L 18 AL 255/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 64 AL 3321/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 255/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Weitergewährung von Vorruhestandsgeld (Vog) über den 31. Juli 1994 hinaus (bis 30. November 1994) sowie eine entsprechende Meldung der Beklagten an den beigeladenen Rentenversicherungsträger.

Die 1934 geborene Klägerin hatte mit ihrer Arbeitgeberin mit Wirkung vom 1. Oktober 1990 - dem Eintritt in den Vorruhestand - eine Vereinbarung zur Gewährung von Vog getroffen. Ab 1. Dezember 1990 hatte die Beklagte die Zahlung des Vog (Bescheid vom 19. Dezember 1990) "für die Zeit des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen, längstens jedoch bis zum 06/1994" übernommen (Zahlbetrag monatlich ab 1. Dezember 1990 = 798,- DM, ab 1. Januar 1991 = 853,- DM, ab 1. Januar 1992 = 1.096,- DM, ab 1. Januar 1993 = 1.312,- DM, ab 1. Juli 1993 = 1.478,- DM, ab 1. Januar 1994 = 1.553,- DM, ab 1. Juli 1994 = 1.607,- DM). Die Leistung endete mit Ablauf des 31. Juli 1994 (Vollendung des 60. Lebensjahres). Seit 1. Dezember 1994 (Antragsmonat) bezieht die Klägerin Altersrente (AR) für Frauen von der Beigeladenen.

Bei der Beklagten ging im November 2005 ein Schreiben der Klägerin an die Beigeladene vom 25. November 2005 ein, in dem die Klägerin im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. Juni 1994 (- 7 RAr 118/93 = SozR 3-8825 § 2 Nr. 2) darauf hinwies, dass in der Zeit vom 1. August 1994 bis 30. November 1994 keine Rentenversicherungsbeiträge für den Bezug von Vog an die Beigeladene abgeführt worden seien und auch keine Rentenzahlung erfolgt sei.

Mit Bescheid vom 22. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2006 lehnte die Beklagte eine Zahlung von Vog für die Zeit von August bis November 1994 ab, da ein Anspruch jedenfalls verjährt sei. Auch bei einer Wertung als Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) komme eine Leistung für das Jahr 1994 nicht mehr in Betracht.

Im Klageverfahren stützt sich die Klägerin ergänzend auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Sie habe sich im März 1992 schriftlich an die Beklagte gewandt und darauf hingewiesen, dass sie eine Witwenrente bei der Beigeladenen beantragt habe, woraufhin ihr der Hinweis erteilt worden sei, sich nach sechs Wochen bei der Beklagten zu melden. Die Beklagte sei daher spätestens im Juli 1994 verpflichtet gewesen, sie umfassend zu einem nahtlosen Übergang in die AR zu beraten.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Vog über den 31. Juli 1994 hinaus sowie Meldung des Vog-Bezugs an die Beigeladene gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 8. Juli 2010). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass dem begehrten Vog-Bezug § 44 Abs. 4 SGB X bzw. die von der Beklagten geltend gemachte Verjährung entgegen stünden. Die Verjährung sei auch nicht gehemmt gewesen. Mangels eines Vog-Anspruchs der Klägerin im streitigen Zeitraum sei die Beklagte auch nicht zu einer entsprechenden Meldung an die Beigeladene verpflichtet. Den Antrag der Klägerin auf Urteilsergänzung hat das SG mit Urteil vom 16. Dezember 2010 abgewiesen.

Mit der Berufung gegen das Urteil vom 8. Juli 2010 verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Auf Ihre Schriftsätze vom 23. August 2010 und 13. Mai 2011 wird Bezug genommen

Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2006 zu verpflichten, ihr unter Änderung des Bescheides vom 19. Dezember 1990 auch für die Zeit vom 1. August 1994 bis 30. November 1994 Vorruhestandsgeld zu gewähren und den Leistungsbezug an die Beigeladene zu melden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Vog-Akte der Beklagten und die Gerichtsakten (2 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Sie richtet sich ausweislich der Berufungsschrift (nur) gegen das Urteil des SG vom 8. Juli 2010, nicht aber das – zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vorliegende - Ergänzungsurteil dieses Gerichts vom 16. Dezember 2010. Gegen das letztgenannte Urteil, das der Klägerin am 24. Dezember 2010 zugestellt wurde und das selbständig anfechtbar ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 140 Rn 3a), hat sich die Klägerin nicht gewandt.

Soweit die Beklagte eine Änderung des Vog-Bewilligungsbescheides vom 19. Dezember 1990 im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X abgelehnt hat, kann dahinstehen, ob sie bei dessen Erteilung das Recht unrichtig angewandt oder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Denn eine rückwirkende Leistungsgewährung käme nur für einen Zeitraum bis zu vier Jahren, gerechnet vom Beginn des Jahres des Antragsmonats an, in Betracht (vgl § 44 Abs. 4 SGB X). Dies wäre vorliegend die Zeit ab 1. Januar 2001, da insoweit auf das als Überprüfungsantrag zu wertende Schreiben der Klägerin an die Beigeladene vom 25. November 2005 abzustellen ist. Die Klägerin begehrt aber Leistungen für das Jahr 1994. Ein insoweit als Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X anzusehendes zeitlich früher zu datierendes Begehren der Klägerin ist nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich dem von der Klägerin in Bezug genommenen Schreiben vom 2. März 1992 an das seinerzeitige Arbeitsamt I ein solches Begehren nicht ansatzweise entnehmen.

Soweit die Klägerin die Gewährung von Vog über den 31. Juli 1994 hinaus (bis 30. November 1994) geltend macht, kann sie sich auch nicht auf eine andere rechtliche Grundlage stützen. Der Vog-Bewilligungsbescheid vom 19. Dezember 1990 war ausdrücklich befristet "für die Zeit des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen, längstens jedoch bis 6/1994". Er wurde auch durch die nachfolgenden Anpassungsmitteilungen, die sich in der Regelung der Erhöhung der monatlichen Bezüge entsprechend der gesetzlichen Dynamisierung erschöpften, insoweit nicht geändert. Der Bescheid vom 19. Dezember 1990 kann daher keine Grundlage für die Gewährung von Vog auch über den 31. Juli 1994 hinaus sein. Aus der tatsächlichen Weitergewährung für den Monat Juli 1994 folgt nichts anderes. Sollte der Klägerin indes insoweit objektiv-rechtlich ein Anspruch auf Weitergewährung von Vog für die Zeit bis zum tatsächlichen AR-Beginn am 1. Dezember 1994 auf der Grundlage der von ihr zitierten BSG-Entscheidung vom 1. Juni 1994 (a.a.O.) zugestanden haben, wäre dieser Anspruch verjährt. Eine Hemmung der Verjährung ist nicht eingetreten. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil wird insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen (S 7 3. Absatz Zeile 1 bis S 8 Ende des 1. Absatzes) Hierbei gilt jedoch ohnehin, dass durch das Gesetz zur Änderung der Vog-Verordnung (Vog-VO-DDR) vom 26. Juli 1994, in Kraft mWv 19. Juni 1994 (BGBl I 1769), der Gesetzgeber zwischenzeitlich klarstellend zu § 2 Abs. 2 der VogVO-DDR (vgl. BT-Drucks 12/8039 S 4) ein Erlöschen des Vog-Anspruchs schon mit Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Altersrente geregelt hat, während die VogVO-DDR zuvor nach Ansicht des BSG (vgl aaO) ein Entfallen des Rentenanspruchs erst mit Gewährung der Rente vorsah (zum Ganzen BSG, Urteil vom 17. Oktober 1996 - 7 RAr 122/95 - juris). Über den 31. Juli 1994 hinaus stand der Klägerin daher ein Vog-Anspruch objektiv-rechtlich nicht mehr zu.

Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Denn auch insoweit gilt für die rückwirkende Gewährung von Leistungen eine Ausschlussfrist von vier Jahren (vgl. BSG, Urteil vom 27. März 2007 - B 13 R 58/06 R = SozR 4-1300 § 44 Nr. 9 mit umfangreichen Nachweisen). Es bedarf also auch keiner Klärung, ob der Beklagten und/oder der Beigeladenen ein Beratungsfehler anzulasten wäre, in dessen Folge der Klägerin rückwirkend Vog für den streitigen Zeitraum zu gewähren wäre. Indes darf im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die begehrte Rechtsfolge nur durch eine zulässige Amtshandlung erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 – B 13 R 44/09 R = SozR 4-1200 § 14 Nr. 13 m.w.N.). Eine Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vog an die Klägerin nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres besteht aber - wie dargelegt - nicht.

Mangels einer Pflicht zur Gewährung von Vog in dem in Rede stehenden Zeitraum kann auch keine entsprechende Meldepflicht der Beklagten bestehen. Ob die Zeit vom 1. August 1994 bis 30. November 1994 als rentenrechtliche Zeit zu berücksichtigen ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und von der Klägerin im vorliegenden Verfahren auch nicht geltend gemacht worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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