L 11 KR 4846/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 1522/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4846/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.09.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass sie seit dem 13.10.2008 als Versicherungspflichtige in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) geführt wurde. Sie begehrt die Feststellung, weiterhin über ihren Ehemann bei der Beklagten familienversichert zu sein.

Die 1968 geborene Klägerin ist seit dem 21.08.1998 verheiratet. Ihr Ehemann ist Mitglied der Beklagten. Vom 23.09.1996 bis 25.05.2000 war die Klägerin Mitglied der AOK - Die Gesundheitskasse Südlicher Oberrhein und seit dem 20.05.2001 bestand eine Familienversicherung über den Ehemann der Klägerin bei der Beklagten.

Am 13.10.2008 beantragte die Klägerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin auch eine Meldung zur KVdR nach § 201 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bei der Beklagten eingereicht. Mit Bescheid vom 27.10.2008 stellte die Beklagte daraufhin fest, ab dem Tag der Rentenantragstellung ende die Familienversicherung und bestehe eine Eigenmitgliedschaft, die kostenfrei sei, solange die Klägerin keine eigenen Einkünfte habe. Die Beklagte übersandte Formulare zur Einkommenserklärung, um deren baldige Rückgabe die Klägerin gebeten wurde.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, das Vorliegen von Erwerbsminderung stehe noch nicht fest, weshalb es bei der Familienversicherung verbleiben müsse.

Mit Schreiben vom 03.11.2008 erläuterte die Beklagte der Klägerin die Voraussetzung der KVdR für Rentenantragsteller. Beiträge müssten nicht entrichtet werden, sofern das Einkommen 355,- EUR bzw 400,- EUR monatlich nicht übersteige. Die Klägerin wurde gebeten, die Unterlagen für die Pflichtmitgliedschaft als Rentenantragstellerin ausgefüllt und unterschrieben bis spätestens 17.11.2008 zurückzugeben. Ansonsten müsse eine Mitgliedschaft kraft Gesetzes eingerichtet werden. In diesem Fall sei der Höchstbetrag von 592,20 EUR zu verlangen.

Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, die Androhung, eine Mitgliedschaft mit einem Höchstbeitrag einzurichten, sei eine Verwaltungsmaßnahme und damit ein Bescheid. Die Vorgehensweise erfülle zudem den Tatbestand der Nötigung.

Mit Bescheid vom 12.11.2008 stellte die Beklagte nochmals fest, dass ab dem Tag der Rentenantragstellung Versicherungspflicht für Rentenantragsteller bestehe. Sie wies daraufhin, dass ihr Schreiben vom 03.11.2008 als Anhörung zu werten sei, wiederholte den Hinweis aus dem Schreiben vom 03.11.2008 und forderte die Klägerin auf, bis spätestens 25.11.2008 den Antrag für die Mitgliedschaft als Rentenantragstellerin sowie die Einkommenserklärung vorzulegen.

Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch legte die Klägerin die von der Beklagten geforderten Unterlagen vor, wobei sie angab, monatlich ca. 300,- EUR aus nichtselbstständiger Beschäftigung zu erhalten. Zugleich legte sie die Anmeldung zur KVdR ab dem 13.10.2008 vor (Blatt 18 der Verwaltungsakte).

Mit Bescheid vom 19.02.2008 teilte die Beklagte auch im Namen der Barmer Ersatzkasse - Pflegekasse - der Klägerin mit, derzeit seien Beiträge zur KVdR nicht zu zahlen. Mit weiteren Schreiben vom 14.12.2008 und 15.01.2009 erläuterte die Beklagte nochmals ihre Rechtsauffassung und legte insbesondere dar, dass die Klägerin die Rahmenfrist (erforderliche Versicherungszeit von 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums einer Mitgliedschaft oder einer Familienversicherung bei einer Krankenkasse) erfüllt habe. Die Klägerin verblieb dabei, dass ihre Mitgliedschaft nicht korrekt geführt werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2009 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten die Widersprüche gegen die Bescheide vom 27.10.2008 und 12.11.2008 zurück und stellte fest, dass seit dem 13.10.2008 eine Mitgliedschaft in der KVdR bestehe. Ein Anspruch auf Familienversicherung gemäß § 10 SGB V bestehe ab diesem Zeitpunkt nicht mehr. Dies ergebe sich aus § 5 Abs 1 Nr 11 iVm § 189 SGB V. Die Formalmitgliedschaft sei nicht antragspflichtig, da die Klägerin ohne diese Mitgliedschaft nach § 10 SGB V versichert wäre. Dies folge aus § 225 Satz 1 Nr 3 SGB V, wonach der Rentenantragsteller bis zum Beginn der Rente beitragsfrei sei, wenn er nach § 10 SGB V versichert wäre.

Gegen den nach ihren eigenen Angaben am 24.02.2009 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg (SG) am 24.03.2009 sowohl Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 03.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2009 im Hinblick auf die nach ihrer Ansicht enthaltenen Verwaltungszwangsmaßnahme (Az: S 11 KR 1521/09) als auch Klage gegen den Bescheid vom 12.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2009 im Hinblick auf die korrekte Feststellung der Mitgliedschaft (Az: S 11 KR 1522/09) erhoben. Die Klage in dem Verfahren S 11 KR 1521 09 blieb erfolglos (Gerichtsbescheid vom 10.11.2009). Die Berufung hiergegen wurde durch Senatsurteil vom 22.06.2010 zurückgewiesen (Az: L 11 KR 5570/09).

Nachdem die Klägerin ihre Klage in dem Verfahren S 11 KR 1522/09 trotz Erinnerung nicht begründet hatte, hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.09.2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Das Gericht folge der völlig zutreffenden Begründung des Widerspruchsbescheides, mit der sich die Klage in keiner Weise auseinandersetzte. Von einer Darstellung der Entscheidungsgründe werde deshalb gemäß § 136 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgesehen.

Hiergegen richtet sich die am 14.10.2010 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, ihr gehe es um die korrekte Feststellung einer Mitgliedschaft und damit verbunden um eventuelle spätere Folgen auf Grund gesetzlicher Änderungen. Insofern bestehe auch eine rechtliche Beschwer, da ein Rechtsanspruch auf die Feststellung der korrekten Mitgliedschaft bestehe. Die Beklagte übersehe, dass auch ein beitragsfrei versichertes Familienmitglied Mitglied der Krankenkasse sei. Ferner sei nicht verständlich, wieso im Rahmen des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V postuliert werde, dass der Anspruch auf Rente erfüllt sein müsse, der Klägerin der Anspruch auf Rente jedoch streitig gemacht werde. Die als vermeintliche Schutzvorschrift gedachte Norm des § 189 SGB V könne sich unter Umständen so in ihr Gegenteil verkehren. § 189 SGB V sage nur, dass Rentenantragsteller Mitglieder seien, er postuliere aber nicht, wie sie versichert seien. Eigentümlich sei für sie, eine andere Versichertenkarte zu besitzen, die sie als Rentnerin ausweise. Dies sei ihr nicht genehm.

Die Klägerin beantragt - sachdienlich ausgelegt -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14.10.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 12.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2009 aufzuheben und festzustellen, dass sie auch über den 12.10.2008 hinaus über ihren Ehemann bei der Beklagten familienversichert ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend, da die Klägerin auf Grund des Rentenantrages vom 13.10.2008 als Rentenantragstellerin formal Mitglied geworden sei. Ein Anspruch auf Familienversicherung bestehe seit diesem Zeitpunkt nicht mehr. Die für eine Versicherung in der KVdR erforderliche Vorversicherungszeit erfülle die Klägerin unstreitig. Ab dem 13.10.2008 sei somit eine Mitgliedschaft als Rentenantragstellerin durchzuführen. Diese Formalmitgliedschaft sei nicht beitragspflichtig, da die Klägerin ohne diese Mitgliedschaft nach § 10 SGB V versichert wäre.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat die Gerichtsakte in dem Verfahren L 9 R 3431/10 beigezogen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte und auf die beigezogene Gerichtsakte in dem Verfahren L 9 R 3431/10 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerechte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Denn das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 12.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2009 (§ 95 SGG) verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass sie über den 12.10.2008 hinaus über ihren Ehemann bei der Beklagten familienversichert ist.

Nach § 10 Abs 1 Satz 1 SGB V sind der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern versichert, wenn diese Familienangehörige

1. ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, 2. nicht nach § 5 Abs 1 Nr 1, 2, 3 bis 8, 11 oder 12 SGB V oder nicht freiwillig versichert sind, 3. nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind; dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 SGB V außer Betracht, 4. nicht hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind und 5. kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 8a SGB IV beträgt das zulässige Gesamteinkommen 400,- EUR.

Die Klägerin ist seit dem 21.08.1998 mit ihrem Ehemann verheiratet, der Mitglied der Beklagten ist. Vom 20.05.2001 bis 12.10.2008 erfüllte die Klägerin die Voraussetzung des § 10 Abs 1 Satz 1 SGB V und war deshalb über ihren Ehemann bei der Beklagten familienversichert. Am 12.10.2008 endete jedoch diese Familienversicherung. Denn die Familienversicherung endet mit dem Tag, an dem die Voraussetzungen letztmals erfüllt sind (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 10 Rdnr 11 und 17, Stand Juli 2011). Am 12.10.2008 waren die Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Satz 1 SGB V letztmals erfüllt, da die Klägerin am 13.08.2008 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gestellt hat.

§ 189 Abs 1 Satz 1 SGB V bestimmt, dass als Mitglieder auch solche Personen gelten, die eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt haben und die Voraussetzungen nach § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 11 und 12 und Abs 2 SGB V, jedoch nicht die Voraussetzungen für den Bezug der Rente erfüllen. Die Mitgliedschaft beginnt gemäß § 189 Abs 2 SGB V mit dem Tag der Stellung des Rentenantrages und endet mit dem Tod oder mit dem Tag, an dem der Antrag zurückgenommen oder die Ablehnung des Antrages unanfechtbar wird. Gemäß § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V sind versicherungspflichtig Personen, die die Voraussetzung für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraumes Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert waren. Diese Voraussetzungen treffen auf die Klägerin zu. Sie war vom 23.09.1996 bis 25.05.2000 Mitglied bei der AOK - Die Gesundheitskasse Südlicher Oberrhein und vom 20.05.2001 bis 12.10.2008 nach § 10 Abs 1 SGB V bei der Beklagten familienversichert. Die Versicherungszeiten betragen mithin insgesamt 11 Jahre und 28 Tage, so dass die Klägerin die Rahmenfrist, die mit dem Tage der Rentenantragstellung am 13.10.2008 endet, erfüllt. Denn die geforderte Versicherungszeit (9/10) innerhalb der Rahmenfrist beträgt lediglich zehn Jahre, zehn Monate und zwölf Tage. Somit bestand ab dem 13.10.2008 Versicherungspflicht als Rentenantragstellerin nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V. Lediglich klarstellend wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich die Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung aus §§ 49 Abs 1 Satz 1, 20 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 11 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) ergibt.

Die Familienversicherung ist somit zum 13.10.2008 gemäß § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V entfallen, da die Klägerin ab diesem Zeiptunkt nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V versichert war. § 5 Abs 8 Satz 3 SGB V steht dem nicht entgegen. Bei Beziehern einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach dem 31.03.2002 nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V versicherungspflichtig geworden sind, deren Anspruch auf Rente schon an diesem Tag bestand und die bis zu diesem Zeitpunkt unter anderem nach § 10 SGB V versichert waren, aber nicht die Vorversicherungszeit des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V in der seit dem 01.01.1993 geltenden Fassung erfüllt hatten und deren Versicherung unter anderem nach § 10 SGB V nicht von einer der in § 9 Abs 1 Nr 6 SGB V genannten Personen abgeleitet worden ist, geht zwar unter anderem die in Versicherung nach § 10 SGB V der Versicherung nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V vor (§ 5 Abs. 8 Satz 3 SGB V). Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, denn die Klägerin hatte am 31.03.2002 keinen Anspruch auf Rente.

Der Senat kann auch die Frage offen lassen, ob die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 8 Abs 1 Nr 4 SGB V vorlagen. Danach wird auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wer versicherungspflichtig wird durch den Antrag auf Rente oder den Bezug von Rente oder der Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Denn zum Einen ist der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen (§ 8 Abs 2 Satz 1 SGB V), wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen, und zum Anderen führt eine solche Befreiung nicht zum Aufleben der Familienversicherung, was sich aus § 10 Abs 1 Nr 3 SGB V ergibt (vgl hierzu Baier, aaO, § 10 Rdnr 31).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved