Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 17 AS 3246/09
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, den Änderungsbescheid vom 21.04.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 abzuändern und dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 30.06.2009 Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 325 EUR monatlich zu gewähren. 2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. 3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger bezog u.a. in dem Zeitraum vom 1.01.2009 bis 30.06.2009 Leistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Änderungsbescheid vom 21.4.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von 666 EUR monatlich. Hiervon entfielen 351 EUR auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, für die Kosten der Unterkunft wurde ein Betrag von 315 Euro monatlich gewährt. Berücksichtigt wurden Kosten für die Grundmiete in Höhe von 225 EUR, Nebenkosten in Höhe von 65,00 EUR, und Heizkosten in Höhe von 25,00 EUR.Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Neuberechnung der Kosten der Unterkunft und die Gewährung in angemessener Höhe entsprechend der Belehrung zu den Kosten der Unterkunft im Bescheid vom 2.1.2008 erfolgt sei, ferner sei zu beachten, dass ab dem 01.05.2009 der Auszahlbetrag, um den Betrag, der die angemessene Miete übersteige (10,00 EUR), gemindert werde. Aus dem Bescheid geht ferner hervor, dass die Heizkosten ohne Abzug für die Warmwasserbereitung gewährt werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 13.05.2009 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Der Kläger bewohnt eine Zweizimmerwohnung mit einer Gesamtwohnfläche von 46,28 Quadratmetern, für die er eine Grundmiete in Höhe von 230 EUR sowie eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 95,00 EUR entsprechend der Festsetzung der Nebenkostenvorauszahlung vom 1.04.2008 durch den Vermieter entrichtet, hiervon entfallen 25 EUR auf die Betriebskosten und 70 EUR auf die Heizkostenvorauszahlung.
Mit Bescheid vom 2.1.2008 war der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Unterkunftskosten nur im Rahmen der angemessenen Aufwendungen berücksichtigt werden. Als angemessen wurde dabei für den Kläger eine Wohnfläche von bis zu 45 Quadratmetern bei weiteren Höchstgrenzen für die Grundmiete in Höhe von 225 EUR und bzgl. der Betriebskosten und Heizkosten je 1,00 EUR pro Quadratmeter Wohnfläche bezeichnet. Mit Schreiben vom 20.4.2009 wurde der Kläger nochmals darauf hingewiesen, dass die angemessenen Kosten der Unterkunft für den Kläger 315 Euro betrage, die tatsächlichen Kosten diesen Betrag jedoch um 10,00 EUR überschritten.
Im Rahmen des Bewilligungsbescheides vom 02.07.2009 betreffend die Bewilligung von Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1.7.-31. 12.2009 wurde der Kläger ferner darauf hingewiesen, dass folgende Beträge als angemessen anzusehen seien: 4,23 EUR pro Quadratmeter für die Kaltmiete bis zur 1,00 EUR pro Quadratmeter für die Nebenkosten und bis zu 1,22 EUR für Heizung und Warmwasser. Für eine Person gelte eine Wohnfläche von 45 Quadratmetern als angemessen, als Maximalwert unter Berücksichtigung der aller Besonderheiten des Einzelfalles könne daher ein Betrag von 235,35 EUR als angemessene tatsächliche Aufwendungen für Miete und Nebenkosten angesehen werden.
Der Kläger ist der Ansicht, dass sich die zu gewährenden Kosten der Unterkunft nach den tatsächlichen Kosten zu richten habe, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches und damit unangemessenes Verhalten vorlägen.
Die von der Beklagten zugrunde gelegten Pauschalbeträge könnten schon deshalb nicht maßgebend sein, weil der Richtlinie des Unstrut-Hainich-Kreises über die angemessenen Unterkunftskosten kein schlüssiges Konzept zugrunde liege.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Änderungsbescheid vom 21.04.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 abzuändern und dem Kläger für den Zeitraum von 1.01.2009 bis 30.06.2009 Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 325 EUR monatlich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Kosten der Unterkunft nur im angemessenen Umfang gewährt werden können. Maßgeblich seien insoweit die nach der Richtlinie des Unstrut- Hainich-Kreises maßgeblichen Höchstgrenzen. Diese habe der Landkreis in zutreffender Weise ermittelt.
Die Richtlinie beruhe auf einer Stellungnahme der größeren Gemeindeverwaltungen und der größeren Vermieter sowie aus einer Erhebung aus insgesamt 5164 Mietverträgen. Der Durchschnittswert von 4,23 EUR pro qm ergebe sich dabei aus dem Durchschnitt der tatsächlich gezahlten Mieten der ARGE-Kunden des Landkreises.
Im Hinblick auf die Heizkostenobergrenze wird seitens der Beklagten vorgetragen, dass 61% der Bedarfsgemeinschaften ihre Heizkosten mittels der gewährten Heizkostenpauschale decken könnten. 20% der untersuchten Bedarfsgemeinschaften könnten dies nicht. Ob dies auf verschwenderisches Verhalten zurückzuführen sei, habe im Rahmen der durchgeführten Analysen nicht ermittelt werden können.
Das Gericht hat über die Verhältnisse des Mietwohnungsmarktes der Stadt Mühlhausen Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S. D. und G. K. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.10.2010.
Der Zeuge S. D. sagte aus, dass es im Rahmen der Festlegung der Preisobergrenze der KdU- Richtlinie des Landkreises keinen formellen Konsultationsprozess, bei dem auch z. B. die Wohnungsgrößen und die Strukturdaten abgefragt wurden, gegeben habe. Sein Unternehmen, die Wohnungsgenossenschaft M., habe einen Marktanteil von ca. 27 % am Mietwohnungsbestand, Der Anteil der Mieter, die SGB II-Empfänger seien, betrage grob geschätzt ca. 30 %. Auch in teilsanierten, insbesondere energetisch sanierten Plattenbauten, würden zum teil Mietpreise von 4,20 EUR genommen Dieser Preis von 4,20 EUR sei im Grunde genommen ein politischer Preis bzw. beruht auf der Unternehmensentscheidung, auch Wohnungen für SGB II-Empfänger vorzuhalten. Allerdings entspreche dieser Preis bei vollsanierten Wohnungen bzw. Plattenbauten nicht mehr den Kosten. Dies beinhaltet die konkrete Gefahr, dass dann SGB II-Empfänger nur noch in bestimmten Stadtteilen bzw. Wohngebieten Unterkunft finden könnten, insbesondere würden sich SGB II-Empfänger oder auch Ausländer inzwischen im Bereich Ballongasse konzentrieren. Ca. 55 % des Bestandes des Unternehmens bestehe aus Plattenbauten, die Wohnungen, die für Hartz IV-Empfänger preislich in Frage kämen. Es gäbe auch Mietpreise gerade im Bereich Bestandsmieten, die unterhalb von 4,20 EUR pro qm lägen, weil seit der Wende die Mietpreise nicht so stark erhöht worden seien. Für Bereiche außerhalb des Plattenwohnungsbaus müsse man als realistischen Mietpreis für Neuvermietungen einen Betrag von ca. 4,95 EUR zugrunde legen. Die kalten Nebenkosten bewegten sich im Bereich von 0,85 bis 0,95 EUR pro qm.
Der Zeuge G. K. sagte aus, seine Gesellschaft, die Städtische Wohnungsgesellschaft M. besitze in M. einen Marktanteil bezogen auf den Mietwohnungsbestand von rund 26 %.Dabei werde bei der Preisbildung auch hinsichtlich der Wohnungsgröße differenziert, das heißt kleinere Wohnungen, die auch in Erstellung und Sanierung pro Quadratmeter teurer seien, würden zu höheren Quadratmeterpreisen angeboten. Daher sei nur ein verhältnismäßig geringer Teil der Wohnungen unter 45 m² mit den KdU-Richtliniengrenzen vereinbar. 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen würden verstärkt, auch von nicht Transferleistungsempfängern, nachgefragt werden, z. B. Rentnern oder Berufsanfängern. Dies verenge den Markt bzw. die Verfügbarkeit solcher Wohnungen für SGB II-Leistungsempfänger zusätzlich. Im Hinblick auf die Situation bei Neuvermietungen seien früher ca. 40 % aller Wohnungsbewerber SGB II-Empfänger gewesen, allerdings nur 25 % der von seiner Gesellschaft angebotenen Wohnungen den Kriterien der KdU-Richtlinie entsprochen. Dieser Anteile werde sich in diesem Jahr vielleicht auf 15 % weiter verringern ... Er habe den Eindruck, dass auch die SGB II-Empfänger zunehmend bereit seien, entsprechende Eigenanteile aus ihrer sonstigen Regelleistung für die Miete zu erbringen. Richtlinienkonforme Wohnungen würden sich in einem bestimmten Stadtgebiet, nämlich dem Wohnviertel Ballongasse konzentrieren. Dabei handele es sich in der Regel um unsanierte bzw. teilsanierte Plattenbauten.
Da jede Wohnung seiner Gesellschaft, die frei werde, grundsätzlich den modernen Standards anpasst werde, seien Aussagen über die Durchschnittsmieten im Wohnungsbestand wenig aussagekräftig für die Preise der am Markt verfügbaren Wohnungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtakte, insbesondere das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2010, und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Sie ist auch begründet, da die angegriffenen Bescheide den Kläger in seinen Rechten verletzen. Der Kläger hat einen Anspruch auf höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) in dem streitgegenständlichen Leistungszeitraum.
Der Kläger erfüllt die Grundvoraussetzungen des § 7 SGB II für Leistungen der Grundsicherung. Sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für KdU. Leistungen für die Unterkunft werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit ist unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren. Nach der in einem ersten Schritt vorzunehmenden Bestimmung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und des Wohnungsstandards ist in einem zweiten Schritt fest-zustellen, welcher räumliche Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Angemessenheit maßgebend ist. Sodann ist zu ermitteln, wie viel für eine abstrakt angemessene Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt im streitgegenständlichen Zeitraum aufzuwenden gewesen ist (Ermittlung der Angemessenheitsgrenze auf Grund eines schlüssigen Konzepts des Grundsicherungsträgers). Abschließend ist zu prüfen, ob der Hilfesuchende eine solchermaßen abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte anmieten können, ob also eine konkrete Unterkunftsalternative bestanden hat (so z.B. BSG, Urt. 20.08.2009, Az: B 14 AS 65/08 R, RdNr.13 zitiert nach juris).
Die Beklagte ist zu Recht von einer angemessenen Wohnungsgröße von 45 qm ausgegangen. Grundlage für die Bestimmung der Wohnungsgröße ist § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13. September 2001 (WoFG, BGBl I 2376).
Die Beklagte durfte für den streitgegenständlichen Leistungszeitraum allerdings weder davon ausgehen, dass eine Höchstgrenze von 4,23 EUR noch von 5 EUR pro Quadratmeter angemessen ist.
Für die Angemessenheit der tatsächlichen Wohnungskosten ist nach der Rechtsprechung des BSG (z.B. BSG, Urt v. 19.02.2009 Az: B 4 AS 30/08 R, RdNr.12 ff mit weiteren Nachweisen zitiert nach juris) folgende Gesichtspunkte maßgebend: Angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Die Wohnung muss im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Dabei ist als räumlicher Maßstab in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend. Bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen sind die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist.
Der Begriff der Angemessenheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, also ein ausfüllungsbedürftiger Wertungsmaßstab. Ihm wohnt der Gedanke der Begrenzung inne. Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss aber so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines dieses beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 18.6.2008 B 14/7b AS 44/06 R, zitiert nach juris ). Der Grundsicherungsträger muss mithin nicht nur ein Konzept haben, nach dem er die Referenzmiete bestimmt, sondern dieses Konzept muss zudem einer gerichtlichen Überprüfung Stand halten, also schlüssig sein (BSG, Urteil vom 22.9.2009 B 4 AS 18/09 R, zitiert nach juris.).
Schlüssig ist das Konzept nach der Rechsprechung des BSG (Urt. v. 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R zitiert nach juris), wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:
- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung), - es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnungen (Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete Differenzierung nach Wohnungsgröße), - Angaben über den Beobachtungszeitraum, - Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel), - Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten, - Validität der Datenerhebung, - Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und - Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Der KdU-Richtlinie des Landkreises liegt weder ein qualifizierter Mietspiegel noch ein schlüssiges Konzept i. S. der oben zitierten BSG-Rechtsprechung zugrunde:
Die Kammer ist aufgrund der Aussagen der der Zeugen K. und D. der Überzeugung, dass hinsichtlich des Verfahrens, sowohl die alte als auch die neue KdU-Richtlinie des Landkreises , nicht in einem Verfahren erstellt wurden, das den Anforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept Stand hält. Die Richtlinien beruhen nicht auf einer realistischen Marktbeobachtung sondern im Wesentlichen auf einer Auswertung einer Erhebung von insgesamt 5164 Mietverträgen von SGB II Empfängern des Landkreises. Der Durchschnittswert von 4,23 EUR pro qm ergibt sich dabei aus dem Durchschnitt der tatsächlich gezahlten Mieten der ARGE-Kunden des Landkreises. Ein schlüssiges Konzept stellt dies nach Ansicht der Kammer nicht dar, da im Hinblick auf die Mietpreise ein Zirkelschluss vorliegt, wenn vom Durchschnitt der tatsächlich gezahlten Mieten der SGB II Empfänger ausgegangen wird. Es liegt im Wesen eines Durchschnitts, dass ein erheblicher Anteil der Leistungsempfänger höhere Mietpreise entrichten muss.
Ein solcher Zirkelschluss liegt auch der der Festlegung der Heizkostenobergrenze der KdU -Richtlinie anhand von Durchschnittwerten zugrunde. Hier hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass nur 61% der Bedarfsgemeinschaft in ihrer Heizkosten mittels der gewährten Heizkostenpauschale decken konnten. 20% der untersuchten Bedarfsgemeinschaften wäre dies nicht möglich gewesen, ob dies auf verschwenderisches Verhalten zurückzuführen war, habe im Rahmen der durchgeführten Analysen nicht ermittelt werden können.
Da die Höchstgrenzen der KdU Richtlinie weder im Hinblick auf den Quadratmeterpreis noch im Hinblick auf die Heizkosten verbindlich sind, hat der Kläger Anspruch auf die Gewährung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung.
Sofern auf der Grundlage der vom Grundsicherungsträger erhobenen Daten ggfs. auch nach weitern gerichtliche Ermittlungen keine brauchbare Datengrundlage geschaffen werden kann, die das Gericht in die Lage versetzt, eine Angemessenheitsgrenze selbst zu bestimmen, ist nach der Rechtsprechung des BSG auf die Werte der Wohngeldtabelle (rechte Spalte) zu § 8 WoGG zuzüglich eines Zuschlags abzustellen (grundlegend BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R -zitiert nach juris).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sieht es die Kammer als wahrscheinlich an, dass der Wert von 4,23EUR pro qm zu niedrig bemessen ist, da sich die Gefahr der Ghetttobildung bei diesem Preisniveau bereits manifestiert. Denn dieses Preisniveau wird von den beiden dominierenden Anbietern auf dem Mietwohnungsmarkt in der Stadt Mühlhausen nur für ein immer geringer werdendes Teilsegment (Wohngebiet Ballongasse) akzeptiert. Die Kammer sieht sich auf der vorliegenden Datengrundlage auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Ermittlungen durch die Befragung der dominierenden Marktteilnehmer außerstande anstelle des Beklagten Grundsicherungsträgers eine konkrete Angemessenheitsgrenze zu bestimmen.
Der Anspruch auf Heizkosten gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II besteht zunächst jeweils in Höhe der konkret individuell geltend gemachten Aufwendungen. Eine Pauschalierung ist unzulässig. Auszugehen ist dabei davon, dass Heizkosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen lediglich dann nicht erstattungsfähig sind, wenn sie bei sachgerechter und wirtschaftlicher Beheizung als der Höhe nach nicht erforderlich erscheinen. Dies setzt eine konkrete Prüfung im Einzelfall voraus. Das Überschreiten der oberen Grenzwerte eines lokalen bzw, soweit ein solcher nicht existiert, des bundesweiten Heizspiegels kann insoweit lediglich als Indiz für die fehlende Erforderlichkeit angesehen werden (vgl BSG vom 2.7.2009, Az. B 14 AS 36/08 R , RdNr 22 ff- zitiert nach juris).). Bei der in jedem Fall durchzuführenden konkreten Prüfung müssen sodann ggf auch die besonderen individuellen Gegebenheiten mit einbezogen werden. (BSG v. 22.09.2009 Az.: B 4 AS 70/08 RdNr. 19.).
Seitens der Beklagten wurden hier im Hinblick auf die individuellen Gegebenheiten keinerlei Ermittlungen angestellt.
Eine Berufung der Beklagten darauf , dass die Heizkosten über einem aus einem bundesweiten oder kommunalen Heizspiegel zu ermittelnden Grenzbetrag liegen und Regelfall nicht mehr als angemessen zu betrachten sind (zur Ermittlung des Wertes aus diesem sog bundesweiten Heizspiegel (BSG vom 2.7.2009, Az. B 14 AS 36/08 R , RdNr 22 ff- zitiert nach juris), setzt daher voraus, dass Seitens des Grundsicherungsträgers dem Amtsermittlungsgrundsatz zumindest insoweit nachgekommen wurde, dass - z ...B. wenn die Wohnverhältnisse nicht amtsbekannt sind- durch einen Haubesuch ermittelt bzw. ausgeschlossen wurde, dass nicht außergewöhnlich schlechte bauliche Verhältnisse, wie sie gerade bei der Unterkunft der SGB II Leistungsbezieher gelegentlich vorkommen, für den erhöhten Verbrauch verantwortlich sind.
Eine entsprechende Kappung der Heizkosten kommt hier jedoch schon deshalb nicht in Frage, da es an einer auf die Heizkosten bezogenen Kostensenkungsaufforderung fehlte, weil die Beklagte auch insoweit von unzutreffenden Werten ausging. Subjektiv möglich sind einem Hilfebedürftigen Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn er Kenntnis davon hat, dass ihn die Obliegenheit trifft, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen (vgl. zum Erfordernis einer entsprechenden Belehrung:. BSG v.19.09.2008Az.: B 14 AS 54/07 R, Rdnr. 22, BSG v. 17.12.2009 Az.: B 4 AS 19/09 R RdNr. 15ff -zitiert nach juris). Ohne diese Kenntnis könnten Kostensenkungsmaßnahmen vom Hilfebedürftigen nicht erwartet werden. Dies gilt z.B., wenn der Hilfebedürftigen an Kostensenkungsmaßnahmen dadurch gehindert wird, dass er durch das Verhalten des Grundsicherungsträgers irregeführt wird.( BSG v. 17.12.2009 Az.: B 4 AS 19/09 R).
Die Berufung wurde gleichwohl im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage der Verbindlichkeit der KdU-Richtlinie für eine Vielzahl von anhängigen Klageverfahren, in denen der Beklagte Grundsicherungsträger beteiligt ist, zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger bezog u.a. in dem Zeitraum vom 1.01.2009 bis 30.06.2009 Leistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Änderungsbescheid vom 21.4.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von 666 EUR monatlich. Hiervon entfielen 351 EUR auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, für die Kosten der Unterkunft wurde ein Betrag von 315 Euro monatlich gewährt. Berücksichtigt wurden Kosten für die Grundmiete in Höhe von 225 EUR, Nebenkosten in Höhe von 65,00 EUR, und Heizkosten in Höhe von 25,00 EUR.Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Neuberechnung der Kosten der Unterkunft und die Gewährung in angemessener Höhe entsprechend der Belehrung zu den Kosten der Unterkunft im Bescheid vom 2.1.2008 erfolgt sei, ferner sei zu beachten, dass ab dem 01.05.2009 der Auszahlbetrag, um den Betrag, der die angemessene Miete übersteige (10,00 EUR), gemindert werde. Aus dem Bescheid geht ferner hervor, dass die Heizkosten ohne Abzug für die Warmwasserbereitung gewährt werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 13.05.2009 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Der Kläger bewohnt eine Zweizimmerwohnung mit einer Gesamtwohnfläche von 46,28 Quadratmetern, für die er eine Grundmiete in Höhe von 230 EUR sowie eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 95,00 EUR entsprechend der Festsetzung der Nebenkostenvorauszahlung vom 1.04.2008 durch den Vermieter entrichtet, hiervon entfallen 25 EUR auf die Betriebskosten und 70 EUR auf die Heizkostenvorauszahlung.
Mit Bescheid vom 2.1.2008 war der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Unterkunftskosten nur im Rahmen der angemessenen Aufwendungen berücksichtigt werden. Als angemessen wurde dabei für den Kläger eine Wohnfläche von bis zu 45 Quadratmetern bei weiteren Höchstgrenzen für die Grundmiete in Höhe von 225 EUR und bzgl. der Betriebskosten und Heizkosten je 1,00 EUR pro Quadratmeter Wohnfläche bezeichnet. Mit Schreiben vom 20.4.2009 wurde der Kläger nochmals darauf hingewiesen, dass die angemessenen Kosten der Unterkunft für den Kläger 315 Euro betrage, die tatsächlichen Kosten diesen Betrag jedoch um 10,00 EUR überschritten.
Im Rahmen des Bewilligungsbescheides vom 02.07.2009 betreffend die Bewilligung von Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1.7.-31. 12.2009 wurde der Kläger ferner darauf hingewiesen, dass folgende Beträge als angemessen anzusehen seien: 4,23 EUR pro Quadratmeter für die Kaltmiete bis zur 1,00 EUR pro Quadratmeter für die Nebenkosten und bis zu 1,22 EUR für Heizung und Warmwasser. Für eine Person gelte eine Wohnfläche von 45 Quadratmetern als angemessen, als Maximalwert unter Berücksichtigung der aller Besonderheiten des Einzelfalles könne daher ein Betrag von 235,35 EUR als angemessene tatsächliche Aufwendungen für Miete und Nebenkosten angesehen werden.
Der Kläger ist der Ansicht, dass sich die zu gewährenden Kosten der Unterkunft nach den tatsächlichen Kosten zu richten habe, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches und damit unangemessenes Verhalten vorlägen.
Die von der Beklagten zugrunde gelegten Pauschalbeträge könnten schon deshalb nicht maßgebend sein, weil der Richtlinie des Unstrut-Hainich-Kreises über die angemessenen Unterkunftskosten kein schlüssiges Konzept zugrunde liege.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Änderungsbescheid vom 21.04.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 abzuändern und dem Kläger für den Zeitraum von 1.01.2009 bis 30.06.2009 Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 325 EUR monatlich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Kosten der Unterkunft nur im angemessenen Umfang gewährt werden können. Maßgeblich seien insoweit die nach der Richtlinie des Unstrut- Hainich-Kreises maßgeblichen Höchstgrenzen. Diese habe der Landkreis in zutreffender Weise ermittelt.
Die Richtlinie beruhe auf einer Stellungnahme der größeren Gemeindeverwaltungen und der größeren Vermieter sowie aus einer Erhebung aus insgesamt 5164 Mietverträgen. Der Durchschnittswert von 4,23 EUR pro qm ergebe sich dabei aus dem Durchschnitt der tatsächlich gezahlten Mieten der ARGE-Kunden des Landkreises.
Im Hinblick auf die Heizkostenobergrenze wird seitens der Beklagten vorgetragen, dass 61% der Bedarfsgemeinschaften ihre Heizkosten mittels der gewährten Heizkostenpauschale decken könnten. 20% der untersuchten Bedarfsgemeinschaften könnten dies nicht. Ob dies auf verschwenderisches Verhalten zurückzuführen sei, habe im Rahmen der durchgeführten Analysen nicht ermittelt werden können.
Das Gericht hat über die Verhältnisse des Mietwohnungsmarktes der Stadt Mühlhausen Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S. D. und G. K. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.10.2010.
Der Zeuge S. D. sagte aus, dass es im Rahmen der Festlegung der Preisobergrenze der KdU- Richtlinie des Landkreises keinen formellen Konsultationsprozess, bei dem auch z. B. die Wohnungsgrößen und die Strukturdaten abgefragt wurden, gegeben habe. Sein Unternehmen, die Wohnungsgenossenschaft M., habe einen Marktanteil von ca. 27 % am Mietwohnungsbestand, Der Anteil der Mieter, die SGB II-Empfänger seien, betrage grob geschätzt ca. 30 %. Auch in teilsanierten, insbesondere energetisch sanierten Plattenbauten, würden zum teil Mietpreise von 4,20 EUR genommen Dieser Preis von 4,20 EUR sei im Grunde genommen ein politischer Preis bzw. beruht auf der Unternehmensentscheidung, auch Wohnungen für SGB II-Empfänger vorzuhalten. Allerdings entspreche dieser Preis bei vollsanierten Wohnungen bzw. Plattenbauten nicht mehr den Kosten. Dies beinhaltet die konkrete Gefahr, dass dann SGB II-Empfänger nur noch in bestimmten Stadtteilen bzw. Wohngebieten Unterkunft finden könnten, insbesondere würden sich SGB II-Empfänger oder auch Ausländer inzwischen im Bereich Ballongasse konzentrieren. Ca. 55 % des Bestandes des Unternehmens bestehe aus Plattenbauten, die Wohnungen, die für Hartz IV-Empfänger preislich in Frage kämen. Es gäbe auch Mietpreise gerade im Bereich Bestandsmieten, die unterhalb von 4,20 EUR pro qm lägen, weil seit der Wende die Mietpreise nicht so stark erhöht worden seien. Für Bereiche außerhalb des Plattenwohnungsbaus müsse man als realistischen Mietpreis für Neuvermietungen einen Betrag von ca. 4,95 EUR zugrunde legen. Die kalten Nebenkosten bewegten sich im Bereich von 0,85 bis 0,95 EUR pro qm.
Der Zeuge G. K. sagte aus, seine Gesellschaft, die Städtische Wohnungsgesellschaft M. besitze in M. einen Marktanteil bezogen auf den Mietwohnungsbestand von rund 26 %.Dabei werde bei der Preisbildung auch hinsichtlich der Wohnungsgröße differenziert, das heißt kleinere Wohnungen, die auch in Erstellung und Sanierung pro Quadratmeter teurer seien, würden zu höheren Quadratmeterpreisen angeboten. Daher sei nur ein verhältnismäßig geringer Teil der Wohnungen unter 45 m² mit den KdU-Richtliniengrenzen vereinbar. 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen würden verstärkt, auch von nicht Transferleistungsempfängern, nachgefragt werden, z. B. Rentnern oder Berufsanfängern. Dies verenge den Markt bzw. die Verfügbarkeit solcher Wohnungen für SGB II-Leistungsempfänger zusätzlich. Im Hinblick auf die Situation bei Neuvermietungen seien früher ca. 40 % aller Wohnungsbewerber SGB II-Empfänger gewesen, allerdings nur 25 % der von seiner Gesellschaft angebotenen Wohnungen den Kriterien der KdU-Richtlinie entsprochen. Dieser Anteile werde sich in diesem Jahr vielleicht auf 15 % weiter verringern ... Er habe den Eindruck, dass auch die SGB II-Empfänger zunehmend bereit seien, entsprechende Eigenanteile aus ihrer sonstigen Regelleistung für die Miete zu erbringen. Richtlinienkonforme Wohnungen würden sich in einem bestimmten Stadtgebiet, nämlich dem Wohnviertel Ballongasse konzentrieren. Dabei handele es sich in der Regel um unsanierte bzw. teilsanierte Plattenbauten.
Da jede Wohnung seiner Gesellschaft, die frei werde, grundsätzlich den modernen Standards anpasst werde, seien Aussagen über die Durchschnittsmieten im Wohnungsbestand wenig aussagekräftig für die Preise der am Markt verfügbaren Wohnungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtakte, insbesondere das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2010, und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Sie ist auch begründet, da die angegriffenen Bescheide den Kläger in seinen Rechten verletzen. Der Kläger hat einen Anspruch auf höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) in dem streitgegenständlichen Leistungszeitraum.
Der Kläger erfüllt die Grundvoraussetzungen des § 7 SGB II für Leistungen der Grundsicherung. Sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für KdU. Leistungen für die Unterkunft werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit ist unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren. Nach der in einem ersten Schritt vorzunehmenden Bestimmung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und des Wohnungsstandards ist in einem zweiten Schritt fest-zustellen, welcher räumliche Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Angemessenheit maßgebend ist. Sodann ist zu ermitteln, wie viel für eine abstrakt angemessene Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt im streitgegenständlichen Zeitraum aufzuwenden gewesen ist (Ermittlung der Angemessenheitsgrenze auf Grund eines schlüssigen Konzepts des Grundsicherungsträgers). Abschließend ist zu prüfen, ob der Hilfesuchende eine solchermaßen abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte anmieten können, ob also eine konkrete Unterkunftsalternative bestanden hat (so z.B. BSG, Urt. 20.08.2009, Az: B 14 AS 65/08 R, RdNr.13 zitiert nach juris).
Die Beklagte ist zu Recht von einer angemessenen Wohnungsgröße von 45 qm ausgegangen. Grundlage für die Bestimmung der Wohnungsgröße ist § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13. September 2001 (WoFG, BGBl I 2376).
Die Beklagte durfte für den streitgegenständlichen Leistungszeitraum allerdings weder davon ausgehen, dass eine Höchstgrenze von 4,23 EUR noch von 5 EUR pro Quadratmeter angemessen ist.
Für die Angemessenheit der tatsächlichen Wohnungskosten ist nach der Rechtsprechung des BSG (z.B. BSG, Urt v. 19.02.2009 Az: B 4 AS 30/08 R, RdNr.12 ff mit weiteren Nachweisen zitiert nach juris) folgende Gesichtspunkte maßgebend: Angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Die Wohnung muss im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Dabei ist als räumlicher Maßstab in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend. Bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen sind die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist.
Der Begriff der Angemessenheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, also ein ausfüllungsbedürftiger Wertungsmaßstab. Ihm wohnt der Gedanke der Begrenzung inne. Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss aber so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines dieses beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 18.6.2008 B 14/7b AS 44/06 R, zitiert nach juris ). Der Grundsicherungsträger muss mithin nicht nur ein Konzept haben, nach dem er die Referenzmiete bestimmt, sondern dieses Konzept muss zudem einer gerichtlichen Überprüfung Stand halten, also schlüssig sein (BSG, Urteil vom 22.9.2009 B 4 AS 18/09 R, zitiert nach juris.).
Schlüssig ist das Konzept nach der Rechsprechung des BSG (Urt. v. 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R zitiert nach juris), wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:
- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung), - es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnungen (Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete Differenzierung nach Wohnungsgröße), - Angaben über den Beobachtungszeitraum, - Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel), - Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten, - Validität der Datenerhebung, - Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und - Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Der KdU-Richtlinie des Landkreises liegt weder ein qualifizierter Mietspiegel noch ein schlüssiges Konzept i. S. der oben zitierten BSG-Rechtsprechung zugrunde:
Die Kammer ist aufgrund der Aussagen der der Zeugen K. und D. der Überzeugung, dass hinsichtlich des Verfahrens, sowohl die alte als auch die neue KdU-Richtlinie des Landkreises , nicht in einem Verfahren erstellt wurden, das den Anforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept Stand hält. Die Richtlinien beruhen nicht auf einer realistischen Marktbeobachtung sondern im Wesentlichen auf einer Auswertung einer Erhebung von insgesamt 5164 Mietverträgen von SGB II Empfängern des Landkreises. Der Durchschnittswert von 4,23 EUR pro qm ergibt sich dabei aus dem Durchschnitt der tatsächlich gezahlten Mieten der ARGE-Kunden des Landkreises. Ein schlüssiges Konzept stellt dies nach Ansicht der Kammer nicht dar, da im Hinblick auf die Mietpreise ein Zirkelschluss vorliegt, wenn vom Durchschnitt der tatsächlich gezahlten Mieten der SGB II Empfänger ausgegangen wird. Es liegt im Wesen eines Durchschnitts, dass ein erheblicher Anteil der Leistungsempfänger höhere Mietpreise entrichten muss.
Ein solcher Zirkelschluss liegt auch der der Festlegung der Heizkostenobergrenze der KdU -Richtlinie anhand von Durchschnittwerten zugrunde. Hier hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass nur 61% der Bedarfsgemeinschaft in ihrer Heizkosten mittels der gewährten Heizkostenpauschale decken konnten. 20% der untersuchten Bedarfsgemeinschaften wäre dies nicht möglich gewesen, ob dies auf verschwenderisches Verhalten zurückzuführen war, habe im Rahmen der durchgeführten Analysen nicht ermittelt werden können.
Da die Höchstgrenzen der KdU Richtlinie weder im Hinblick auf den Quadratmeterpreis noch im Hinblick auf die Heizkosten verbindlich sind, hat der Kläger Anspruch auf die Gewährung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung.
Sofern auf der Grundlage der vom Grundsicherungsträger erhobenen Daten ggfs. auch nach weitern gerichtliche Ermittlungen keine brauchbare Datengrundlage geschaffen werden kann, die das Gericht in die Lage versetzt, eine Angemessenheitsgrenze selbst zu bestimmen, ist nach der Rechtsprechung des BSG auf die Werte der Wohngeldtabelle (rechte Spalte) zu § 8 WoGG zuzüglich eines Zuschlags abzustellen (grundlegend BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R -zitiert nach juris).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sieht es die Kammer als wahrscheinlich an, dass der Wert von 4,23EUR pro qm zu niedrig bemessen ist, da sich die Gefahr der Ghetttobildung bei diesem Preisniveau bereits manifestiert. Denn dieses Preisniveau wird von den beiden dominierenden Anbietern auf dem Mietwohnungsmarkt in der Stadt Mühlhausen nur für ein immer geringer werdendes Teilsegment (Wohngebiet Ballongasse) akzeptiert. Die Kammer sieht sich auf der vorliegenden Datengrundlage auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Ermittlungen durch die Befragung der dominierenden Marktteilnehmer außerstande anstelle des Beklagten Grundsicherungsträgers eine konkrete Angemessenheitsgrenze zu bestimmen.
Der Anspruch auf Heizkosten gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II besteht zunächst jeweils in Höhe der konkret individuell geltend gemachten Aufwendungen. Eine Pauschalierung ist unzulässig. Auszugehen ist dabei davon, dass Heizkosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen lediglich dann nicht erstattungsfähig sind, wenn sie bei sachgerechter und wirtschaftlicher Beheizung als der Höhe nach nicht erforderlich erscheinen. Dies setzt eine konkrete Prüfung im Einzelfall voraus. Das Überschreiten der oberen Grenzwerte eines lokalen bzw, soweit ein solcher nicht existiert, des bundesweiten Heizspiegels kann insoweit lediglich als Indiz für die fehlende Erforderlichkeit angesehen werden (vgl BSG vom 2.7.2009, Az. B 14 AS 36/08 R , RdNr 22 ff- zitiert nach juris).). Bei der in jedem Fall durchzuführenden konkreten Prüfung müssen sodann ggf auch die besonderen individuellen Gegebenheiten mit einbezogen werden. (BSG v. 22.09.2009 Az.: B 4 AS 70/08 RdNr. 19.).
Seitens der Beklagten wurden hier im Hinblick auf die individuellen Gegebenheiten keinerlei Ermittlungen angestellt.
Eine Berufung der Beklagten darauf , dass die Heizkosten über einem aus einem bundesweiten oder kommunalen Heizspiegel zu ermittelnden Grenzbetrag liegen und Regelfall nicht mehr als angemessen zu betrachten sind (zur Ermittlung des Wertes aus diesem sog bundesweiten Heizspiegel (BSG vom 2.7.2009, Az. B 14 AS 36/08 R , RdNr 22 ff- zitiert nach juris), setzt daher voraus, dass Seitens des Grundsicherungsträgers dem Amtsermittlungsgrundsatz zumindest insoweit nachgekommen wurde, dass - z ...B. wenn die Wohnverhältnisse nicht amtsbekannt sind- durch einen Haubesuch ermittelt bzw. ausgeschlossen wurde, dass nicht außergewöhnlich schlechte bauliche Verhältnisse, wie sie gerade bei der Unterkunft der SGB II Leistungsbezieher gelegentlich vorkommen, für den erhöhten Verbrauch verantwortlich sind.
Eine entsprechende Kappung der Heizkosten kommt hier jedoch schon deshalb nicht in Frage, da es an einer auf die Heizkosten bezogenen Kostensenkungsaufforderung fehlte, weil die Beklagte auch insoweit von unzutreffenden Werten ausging. Subjektiv möglich sind einem Hilfebedürftigen Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn er Kenntnis davon hat, dass ihn die Obliegenheit trifft, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen (vgl. zum Erfordernis einer entsprechenden Belehrung:. BSG v.19.09.2008Az.: B 14 AS 54/07 R, Rdnr. 22, BSG v. 17.12.2009 Az.: B 4 AS 19/09 R RdNr. 15ff -zitiert nach juris). Ohne diese Kenntnis könnten Kostensenkungsmaßnahmen vom Hilfebedürftigen nicht erwartet werden. Dies gilt z.B., wenn der Hilfebedürftigen an Kostensenkungsmaßnahmen dadurch gehindert wird, dass er durch das Verhalten des Grundsicherungsträgers irregeführt wird.( BSG v. 17.12.2009 Az.: B 4 AS 19/09 R).
Die Berufung wurde gleichwohl im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage der Verbindlichkeit der KdU-Richtlinie für eine Vielzahl von anhängigen Klageverfahren, in denen der Beklagte Grundsicherungsträger beteiligt ist, zugelassen.
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