L 3 SB 3535/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SB 3819/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 3535/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch.

Am 26.10.2007 stellte der 1950 geborene Kläger beim Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis den Erstantrag nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Mit Bescheid vom 12.08.1981 hatte die Südwestliche Bau-Berufsgenossenschaft beim Kläger als Folgen eines Arbeitsunfalls eine praktische Erblindung des rechten Auges nach durchbohrender Augenverletzung anerkannt und eine Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v.H. ab dem 01.12.1980 bewilligt.

In der gutachtlichen Stellungnahme vom 02.03.2008 bewertete der Versorgungsarzt Dr. K., gestützt auf einen Bericht der Schwarzwaldklinik Orthopädische Rehabilitations-Klinik Bad Krozingen, einen Bericht des Facharztes für Augenheilkunde Dr. M. vom 15.01.2008 und einen Bericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. U. vom 29.12.2007, wonach der Kläger u.a. bezüglich eines vor einigen Jahren aufgetretenen Tinnitus derzeit beschwerdefrei sei, die BG-anerkannten Unfallfolgen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 und einen Band-scheibenschaden mit Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem GdB von 10. Den Gesamt-GdB bewertete er mit 30.

Mit Bescheid vom 05.03.2008 stellte das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis den GdB des Klägers ab dem 26.10.2007 mit 30 fest.

Am 20.03.2008 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein mit der Begründung, die Erblindung auf dem rechten Auge sei ebenso wie der Tinnitus mit einem Einzel-GdB von weniger als 10 unzutreffend bewertet, da diese Erkrankungen auch zu einer depressiven Verstimmung geführt hätten. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2008, auf den Bezug genommen wird, wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 30.10.2008 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.

Das SG hat Beweis erhoben durch Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Der Arzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. E. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 23.01.2009 mitgeteilt, bei der erstmaligen Vorstellung im Juli 2003 habe der Kläger über einen Tinnitus geklagt, im Tonaudiogramm habe sich eine hochtonbetonte Schwerhörigkeit gezeigt. Nach Verordnung eines pflanzlichen Präparates habe sich der Kläger daraufhin erst wieder im November 2008 vorgestellt. Die Innenohrschwerhörigkeit habe sich gebessert, die Tinnitusbeschwerden seien nahezu unverändert, der Tinnitus lasse sich bei 83 dB vertäuben. Der Facharzt für Augenheilkunde Dr. M. hat unter dem 17.02.2009 ausgeführt, der Kläger sei seit 1993 auf dem rechten Auge erblindet. Der Visus links betrage 0,8 - 0,9. Aufgrund der Funktionseinschränkung des rechten Auges ergebe sich ein GdB von 30.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist daraufhin PD Dr. Dr. S., Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Traumatologie des Klinikums der Stadt Villingen-Schwenningen, mit der Erstattung eines fachärztlichen Gutachtens beauftragt worden. Im Gutachten vom 10.07.2009 hat dieser die Diagnosen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule, Verschleißleiden der gesamten Wirbelsäule mit unterschiedlicher Ausprägung in einzelnen Wirbelsäulenabschnitten (Spondylosis deformans, Spondylathrose und Osteochondrose) sowie einer kongenitalen Dysplasie des Femoropatellargelenkes (Knie-scheibenoberschenkelgelenk) beidseits mit beginnender Femoropatellararthrose gestellt. Die Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule seien mit einem GdB von 10 sachgerecht beurteilt. Um das Verschleißleiden im Kniescheibenoberschenkelgelenk mit einem GdB zu bewerten, sei es zunächst erforderlich, dass eine Klärung des Sachverhaltes an der Kniescheibenrückfläche durchgeführt werde. Dies könne durch eine Arthroskopie des Kniegelenkes oder eine Magnetresonanztomographie erfolgen. Erst nach Feststellung des Sachverhalts könne der GdB eingeschätzt werden.

In der Versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.12.2009 hat der Prüfarzt D. ausgeführt, da die Befunde der von Dr. E. vorgelegten Sprachaudiogramme an der Grenze zur Normalhörigkeit lägen, sei in Verbindung mit dem Tinnitus auf HNO-ärztlichem Gebiet ein GdB von 10 vertretbar. Die vom SG durchgeführten medizinischen Ermittlungen rechtfertigten keine Erhöhung des GdB.

Das SG hat daraufhin den Facharzt für Radiologie Dr. R. mit der Erstattung eines radiologischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 08.03.2010 hat dieser ausgeführt, beim Kläger bestehe beidseitig eine leichte Retropatellararthrose mit Chondropathia patellae Stadium I - II sowie eine Chondropathie des Patellagleitlagers Stadium II - III bei flachem Knorpelulcus im Bereich der Trochlea ohne derzeit floriden Reizzustand. Unter Beachtung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ergebe sich daraus ein GdB von 10.

In der Versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 06.04.2010 hat Dr. F. hierzu ausgeführt, der Einzel-GdB von 10 für die Knorpelschäden an beiden Kniegelenken wirke sich nicht zusätzlich erhöhend auf den Gesamt-GdB aus.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.07.2010 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, beim Kläger sei kein höherer GdB als 30 festzustellen. Die Erblindung des rechten Auges bei einer Sehschärfe von 0,8 auf dem linken Auge rechtfertige einen Teil-GdB von 30. Hierin sei die vom Kläger geltend gemachte Vielzahl von Einschränkungen im täglichen Leben wie z.B. der Verlust des räumlichen Sehens mit einbezogen. Eine besondere berufliche Benachteiligung, wie vom Kläger geltend gemacht, sei nicht GdB-erhöhend zu berücksichtigen, da der GdB grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen sei. Der Tinnitus sei mit einem Teil-GdB von 10 zutreffend bewertet. Weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen des Klägers ergäben sich Anhaltspunkte dafür, dass bei ihm der Tinnitus nennenswerte psychische Begleiterscheinungen zur Folge habe. Das Verschleißleiden der gesamten Wirbelsäule und eine anlagebedingte Formveränderung mit Verschleißleiden im Kniescheibenoberschenkelgelenk sei jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Die Einzel-GdB von jeweils 10 führten nicht zur Erhöhung des höchsten festgestellten Einzel-GdB.

Gegen den am 16.07.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28.07.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, bezüglich des Augenleidens sei nicht ein GdB von 30, sondern von 40 festzustellen. Der behandelnde Augenarzt habe einen GdB von 30 lediglich für die Funktionseinschränkung des rechten Auges angegeben. Hierbei sei nicht berücksichtigt, dass auch auf dem linken Auge keine volle Sehfähigkeit, sondern lediglich eine Sehfähigkeit von 0,8 bestehe. Die Schwerhörigkeit und der Tinnitus seien nicht zutreffend bewertet. Ausweislich der Auskunft des sachverständigen Zeugen Dr. E. bestehe auf beiden Ohren Schwerhörigkeit, die mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten sei. Zusammen mit dem Tinnitus, der für sich alleine einen Teil-GdB von 10 bedinge, seien die Beeinträchtigungen im HNO-Bereich mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Für das Wirbelsäulenleiden sei ein Teil-GdB von mindestens 20 zu berücksichtigen, nachdem der Sachverständige PD Dr. Dr. S. eine Erkrankung mit deutlichem Verschleißleiden und deutlich eingeschränkter Beweglichkeit festgestellt habe. Zudem seien die knorpelschadenbedingten Bewegungseinschränkungen beider Kniegelenke mit einem Teil-GdB von 30 - 40 zu bewerten. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass sich die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen nicht überschnitten und deshalb die Teil-GdB zu addieren seien.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Juli 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 05. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2008 zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 ab Antragstellung festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Auf Antrag des Klägers ist PD Dr. Dr. S. gemäß § 109 SGG mit der Erstattung eines weiteren Gutachtens beauftragt worden. Im Gutachten vom 29.06.2011 hat PD Dr. Dr. S. folgende Diagnosen gestellt:

Bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule.

Verschleißleiden der gesamten Wirbelsäule mit unterschiedlicher Ausprägung in den einzelnen Wirbelsäulenabschnitten (Spondylosis deformans, Spondylarth¬rose und Osteochondrose).

Kongenitale Dysplasie des Femoropatellargelenkes beidseits mit beginnender Femoropatellararthrose unterschiedlicher Ausprägung rechts zu links.

Beginnende femorotibiale Arthrosis deformans mit unterschiedlicher Ausprä-gung links zu rechts.

Der Kläger klage maßgeblich über Beschwerden im Bereich beider Kniegelenke, insbesondere bei Belastung durch Heben und Tragen von mittelschweren und schweren Gegenständen sowie beim Treppaufgehen und Treppabgehen. Beim Kläger liege jedoch weder ein chronischer Reizzustand im Bereich der Kniegelenke noch eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit vor. Das Kniegelenksleiden beidseits sei deshalb mit einem GdB von 10 zu bewerten. Auch die Gesundheitsstörung an der Wirbelsäule bedinge einen GdB von 10. Eine wesentliche Änderung gegenüber dem Vorgutachten sei nicht eingetreten.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid die Klage zu Recht abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30 hat. Zur Darstellung der rechtlichen Grundlagen für die Feststellung und Bewertung des GdB wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug genommen. Das SG hat auch die beim Kläger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, den daraus resultierenden Einzel-GdB und den Gesamt-GdB zutreffend beurteilt. Auch hierzu wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid Bezug genommen.

Ergänzend ist Folgendes auszuführen: Zwar sind nach § 69 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) Feststellungen nach Abs. 1 nicht zu treffen, wenn eine Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer auf ihr beruhenden Erwerbsminderung schon in einem Rentenbescheid getroffen worden ist. Grundsätzlich gilt dann diese Feststellung zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Eine Feststellung der MdE durch Arbeitsunfallfolgen ist jedoch für die Versorgungsbehörde dann nicht verbindlich, wenn sie den GdB unter Berücksichtigung weiterer gesundheitlicher Beeinträchtigungen festzustellen hat (BSG, Urteil v. 05.07.2007 - B 9/9a SB 12/06 R - in juris). So ist es hier, da der Kläger über die Augenverletzung hinaus weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen auf orthopädischem und HNO-ärztlichem Fachgebiet geltend macht, die nicht auf dem Arbeitsunfall beruhen.

Entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung ist das Augenleiden des Klägers mit einem GdB von 30 zutreffend bewertet. Nach Teil B Nr. 4 der als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung erlassenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) umfasst die Sehbehinderung alle Störungen des Sehvermögens. Für die Beurteilung ist in erster Linie die korrigierte Sehschärfte maßgebend; daneben sind u.a. Ausfälle des Gesichtsfeldes und des Blickfeldes zu berücksichtigen. Die Grundlage für die GdB-Beurteilung bei Herabsetzung der Sehschärfe bildet die "MdE-Tabelle der DOG". Nach Teil B Nr. 4.3 VG umfasst die augenärztliche Untersuchung die Prüfung der einäugigen und beidäugigen Sehschärfe. Sind die Ergebnisse beider Prüfungsarten unterschiedlich, so ist bei der Bewertung die beidäugige Sehschärfe als Sehschärfewert des besseren Auges anzusetzen. Beim Kläger besteht eine Sehschärfe rechts von 0 und links von 0,8. Nach der MdE-Tabelle der DOG resultiert hieraus ein GdB von 30, wobei das Sehvermögen beider Augen bereits berücksichtigt ist.

Auf HNO-ärztlichem Gebiet besteht beim Kläger eine leichte Innenohrschwerhörigkeit beidseits sowie ein Tinnitus. Bezüglich des Tinnitus hat der Kläger im Erstantrag angegeben, bei ihm bestehe ein Tinnitus im linken Ohr, den er auf den Wehrdienst zurückführe. Er habe sich deshalb zuletzt am 14.10.2003 bei Dr. E. in Behandlung befunden. Eine Berücksichtigung der aus der Schwerhörigkeit resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen hat er nicht geltend gemacht. Dr. U. hat in ihrer Auskunft vom 29.12.2007 hierzu mitgeteilt, es habe vor einigen Jahren ein Tinnitus links vorgelegen, derzeit sei der Kläger beschwerdefrei. Eine erneute Behandlung durch Dr. E. ist danach erst wieder am 26.11.2008 erfolgt. Soweit Dr. E. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 23.01.2009 hierzu ausgeführt hat, die Tinnitusbeschwerden seien nahezu unverändert, bezieht sich diese Aussage nur auf die beiden Untersuchungszeitpunkte im Jahr 2003 und 2008. Der Aussage von Dr. U. kann hierzu jedoch entnommen werden, dass zwischenzeitlich auch Phasen einer Beschwerdefreiheit vorgelegen haben. Gemäß Teil A Nr. 2 f) VG ist Schwankungen im Gesundheitszustand bei längeren Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nennenswerte psychische Begleiterscheinungen nicht bestehen, bedingen die Hochtonschwerhörigkeit und der in wechselnder Ausprägung bestehende Tinnitus keinen höheren GdB als 10.

Eine Erkrankung auf nervenärztlichem Fachgebiet liegt nicht vor. Der Kläger hat in der Widerspruchs- und Klagebegründung zwar angegeben, er leide aufgrund des Verlustes der Sehkraft rechts und des Tinnitus an einer depressiven Verstimmung, die zum Rückzug aus dem früher sehr großen Bekanntenkreis geführt habe; zwischenzeitlich bestünden abgesehen von engsten Familienangehörigen kaum noch soziale Kontakte. Der Kläger steht jedoch diesbezüglich weder in fachärztlicher Behandlung noch kann den sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte ein Hinweis auf das Vorliegen einer für die Feststellung des GdB relevanten Depression entnommen werden. Gegenüber dem Sachverständigen PD Dr. Dr. S. hat der Kläger vielmehr angegeben, er verfüge über einen Freundeskreis, mit dem im üblichen Rahmen Kontakt gepflegt werde.

Auch der Einzel-GdB für die Funktionsbeeinträchtigungen beider Kniegelenke ist mit 10 zutreffend festgestellt. PD Dr. Dr. S. hat bei der gutachterlichen Untersuchung am 16.05.2011 zwar eine kongenitale Dysplasie des Femoropatellargelenkes beidseits mit beginnender Femoropatellararthrose unterschiedlicher Ausprägung rechts zu links und eine beginnende femorotibiale Arthrosis deformans mit unterschiedlicher Ausprägung links zu rechts festgestellt. Es hat jedoch - wie bereits bei der im Jahr 2009 erfolgte gutachterlichen Untersuchung - weder ein chronischer Reizzustand im Bereich der Kniegelenke noch eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit vorgelegen. Die Kniegelenksbeweglichkeit beim Beugen/Strecken hat beidseits 0-0-130 Grad betragen. Damit liegt keine Bewegungseinschränkung der Kniegelenke vor. Nach Teil B Nr. 18.14 VG sind solche jedoch für die Feststellung eines GdB erforderlich. Erst wenn Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk bestehen (z.B. Streckung/Beugung bis 0-0-90), ist hierfür ein GdB festzustellen. Auch liegen beim Kläger keine ausgeprägten Knorpelschäden der Kniegelenke (z.B. Chondromalacia patellae Stadium II - IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen vor. Dementsprechend hat der Sachverständige PD Dr. Dr. S. zutreffend ausgeführt, die Einschätzung des GdB mit 10 beziehe sich in erster Linie auf die Einschränkung der Belastungsfähigkeit beider Gelenke.

Schließlich bedingen auch die Gesundheitsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule keinen höheren Einzel-GdB als 10. Hier bestehen eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Wirbelsäule sowie Verschleißleiden der gesamten Wirbelsäule mit unterschiedlicher Ausprägung in den einzelnen Wirbelsäulenabschnitten (Spondylosis deformans, Spondylarthrose und Osteochondrose). Diese sind als Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) gemäß Teil B Nr. 18.9 VG mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Sie bedingen keinen Teil-GdB von 20, der Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbel-säulenabschnitt voraussetzt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewe-gungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome). Hierzu kann dem von PD Dr. Dr. S. erstatteten Gutachten entnommen werden, dass Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule nach längerer, einseitiger Körperhaltung, beim Heben und Tragen von mittelschweren Gegenständen sowie bei längerem Verharren in physiologisch ungünstiger Halten wie z.B. vor dem Computer auftreten. Diese erreichen jedoch nicht den Grad mittelgradiger funktioneller Auswirkungen, wie sie für die Zuerkennung eines GdB von 20 erforderlich sind.

Der Beklagte hat auch den Gesamt-GdB zutreffend festgestellt. Nach Teil A Nr. 3 d) ee) VG führen, von Ausnahmefällen (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheits-störungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Da beim Kläger neben dem Einzel-GdB von 30 für die Einschränkung des Sehvermögens lediglich mehrere Teil-GdB von 10 vorliegen und diese nicht den genannten Ausnahmefällen gleichzustellen sind, war der höchste Teil-GdB nicht zu erhöhen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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