L 18 AS 1732/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 190 AS 17247/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1732/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2010 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 28. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2009 verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum 1. Mai 2009 bis 31. Oktober 2009 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 65,- EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1952 geborene Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II), darunter auch Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU). Er bewohnt seit 2001 in der H , B-S, eine 67,10 m2 große 2-Zimmer Wohnung.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 15. April 2008 KdU-Leistungen iHv monatlich 363,40 EUR (319,93 EUR Grundmiete zuzüglich 50,- EUR Heizkosten abzüglich 6,53 EUR Warmwasserpauschale [WWP]). Mit Änderungsbescheid vom 30. Juni 2008 wurden dem Kläger aufgrund einer zum 1. Juli 2008 eingetretenen Mieterhöhung für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Oktober 2008 KdU-Leistungen iHv monatlich 443,17 EUR (380,80 EUR Grundmiete zuzüglich 69,- EUR Heizkosten abzüglich 6,63 WWP) bewilligt. Mit Schreiben vom 30. Juni 2008 teilte der Beklagte dem Kläger mit, die derzeitigen KdU iHv 449,80 EUR seien nicht angemessen und forderte ihn auf, bis zum 31. Dezember 2008 die Kosten zu senken. Er gab ihm ferner Gelegenheit, sich binnen 4 Wochen zur Zumutbarkeit der Kostensenkung zu äußern und kündigte an, spätestens zum 1. Januar 2009 die KdU-Leistungen auf die von ihm für angemessen erachteten Kosten iHv 360,- EUR zu senken. Nachdem sich der Kläger auf dieses Schreiben nicht geäußert hatte, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 15. Oktober 2008 dem Kläger für die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2008 KdU-Leistungen iHv monatlich 443,17 EUR und für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 30. April 2009 iHv monatlich 360,- EUR. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2008 zurückgewiesen. Hierauf erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) und stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren, den Beklagten zu verpflichten, ihm für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 30. April 2009 KdU-Leistungen in Höhe von monatlich 443,17 EUR zu gewähren. Mit Beschluss vom 23. Januar 2009 gab das SG dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt (S 37 AS 38128/08 ER). Mit Änderungsbescheid vom 3. Februar 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 30. April 2009 KdU-Leistungen iHv monatlich 443,17 EUR und führte zur Begründung u.a. aus: "Folgende Änderungen sind eingetreten: Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung abzüglich Kosten für Warmwasser (sind in der Regelleistung enthalten); somit in Höhe von 443,17 EUR aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 23.01.2009. Die Nachzahlung wird dem Konto in den nächsten Tagen gutgeschrieben. Der Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wird deshalb teilweise aufgehoben." Das SG verurteilte den Beklagten mit Urteil vom 8. Mai 2009, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 30. April 2009 KdU-Leistungen iHv monatlich 443,17 EUR zu gewähren. Der Beklagte nahm die hiergegen eingelegte Berufung (L 32 AS 916/09) am 9. April 2010 zurück.

Mit Bescheid vom 28. April 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis zum 31. Oktober 2009 KdU-Leistungen iHv monatlich 378,- EUR. Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, dass er schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50 sei. Seine Wohnung läge im Erdgeschoss und das Badezimmer sei seinen spezifischen Bedürfnissen entsprechend saniert worden. Außerdem sei er in das soziale Umfeld am "Wohnort" eingebunden, wo sich seine behandelnden Ärzte befänden. Auch könne er vergleichbaren Wohnraum für den Preis des Regelsatzes nicht finden. Ferner sei im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Angemessenheit des Wohnraumes festgestellt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte aus: Entsprechend den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gem. § 22 SGB II – AV Wohnen – sei lediglich eine Bruttowarmmiete von 378,- EUR angemessen. Gründe, die für eine Abweichung hiervon sprächen, lägen nicht vor. Insbesondere sei die Einbindung in ein nachbarschaftliches Umfeld als ein nach den allgemeinen Lebensumständen gewöhnlicher Umstand zu bewerten. Die Erreichbarkeit von Ärzten innerhalb Berlins bliebe aufgrund des gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehrsnetzes gewährleistet. Der Gesundheitszustand des Klägers bedinge im Übrigen keine behindertengerechte, barrierefreie Wohnung. Eine Übernahme unangemessener Unterkunftskosten komme nicht in Betracht, da der Kläger intensive Suchbemühungen nach Erhalt der Kostensenkungsaufforderung nicht nachgewiesen habe.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen: Eine Wohnung unterhalb des derzeitigen Mietzinses sei auf dem relevanten Wohnungsmarkt im streitgegenständlichen Zeitraum nicht verfügbar gewesen. Die Kostensenkung sei auf Grund der Tatsache, dass er seit seiner Kindheit in derselben Straße wohne und sich die derzeitige Wohnung im Hinblick auf seine gesundheitlichen Einschränkungen, die ihm schweres Heben und Treppensteigen unmöglich machten, gesucht habe, unzumutbar. Der Beklagte hätte zudem, nachdem gerichtlich die Angemessenheit der Wohnung festgestellt worden sei, eine neue Kostensenkungsaufforderung mitteilen müssen. Das SG hat die Klage unter Zulassung der Berufung mit Urteil vom 20. August 2010 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der KdU in tatsächlicher Höhe bestehe für den streitigen Zeitraum nicht, weil die Kosten weder unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II als angemessene Unterkunftskosten noch als unangemessene Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu übernehmen seien. Nach dem von der Kammer hier angewandten eigenen schlüssigen Konzept seien Unterkunftskosten iHv 371,17 EUR für die Monate Mai und Juni 2009 sowie 371,03 EUR für die Monate Juli bis Oktober 2009 als angemessene Unterkunftskosten iSd § 22 Abs. 1 SGB II anzusetzen. Es bestehe auch kein Anspruch nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II auf Übernahme der unangemessenen KdU. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang überstiegen, seien sie nach dieser Vorschrift als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zuzumuten sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die unangemessenen Unterkunftskosten seien nicht berücksichtigungsfähig. Berücksichtigungsfähig seien die an sich unangemessenen Kosten nur dann, wenn eine Kostensenkung dem Kläger nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Es hätten für den Kläger objektiv Kostensenkungsmöglichkeiten bestanden. Besondere Gründe, die die Kostensenkung für den Kläger unzumutbar gemacht hätten, hätten nicht vorgelegen. Schließlich stehe dem Kläger aufgrund der in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II genannten, in der Regel sechs Monate dauernden Bestandsschutzfrist kein Anspruch auf Übernahme der unangemessenen KdU zu. Der Kläger sei mit Schreiben vom 30. Juni 2008 darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die vollen KdU nur noch bis zum 1. Januar 2009 übernommen werden könnten. Bis zur Absenkung der KdU-Leistungen im streitigen Bewilligungszeitraum seien sechs Monate vergangen. Gründe für eine Verlängerung dieser Frist über sechs Monate hinaus seien weder ersichtlich, noch vom Kläger dargelegt. Eines erneuten Hinweises auf die zu hohen KdU habe es nicht bedurft. Zum Zeitpunkt der Übernahme der KdU iHv 378,- EUR zum 1. Mai 2010 (gemeint: 2009) habe der Kläger nicht davon ausgehen können, dass der Beklagte seine tatsächlichen KdU als angemessen ansehe. Denn zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger vor dem SG lediglich einen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom 23. Januar 2009 erwirkt gehabt, mit dem der Beklagte "einstweilen" verpflichtet worden sei, die tatsächlichen KdU im vorherigen Bewilligungszeitraum zwischen dem 1. Januar 2009 und 30. April 2009 zu übernehmen. Einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wohne inne, dass sie regelmäßig nur vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache erfolge, um ggf. eintretende Nachteile auszugleichen, die auf Grund der Dauer eines Gerichtsverfahrens im jeweiligen Einzelfall eintreten könnten. Dementsprechend entspreche die Prüfungsdichte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht der im Hauptsacheverfahren. Der Kläger habe nach dem gerichtlichen Beschluss nicht befürchten müssen, dass er auch bei einem positiven Ausgang des Hauptsacheverfahrens Nachteile erleiden würde. Im Gegenzug hätte er bei negativem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, ohne sich auf Vertrauensschutz berufen zu können, die Überzahlung der KdU an den Beklagten erstatten müssen. Eine aufgrund der später erfolgten gerichtlichen Entscheidungen im Hauptsache- und Berufungsverfahren rückwirkende Begründung von Zweifeln, ob die tatsächlichen KdU angemessen sind, sei unbeachtlich, da die in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II normierte sechsmonatige Bestandsschutzgarantie an die tatsächlichen Gegebenheiten zum damaligen Zeitpunkt anknüpfe. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt u.a. vor: Auf Grund des Obsiegens hinsichtlich des vorangegangenen Bewilligungsabschnitts habe er zumindest eine sechs Monate dauernde Bestandsschutzfrist gehabt. Er habe im einstweiligen Rechtsschutz unmittelbar nach der Kostensenkungsaufforderung und in der Folge in zwei Instanzen bestätigt bekommen, dass seine Wohnkosten angemessen seien. Daher bestehe die Warnfunktion der Kostensenkungsaufforderung nicht mehr fort.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2009 zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum 1. Mai 2009 bis zum 30. Juni 2009 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 65,17 EUR und für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Oktober 2009 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 71,80 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor: Die Kostensenkungsaufforderung vom 30. Juni 2008 besitze weiterhin Wirkung. Dies gelte ungeachtet des Umstandes, dass der nach dem Beschluss vom 23. Januar 2009 im Verfahren S 37 AS 38128/08 ER erlassene Bescheid vom 3. Februar 2009 nicht als vorläufige Entscheidung ergangen sei. Die Kostensenkungsaufforderung sei zu keinem Zeitpunkt – auch nicht in Folge des angeführten Beschlusses – für gegenstandslos erklärt worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens S 37 AS 38128/08 (SG Berlin) = L 32 AS 916/09 haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist ganz überwiegend begründet.

Der Kläger kann von dem Beklagten im streitigen Leistungszeitraum vom 1. Mai 2009 bis 31. Dezember 2009 die Übernahme seiner tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (aF) beanspruchen.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II aF werden KdU-Leistungen nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Es kann offen bleiben, ob die Aufwendungen des Klägers für seine Unterkunft im streitigen Zeitraum angemessen waren. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II aF sind die Aufwendungen für die Unterkunft, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Im streitigen Leistungszeitraum war es dem Kläger nicht zuzumuten, durch einen Wohnungswechsel oder auf andere Weise die Aufwendungen für seine Unterkunft zu senken. Denn es fehlte an einer noch wirksamen Kostensenkungsaufforderung des Beklagten. Zwar ist eine Kostensenkungsaufforderung des Grundsicherungsträgers weder in § 22 SGB II normiert noch sonst formelle Voraussetzung für die Weigerung des Grundsicherungsträgers, mehr als die angemessenen Kosten zu übernehmen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7 b AS 10/06 R= SozR 4 – 4200 § 22 Nr. 2). Auch wenn die Kostensenkungsaufforderung kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal darstellt, ist sie bei der Prüfung der Frage, ob dem Hilfebedürftigen eine Kostensenkung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zuzumuten ist (bzw. war), aber gleichwohl von Bedeutung. Denn ein Hilfebedürftiger wird ohne eine ausdrückliche Kostensenkungsaufforderung nicht erkennen können, dass nach den heranzuziehenden Maßstäben seine Unterkunft nicht kostenangemessen ist. Regelmäßig ist sie deshalb Voraussetzung dafür, dass dem Einzelnen Kostensenkungsbemühungen als zumutbar abzuverlangen sind. Zur Funktion einer Kostensenkungsaufforderung hat das Bundesozialgericht (Urteil vom 7. November 2006 – B 7 b AS 10/06 R – aaO) ausgeführt, dass eine Kostensenkungsaufforderung Aufklärungs- und Warnfunktion hat, damit der Hilfebedürftige Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und ggf. die Heizung und einen Hinweis auf die Rechtslage erhält. An einer derartigen Kostensenkungsaufforderung fehlt es hier. Zwar hatte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 30. Juni 2008 dazu aufgefordert, die Kosten für seine Unterkunft zu senken. Zutreffend ist auch das SG in dem angegriffenen Urteil zum Ergebnis gekommen, dass (alleine) nach der zu Gunsten des Klägers ergangenen Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom 23. Januar 2009 – S 37 AS 38128/08 ER – dieser (noch) nicht davon ausgehen konnte, dass sich die Kostensenkungsaufforderung vom 30. Juni 2008 erledigt hatte. Indes hat das SG in diesem Zusammenhang in dem angegriffenen Urteil nicht berücksichtigt, dass der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 3. Februar 2009 die vom Kläger begehrten KdU-Leistungen iHv 443,17 EUR für den dem hier streitbefangenen Zeitraum vorausliegenden Zeitraum endgültig bewilligt hatte. Der Änderungsbescheid vom 3. Februar 2009 enthielt weder einen ausdrücklichen Vorläufigkeitsvorbehalt iSd § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II aF iVm § 328 Sozialgesetzbuch –Arbeitsförderung – noch lässt sich aus dessen Begründung erkennen, dass eine solche vorläufige Regelung getroffen werden sollte. Die Begründung nahm zwar insoweit Bezug auf den Beschluss des SG vom 23. Januar 2009 im Verfahren S 37 AS 38128/08 ER, als dieser als Anlass bzw. Grund für die erfolgte Berücksichtigung der tatsächlichen KdU bezeichnet wurde. Es fehlte jedoch jeder Hinweis darauf, dass die nunmehr getroffene Regelung nur in Ausführung des Gerichtsbeschlusses ergehen und ausschließlich eine vorläufige Begünstigung des Klägers herbeiführen sollte. Soweit – wie geschehen - mit dem Änderungsbescheid vom 3. Februar 2009 der Bewilligungsbescheid (vom 15. Oktober 2008) teilweise aufgehoben wurde, spricht dies ebenfalls dafür, dass der Beklagte – was er im Berufungsverfahren auch zugestanden hat - eine endgültige Regelung getroffen hatte.

Mit der Bewilligung vom 9. Februar 2009, die in ihrer Endgültigkeit eben nicht durch die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gedeckt und veranlasst war, setzte sich der Beklagte in Widerspruch zu der Kostensenkungsaufforderung vom 30. Juni 2008. Nach dem Inhalt des Änderungsbescheides vom 3. Februar 2009 konnte der Kläger nämlich den Eindruck gewinnen, dass der Beklagte hinsichtlich der Angemessenheit der KdU seinen Standpunkt revidiert hatte und mithin der vorangegangenen Kostensenkungsaufforderung keine Bedeutung mehr zukommen sollte. Zumindest hatte das widersprüchliche Verhalten des Beklagten zur Folge, dass nunmehr keine Klarheit mehr über dessen Auffassung hinsichtlich der angemessenen KdU bestand. Damit konnte die Kostensenkungsaufforderung vom 30. Juni 2008 jedoch die ihr zukommende Aufklärungs- und Warnfunktion nicht mehr erfüllen. Ohne die nunmehr nicht mehr gegebene und nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erforderliche Kenntnis der für den Hilfebedürftigen bestehenden Obliegenheit zur Senkung der KdU (vgl. BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 – B 14 AS 14/08 R -, juris) konnten Kostensenkungsmaßnahmen vom Kläger bis auf weiteres nicht (mehr) erwartet werden (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R - , juris). Die tatsächlichen Aufwendungen waren daher jedenfalls für den streitigen Zeitraum weiter zu übernehmen. Diese beliefen sich unter Berücksichtigung der seit Juli 2008 maßgeblichen Miete von 449,80 EUR (380,80 EUR "Grundmiete" zuzüglich 69,- EUR Heizkosten) für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 30. Juni 2009 unter Abzug der maßgeblichen WWP von 6,33 EUR (vgl. BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 106/10 R -, juris) auf monatlich 443,47 EUR bzw. für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 31. Oktober 2009 (WWP: 6,47 EUR; vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. Juli 2011 - L 5 AS 177/11 B ER -, juris) auf 443,33 EUR. Unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II aF hatte der Beklagte mithin für den gesamten streitbefangenen Zeitraum einen monatlichen Betrag iHv 443,- EUR als KdU- Leistung zu gewähren. Über den von dem Beklagten mit dem angegriffenen Bescheid zuerkannten Betrag von monatlich 378,- EUR hinaus stehen dem Kläger damit weitere 65,- EUR monatlich als KdU-Leistung zu.

Soweit der Kläger weitere KdU-Leistungen iHv monatlich 0,17 EUR bzw. 6,80 EUR begehrt, ist die Berufung zurückzuweisen, da eine Anspruchsgrundlage hierfür nicht ersichtlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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