L 8 U 2086/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 461/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2086/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. April 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen der Folgen eines am 04.10.2001 erlittenen Arbeitsunfalls Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente hat.

Der 1953 geborene Kläger klemmte am 04.10.2001 bei seiner beruflichen Tätigkeit seinen rechter Unterarm zwischen Eisenteilen ein. Am 08.10.2001 diagnostizierte Dr. K. eine Ellbogenkontusion rechts mit Verdacht auf Band-/Kapselverletzung. Der Röntgenbefund ergab keinen Hinweis für eine knöcherne Verletzung (H-Arztbericht von Dr. K. vom 08.10.2001). Die Magnetresonanztomographie (MRT) am 09.10.2001 zeigte eine Quetschung des rechten Ellenbogens mit ossärer Prellmarke im Bereich des proximalen Ulnaendes, direkt intraarticulär mit Ergussbildung (Befundbericht von Dr. M. vom 09.10.2001). Arbeitsunfähigkeit bestand vom 08.10.2001 bis 15.10.2001. Bei der Befundkontrolle am 30.11.2001 wurden noch belastungsabhängige Schmerzen angegeben (Bericht Dr. K. vom 04.12.2001). Zu einer weiteren Befundkontrolle hatte sich der Kläger bei Dr. K. nicht mehr eingefunden (Bericht Dr. K. vom 14.01.2002).

Wegen eingeschränkter Ellbogenfunktion rechts und erheblichem Druckschmerz am Epicondylus radialis stellte sich der Kläger im Mai und August 2002, im September und Oktober 2003 sowie März 2004 bei Dr. K. vor. Zuletzt unter der Diagnose einer posttraumatischen ulnaren Epikucondylopathie wurde der Kläger ab März 2004 u.a. mit Lokalanästhesie und Akupunktur (Arztberichte von Dr. K. vom 19.03.2004 und 29.07.2005) wegen fortbestehender Beschwerden wiederholt behandelt. Die Beklagte veranlasste die Begutachtung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T ... In seinem Gutachten vom 18.12.2007 bewertete Prof. Dr. W. die Schmerzhaftigkeit des Epicondylus ulnaris rechts sowie Sensibilitätsstörung im Versorgungsgebiet des Nervus ulnaris rechts nicht als Unfallfolgen. Mit Bescheid vom 29.01.2008 ging die Beklagte von einer folgenlos ausgeheilten Prellung des rechten Ellenbogengelenks aus und lehnte die Gewährung einer Verletztenrente ab.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte das Gutachten von Dr. V. vom 13.10.2008 ein, der eine unfallbedingte posttraumatische Epicondylus ulnaris humeri rechts mit einer unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 10 v.H. diagnostizierte. An dieser Bewertung wurde in der Ergänzung des Gutachtens vom 23.06.2009 festgehalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, denn den gutachtlichen Bewertungen vom 13.10.2008 und 23.06.2009 könne nicht gefolgt werden. Für die Anerkennung einer Epicondylitis als Unfallfolge bedürfe es eines Nachweises eines direkten Anpralltrauma auf den Epicondylus, woran es fehle.

Der Kläger erhob am 08.10.2009 Klage beim Sozialgericht Reutlingen, das mit Beschluss vom 14.02.2011 den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgerichts Konstanz verwies. Nach Anhörung von Dr. K. als sachverständiger Zeuge (Aussage vom 22.12.2009) wurde der Chirurg und Orthopäde Dr. S. zum Sachverständigen bestimmt. In seinem Gutachten vom 27.09.2010 mit Ergänzung vom 06.01.2011 bejahte er eine unfallbedingte Epicondylitis humeri ulnaris rechts, die ab 15.10.2001 eine MdE von unter 10 v.H. und ab der Begutachtung durch Prof. Dr. W. ab 03.10.2007 eine MdE um 10 v.H. bedinge. Der Kläger legte Arztbriefe von Dr. B. vom 08.11.2010 und 22.02.2011 (die unfallbedingte MdE betrage 20 v.H.) und von Dr. W. vom 04.06.2010 (elektroneurographisch geringe Hinweise für einen Nervenleitverlangsamung im rechten Ellenbogen) vor.

In der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2011 gab die Beklagte ein Teilanerkenntnis darüber ab, dass als Unfallfolgen eine schmerzhafte Einschränkung der Beugung des rechten Ellenbogens bei unfallbedingt entstandener Epicondylitis humeri ulnaris rechts sowie ein sensibles Sulcus ulnaris Syndrom rechts bestehen. Der Kläger nahm das Teilanerkenntnis an.

Mit Urteil vom 14.04.2011 wies das Sozialgericht Konstanz die Klage ab. Die unstreitig gewordenen Unfallfolgen bedingten keine MdE von mehr als 10 v.H. Das Sozialgericht folgte dem Sachverständigen Dr. S., der unter Hinweis auf die einschlägige Versicherungsliteratur ausgeführt habe, dass sich eine höhere MdE nicht begründen lasse. Das von Dr. B. ohne nähere Begründung angenommenen Schmerzsyndrom ergebe sich nicht aus dem Arztbrief von Dr. W ... Der sensible Ausfall des Nervus ulnaris begründe keine weiteren funktionellen Einschränkungen.

Gegen das dem Klägerbevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 20.04.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.05.2011 Berufung eingelegt und verweist auf die Stellungnahmen von Dr. B., wonach aufgrund der Schmerzproblematik eine höhere MdE begründet sei. Dr. S. gehe davon aus, dass mit der Funktionsbewertung die Schmerzen genügend erfasst seien. Dies treffe aber nicht zu.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14.04.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.10.2001 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils.

Mit richterlicher Verfügung vom 06.12.2011 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung des Senats nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann über die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind auf diese beabsichtigte Vorgehensweise mit richterlicher Verfügung vom 06.12.2011 hingewiesen worden. Innerhalb der ihnen gesetzten Äußerungsfrist wurden gegen diese Verfahrensweise keine Einwände erhoben.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2009 ist in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses rechtmäßig. Es besteht kein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden.

Das Sozialgericht hat die Rechtsgrundlagen und die Rechtsgrundsätze zur Feststellung von Unfallfolgen und der geltend gemachten Verletztenrente vollständig und zutreffend dargelegt. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung diesen Ausführungen an und verweist auf die rechtlich nicht zu beanstandenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend zum Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist wiederholend und vertiefend auszuführen, dass die von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze bei der richterlichen Einschätzung zur Beurteilung der MdE zu beachten sind; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (st. Rspr., vgl. u.a. BSG Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr 1). Zu beurteilen ist das Ausmaß der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung, weshalb die Funktionsbeeinträchtigung eines Organs im Vordergrund steht und nicht die Anzahl der das Organ betreffenden Diagnosen.

Hiervon ausgehend ist nach den zu berücksichtigenden unfallmedizinischen Erfahrungssätzen das Ausmaß der Bewegungseinschränkung des unfallverletzten Armes entscheidend, das auch von Dr. B. mit einer nur endgradigen Einschränkung der rechten Ellenbogenfunktion beschrieben wird. Soweit Dr. B. auf eine Läsion des Nervus ulnaris und ein posttraumatisches Schmerzsyndrom am rechten Arm verweist, sind hieraus maßgebende funktionelle Beeinträchtigungen nach der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. S. nicht festzustellen. Dr. S. verweist auf fehlende muskuläre Schonungszeichen, was gegen eine relevante Gebrauchsminderung der rechten oberen Extremität allein wegen der Schmerzen spricht. Auch der vom Neurologen und Diplom-Psychologen Dr. W. mitgeteilte Befund einer - angegebenen - Sensibilitätsstörung in Form von "Ameisenlaufen" am rechten Unterarm und der Kleinfingerseite der rechten Hand bei allenfalls geringem Hinweis für eine Nervenleitverlangsamung begründet keine höhere MdE.

Eine für die rentenrelevante MdE-Einstufung hinreichend sicher festzustellende Funktionseinschränkung, die im Vergleich mit den Bewertungsansätzen der unfallmedizinischen Literatur eine MdE um 20 v.H. rechtfertigen könnte, lässt sich den Stellungnahmen von Dr. B. nicht entnehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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