L 8 SF 5584/11 AB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SF 5584/11 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Befangenheitsanträge des Klägers im beim Sozialgericht ... anhängigen Verfahren S 7 AL 4039/11 gegen Richterin am SG S. und Richter vom SG V. werden abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Kläger erschien am 06.12.2011 bei der Rechtsantragsstelle des Sozialgerichts ... (SG) und erhob Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2011, mit dem die Gewährung eines Gründungszuschusses abgelehnt worden war. Des Weiteren beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Außerdem lehnte er die Richterin am Sozialgericht S. als auch ihren Vertreter Richter V. vom SG "bereits jetzt als befangen" ab. Zur Begründung seines Befangenheitsantrages machte er geltend, wegen seiner Angelegenheit sei bereits ein Eilverfahren beim SG unter dem Aktenzeichen S 7 AL 2706/11 ER anhängig gewesen. Dieses Verfahren befinde sich derzeit in der Beschwerde beim LSG (L 8 AL 4214/11 ER-B). Im Rahmen des Eilverfahrens habe er sowohl mit der Richterin am SG S. als auch mit ihrem Vertreter Richter V. telefoniert. In dem Beschluss des SG vom 30.08.2011 sei der Vorwurf aufgeworfen worden, er hätte absichtlich bzw. vorsätzlich ein Datum abgeändert. Wie es zu dieser Aussage gekommen sei bzw. von wem dieser Vorwurf stamme, habe ihm auf Anfrage (von Richter V.) nicht beantwortet werden können.

In der dienstlichen Äußerung von Richter V. ist ausgeführt, mit dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei er erst nach Versendung des Beschlusses im Rahmen der Urlaubsvertretung befasst gewesen. Der Antragsteller habe telefonisch mitgeteilt, dass die Antragsgegnerin ihn darauf verwiesen habe, dass die Verwaltungsakte noch dem Gericht vorliege und sie daher den Fall nicht weiter bearbeiten könne. Er habe sodann verfügt, dass die noch bei den Gerichtsakten befindlichen Verwaltungsakten an die Antragsgegnerin übersandt werden. Dies habe er dem Antragsteller auf dessen telefonische Nachfrage zum Verbleib der Akte mitgeteilt. Eine inhaltliche Äußerung zum Verfahren selbst sei von ihm nicht erfolgt und habe auch nicht erfolgen können, nachdem er mit dem Vorgang in der Sache nicht befasst gewesen sei und im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die abschließende Entscheidung durch die Kammervorsitzende bereits ergangen gewesen sei.

Richterin am SG S. hat in ihrer dienstlichen Stellungnahme zu den Ablehnungsgesuchen des Klägers vom 06.12.2011 ausgeführt, sie halte die Ablehnungsgesuche für unbegründet. Der Kläger stütze die Besorgnis der Befangenheit auf ein Begründungselement im Beschluss vom 30.08.2011, mit dem der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen worden sei. Die von ihr vorgenommene Beurteilung, der Kläger habe eine vorsätzlich unrichtige Angabe gemacht, sei nach vorherigem Aktenstudium, des Vorbringens der am Eilverfahren Beteiligten und unter Würdigung der rechtlichen Kriterien erfolgt.

II.

Die Ablehnungsanträge des Klägers haben keinen Erfolg.

Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit von einem Prozessbeteiligten abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (vgl. Keller in Meyer Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 60 Rdnr. 7). Dies ist dann der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann; es muss ein objektiver vernünftiger Grund vorliegen, der geeignet ist, den Antragsteller von seinem Standpunkt aus befürchten zu lassen, der abgelehnte Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden (vgl. Meyer Ladewig a.a.O. m.w.N.). Allein die unrichtige Anwendung von Verfahrens- oder materiellem Recht ist mithin kein für die Richterablehnung ausreichender Grund, denn diese ist grundsätzlich kein geeignetes Mittel, sich gegen für unrichtig gehaltenes prozessuales Vorgehen oder für unzutreffend angesehene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, es sei denn, die mögliche Fehlerhaftigkeit beruhte auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder Willkür (vgl. BVerfG NVwZ 2009, 581; Bundesarbeitsgericht NZA 1993, 238; BFH NVwZ 1998, 663, 664). Danach ist eine Besorgnis der Befangenheit nur dann begründet, wenn das prozessuale Vorgehen eines Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt, dass sich für den betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt. Ein Verfahrensfehler des Gerichts vermag für sich allein noch nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Allerdings kann eine Häufung prozessualer Fehler stets zum Nachteil einer Partei auch bei einem besonnenen und vernünftigen Beteiligten den Eindruck einer unsachlichen Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des Richters erwecken. Eine sachliche Meinungsäußerung über die Aussichten der Klage oder die Rechtslage rechtfertigt keine Besorgnis der Befangenheit (Bundesverwaltungsgericht NJW 79, 1316). Nicht ausreichend ist auch die Äußerung einer unrichtigen Rechtsauffassung, soweit sie nicht auf unsachlicher Einstellung des Richters oder auf Willkür beruht (vgl. Meyer-Ladewig aaO, Rdnr. 8g, 8j). Die Richterablehnung ist rechtsmissbräuchlich, wenn sie nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt und z.B. nur dazu dient, für unliebsam gehaltene Richter auszuschalten (Meyer-Ladewig a.a.O. Rdnr. 10c); denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass durch die Stattgabe des Ablehnungsgesuchs ein anderer als der gesetzlich vorgesehene Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG)) ohne oder sogar gegen den Willen des anderen Beteiligten zur Entscheidung berufen wird.

Auf der Grundlage dieser Beurteilungskriterien vermag der Senat eine begründete Besorgnis der Befangenheit weder bei Richterin am SG S. noch bei Richter V. zu erkennen.

Der Kläger hält Richterin am SG S. für befangen, weil diese in einem vorhergehenden Verfahren, dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen hat.

Für die Annahme der Besorgnis der Befangenheit ist nicht ausreichend, dass der Richter andere Klagen des Klägers abgewiesen hatte (vgl. BFH NVwZ 98, 663), ebenso reicht eine sonstige Mitwirkung an einem früheren anderen Verfahren, auch wenn sie eine gleichliegende Sache betraf, nicht aus (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage Rdnr. 8 r).

Der Umstand, dass der Kläger mit der Entscheidung durch Richterin am SG S. gemäß Beschluss vom 30.08.2011, mit dem sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen worden ist, sowie der darin enthaltenen Formulierung, vorsätzlich falsche Angaben gemacht zu haben, auch inhaltlich nicht einverstanden gewesen ist, berechtigt nicht zur Annahme einer Befangenheit von Richterin am SG S ... Zur Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung dienen die Rechtsmittel, wovon der Kläger auch Gebrauch gemacht hat, indem er Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 30.08.2011 in der Sache S 7 AL 2706/11 ER eingelegt hat. Eine willkürliche Entscheidung ist nicht ersichtlich, insbesondere ist die Annahme unwahren Vortrags mit Hinweis auf widersprüchliches Vorbringen schlüssig begründet.

Ein Grund, Richter V. vom SG als befangen anzusehen, ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgebracht worden.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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