscheidung verkannt. § 273
BGB sei nach § 61 S. 2 SGB X auch auf öffentlich-rechtliche Verträge wie den Hausarztvertrag anzuwenden. Eine "Regelungslücke" sei entgegen der Rechtsauffassung des SG nicht notwendig. Dieses Zurückbehaltungsrecht sei ein Sicherungs-, kein Befriedigungsrecht. Es sei ein legales Druckmittel der Antragsgegnerin, um den Antragsteller im Gegenzug für die Erfüllung seines Zahlungsanspruchs zur Erfüllung des gleichberechtigten Anspruchs auf Vertragsanpassung anzuhalten. Da der BKK-Hausarztvertrag zum 1. Juli 2010 in Kraft getreten sei, komme spätestens ab dem streitgegenständlichen Quartal 3/2010 die Meistbegünstigungsklausel zur Anwendung. Damit sei die zwischen den Parteien vereinbarte Hausarztvergütung anzupassen. Diesen Anspruch habe der Antragsteller bislang nicht erfüllt. Da der Antragsteller bereits die grundsätzliche Anwendung der Meistbegünstigungsklausel auf den BKK-Hausarztvertrag bezweifle, seien Verhandlungen über das "Wie" der Vertragsanpassung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Antragsgegnerin habe daher inzwischen ein Schiedsverfahren eingeleitet, um ihren Anspruch auf Vertragsanpassung durchzusetzen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens sei sie berechtigt, die Erfüllung des Zahlungsanspruchs gemäß § 273 BGB analog zu verweigern. Ein Anordnungsanspruch bestehe nicht. Auch ein Anordnungsgrund fehle. Eine Vergütungsminderung als solche sei noch kein "wesentlicher" Nachteil, der ein Abwarten der Hauptsache unzumutbar erscheinen lasse. Irreperable Rechtsnachteile des Antragstellers seien nicht zu befürchten und auch nicht glaubhaft gemacht worden.
Der Antragsteller legte ein Fax an alle Hausärzte vom 22.6.2011 vor, aus dem sich ergibt, dass der von der Antragsgegnerin überwiesene Betrag am 24.6.2011 an die Hausärzte ausbezahlt würde. Die Auszahlung erfolge jedoch unter dem Vorbehalt einer möglichen Rückzahlungsverpflichtung. Im Übrigen trägt der Antragsteller vor, dass die Behauptung der Antragsgegnerin, er habe Verhandlungen über die Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel abgelehnt, schlicht falsch sei. Er habe vielmehr wiederholt darum gebeten, mit ihm Verhandlungen über die Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel zu führen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Sie war zurückzuweisen.
Das Sozialgericht München hat im Beschluss vom 6. Juni 2011 die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung zutreffend bejaht.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung), gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Der Antragsteller begehrt die Zahlung des von der Antragsgegnerin einbehaltenen Betrages von 16.179.057,23 EUR, also den Erlass einer Regelungsanordnung. Eine Regelungsanordnung kann erlassen werden, wenn ein Anordnungsanspruch, das heißt ein materielles Recht, und ein Anordnungsgrund, das Erfordernis einer einstweiligen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, glaubhaft gemacht wurden.
Das Sozialgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein Anordnungsanspruch besteht. Die Antragstellerin hat einen Zahlungsanspruch in voller Höhe der am 23. November 2010 angeforderten Schlusszahlung mit Fälligkeitsdatum 13.12.2010. Dieser Zahlungsanspruch ist nicht durch die Anwendung der so genannten Meistbegünstigungsklausel gemäß § 24 Abs. 1 des Hausarztvertrages reduziert. Der Antragsgegnerin steht auch kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB zu.
Die Meistbegünstigungsklausel führt nicht zu einer automatischen Verringerung des Vergütungsanspruchs der Antragstellerin für die erbrachten Leistungen im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung im Beschluss vom 17. Januar 2011 (L 12 KA 123/10 B ER) fest und nimmt auf die Ausführungen insoweit Bezug. Eine entsprechende einvernehmliche oder geschiedste Anpassung erfolgte für das streitgegenständliche Quartal 3/2010 unstreitig nicht. Damit ist nicht entscheidungserheblich, inwieweit die Tatbestandsvoraussetzungen der Meistbegünstigungsklausel erfüllt sind, insbesondere, ob die Verträge vergleichbar im Sinne von § 24 Abs. 1 S. 2 Hausarztvertrag sind.
Die Antragsgegnerin hat auch kein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Antragsteller, wie das SG zutreffend festgestellt hat.
Zwar ist bei öffentlich rechtlichen Verträgen § 273 BGB grundsätzlich anwendbar (§ 61 S. 2 SGB X). Beim vorliegenden Hausarztvertrag kann jedoch nicht auf § 273 BGB zurückgegriffen werden, weil dem die Natur des Schuldverhältnisses entgegensteht (vgl. insoweit Palandt/Grüneberg, § 273, Rn. 15 ff.). Ein Zurückbehaltungsrecht scheidet aus, wenn es allgemein dem Wesen der Verpflichtung, die der Schuldner zu erfüllen hat, widersprechen würde (Staudinger/Bittner, 2009, § 273 Rn. 81). Dies ist beim Hausarztvertrag der Fall. Die hausarztzentrierte Versorgung ist ein Sonderbereich strukturvertraglich geregelter Leistungen, der vom Grundmodell der gesamtvertraglichen Versorgung nach § 83 SGB V abweicht und den Bereich der hausärztlichen Versorgung aus dieser ausgliedert. Dennoch entspricht der Hausarztvertrag in seiner Grundstruktur wie auch in der Funktion einem Gesamtvertrag, wobei an die Stelle der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Landesverbände der Krankenkassen die sektoralen Teilnehmer, die Krankenkassen und die Hausarztverbände, treten und die Vergütung nach § 12 Hausarztvertrag der Gesamtvergütung entspricht.
Bei Gesamtverträgen besteht kein Zurückbehaltungsrecht bezüglich der nach den §§ 85 und 85 a SGB V vereinbarten Gesamtvergütung. Hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Gesetzgeber hat deshalb besondere Vorkehrungen getroffen, um einseitige Einflussnahmen auf die Gesamtverträge zu verhindern. So hat er in § 89 SGB V ein Schiedsamtsverfahren vorgesehen und zudem in § 89 Abs. 1 S. 4 SGB V die Fortgeltung der bisherigen vertraglichen Regelungen bis zu einer Entscheidung des Schiedsamts angeordnet. Ein Leistungsverweigerungsrecht ist nur in § 75 Abs. 1 S. 3 SGB V für den Fall vorgesehen, dass die Kassenärztliche Vereinigung ihrem Sicherstellungsauftrag aus Gründen, die sie zu vertreten hat, nicht nachkommt. Ein Leistungsverweigerungsrecht setzt also eine schwere, nachhaltige, verschuldete Störung vertraglicher Hauptleistungspflichten voraus. Damit ist bei Gesamtverträgen ein allgemeiner Rückgriff auf § 273 BGB trotz der Verweisungsvorschrift in § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V ausgeschlossen (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 3. Dezember 2008, L 12 KA 5/08).
Der besonderen, die Gesamtverträge ersetzenden Funktion der Verträge über die hausarztzentrierte Versorgung hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass er parallel zum Schiedsamtsverfahren nach § 89 SGB V in § 73 b Absatz 4 a SGB V ein Schiedsverfahren vorgesehen hat, falls ein Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung nicht zustande kommt. Auch die Partner des Hausarztvertrages, Antragsteller und Antragsgegnerin, haben dieser besonderen Funktion des Hausarztvertrages dadurch Rechnung getragen, dass in § 19 Hausarztvertrag eine Schiedsklausel für alle Streitigkeiten, die im Rahmen der Durchführung des Hausarztvertrages oder seiner Anlagen entstehen, aufgenommen wurde. Dieses Schiedsverfahren ist vor anderen Maßnahmen vorrangig und schließt deshalb parallel zu den gesamtvertraglichen Vorschriften ein Zurückbehaltungsrecht zur Sicherung vertraglicher Rechte aus. Dass sich die Parteien bisher nicht über eine detaillierte Regelung des Schiedsverfahrens gemäß Anlage 14 einigen konnten, ändert an der Wirksamkeit der vereinbarten Regelung nichts. Den Vertragspartnern bleibt es unbenommen, bei einer fehlenden Einigung über ein durchzuführendes Schiedsverfahren gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wegen dieses der besonderen Natur des Hausarztvertrages Rechnung tragenden Vorrangs eines Schiedsverfahrens ist ein Zurückbehaltungsrecht bei einer fehlenden Einigung über die Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel ausgeschlossen.
Nachdem der Anordnungsanspruch auf Zahlung des streitgegenständlichen Betrages glaubhaft gemacht wurde, sind an den Anordnungsgrund nur geringe Anforderungen zu stellen. Der Senat sieht bei dieser Situation einen wesentlichen Nachteil bereits darin, dass ohne die einstweilige Anordnung auf längere Zeit keine endgültige Verteilung des Honorars auf die teilnehmenden Hausärzte möglich ist.
Der Beschluss des SG ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil er eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung war. Die streitgegenständliche Summe wurde zwar nicht zurückgestellt, sondern an die am Hausarztvertrag beteiligten Ärzte ausbezahlt. Diese Auszahlung erfolgte jedoch unter dem Vorbehalt der Rückforderung, wie sich aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Telefax vom 22.6.2011 an alle Hausärzte ergibt. Damit schlagen die Bedenken der Antragsgegnerin, die Zahlung dieses Betrages sei endgültig, nicht durch.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG, § 154 Abs. 2 VwGO.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
6. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin berechtigt ist, die nach dem "Vertrag zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73 b SGB V" (Hausarztvertrag) am 13.12.2010 fällige Schlusszahlung für das Quartal 3/2010 um 16.179.057,23 EUR zu kürzen.
Die Beteiligten, der Bayerische Hausärzteverband e.V. und die AOK Bayern, sind Partner des Hausarztvertrages.
Nachdem durch Schiedsspruch für den Bereich der bayerischen Betriebskrankenkassen ein Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung mit einem Fallwert von 76 EUR festgesetzt worden war, teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller am 16.8.2010 mit, dass sie, falls keine Einigung erreicht werde, mit Wirkung ab 1.7.2010 eine Reduzierung des allgemeinen Fallwerts auf das Niveau der Mitbewerber, das heißt auf 76 EUR, vornehmen werde. Mit Schreiben vom 15.9.2010 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie sich nach dem Scheitern der Verhandlungen über die so genannte "Meistbegünstigungsklausel" in § 24 des Hausarztvertrages gezwungen sehe, den im Vertrag bestimmten Fallwert von maximal 84,09 EUR an das Niveau der Mitbewerber mit Wirkung ab dem 1.1.2010 anzupassen. Zwischenzeitlich sei nach Festsetzung durch die Schiedsperson mit Wirkung vom 1.1.2010 ein "Vertrag zur Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73 b SGB V" zwischen verschiedenen Betriebskrankenkassen und dem Antragsteller vereinbart worden. Nach § 10 Abs. 9 dieses Vertrages gelte für die Vergütung die Regelung, dass der finanzielle Rahmen von 76 EUR nicht überschritten werden solle. Nachdem beide Verträge die umfassende hausärztliche Versorgung der Versicherten vorsähen, lägen vergleichbare Vergütungstatbestände vor, so dass aus der Sicht der Antragsgegnerin die Voraussetzungen für die Anwendung der Meistbegünstigungsklausel nach § 24 des Hausarztvertrages erfüllt seien. Ab 1.1.2010 werde deshalb die Antragsgegnerin nur noch eine Fallwertobergrenze von 76 EUR gegen sich gelten lassen. Die Überzahlungen für das 1. und 2. Quartal 2010 werde sie mit der Schlussrechnung für das 2. Quartal, fällig am 15.9.2010, verrechnen. Gemäß dieses Schreibens behielt die Antragsgegnerin einen Teilbetrag von 37.851.631,66 EUR ein. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Sozialgericht München gab diesem Antrag mit Beschluss vom 3. Dezember 2010 statt (S 39 KA 672/10 ER). Die Beschwerde wies das Bayerische Landessozialgericht mit Beschluss vom 17. Januar 2011 zurück (L 12 KA 123/10 B ER).
Für das Quartal 3/2010 stellte der Antragsteller am 23.11.2010 die Rechnung für die Schlusszahlung über 72.134.014,36 EUR, die am 13.12.2010 fällig war. Mit Schreiben vom 9.12.2010 erklärte die Antragsgegnerin, sie sehe sich wie bereits angekündigt weiterhin gezwungen, auch im Rahmen der Schlussrechnung für das Quartal 3/2010 den im Vertrag bestimmten Fallwert in Anwendung der so genannten "Meistbegünstigungsklausel" (§ 24 Hausärztevertrag) an das Niveau der Wettbewerber anzupassen. Aus der Schlussrechnung ergebe sich ein durchschnittlicher Fallwert von 82,25 EUR. Dieser sei an die Fallwertobergrenze von 76 EUR anzupassen, woraus sich ein Einbehalt von 16.179.057,23 EUR ergebe, in dem ein Kürzungsbetrag in Höhe von 265.527,27 EUR infolge zulässiger Rückrechnungen für die Vorquartale 1/2010 und 2/2010 enthalten sei.
Am 4.1.2011 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht München (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Kürzungsbetrag von 16.179.057,23 EUR der am 13.12.2010 fälligen Schlusszahlung an die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft (HÄVG) auszuzahlen. Er trug vor, dass der Antrag zulässig sei, da auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens verzichtet worden sei. Bezüglich des Betrags von 265.527,27 EUR für die Quartale 1 und 2/2010 sei ein Einbehalt ohnehin ausgeschlossen, wie das Bayerische Landessozialgericht im Beschluss vom 17. Januar 2011 entschieden habe. Im Übrigen sei die Meistbegünstigungsklausel nicht anwendbar, da der Hausarztvertrag mit den Betriebskrankenkassen im Wege eines Schiedsspruches festgesetzt worden sei. Im Übrigen sei der Fallwert bei den Betriebskrankenkassen entsprechend der niedrigeren Morbidität der BKK-Versicherten niedriger als der mit der Antragsgegnerin vereinbarte. Vergleichbare Vergütungstatbestände lägen ebenfalls nicht vor, da zwischen den Hausarztverträgen erhebliche Unterschiede bestünden. Insbesondere sehe der Hausarztvertrag mit der Antragsgegnerin diverse Einzelleistungen vor, die in den BKK-Verträgen nicht enthalten seien, die aber den durchschnittlichen Fallwert des Hausarztvertrages maßgeblich beeinflussten und deren Höhe zusätzlich zur Morbidität zu begründen und zu rechtfertigen sei. Dabei handle es sich zum Beispiel um die Leistungen "prä- und postoperative hausärztliche Betreuung" und "prä- und poststationäre hausärztliche Betreuung", die in den BKK-Verträgen nicht enthalten seien. Auch die Diabetespauschale und die Kleinkindpauschale sowie verschiedene weitere seien nur im Hausarztvertrag mit der Antragsgegnerin enthalten. Im Übrigen führe der Abschluss eines weiteren Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung nicht zu einer automatischen Anpassung, da die Umsetzung - wie auch vom Antragsgegner eingeräumt - unklar sei. Eine automatische Absenkung des Fallwerts sehe auch der Wortlaut der Meistbegünstigungsklausel nicht vor. Vielmehr handle es sich um eine "Verhandlungsklausel". Außerdem sei der vertraglich vereinbarte Korridor von 5 % nicht berücksichtigt worden. Die Rechtswidrigkeit der Kürzung ergebe sich ferner daraus, dass sie rückwirkend erst am 10.12.2010, lange nach Beendigung des 3. Quartals, erfolgt sei.
Die Antragsgegnerin legte demgegenüber dar, dass die Meistbegünstigungsklausel eine automatische Fallwertanpassung rechtfertige. Im Übrigen machte sie als Einrede ein Zurückbehaltungsrecht analog § 273 BGB im Hinblick auf die nicht erfolgte Vertragsanpassung geltend. Im Einzelnen führte sie aus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der Meistbegünstigungsklausel vorlägen. So sei sie insbesondere auch bei im Schiedsverfahren abgeschlossenen Verträgen anwendbar. Der Schiedsspruch stehe einem Vertragsabschluss gleich, wie auch das Bayerische Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom 17. Januar 2011 unmissverständlich klargestellt habe. Die Schiedsperson sei Vertragshelfer im Sinne von § 317 BGB, weshalb die Festsetzung ein Vertragsabschluss sei. Die Vergütungstatbestände seien in beiden Verträgen gleich. Es handle sich bei beiden Verträgen um so genannte "Vollversorgungsverträge". Die "Korridorregelung" sei nicht anwendbar, der im BKK-Vertrag bestimmte Fallwert von 76 EUR sei die Obergrenze. Im Übrigen sei jedenfalls deshalb kein Anordnungsanspruch gegeben, weil die Antragsgegnerin ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen könne. Die Voraussetzungen von § 273 BGB lägen vor. Die Antragsgegnerin habe den Antragsteller bereits mit Schreiben vom 14.1.2010 aufgefordert, die Anwendung der Meistbegünstigungsklausel im Hinblick auf den BKK-Vertrag anzuerkennen. Zuletzt habe die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 3. Februar 2011 die Erfüllung ihres Anspruchs auf Vertragsanpassung zumindest ab 1.7.2010 angemahnt. Da der Antragsteller seiner Pflicht zur Vertragsanpassung bisher nicht nachgekommen sei, sei die Antragsgegnerin berechtigt, die Zahlung des von der Schlussrechnung für das Quartal 3/2010 einbehaltenen Honorars auch weiterhin zu verweigern. Der Antrag sei schließlich auch deshalb abzulehnen, weil er eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache sei. Würde dem Eilantrag stattgegeben, hätte die Antragsgegnerin nach Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu ihren Gunsten auch nach dem Vortrag des Antragstellers keine Möglichkeit mehr, die zu Unrecht gezahlten Leistungen zurückzufordern oder ihren Anspruch auf Vertragsanpassung gegen den Antragsteller durchzusetzen.
Der Antragsteller wies demgegenüber darauf hin, dass ein Zurückbehaltungsrecht nicht bestehe. Der Hausarztvertrag sehe kein Zurückbehaltungsrecht vor. Er sei vielmehr darauf gerichtet, fortlaufend zu erbringende hausärztliche Leistungen zu vergüten.
Das SG gab dem Antrag mit Beschluss vom 6. Juni 2011 statt. Es verpflichtete die Antragsgegnerin, den von der Schlusszahlung für das 3. Quartal 2010 einbehaltenen Kürzungsbetrag in Höhe von 16.179.057,23 EUR auszuzahlen. Ein Anordnungsanspruch bestehe offensichtlich. Eine unmittelbare Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel sei vertraglich nicht vorgesehen. Die von der Antragsgegnerin angeführte analoge Anwendung von § 273 BGB verbiete sich bereits deshalb, weil keine Regelungslücke bestehe. Die Beteiligten seien gehalten, sich über die Anwendung der Meistbegünstigungsklausel für das Jahr 2010 zu einigen beziehungsweise ein Schiedsverfahren durchzuführen. Eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache liege ebenfalls nicht vor.
Am 10.6.2011 zahlte die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Betrag in Höhe von 16.179.057,23 EUR.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 6. Juni 2011 legte die Antragsgegnerin am 5.7.2011 Beschwerde ein. Sie beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 6. Juni 2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen und den Antragsteller zu verpflichten, die von der Antragsgegnerin in Umsetzung des Beschlusses des Sozialgerichts München geleistete Zahlung in Höhe von 16.179.057,23 EUR an die Beschwerdeführerin zurückzugewähren,
hilfsweise:
den Antragsteller zu verpflichten, den von der Antragsgegnerin in Umsetzung des Beschlusses des Sozialgerichts München gezahlten Betrag in Höhe von 16.179.057,23 EUR auf ein Treuhandkonto einzuzahlen, bis ein Schiedsspruch zur Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel im Jahr 2010 ergangen ist.
Ein Anordnungsanspruch bestehe nicht. Die Antragsgegnerin habe ein Zurückbehaltungsrecht. Dies habe das Sozialgericht in der angegriffenen Entscheidung verkannt. § 273
BGB sei nach § 61 S. 2 SGB X auch auf öffentlich-rechtliche Verträge wie den Hausarztvertrag anzuwenden. Eine "Regelungslücke" sei entgegen der Rechtsauffassung des SG nicht notwendig. Dieses Zurückbehaltungsrecht sei ein Sicherungs-, kein Befriedigungsrecht. Es sei ein legales Druckmittel der Antragsgegnerin, um den Antragsteller im Gegenzug für die Erfüllung seines Zahlungsanspruchs zur Erfüllung des gleichberechtigten Anspruchs auf Vertragsanpassung anzuhalten. Da der BKK-Hausarztvertrag zum 1. Juli 2010 in Kraft getreten sei, komme spätestens ab dem streitgegenständlichen Quartal 3/2010 die Meistbegünstigungsklausel zur Anwendung. Damit sei die zwischen den Parteien vereinbarte Hausarztvergütung anzupassen. Diesen Anspruch habe der Antragsteller bislang nicht erfüllt. Da der Antragsteller bereits die grundsätzliche Anwendung der Meistbegünstigungsklausel auf den BKK-Hausarztvertrag bezweifle, seien Verhandlungen über das "Wie" der Vertragsanpassung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Antragsgegnerin habe daher inzwischen ein Schiedsverfahren eingeleitet, um ihren Anspruch auf Vertragsanpassung durchzusetzen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens sei sie berechtigt, die Erfüllung des Zahlungsanspruchs gemäß § 273 BGB analog zu verweigern. Ein Anordnungsanspruch bestehe nicht. Auch ein Anordnungsgrund fehle. Eine Vergütungsminderung als solche sei noch kein "wesentlicher" Nachteil, der ein Abwarten der Hauptsache unzumutbar erscheinen lasse. Irreperable Rechtsnachteile des Antragstellers seien nicht zu befürchten und auch nicht glaubhaft gemacht worden.
Der Antragsteller legte ein Fax an alle Hausärzte vom 22.6.2011 vor, aus dem sich ergibt, dass der von der Antragsgegnerin überwiesene Betrag am 24.6.2011 an die Hausärzte ausbezahlt würde. Die Auszahlung erfolge jedoch unter dem Vorbehalt einer möglichen Rückzahlungsverpflichtung. Im Übrigen trägt der Antragsteller vor, dass die Behauptung der Antragsgegnerin, er habe Verhandlungen über die Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel abgelehnt, schlicht falsch sei. Er habe vielmehr wiederholt darum gebeten, mit ihm Verhandlungen über die Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel zu führen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Sie war zurückzuweisen.
Das Sozialgericht München hat im Beschluss vom 6. Juni 2011 die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung zutreffend bejaht.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung), gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Der Antragsteller begehrt die Zahlung des von der Antragsgegnerin einbehaltenen Betrages von 16.179.057,23 EUR, also den Erlass einer Regelungsanordnung. Eine Regelungsanordnung kann erlassen werden, wenn ein Anordnungsanspruch, das heißt ein materielles Recht, und ein Anordnungsgrund, das Erfordernis einer einstweiligen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, glaubhaft gemacht wurden.
Das Sozialgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein Anordnungsanspruch besteht. Die Antragstellerin hat einen Zahlungsanspruch in voller Höhe der am 23. November 2010 angeforderten Schlusszahlung mit Fälligkeitsdatum 13.12.2010. Dieser Zahlungsanspruch ist nicht durch die Anwendung der so genannten Meistbegünstigungsklausel gemäß § 24 Abs. 1 des Hausarztvertrages reduziert. Der Antragsgegnerin steht auch kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB zu.
Die Meistbegünstigungsklausel führt nicht zu einer automatischen Verringerung des Vergütungsanspruchs der Antragstellerin für die erbrachten Leistungen im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung im Beschluss vom 17. Januar 2011 (L 12 KA 123/10 B ER) fest und nimmt auf die Ausführungen insoweit Bezug. Eine entsprechende einvernehmliche oder geschiedste Anpassung erfolgte für das streitgegenständliche Quartal 3/2010 unstreitig nicht. Damit ist nicht entscheidungserheblich, inwieweit die Tatbestandsvoraussetzungen der Meistbegünstigungsklausel erfüllt sind, insbesondere, ob die Verträge vergleichbar im Sinne von § 24 Abs. 1 S. 2 Hausarztvertrag sind.
Die Antragsgegnerin hat auch kein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Antragsteller, wie das SG zutreffend festgestellt hat.
Zwar ist bei öffentlich rechtlichen Verträgen § 273 BGB grundsätzlich anwendbar (§ 61 S. 2 SGB X). Beim vorliegenden Hausarztvertrag kann jedoch nicht auf § 273 BGB zurückgegriffen werden, weil dem die Natur des Schuldverhältnisses entgegensteht (vgl. insoweit Palandt/Grüneberg, § 273, Rn. 15 ff.). Ein Zurückbehaltungsrecht scheidet aus, wenn es allgemein dem Wesen der Verpflichtung, die der Schuldner zu erfüllen hat, widersprechen würde (Staudinger/Bittner, 2009, § 273 Rn. 81). Dies ist beim Hausarztvertrag der Fall. Die hausarztzentrierte Versorgung ist ein Sonderbereich strukturvertraglich geregelter Leistungen, der vom Grundmodell der gesamtvertraglichen Versorgung nach § 83 SGB V abweicht und den Bereich der hausärztlichen Versorgung aus dieser ausgliedert. Dennoch entspricht der Hausarztvertrag in seiner Grundstruktur wie auch in der Funktion einem Gesamtvertrag, wobei an die Stelle der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Landesverbände der Krankenkassen die sektoralen Teilnehmer, die Krankenkassen und die Hausarztverbände, treten und die Vergütung nach § 12 Hausarztvertrag der Gesamtvergütung entspricht.
Bei Gesamtverträgen besteht kein Zurückbehaltungsrecht bezüglich der nach den §§ 85 und 85 a SGB V vereinbarten Gesamtvergütung. Hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Gesetzgeber hat deshalb besondere Vorkehrungen getroffen, um einseitige Einflussnahmen auf die Gesamtverträge zu verhindern. So hat er in § 89 SGB V ein Schiedsamtsverfahren vorgesehen und zudem in § 89 Abs. 1 S. 4 SGB V die Fortgeltung der bisherigen vertraglichen Regelungen bis zu einer Entscheidung des Schiedsamts angeordnet. Ein Leistungsverweigerungsrecht ist nur in § 75 Abs. 1 S. 3 SGB V für den Fall vorgesehen, dass die Kassenärztliche Vereinigung ihrem Sicherstellungsauftrag aus Gründen, die sie zu vertreten hat, nicht nachkommt. Ein Leistungsverweigerungsrecht setzt also eine schwere, nachhaltige, verschuldete Störung vertraglicher Hauptleistungspflichten voraus. Damit ist bei Gesamtverträgen ein allgemeiner Rückgriff auf § 273 BGB trotz der Verweisungsvorschrift in § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V ausgeschlossen (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 3. Dezember 2008, L 12 KA 5/08).
Der besonderen, die Gesamtverträge ersetzenden Funktion der Verträge über die hausarztzentrierte Versorgung hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass er parallel zum Schiedsamtsverfahren nach § 89 SGB V in § 73 b Absatz 4 a SGB V ein Schiedsverfahren vorgesehen hat, falls ein Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung nicht zustande kommt. Auch die Partner des Hausarztvertrages, Antragsteller und Antragsgegnerin, haben dieser besonderen Funktion des Hausarztvertrages dadurch Rechnung getragen, dass in § 19 Hausarztvertrag eine Schiedsklausel für alle Streitigkeiten, die im Rahmen der Durchführung des Hausarztvertrages oder seiner Anlagen entstehen, aufgenommen wurde. Dieses Schiedsverfahren ist vor anderen Maßnahmen vorrangig und schließt deshalb parallel zu den gesamtvertraglichen Vorschriften ein Zurückbehaltungsrecht zur Sicherung vertraglicher Rechte aus. Dass sich die Parteien bisher nicht über eine detaillierte Regelung des Schiedsverfahrens gemäß Anlage 14 einigen konnten, ändert an der Wirksamkeit der vereinbarten Regelung nichts. Den Vertragspartnern bleibt es unbenommen, bei einer fehlenden Einigung über ein durchzuführendes Schiedsverfahren gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wegen dieses der besonderen Natur des Hausarztvertrages Rechnung tragenden Vorrangs eines Schiedsverfahrens ist ein Zurückbehaltungsrecht bei einer fehlenden Einigung über die Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel ausgeschlossen.
Nachdem der Anordnungsanspruch auf Zahlung des streitgegenständlichen Betrages glaubhaft gemacht wurde, sind an den Anordnungsgrund nur geringe Anforderungen zu stellen. Der Senat sieht bei dieser Situation einen wesentlichen Nachteil bereits darin, dass ohne die einstweilige Anordnung auf längere Zeit keine endgültige Verteilung des Honorars auf die teilnehmenden Hausärzte möglich ist.
Der Beschluss des SG ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil er eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung war. Die streitgegenständliche Summe wurde zwar nicht zurückgestellt, sondern an die am Hausarztvertrag beteiligten Ärzte ausbezahlt. Diese Auszahlung erfolgte jedoch unter dem Vorbehalt der Rückforderung, wie sich aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Telefax vom 22.6.2011 an alle Hausärzte ergibt. Damit schlagen die Bedenken der Antragsgegnerin, die Zahlung dieses Betrages sei endgültig, nicht durch.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG, § 154 Abs. 2 VwGO.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved