L 2 AL 73/08

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 18 AL 708/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 73/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des sozialgerichtlichen Urteils vom 29. August 2008 zu 1 klarstellend wie folgt gefasst wird: Der Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2006 wird insoweit aufgehoben, als er die Forderung von Zinsen in Höhe von 19.456,82 EUR betrifft. 2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Rechtmäßigkeit einer von der Beklagten geltend gemachten Zinsforderung in Höhe von 19.456,82 EUR wegen nicht alsbaldiger Verwendung einer Zuwendung.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 1993 bewilligte die Beklagte der Klägerin im Rahmen institutioneller Förderung der beruflichen Rehabilitation für den Neubau eines Ausbildungsgebäudes und Umbau in bestehenden Gebäuden eine zweckgebundene Zuwendung in Höhe von 10.087.000 DM, wovon 8.000.000 DM als Darlehen auf den Bau, 1.005.440 DM als Zuschuss auf den Bau und 1.081.560 DM als Zuschuss auf die Ausstattung entfielen. Zum Bestandteil des Bescheides wurden u.a. die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) gemacht, unter deren Ziffer 8.5 entsprechend § 44a Abs. 3 der Bundeshaushaltsordnung in der damals geltenden Fassung (BHO) geregelt war, dass für die Zeit von der Auszahlung von Zuwendungen bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen in Höhe von sechs vom Hundert für das Jahr verlangt werden können, wenn die Zuwendungen nicht alsbald nach der Auszahlung zur Erfüllung des Verwendungszwecks verwendet werden und der Zuwendungsbescheid nicht zurückgenommen oder widerrufen wird. Ziffer 1.4 ANBest-P bestimmte, dass die Zuwendung nur insoweit und nicht eher angefordert werden darf, als sie innerhalb von zwei Monaten nach der Auszahlung für fällige Zahlungen benötigt wird.

Zur Finanzierung des Bauvorhabens erhielt die Klägerin auch von anderen öffentlichen Trägern (Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Freie und Hansestadt Hamburg, Berufsgenossenschaften) Zuwendungen in Höhe von weiteren insgesamt etwa 17.000.000 DM. Die Beklagte stellte die von ihr bewilligten Mittel in den Haushaltsjahren 1994 (Darlehen über 8.000.000 DM sowie Zuschuss in Höhe von 1.600.000 DM) und 1995 (Zuschuss in Höhe von 487.000 DM) bereit. Der ursprünglich für die Zeit vom 01.01.1994 bis zum 31.12.1995 gesetzte Bewilligungszeitraum wurde mehrfach verlängert, zuletzt mit Bescheid vom 31.07.2000 bis zum 30.09.2000.

Im Rahmen zweier in der Einrichtung der Klägerin am 04.06.2003 und 22.07.2004 durchgeführter Prüfungen der Verwendungsnachweise für Ausstattung stellte die Beklagte fest, dass von dem diesbezüglichen Zuschuss in Höhe von 1.081.560 DM jedenfalls ein Anteil in Höhe von 1.003.884,56 DM nicht fristgerecht verwendet worden war, d.h. nicht innerhalb von zwei Monaten nach Auszahlung, die am 29.11.1994 in Höhe von 594.560 DM sowie am 20.12.1995 in Höhe von 487.000 DM - und nach zwischenzeitlicher Rückzahlung eines Teilbetrags am 01.03.1996 erneut am 01.04.1996 in Höhe von (mindestens) 264.700 DM - erfolgt war. Den Verwendungsnachweisen entsprechend ergaben sich ab dem 30.11.2004 Teilzeiträume, für die Zinsen wegen nicht alsbaldiger Mittelverwendung geltend gemacht werden könnten, von denen der letzte am 13.02.1997 endete (Übersicht in Anlage 2 zum Vermerk der Beklagten vom 21.01.2005).

Mit Bescheid vom 07.02.2005, der daneben noch weitere Regelungen enthielt, forderte die Beklagte von der Klägerin auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung eines Zinssatzes von sechs vom Hundert für das Jahr die Zahlung von Zinsen in Höhe von insgesamt 38.054,24 DM (19.456,82 EUR). Da die Zuwendungsbeträge für Ausstattung in Höhe von 1.003.884,56 DM nicht innerhalb von zwei Monaten nach Auszahlung verwendet worden seien, seien diese gemäß § 50 Abs. 2a des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), in den ebenso wie in das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) die wesentlichen Inhalte der Regelung des mit Gesetz vom 02.05.1996 aufgehobenen § 44a BHO übernommen worden seien, in Verbindung mit Nr. 1.4 ANBest-P bis zur tatsächlichen Verwendung mit 6% - dem nach der BHO und den ANBest-P geltenden, der Neuregelung gegenüber niedrigeren Zinssatz entsprechend - zu verzinsen. Die Zahlung habe innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides zu erfolgen.

Gegen den Bescheid insgesamt erhob die Klägerin am 03.03.2005 zunächst "vorsorglich" Widerspruch, den sie mit Schreiben vom 17.06.2005 und 25.08.2005 konkretisierte und begründete. Im Wesentlichen wandte sie sich gegen die Forderung von Zinsen in Höhe von 19.456,82 EUR und erhob insoweit die Einrede der Verjährung. Da weder § 50 Abs. 2a SGB X noch § 44a Abs. 3 BHO eine Regelung über die Verjährung enthielten, seien die Verjährungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entsprechend heranzuziehen. Nach § 197 BGB in der hier anwendbaren, bis zum Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 01.01.2002 geltenden Fassung (aF) verjährten Ansprüche auf Rückstände von Zinsen binnen vier Jahren. Da die Verjährung nicht erst mit dem Erlass eines Bescheides über die Rückforderung von Zinsen, sondern in entsprechender Anwendung von § 201 BGB aF mit dem Schluss des Jahres, in dem die Leistung ausgezahlt worden sei, beginne, berechne sich die vierjährige Verjährungsfrist vorliegend ab dem 31.12.1996, so dass die Ansprüche am 31.12.2000 verjährt seien. Selbst wenn man eine 30jährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB aF annähme, wäre am 31.12.2004 Verjährung eingetreten, weil gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 des Einführungsgetzes zum BGB (EGBGB) die neue dreijährige Regelverjährungsfrist für alle Ansprüche gelte, die am 01.01.2002 bestanden hätten und die noch nicht verjährt gewesen seien. Die Klägerin forderte die Beklagte auf, den zunächst innerhalb der im Bescheid gesetzten Zahlungsfrist überwiesenen Betrag zurückzuzahlen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2006, abgesandt am selben Tag, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Verwaltung habe im Fall nicht alsbaldiger zweckentsprechender Mittelverwendung gemäß § 50 Abs. 2a S. 3 SGB X die Möglichkeit, statt den Widerruf eines Zuwendungsbescheides nach § 47 Abs. 2 Ziff. 1 SGB X auszusprechen, lediglich für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Mittelverwendung Zinsen zu verlangen. Die Ausgestaltung der gesetzlichen Bestimmung begründe eine weite Ermessenskompetenz für die Sozialleistungsträger, bei deren Anwendung die zuständige Behörde vor allem den Zweck der gesetzlichen Regelung über die Zwischenzinsen zu bedenken habe, der darin bestehe, wirtschaftliche Vorteile abzuschöpfen, die der Zuwendungsempfänger aus der Zweckverzögerung gezogen habe. Mit der angefochtenen Entscheidung habe die Beklagte ermessensfehlerfrei von der bestehenden Möglichkeit des Widerrufs der Zuwendungsbeträge und einem entsprechenden Erstattungsverlangen abgesehen und rechtsfehlerfrei unter Beachtung des genannten Regelungszwecks lediglich die so genannten Zwischenzinsen geltend gemacht. Der Zinsanspruch sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verjährt. Ungeachtet der Frage, welche Verjährungsvorschriften konkret anzuwenden seien, könne deshalb keine Verjährung eingetreten sein, weil die Verjährungsfrist erst mit der Fälligkeit der Forderung zu laufen beginne. Der Zinsanspruch bei einem verzögerten Mitteleinsatz gemäß § 50 Abs. 2a S. 3 SGB X entstehe zwar in dem Zeitpunkt, zu dem die Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung bestimmungsgemäß verwendet worden sei, werde jedoch erst mit dem im Zahlungsbescheid genannten Zeitpunkt bzw. frühestens mit dessen Bekanntgabe, die im vorliegenden Fall nach § 37 Abs. 2 SGB X am 10.02.2005 anzunehmen sei, fällig, weil es sich um eine Ermessensentscheidung handele, also erst mit dem Zahlungsbescheid festgesetzt werde, ob überhaupt Zinsen zu zahlen seien. Würde die Zinsschuld bereits mit ihrer Entstehung fällig werden, ginge § 50 Abs. 2a S. 3 SGB X ins Leere.

Hiergegen hat die Klägerin am 10.08.2006 Klage erhoben, der das Sozialgericht mit seinem Urteil vom 29.08.2008, der Beklagten zugestellt am 11.09.2008, dadurch stattgegeben hat, dass es den "Bescheid der Beklagten vom 02.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2006" aufgehoben hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Bescheid der Beklagten vom 07.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2006 rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze, soweit die Beklagte Zinsen in Höhe von 19.456,82 EUR verlange. Die Beklagte habe keinen Anspruch auf Zinsen wegen nicht fristgerechter Mittelverwendung. Zum einen sei der angefochtene Bescheid ermessensfehlerhaft. Die Beklagte habe zwar grundsätzlich erkannt, dass die Forderung von Zinsen eine Ermessensentscheidung erfordere, und ihr sei auch der Zweck der Regelung, den sie im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen zu berücksichtigen habe, bekannt gewesen. Für das Gericht sei aber nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihr Ermessen tatsächlich betätigt habe. In der Ausgangsentscheidung seien Ermessensgesichtspunkte nicht ersichtlich. Eine Begründung der Ermessensentscheidung, warum im vorliegenden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles Zinsen zu fordern seien, nenne auch nicht der Widerspruchsbescheid. Das Gericht teile die Auffassung der Beklagten nicht, dass bereits dadurch, dass die Beklagte auf den Widerruf des Zuwendungsbescheides verzichtet habe, nur eine Entscheidung für die Zinsforderung ermessensfehlerfrei sein könne. In dem angefochtenen Bescheid habe sich die Beklagte auch nicht auf diese Begründung berufen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte die konkrete Situation und die Umstände, die zur verspäteten Verwendung der Mittel geführt hätten, berücksichtigt habe. Insbesondere wäre der erhebliche Zeitablauf bis zur Entscheidung der Beklagten zu berücksichtigen gewesen (Hinweis auf VG Weimar, Urteil vom 20.01.2005 – 8 K 4119/04.We, juris), weil nicht unerheblich sei, wie nach diesem Zeitablauf die Forderung von Zinsen noch als Druckmittel zur ordnungsgemäßen Verwendung der Mittel genutzt werden könne. Zu berücksichtigen wäre unter anderem auch gewesen, ob die Klägerin aus dem Umstand, dass sie die Leistung nicht alsbald zweckentsprechend verwendet habe, wirtschaftliche Vorteile gezogen habe oder hätte ziehen können. Zum anderen sei der geltend gemachte Zinsanspruch verjährt. Vermögensrechtliche Ansprüche öffentlich-rechtlicher Rechtsträger unterlägen grundsätzlich der Verjährung (Hinweis auf OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 11.02.2004 – 2 A 680/03, juris). Soweit spezialgesetzliche Regelungen fehlten und auch keine sachnäheren öffentlich-rechtlichen Vorschriften für eine Analogie in Betracht kämen, fänden für die Verjährung öffentlich-rechtlicher Vermögensansprüche die §§ 195 ff. BGB entsprechende Anwendung (Hinweis auf OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 11.02.2004, aaO). Dabei könne es dahinstehen, ob auf den streitigen Zinsanspruch § 197 aF BGB oder § 195 BGB nF zur Anwendung komme. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB fänden die Vorschriften in der Fassung des Gesetzes ab dem 1. Januar 2002 nur auf die an diesem Tage bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Die seit diesem Zeitpunkt geltende regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 n.F. sei jedenfalls abgelaufen. Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB nF beginne die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei. Entstanden sei der streitgegenständliche Zinsanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres der nicht fristgerechten Mittelverwendung (Hinweis auf VG Weimar, Urteil vom 20.01.2005, und OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 11.02.2004, jeweils aaO). Das Gericht teile die Auffassung der Beklagte nicht, dass die Verjährungsfrist erst mit Erlass des Bescheides, mit dem die Zinsen gefordert würden, beginne. Unter Zugrundelegung dieser Auffassung hätte allein die Beklagte den Beginn der Verjährungsfrist in der Hand. Dies sei aber unter Zugrundelegung des gesetzgeberischen Zwecks der Verjährung, nämlich des Schuldnerschutzes und des Rechtsfriedens ungerechtfertigt. Zwar setze das Entstehen der Forderung die Fälligkeit des Anspruches voraus (§ 271 BGB), gemäß § 271 BGB könne der Gläubiger jedoch eine Leistung sofort verlangen, wenn eine andere Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen sei. Maßgeblich sei nach Auffassung des Gerichtes hier, dass die Beklagte die Zinsen bereits in dem Jahr hätte verlangen können, in dem die Mittel nicht fristgerecht verwendet worden seien. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Beklagte auch den Bescheid erlassen können. Allein hierauf komme es an.

Mit ihrer am 26.09.2008 eingelegten Berufung hält die Beklagte an ihrer Auffassung fest, dass weder sie ermessensfehlerhaft gehandelt habe noch die Zinsforderung verjährt sei. In Fällen der vorliegenden Art sei Ermessen nur in atypischen Fallgestaltungen auszuüben. Die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit hätten ermessenslenkende Bedeutung, und bei fehlender Rücknahme bzw. fehlendem Widerruf sei nur die Entscheidung für eine Zinsforderung ermessensfehlerfrei. Wenn kein vom Regelfall abweichender Sachverhalt vorliege, verstehe sich das Ergebnis von selbst und Selbstverständliches bedürfe keiner Begründung. Dies gelte erst recht, wenn vom Widerruf abgesehen werde und lediglich Zinsen verlangt würden (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 26.06.2002 – 8 C 30/01, BVerwGE 116, 332). Ein atypischer Fall sei vorliegend nicht erkennbar. Insbesondere gebe es keinen Anlass, von fehlendem Verschulden des Zuwendungsempfängers auszugehen. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass eine Zinsforderung erhoben werden würde. Hiergegen habe sie keine Einwendungen erhoben und selbst eine Zinsberechnung vorgenommen. Die lange Dauer des Prüfungsverfahrens habe keine Auswirkung auf die Zinszeiträume, die Zinsforderung stelle regelmäßig kein Druckmittel mehr dar, sondern diene nur der Abschöpfung nicht gerechtfertigter Vermögensvorteile, wobei unerheblich sei, ob diese tatsächlich erzielt worden seien (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 26.06.2002, aaO). Verjährung sei deshalb nicht eingetreten, weil die Forderung erst mit Erlass des festsetzenden Zahlungsbescheids fällig geworden (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 27.04.2005 - 8 C 5/04, BVerwGE 123, 303) und die Fälligkeit der Forderung für den Beginn der Verjährung erforderlich sei. Mögliche Manipulationen am Verjährungsbeginn seien hinzunehmen. Eine Grenze könne allein in einer etwaigen Verwirkung liegen. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere ein Verwirkungsverhalten oder ein Verstoß gegen Treu und Glauben durch die Beklagte, lägen aber nicht vor.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. August 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht habe, dass ihr bewusst gewesen sei, dass in atypischen Fallgestaltungen Ermessen auszuüben sei (Hinweis auf Thüringer OVG, Urteil vom 18.02.1999 – 2 KO 61/96, NVwZ-RR 1999, 435). Im Übrigen lägen hier Besonderheiten insbesondere aufgrund des langen Zeitraums zwischen Abgabe der Verwendungsnachweise und Erlass des Bescheids vor. Verschulden auf Seiten der Klägerin sei nicht zu erkennen. Schließlich sei der Anspruch verjährt. Die von der Klägerin herangezogenen zivilrechtlichen Grundsätze berücksichtigten nicht die Besonderheiten des öffentlichen Rechts. Der Bescheiderlass sei nicht Voraussetzung für die Fälligkeit. Im Übrigen sei Verwirkung deshalb anzunehmen, weil es rechtsmissbräuchlich sei, die mehrfach abgelaufene Verjährungsfrist durch späte Verwendungsprüfungen und den späten Bescheiderlass hinauszuzögern.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 16.11.2011 beigezogenen, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist, soweit er mit der Klage angegriffen worden ist, also ausschließlich hinsichtlich der Forderung von Zinsen wegen nicht alsbaldiger Verwendung einer Zuwendung in Höhe von 19.456,82 EUR, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in deren Rechten. Da das Sozialgericht den Bescheid laut Tenor zu 1 des dortigen Urteils vom 29.08.2008 insgesamt aufgehoben und mit einem falschen Datum (02.02. statt 07.02.2005) bezeichnet hat, dies aber ausweislich der Entscheidungsgründe nicht gewollt hat, ist von einer offenbaren Unrichtigkeit des Tenors zu 1 im Sinne des § 138 SGG auszugehen und dieser entsprechend klarstellend zu fassen.

Gemäß § 50 Abs. 2a S. 3 SGB X in Verbindung mit Nr. 1.4 ANBest-P können, wenn die Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet wird, für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen geltend gemacht werden.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die der Klägerin gewährten Mittel für die Ausstattung jedenfalls in Höhe von 1.003.884,56 DM nicht alsbald für den bestimmten Zweck verwendet worden sind. Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht den tatsächlichen Umständen entspricht, sind nicht ersichtlich. Insofern sind die Voraussetzungen der Norm erfüllt. Dennoch ist der angefochtene Bescheid der Beklagten, mit dem die Zinsforderung gegenüber der Klägerin geltend gemacht wird, rechtswidrig. Zum einen ist er ermessensfehlerhaft (dazu 1.), zum anderen ist der Anspruch verjährt (dazu 2.).

1. Zu Recht hat das Sozialgericht befunden, dass der angefochtene Bescheid ermessensfehlerhaft ist. Selbst wenn man der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt, wonach es sich bei dem der Verwaltung im gleich lautenden § 49a Abs. 4 VwVfG eingeräumten Ermessen um ein intendiertes handelt, das angesichts der haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nur in atypischen Fallgestaltungen auszuüben ist (Urteil vom 26. 6. 2002, aaO), ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid zunächst nicht, dass die Beklagte sich dessen in Gänze bewusst gewesen ist. Diese stellt in erster Linie darauf ab, dass im Falle eines unterbleibenden Widerrufs des Zuwendungsbescheids ungleich zwingend die Zinsforderung geltend zu machen sei, auch wenn formelhaft erwähnt wird, dass die Beklagte "ermessensfehlerfrei" von der Möglichkeit der Zinserhebung Gebrauch mache. Darüber hinaus ist bei dem vorliegenden Sachverhalt insbesondere angesichts des erheblichen Zeitablaufs zwischen nicht fristgerechter Mittelverwendung und Festsetzung der nicht unerheblichen Zinsforderung bei schwieriger wirtschaftlicher Situation der Klägerin von besonderen Umständen im Sinne eines atypischen Sachverhalts auszugehen (ebenso: VG Weimar, Urteil vom 20.01.2005, aaO, Rdnr. 20). Als weiterer besonderer Umstand in diesem Sinne ist das fehlende Verschulden der Klägerin (zu diesem Aspekt: BVerwG, Urteil vom 26.6.2002, aaO) anzusehen. Gerade angesichts der sich immer wieder verlängernden Bauphase und des erforderlichen Blicks auf die Verwendung der Zuwendungen verschiedener Zuwendungsgeber gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die verzögerte Mittelverwendung der Klägerin vorzuwerfen ist.

Im Übrigen kann man der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum intendierten Ermessen durchaus kritisch gegenüber stehen. Zwar stellt der Gesetzgeber die Möglichkeit der Zinserhebung neben diejenige des Widerrufs. Letzterer bleibt aber auch bei (vorläufiger) Beschränkung auf die Zinsforderung nach § 50 Abs. 2a S. 3 letzter Halbsatz SGB X (entspricht § 49a Abs. 4 S. 3 VwVfG) immer noch möglich, so dass dann die Situation im Ergebnis derjenigen des § 50 Abs. 2a S. 1 und 2 SGB X (Verzinsung der Erstattungsforderung, von der abgesehen werden kann) entspräche, der wiederum ermessenlenkende Aspekte aufzeigt.

2. Im Übrigen ist der geltend gemachte Zinsanspruch für den Zeitraum vom 30.11.1994 bis 14.02.1997 verjährt, wie das Sozialgericht zu Recht meint. Die Berufung auf die Verjährung durch die Klägerin ist auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Rechtsfehlerfrei hat das Sozialgericht ausgeführt, dass angesichts fehlender unmittelbar anwendbarer Regelungen zur Verjährung des Zinsanspruchs wegen nicht fristgerechter Mittelverwendung diejenigen des BGB analog anzuwenden sind und dass die Verjährungsfristen hiernach zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids vom 07.02.2005 unabhängig davon abgelaufen waren, ob man die Verjährung der Zinsforderung nun nach § 197 BGB a.F. oder § 195 BGB bemisst, wobei nach Überzeugung des erkennenden Senats § 197 BGB a.F. einschlägig ist, der Zinsen ausdrücklich nennt (ebenso: VG Meiningen, Urteil vom 20.05.2009 – 2 K 252/08 Me, juris, Rdnr. 38 mwN auch zur Gegenansicht). Auch die Zinsforderung wegen nicht alsbaldiger Mittelverwendung ist kein aliud, sondern abhängig von einer – wenn auch zumindest vorläufig nicht geltend gemachten – Hauptforderung und berechnet sich nach einem Vomhundertsatz hieraus sowie einem Zeitraum, für den diese zu erbringen ist.

Die analoge Anwendung der Vorschriften des BGB auf die Zinsforderung wegen nicht fristgerechter Mittelverwendung ist sachgerecht und entspricht der herrschenden Auffassung (vergleiche nur OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 11.02.2004, aaO, sowie vom 11.03.2010 - OVG 2 B 1.09, juris; VG Meiningen, Urteil vom 20.05.2009, aaO). Es fehlt sowohl an einer unmittelbar anwendbaren als auch an einer sachnäheren Verjährungsvorschrift.

Die besondere Regelung in § 50 Abs. 4 SGB X zur Verjährung des Erstattungsanspruchs nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsbescheid unanfechtbar geworden ist, der in § 49a VwVfG keine Entsprechung hat, ist vorliegend nicht einschlägig. Bei der Zinsforderung handelt es sich gerade nicht um den Erstattungsanspruch, sondern einen solchen, der an dessen Stelle tritt. Eine entsprechende Anwendung der Regelung über den Erstattungsanspruch auf den Zinsanspruch verbietet sich vor dem Hintergrund, dass Letzterer für den Fall des Beginns der Verjährung erst nach Erlass des Festsetzungsbescheids zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden könnte. Beim Erstattungsanspruch ist die Situation eine andere, weil dessen Entstehung die vorherige Rücknahme bzw. den Widerruf oder die Aufhebung des Leistungsbescheides erfordert, welche wiederum nur zeitlich begrenzt möglich sind. Der Zinsanspruch hingegen entsteht bereits mit der nicht alsbaldigen - was nach überwiegender Auffassung sowie den auch im Zuwendungsbescheid vom 18.10.1993 in Bezug genommenen ANBest-P nach mehr als zwei Monaten der Fall ist - Verwendung der ausgekehrten Mittel (BVerwG, Urteil vom 27.04.2005 – 8 C 5/04, aaO; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.03.2010, sowie VG Meiningen, Urteil vom 20.05.2009, jeweils aaO mwN).

Damit ist die rechtliche Situation des Zinsanspruchs vergleichbar mit der Erhebung von Beiträgen im Unfallversicherungsrecht, die gemäß § 23 Abs. 3 SGB IV zwar erst nach Bescheiderlass fällig werden, aber zur Vermeidung des Ausschlusses einer möglichen Verjährung, die den Zweck des Schuldnerschutzes und der Rechtssicherheit hat, nach ganz herrschender Meinung unabhängig von diesem Fälligkeitszeitpunkt verjähren können: Unterschieden werden eine so genannte Zahlungsfälligkeit und eine Verjährungsfälligkeit, die zu dem Zeitpunkt eintritt, zu dem der Beitrag vom Unfallversicherungsträger hätte errechnet werden können (Seewald in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 70. Ergänzungslieferung 2011, § 25 Rn. 4).

Für eine solche Unterscheidung spricht auch das Vorhandensein der Regelung in § 52 SGB X zur Hemmung der Verjährung durch Erlass eines Verwaltungsakts, der zur Feststellung der Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird. Eine solche Regelung macht nur Sinn, wenn die Verjährungsfrist bereits vor Bescheiderlass zu laufen begonnen hat.

Auch das Steuerrecht trifft eine entsprechende Unterscheidung und bestimmt den Beginn der Festsetzungsfrist für Steuerfestsetzungen nach Tatbeständen, die nicht von der Steuerfestsetzung abhängen, sondern ähnlich wie bei einer Verjährungsfälligkeit an die bloße Möglichkeit der Steuerfestsetzung anknüpfen (§§ 169, 170 AO). Neben der analogen Anwendung der BGB-Verjährungsvorschriften käme möglicherweise auch diejenige der vorgenannten steuerrechtlichen in Betracht (Postier, juris-PR-BVerwG 17/2005 Anm. 5), wonach vorliegend ebenfalls Verjährung eingetreten wäre.

Unter Zugrundelegung der vorgenannten Überlegungen ist die von der Beklagten zur Stützung ihrer Ansicht herangezogene Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 27.04.2005 – 8 C 5/04, aaO), dass die Anspruchsentstehung nichts darüber aussage, wann die Bewilligungsbehörde die Zinsen vom säumigen Empfänger verlangen könne und dass die Fälligkeit erst mit der Bekanntgabe des Zahlungsbescheides eintrete, zwar richtig, sagt aber in den tragenden Gründen wegen Irrevisibilität ausdrücklich nichts darüber aus, zu welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Dies ist bei einer Unterscheidung zwischen Zahlungsfälligkeit und Verjährungsfälligkeit beim Zinsanspruch wegen nicht fristgerechter Mittelverwendung bereits mit der nicht alsbaldigen Verwendung der Fall (ebenso: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.03.2010, sowie VG Meiningen, Urteil vom 20.05.2009, jeweils aaO).

Die Berufung der Klägerin auf die ausgehend von der (Wieder-)Auszahlung des letzten Teilbetrags im April 1996 und Verwendung der letzten, der Zinsberechnung zugrunde gelegten Mittel im Februar 1997 demnach spätestens am 31.12.2001 eingetretene Verjährung ist nicht rechtsmissbräuchlich. Insbesondere liegt kein widersprüchliches Verhalten darin, dass die Klägerin mit Einlegung des Widerspruchs gegen den Zinsfestsetzungsbescheid mitteilte, dass der geforderte Betrag überwiesen werde. Wie sich aus dem Umstand der Anfechtung des Bescheides auch und gerade im Hinblick auf diese Zinsforderung ergibt, kann darin nur eine vorläufige Leistung, vermutlich vor dem Hintergrund der (vermeintlich) fehlenden aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Zu den hier entscheidungserheblichen, durch die Verwaltungsgerichte zur Parallelvorschrift im VwVfG unterschiedlich beantworteten Rechtsfragen gibt es noch keine ersichtliche sozialgerichtliche, schon gar keine höchstrichterliche Rechtsprechung.

Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe

Für die Revision vor dem Bundessozialgericht können Beteiligte, die nicht schon durch Bevollmächtigte der unter 1. oder 2. der Rechtsmittelbelehrung genannten Gewerkschaften oder Vereinigungen vertreten sind, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes beantragen.

Der Antrag kann von den Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten und ggf. durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - ggf. nebst entsprechenden Belegen - müssen bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Revision beim Bundessozialgericht eingehen.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann eine zur Vertretung bereite Rechtsanwältin oder ein bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und machen sie von ihrem Recht, eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf Antrag die beizuordnende Rechtsanwältin oder der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Die Revisionsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Rechtskraft
Aus
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