L 7 AS 49/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 AS 7328/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 49/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Dezember 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die gem. § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist mangels fortbestehender Beschwer durch den angefochtenen erstinstanzlichen Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart (SG) unzulässig.

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hatte das SG das Begehren der Antragstellerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, "ihr für die Zeit ab dem 01.11.2011 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, namentlich auch Leistungen für Unterkunft und Heizung, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren", abgelehnt. Soweit in den Gründen der Entscheidung darüber hinaus Ausführungen zu Mietrückständen gemacht wurden, bezog sich dies nur auf die ohnehin streitgegenständlichen Leistungen für die Unterkunft in den Monaten November und Dezember 2011. Über weitere Begehren wurde nicht entschieden, zumal solche bis zur angefochtenen Entscheidung nicht erkennbar geltend gemacht worden waren.

Erstmals in der Beschwerdeschrift vom 31. Dezember 2011 hat die Antragstellerin auf "noch nicht entschiedene Anträge" sowie Schäden Bezug genommen, die ihr durch die Nichtgewährung von Leistungen entstanden seien.

Während des laufenden Beschwerdeverfahrens schloss sie mit dem Antragsgegner im Erörterungstermin vor dem SG am 12. Januar 2011 im Rahmen weiterer dort anhängiger Verfahren einen Vergleich, wonach der Antragsgegner ihr für die Zeit vom 1. November 2011 bis 30. April 2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ((SGB II); jeweils monatlicher Regelbedarf sowie Kosten der Unterkunft und Heizung) abzüglich bereits geleisteter Zahlungen gewährt. Die bereits darlehensweise erfolgte Übernahme der Mietschulden wurde in einen Zuschuss umgewandelt. Zum vorliegenden Beschwerdeverfahren hat sie zu Protokoll gegeben, es gehe ihr in diesem Verfahren noch um eine "Entschädigung" dafür, dass sie den Goldschmuck ihres Sohnes habe verkaufen müssen.

In dem an das Landessozialgericht (LSG) gerichteten Schreiben vom 14. Januar 2012 hat sie ausgeführt, vor dem SG sei nur wegen der Miete und den Leistungen entschieden worden, nicht aber über die "anderen Sachen, die ich beklage, weshalb es bei jenen Sachen bleibt. Verluste durch Fehler wie Goldverkauf als es beim LSG lag, Umzugsrecht u.s.w.". Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt wie bei jedem Rechtsmittel eine Beschwer des Rechtsmittelführers voraus. Damit wird das Rechtsschutzinteresse gerade für die Rechtsmittelinstanz umschrieben. Eine Beschwer des Rechtsschutzsuchenden ist gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung ihm etwas versagt, was er beantragt hat. Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist regelmäßig auf den Zeitpunkt der Einlegung abzustellen, so dass sich später eintretende Veränderungen grundsätzlich nicht auswirken (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., vor § 143 Rdnr. 10 ff. m.w.N.). Da die Antragstellerin die Beschwerde erhoben hatte, bevor der Vergleich vor dem SG geschlossen worden war, war diese zunächst zulässig, insbesondere auch statthaft gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Allerdings ist ein Rechtsmittel nur dann auch weiterhin zulässig, wenn der Rechtsmittelführer noch bis zur Entscheidung des Rechtsmittelgerichts eine aus der erstinstanzlichen Entscheidung folgende Beschwer beseitigen will. Ein Rechtsmittel ist daher unzulässig, wenn es den in erster Instanz erhobenen Anspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, sondern lediglich im Wege der Klage- bzw. Antragserweiterung einen neuen, bislang nicht entschiedenen Anspruch zur Entscheidung stellt. Die bloße Erweiterung oder Änderung der Klage bzw. des Antrags im einstweiligen Rechtsschutz in zweiter Instanz kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein. Ein zunächst zulässiges Rechtsmittel wird daher unzulässig, wenn der Rechtsmittelführer nach Wegfall der Beschwer aus der erstinstanzlichen Entscheidung mit dem Rechtsmittel nur noch eine Erweiterung der Klage bzw. des Antrags in zweiter Instanz verfolgt. Auf die Zulässigkeit der Klage- bzw. Antragserweiterung als solcher kommt es dann nicht mehr an; dies gilt auch dann, wenn die Beschwer nach der Erweiterung der Klage bzw. des Antrags wegfällt (Bundesgerichtshof (BGH) NJW-RR 2006, 442 m.w.N. zur Berufung; vgl. a. Leitherer, a.a.O., Rdnr. 10 sowie § 99 Rdnr. 12).

Vorliegend ist die - ursprüngliche - Beschwer der Antragstellerin durch den gerichtlichen Vergleich vor dem SG vom 12. Januar 2012 entfallen. Durch diesen wurden ihr sämtliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, einschließlich der Kosten der Unterkunft und Heizung, für den gesamten streitbefangenen Zeitraum gewährt. Dies stellt die Antragstellerin auch selbst nicht in Abrede. Damit ist die Beschwer aus dem ablehnenden Beschluss des SG vom 29. Dezember 2011 vollständig beseitigt. Die von der Antragstellerin nun noch verfolgten Begehren waren nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung, so dass diese eine entsprechende Beschwer nicht enthalten konnte. Die Beschwerde ist daher insgesamt unzulässig, ohne dass es auf die Voraussetzungen einer zulässigen Antragserweiterung im Beschwerdeverfahren (§§ 153 Abs. 1, 99 SGG in entsprechender Anwendung) ankäme. Diese lägen mangels Sachdienlichkeit der Erweiterung und fehlender sachlicher Einlassung des Antragsgegners allerdings ohnehin nicht vor.

Das Beschwerdegericht hat aus den genannten Gründen über die Antragserweiterung nicht mehr zu befinden, sondern das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen (vgl. BGH, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife hat das Prozesskostenhilfegesuch für das Beschwerdeverfahren keinen Erfolg (§ 73a SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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