L 15 SB 3/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 SB 162/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 3/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Nürnberg vom 17. November 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Begehren des Klägers zulässig ist, die Herabsetzung eines Einzel-GdB bei gleichbleibendem Gesamt-GdB und ohne Änderung bei der Gewährung der Merkzeichen abzuwehren bzw. eine Erhöhung eines Einzel-GdB zu verlangen.

Bei dem 1936 geborenen Kläger wurden zuletzt verbindlich mit Abhilfebescheid vom 22. Januar 2009 ein Gesamt-GdB von 100 und die Merkzeichen "RF", "aG", "G" und "B" anerkannt.

Dabei wurden die Behinderungen wie folgt bezeichnet:
1. Unwillkürlicher Stuhlabgang (Einzel-GdB 80).
2. Herzleistungsminderung, Herzmuskelerkrankung, abgelaufener Herzinfarkt, Durchblutungsstörungen des Herzens, Bluthochdruck, Gleichgewichtstörungen (Einzel-GdB 70).
3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, Entkalkung des Knochens (Osteoporose) (Einzel-GdB 30).
4. Psychovegetative Störung, sensitive Persönlichkeitsstruktur, phobische Angsterkrankungen (Einzel-GdB 30).
5. Kniegelenksverschleiß beidseits, Belastungsschmerzen im Hüftbereich links, SenkSpreizfuß-Bildung beidseits (Einzel-GdB 20).
6. Zuckerkrankheit (mit Diät und oralen Antidiabetica einstellbar) (Einzel-GdB 20).
7. Anfallsweise Kopfschmerzen (Cluster-Kopfschmerz) (Einzel-GdB 10).

Mit diesem Abhilfebescheid war ohne Änderung des Gesamt-GdB das Merkzeichen "RF" zuerkannt worden.

Mit Schreiben vom 26.01.2009 beantragte der Kläger die Erhöhung des Einzel-GdB für die Behinderung der Herzleistung auf 90 wegen Verschlimmerung. Die Überprüfung durch den Medizinischen Dienst ergab, dass die Gewährung von Merkzeichen "RF" wegen der Stuhlinkontinenz anhand der vorliegenden Befunde nicht schlüssig sei, allerdings im Hinblick auf die Herzinsuffizienz des Stadiums IV nicht von einer zweifelsfrei unrichtigen Gewährung des Merkzeichens "RF" ausgegangen werden könne. Allerdings betrage der Einzel-GdB für den unwillkürlichen Stuhlabgang 50, nicht 80.

Im streitigen Bescheid vom 2. März 2009 wurde der Antrag auf Neufeststellung nach § 69 SGB IX abgelehnt mit der Begründung, dass keine wesentliche Änderung bei den Merkzeichen und dem Gesamt-GdB eingetreten sei und für eine Änderung des Einzel-GdB ein Feststellungsinteresse nicht bestehe. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 24.06.1998, B 9 SB 17/97 R) seien die der Behinderung zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen erst in der Begründung eines Bescheides zu nennen, so dass Anträge auf isolierte Feststellung von Gesundheitsstörungen - sofern sich nicht aus den Umständen ergebe, dass dadurch eine Erhöhung des Gesamt-GdB oder die Zuerkennung eines weiteren Merkzeichens gewünscht werde- unzulässig sei.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 4. März 2009 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2009 vom Beklagten zurückgewiesen wurde erneut mit der Begründung, ein Feststellungsinteresse bestehe nicht.

Mit zahlreichen Schreiben und Beschwerden an die Amtsleitung und das Staatsministerium beklagte der Kläger das Vorgehen der Behörde, insbesondere die Herabsetzung eines Einzel-GdB, die er als Unrecht empfinde. Im Übrigen sei er der Meinung, dass eine derartige Lappalie mittels Verwaltungsakt ohne kostspielige weitere ärztliche Stellungnahme zu erledigen wäre. Das Staatsministerium wies ihn auf die Rechtsprechung des BSG zum fehlenden Anrecht auf eine Erhöhung des Einzel-GdB hin.

Mit Schreiben vom 08.04.2009 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg mit dem Antrag auf Feststellung eines Einzel-GdB von 90 für die Herzinsuffizienz sowie Einzel-GdB 80 für den unwillkürlichen Stuhlabgang. Neben der Begründung, warum aus medizinischen Gründen der GdB zu erhöhen sei, trug der Kläger vor, er betrachte es als überflüssigen Auftrag und sinnlose Aktivität, wenn die Bearbeitung eine Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes in Auftrag gegeben habe. Es hätte lediglich einer Mitteilung an ihn mit entsprechender Stellungnahme des Versorgungsamts Nürnberg zu seinem Anliegen bedurft und alle nachfolgenden kostspieligen Aktivitäten einschließlich der anhängigen Klage wären vermeidbar gewiesen.

Der Beklagte beantragte die Klage mangels Rechtsschutzinteresses abzuweisen, da wie er dem Kläger selbst bereits mitgeteilt habe, die Forderung auf Rücknahme des angefochtenen Bescheides unbegründet und die Feststellung eines Einzel GdB unzulässig sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2009 war der Kläger persönlich anwesend und beantragte die Aufhebung des Bescheides vom 02.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2009 sowie den Beklagten zu verurteilen, die Gesundheitsstörungen um den Komplex "Herzerkrankung" mit einem Einzel-GdB von 90 und den "unwillkürlichen Stuhlabgang" weiterhin mit einem Einzel-GdB von 80 anzuerkennen.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 17. November 2009 ab. Die Klage sei unzulässig, da für die Zuerkennung eines höheren Einzel-GdB oder die Beibehaltung eines Einzel-GdB ein Rechtsschutzbedürfnis nicht bestehe, insbesondere da dem Kläger ein höherer Gesamt-GdB als 100 nicht zuerkannt werden könne und im Übrigen alle Merkzeichen, die von ihm beantragt wurden, auch zuerkannt seien.

Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 5. Januar 2010 eingelegte Berufung, zu deren Begründung der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt hat. Er ist außerdem der Auffassung, dass durch den für ihn nachteiligen Bescheid vom 02.03.2009 in seine Rechte eingegriffen worden und die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung nicht erfolgt sei, außerdem seien die Gründe für einen Widerruf des rechtmäßigen nicht begünstigenden Verwaltungsakt nach § 46 SGB X nicht erfüllt.

Mit Schreiben des Senats vom 22.02.2010 und 29.03.2010 wurde er zur Rücknahme der Berufung aufgefordert, es wurde ausführlich dargelegt, dass bei fehlender Änderung des Gesamt-GdB nach der Rechtsprechung ein Feststellungsinteresse und damit ein Rechtsschutzbedürfnis nicht bejaht werden könne.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 21.03.2010 und 27.04.2010 an seinem Vorbringen festgehalten. Er sieht ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben, um "derartige unqualifizierte und verantwortungslose Veranlassungen für die Zukunft zu verhindern". Er sei davon überzeugt, dass vom Bayerischen Landessozialgericht die Zusammenhänge erkannt werden und hoffe, dass den Versorgungsbehörden zumindest eine Rüge wegen ihrer sinnlosen und kostspieligen Aktivitäten erteilt werde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17. November 2009, sowie den Bescheid des Beklagten vom 2. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei den anerkannten Behinderungen für die Behinderung "Herzleistungsminderung" einen Einzel-GdB von 90 und für die Behinderung "unwillkürlicher Stuhlabgang" einen Einzel-GdB von 80 anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen

Er ist der Auffassung, das Sozialgericht Nürnberg habe zu Recht ausgesprochen, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung einzelner höherer Einzel-GdB-Sätze nicht bestehe. Es sei auch kein Anhörungsverfahren durchzuführen gewesen. Ein Eingriff in die Rechte des Klägers sei nicht erfolgt, da der höchstmögliche festgestellte Gesamt-GdB von 100 nicht geändert wurde. Ebenso sei keine Änderung bei den Merkzeichen vorgenommen worden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten des Beklagten, des Sozialgerichts Nürnberg und des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz
- SGG -) ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Klagebegehren unzulässig ist, da ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für die von ihm begehrte Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB nicht besteht, so dass der Beklagte eine Neufestsetzung ablehnen durfte.

Wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, erwachsen die Einzel-GdB-Werte nicht in Rechtskraft, ebenso wenig wie die Formulierung der einzelnen Gesundheitsstörungen.

Der Beklagte hat daher zu Recht im streitgegenständlichen Bescheid den Antrag des Klägers abgelehnt.

Das Bundessozialgericht hat bereits im Urteil vom 24. Juni 1998 (B 9 SB 17/97 R) im Leitsatz 1 festgestellt: "Eine Klage auf Verurteilung der Versorgungsverwaltung zur isolierten Feststellung von Gesundheitsstörungen bzw. Funktionsbeeinträchtigungen als (weitere) Behinderungen ist wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig." Festgestellt wird nach § 69 Abs. 1 SGB IX der Grad des (Gesamt -) GdB, nicht jedoch der jeweilige Einzel-GdB. Das BSG hat dazu in einer weiteren Entscheidung vom 10.09.1997 (9 RVS 15/96) ausgeführt, dass es nicht "mehrere Behinderungen", sondern nur einen Gesamtzustand "der Behinderung" gibt, der zwar auch auf den Auswirkungen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen beruhen kann, der aber stets nur mit einem (Gesamt-)GdB zu bewerten ist. Dies ergab sich bereits aus den §§ 3, 4 Schwerbehindertengesetz. Auch die Anhaltspunkte folgen dieser Terminologie. An diesen Feststellungen hat sich durch das Inkrafttreten des SGB IX nichts geändert, sowohl die Bezeichnung der Funktionsstörungen als auch der Einzel-GdB dienen der Begründung des Feststellungsbescheides und können nicht einzeln Gegenstand eines Klageverfahrens sein. Dies gilt umso mehr, als beim Kläger ein höherer GdB als 100 nicht festgestellt werden kann und auch keine sonstigen Auswirkungen der Einzel-GdB mehr denkbar sind, da er alle von ihm begehrten Merkzeichen vom Beklagten zuerkannt bekommen hat.

Ein Feststellungsinteresse des Klägers kann daher nicht erkannt werden. Der Beklagte hat zu Recht die Neufeststellung der Funktionsbehinderungen mit einem erhöhten Einzel-GdB abgelehnt, ein Rechtsschutzinteresse des Klägers, gegen diese Entscheidung vorzugehen besteht nicht, so dass das Sozialgericht zu Recht die Klage bereits als unzulässig abgewiesen hat.

Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass nicht der Beklagte den Anlass für den Rechtsstreit gesetzt hat, sondern der angegriffene Bescheid vom 02.03.2009 auf seinen Antrag zurückgeht, für die Herzerkrankung einen höheren Einzel-GdB festzusetzen.

Sämtliche Vorwürfe gegen das Verhalten des Beklagten sind unbegründet - allein der Kläger selbst hat die von ihm als sinnlos bezeichnete Aktivität veranlasst.

Zur Vermeidung zukünftig ähnlichen Verhaltens hat der Senat, die Verhängung von Verschuldenskosten nach § 192 SGG in Erwägung gezogen, davon im Hinblick auf die offenbar fehlende Einsichtsfähigkeit des Klägers aber abgesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe gemäß § 160 Abs. 2 Ziff. 1und 2 SGG, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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