Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 SB 4411/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1904/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. 2. 3. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 01. April 2008 und der Bescheid vom 06. Mai 2003 in Gestalt des Teil-Abhilfe-Bescheids vom 04. Juni 2004 und des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2004 abgeändert. Auf die Klage des Klägers wird der Bescheid vom 24. April 2008 abgeändert:
Der Beklagte wird verpflichtet, bei dem Kläger ab dem 13. Februar 2002 einen Grad der Behinderung von 60 (sechzig) und ab dem 01. November 2006 einen Grad der Behinderung von 70 (siebzig) festzustellen.
Im Übrigen werden die Klagen ab- und die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet dem Kläger 4/5 (vier Fünftel) seiner außergerichtlichen Kosten beider Instanzen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des beklagten Landes zur Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
1. Der am 12.05.1943 geborene Kläger beantragte am 13.02.2002 erstmals und rückwirkend zum 01.01.2000 die Feststellung eines GdB. Er gab an, er leide unter wiederholtem Muskel- und Gelenkschmerz im Schulter-Arm-Bereich, Atembeschwerden und Luftnot, Zustand nach (Z.n.) Lungenembolie, Z.n. Herzinfarkt, unter einer Depression mit Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Antriebsstörung, unter Beinkrämpfen und Oberschenkelschmerzen links, Z.n. Unterschenkel-Venen-Thrombose 1970, 1991 und 1995, unter rezidivierenden Hals- und Lendenwirbelsäulen-Syn¬dro¬men bei degenerativen Veränderungen und Spondylosen sowie unter einem Impinge¬ment-¬Syn¬drom der rechten Schulter. Er sei wegen Fibromyalgie in Behandlung. Auf den Antrag hin holte das zuständige Versorgungsamt Berichte der behandelnden Ärzte ein, wobei es hinsichtlich des behandelnden Neurologen Dr. H. eine richterliche Vernehmung beim Sozialgericht Stuttgart (SG) beantragte. Mit Bescheid vom 06.05.2003 lehnte das Versorgungsamt den Antrag ab. Es liege kein GdB von mindestens 20 vor. Die versor¬gungsärztliche Stellungnahme, die diesem Bescheid zu Grunde lag, nannte als Behinderungen eine Fibromyalgie mit funktionellen Organbeschwerden und psychovegetativen Störungen (GdB 10) und eine Funktionsbehinderung bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (GdB 10). Die Z.n. nach Lungenembolie, nach Herzinfarkt und nach Thrombose bedingten jeweils keinen GdB von wenigstens 10.
2. Der Kläger legte am 30.05.2003 Widerspruch ein. Er trug vor, allein für die psychische Erkrankung sei ein GdB von 30 bis 40 angemessen, für die Polyneuropathie (gemeint wohl: Fibro¬myalgie) ein GdB von mindestens 20. Das Versorgungsamt holte weitere Befundberichte und Entlassungsberichte über stationäre Behandlungen des Klägers ein.
Am 09.03.2004 erhob der Kläger vor dem SG Untätigkeitsklage (S 3 SB 1540/04) und begehrte Bescheidung seines Widerspruchs.
Unter dem 04.06.2006 erließ das Versorgungsamt einen Teil-Abhilfe-Bescheid, mit dem es bei dem Kläger ab dem 01.01.2000 einen Gesamt-GdB von 30 feststellte. Als Behinderungen erkannte es an (mit dem jeweiligen Einzel-GdB nach der zu Grunde liegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme): seelische Störung mit funktionellen Organbeschwerden und einem Kopfschmerzsyndrom (20), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Fibromyalgie-syn¬drom (20), Bluthochdruck (10), postthrombotisches Syndrom und behand¬lungsbedürftige Blut¬erkrankung (Faktor-V-Leiden, 10) sowie Magen- und Dickdarm¬erkrankung (10).
Nachdem der Kläger an seinem Widerspruch im Übrigen festhielt, erließ das Landes-versorgungsamt des beklagten Landes den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 29.06.2004.
3. Der Kläger erklärte daraufhin die Untätigkeitsklage für erledigt und hat am 12.07.2004 in der Sache Klage zum SG erhoben. Er hat hierbei zunächst die Feststellung eines GdB von 50 beantragt, und zwar ab Februar 2002. Später hat er seinen Antrag dahin erweitert, dass ab Februar 2002 ein GdB von "mindestens 70" festzustellen sei. Er hat weitere Behinderungen geltend gemacht. Er hat vor allem die Zusammenfassung mehrerer Behinderungen zu einem Einzel-GdB durch den versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten gerügt.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Orthopäde Dr. M. hat in seiner Aussage vom 10.06.2005 angegeben, auf orthopädischem Gebiet dominierten die Schulter- und Ellenbogenbeschwerden, an Lenden- und Brustwirbelsäule seien keine gravierenden Strukturveränderungen und keine Band-scheibenvorfälle zu verzeichnen, es bestehe hier jedoch eine gesteigerte Schmerzempfind¬lichkeit, die mit einem GdB von 20 zu bewerten sei. Neurologe und Psychiater Dr. H. hat unter dem 06.10.2005 zusätzlich auf rezidivierende depressive Episoden mit zurzeit schwerer Ausprägung hingewiesen und den Entlassungsbericht der Klinik K. vom 14.11.2005 über eine stationäre Rehabilitation des Klägers zur Akte gereicht. Die Klinische Fachimmunologin Prof. Dr. L. hat unter dem 18.05.2006 von einer Behandlung der - erheblichen - Fibromyalgie bis zum Jahre 2003 berichtet. Der Internist und Kardiologe Dr. R. hat in seiner Aussage vom 16.05.2006 angegeben, der Kläger habe am 23.03.2006 in einer Sitzergometrie bis zu 125 W belastet werden können. Der Anteil der seelischen Erkrankung am Gesamtkomplex sei dominant. Er verwies auch auf die Darmerkrankungen des Klägers, nämlich eine Sigma-Diverti¬ku¬li¬¬tis mit entzünd¬licher Darm-Stenose. Der Orthopäde Dr. B. hat mit Schreiben vom 18.05.2006 mitgeteilt, der Kläger leide auch an einer Retro¬patellar¬arthrose am linken Kniegelenk ohne Ergussbildung bei freier Beweglichkeit.
Bereits nach Eingang der ersten Zeugenaussagen hatte das beklagten Land, zuerst unter dem 23.12.2005, vergleichsweise die Feststellung eines Gesamt-GdB von 50 seit dem 01.07.2003 angeboten, ein Vergleich ist jedoch nicht zu Stande gekommen.
Im Auftrag des SG hat der Internist, Rheumatologe und Endokrinologe Dr. E. das Gutachten vom 23.03.2007 über den Kläger erstattet. Dieser Sachverständige hat bei dem Kläger folgende Behinderungen (jeweils mit vorgeschlagenem GdB) festgestellt: Fibro¬myal¬gie¬-Syn¬drom (30), seelische Störung in Form einer Depression (30), Blutgerinnungsstörung mit Auswirkungen (20), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (10 ab 2000, 20 ab 11/2006), strukturelle Schädigung mit funktioneller Störung in der rechten Schulter (10) und im rechten Kiefergelenk (10), Hypertonie (10), Teilverlust des Dickdarms (10), Schlafstörung seit 2004 (10), Hörstörung seit 2006 mit Z.n. Hörsturz (10), Miktionsstörung bei Prostatahyperplasie seit 2006 (10) und Neigung zu Harnleitersteinen (( 10). Den Gesamt-GdB hat Dr. H. auf 50 seit 2002, auf 60 seit 12/2004 und auf 70 seit 11/2006 geschätzt. Er hat ausgeführt, die seelischen Beeinträchtigungen des Klägers seien erheblich und nicht nur eine Auswirkung der chronischen Schmerzen. Sie seien daher eine Erkrankung mit eigenem Wert, nicht lediglich - im Sinne einer "somatoformen Schmerz¬störung" - eine andere Betrachtungsweise für das Fibromyalgie-Syndrom.
Der Kläger hat sodann wegen tatsächlicher Feststellungen des Sachverständigen (Ödeme, Kniebeugen, Angaben über die mögliche Wegstrecke) Einwendungen erhoben. Nachdem Dr. H. an seinen Feststellungen festgehalten hatte, hat ihn der Kläger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieses Gesuch hat das SG mit Beschluss vom 08.10.2007 abgelehnt (S 21 SB 6095/07). Die Beschwerde des Klägers gegen diesen Beschluss hat der erkennende Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg mit Beschluss vom 11.03.2008 zurückgewiesen (L 3 SB 5641/07 B). Das Befangenheitsgesuch sei nicht unverzüglich nach Kenntnis des geltend gemachten Ablehnungsgrundes, hier des Inhalts des Gutachtens, gestellt worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.04.2008 hat das SG unter entsprechender Abänderung der angegriffenen Bescheide des Beklagten festgestellt, der GdB des Klägers betrage 60 seit dem 13.02.2002. Unter Auswertung der ärztlichen Aussagen und des Gutachtens von Dr. E. hat das SG ausgeführt, bei dem Kläger beständen - jeweils mit Einzel-GdB von mindestens 20 - ein Kopfschmerzsyndrom mit seelischer Beeinträchtigung mit einem GdB von 30, eine Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule (20), ein Fibromyalgie-Syndrom als entzündlich-rheu-ma¬ti¬sche Erkrankung neben der seelischen Störung mit einem GdB von 30 und ein postthrombotisches Syndrom und eine behandlungsbedürftige Bluterkrankung (20). Die weiteren noch vorliegenden Beeinträchtigungen des Klägers (Z.n. Teilresektion des Dickdarms mit Gastritis, jedoch ohne wesentliche Beschwerden; Hypertonie) bedingten jeweils keinen GdB von mehr als 10. Weitere Behinderungen, insbesondere eine Lungenembolie oder eine Herzerkrankung, lägen nicht vor bzw. zeitigten aktuell keine Beeinträchtigungen. Aus den genannten Einzel-GdB ergebe sich ein Gesamt-GdB von 60, und zwar entgegen der Ansicht des Beklagten bereits ab Antragstellung.
Mit Bescheid vom 24.04.2008 stellte das Versorgungsamt in Ausführung des Gerichtsbescheids vom 01.04.2008 bei dem Kläger ab dem 13.02.2002 einen GdB von 60 fest.
4. Am 22.04.2008 hat der Kläger Berufung zum LSG eingelegt. Er hat zunächst vorgetragen, bereits die Bildung des Gesamt-GdB von 60 aus den anerkannten Einzel-GdB von 30, 30, 20 und 20 durch das SG entspreche nicht den Vorgaben. Die seelische Störung sei im Wesentlichen unabhängig von der Fibromyalgie zu sehen. Allenfalls überschnitten sich in ihren Auswirkungen die Fibromyalgie und das Wirbelsäulensyndrom. Auch seien die Einzel-GdB für die seelische Störung und die Fibromyalgie höher anzusetzen, das SG habe nicht ausreichend den Schweregrad dieser Erkrankungen und die aus ihnen folgenden Funktionsbeeinträchtigungen ermittelt. So habe Dr. E. das Fibromyalgie-Syndrom als schwer eingestuft. Seine Bewertung mit einem GdB von nur 30 sei daher nicht nachvollziehbar. Die seelische Erkrankung habe Dr. E. nicht sachgerecht bewerten können, nachdem er kein Psychiater sei. Bei ihm - dem Kläger - bestehe eine schwere seelische Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die allein einen GdB von mindestens 50 bedinge. In dem Erörterungstermin am 05.11.2009 hat der Kläger ferner behauptet, er leide nunmehr auch unter einer Macular¬dege¬nera¬tion und einer Spinalkanalstenose.
Zu seinem Vorbringen hat der Kläger weitere Arztbriefe von Dr. H. vom 28.01.2009 (depressive Störung und Angst gemischt, hierbei seit Jahren mittel- bis schwergradige depressive Episoden), des HNO-Arztes Dr. I. vom 22.02.2010 (linksseitiger Hörsturz 4/2006 mit pfeifendem und tlw. klopfendem Geräusch), von Dr. H. vom 24.02.2010 (Spinalkanalstenose C3/4 und C4/5, ED [Erstdiagnose] vor über zehn Jahren, Verschlechterung seit 12/2007 mit massiven cervikalen Blockaden und Einschränkungen des Gehens), des Radiologen Dr. L. vom 24.07.2009, der Augenärztin Dr. S. vom 16.03.2010 (Blend¬empfind¬lich¬keit, Einschränkungen der Hell-/Dunkeladaption, rez. Augenschmerzen, trockenes Auge, Linsentrü¬bungen, Visus li. und re. jeweils 0,8) und des Urologen Dr. A. vom 16.08.2010 (chronische Prostatitis, V.a. [Verdacht auf] Prostata-Ca., Z.n. Ureterstein-Koliken und Ureterstein-Abängen, massiver Leidensdruck des Klägers) vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 01. April 2008 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 06. Mai 2003 in Gestalt des Teil-Abhilfe-Bescheids vom 04. Juni 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2004 sowie des Bescheids vom 24. April 2008 zu verpflichten, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 70 seit dem 13.02.2002 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 24. April 2008 abzuweisen.
Er verteidigt seine Entscheidungen. Er meint, bei der Bewertung eines Fibromyalgie-Syndroms spiele eine psychogene Komponente eine wesentliche Rolle. Hierzu hat der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 14.07.2011 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, eine Aufteilung der GdB-Bewertungen für Fibromyalgie und für eine depressive Erkrankung, aber auch für ein chronisches Müdigkeitssyndrom, entspreche nicht den Vorgaben eines Kommentars (Rohr/Sträßer) zum Bundesversorgungsgesetz (BVG), wonach Müdig-keitssyndrom und Fibromyalgie "nach ihren psychischen Auswirkungen" zu beurteilen seien. Das gelte auch für OhrgeräuscP. Fasse man sämtliche psychischen Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers zusammen, ergebe sich kein höherer GdB als 40. Weiter zu berücksichtigen sei - lediglich - ein bereits weitreichender Einzel-GdB von 20 für die orthopädischen Beeinträchtigungen, sodass sich (unter weiterer Berücksichtigung des Einzel-GdB von 20 für das postthrombotische Syndrom und die Bluterkrankung) kein höherer Gesamt-GdB als 60 ergebe. Wegen der weiteren Ausführungen von Dr. W. wird auf die versor¬gungsärztliche Stellungnahme verwiesen.
Der Senat hat zunächst erneut behandelnde Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. H. hat unter dem 18.05.2009 mitgeteilt, bei dem Kläger handle es sich um eine chronifizierte schwere Depression mit rezidivierenden Stimmungstiefs und deutlich eingeschränkter Affektmodulation. Der Kläger werde zwei- bis dreiwöchentlich behandelt. Er habe von 2002 bis 2009 80 Stunden Psychotherapie absolviert. Zu bewerten sei die Krankheit als schwere seelische Störung mit mittel- bis schwergradiger sozialer Anpassungsstörung. Es beständen nahezu keine Außenaktivitäten und kein Freundeskreis mehr. Der Kläger lebe in Partnerschaft, wobei ein chronifizierter Beziehungskonflikt und keine intakte Beziehung beständen.
Mit Beweisbeschluss vom 26.08.2010 hat der Senat die Begutachtung des Klägers durch den Orthopäden Dr. D. und den Neurologen und Psychiater PD Dr. Ö. angeordnet. Nachdem der Kläger vier vorgeschlagene Begutachtungstermine bei Dr. D. nicht wahrgenommen hatte, wobei er zum Teil angab, krank zu sein, hat er mit Schriftsatz vom 01.03.2011 mitgeteilt, sich nicht durch Dr. D. begutachten lassen zu wollen, weil die Gutachten von Dr. D. grundsätzlich keiner Überprüfung durch einen versierten Orthopäden Stand hielten. Der Senat hat daraufhin unter dem 17.03.2011 mitgeteilt, hinsichtlich der auf orthopädischem Gebiet liegenden Beschwerden des Klägers von fehlender Mitwirkung auszugehen und den Kläger entsprechend lediglich durch Dr. Ö. begutachten zu lassen. Entsprechend ist Dr. D. entbunden worden.
Dr. Ö. hat in seinem Gutachten vom 19.04.2011 ausgeführt, der Kläger leide - auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet - an einer schweren Fibromyalgie mit außergewöhnlichen Schmerzen in verschiedenen Körperbereichen (Vorschlag: Einzel-GdB 30), an einer insgesamt mittelschweren psychischen Erkrankung in Form von Angst und depressiver Störung gemischt, wobei die depressive Störung zurzeit nur den Grad einer Dysthymie erreiche, während die Angststörung ausgeprägt sei und umfangreich medikamentös behandelt werden (Einzel-GdB insgesamt 30), an einem chronischen Müdigkeitssyndrom ("chronic fatigue syndrome", CFS, Einzel-GdB 20). Zu berücksichtigen seien weiter die Einzel-GdB von 20 für die orthopädischen Beschwerden und 20 für die Bluterkrankung. Integrierend zusammengefasst bestehe ein Gesamt-GdB von 70, wobei eine außergewöhnliche Komplexität von Störungen vorliege, welche sich seit den 1970-er Jahren und speziell seit 1992/1993 verstärkt hätten. Hinsichtlich der Entwicklung des GdB (50 seit 2002, 60 seit 12/2004, 70 seit 11/2006) könne dem sehr gründlichen und differenzierten Gutachten von Dr. E. gefolgt werden, wobei einerseits ab 04/2011 zusätzlich eine Rückenmarksfunktionsstörung vorliege, andererseits die von Dr. P. beschriebene depressive Störung nicht mehr mittelschwer bis schwer sei, sondern durch eine entsprechende Behandlung abgemildert worden sei. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen wird auf das schriftliche Gutachten und auf die nach Einwänden des Klägers gegen das Gutachten eingeholte ergänzende Stellungnahme vom 08.08.2011 verwiesen, in der der Sachverständige auch ausgeführt hat, bei der Fibromyalgie handle es sich um ein komplexes Schmerzsyndrom mit somatischen, psychischen und sozialen Anteilen, das von der psychischen Erkrankung und auch vom CFS zu unterscheiden sei.
Beide Beteiligte haben sich mit Schriftsätzen vom 15.09.2011 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 22.11.2011 die Einholung eines orthopädischen Gutachtens bei Dr. G. beantragt. Der Senat hat daraufhin unter dem 28.11.2011 darauf hingewiesen, dass er in diesem Verfahren am 14.12.2011 ohne mündliche Verhandlung entscheiden wolle.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung. Die Zustimmung des Klägers zu dieser Verfahrensweise vom 15.09.2011 ist nicht durch eine wesentliche Änderung der Prozesslage unwirksam geworden. Eine Einverständniserklärung wird unter anderem dann unwirksam, wenn das Gericht Auskünfte einholt (vgl. insoweit Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 124 Rn. 3e). Dies gilt jedoch nur dann, wenn sich durch diese Auskunft die Tatsachengrundlage für die Entscheidung ändert (BSG, Urt. v. 11.11.2003, B 2 U 32/02 R, Juris Rn. 13) und den Beteiligten durch die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung die Chance genommen wird, sich zu den neuen oder neu bewerteten Tatsachen zu äußern, was dann der Fall ist, wenn das Gericht nach Einholung der Auskunft nicht darauf hinweist, weiterhin ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu wollen (BSG, a.a.O., Rn. 15). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar war die ergänzende Stellungnahme von Dr. Ö. vom 08.08.2011 zunächst möglicherweise nur dem Beklagten übersandt worden, lag also dem Kläger noch nicht vor, als er einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zustimmte. Jedoch wurde die Stellungnahme dann am 26.09.2011 auch dem Kläger übersandt. Es bestand seitdem ausreichend Gelegenheit für ihn, sich dazu zu äußern, zumal auch der Senat am 28.11.2011 mitgeteilt hatte, auf Grund der Zustimmungserklärungen am 14.12.2011 ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu wollen. Vor allem aber enthielt die Stellungnahme von Dr. Ö. keine neuen Tatsachen und auch keine neue Bewertung der bereits bekannten Tatsachen. Vielmehr hat Dr. Ö. seine Feststellungen aus dem Gutachten vom 19.04.2011 aufrechterhalten und insbesondere seine allgemein-me¬dizi¬ni¬sche, dem Kläger günstige Ansicht verteidigt, die Fibromyalgie und das CFS seien von der psychischen Erkrankung zu trennen. Zudem war dem Kläger bei Erteilung der Einverständniserklärung bekannt gewesen, dass bei Dr. Ö. noch eine ergänzende Stellungnahme eingeholt worden war.
2. Der Senat konnte ungeachtet des Antrags des Klägers vom 22.11.2011, nach § 109 Abs. 1 SGG ein orthopädisches Gutachten einzuholen, in der Sache entscheiden. Der Antrag ist abzulehnen. Nach § 109 Abs. 2 Variante 2 SGG kann ein solcher Antrag abgelehnt werden, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde und der Antrag aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Nachdem das Verfahren aus Sicht des Senats entscheidungsreif ist und am 14.12.2011 zur Entscheidung anstand, hätte es das Verfahren verzögert, wenn dem Antrag vom 22.11.2011 nachgekommen worden wäre, weil die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens nicht binnen dreier Wochen möglich gewesen wäre. Der Senat hält auch dafür, dass der Antrag aus grober Nachlässigkeit heraus nicht früher gestellt worden ist. Dieser Fall ist anzunehmen, wenn eine Partei den Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG nicht binnen angemessener Frist stellt, nachdem sie erkennt, dass das Gericht keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen beabsichtigt (Keller, a.a.O., § 109 Rn. 11). Angemessen in diesem Sinne ist eine Frist von einem Monat (Keller, a.a.O. m.w.N.). Hiernach hätte der Antrag spätestens Mitte Oktober 2011 gestellt werden müssen, nachdem der Kläger durch das Schreiben des Senats vom 13.09.2011 erfahren hatte, dass der Senat die Sache für entscheidungsreif hält.
3. Nachdem nur der Kläger Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG eingelegt hat, der Beklagte aber weder Berufung noch Anschlussberufung, war nicht mehr zu entscheiden, ob bei dem Kläger ab der Antragstellung am 13.02.2002 tatsächlich ein Gesamt-GdB von 60 vorlag oder dieser Wert ggfs. erst zu einem späteren Zeitpunkt erreicht worden ist. Jedoch besteht bei dem Kläger ab dem 01.11.2006 ein Gesamt-GdB von 70, während in der streitigen Zeit zuvor (13.02.2002 bis 31.10.2006) jedenfalls kein höherer GdB als 60 anzunehmen ist.
4. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung eines GdB (§ 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX], § 30 Bundesversorgungsgesetz [BVG]) und auch die medizinischen und sonstigen Anforderungen an einzelne GdB-Werte und an die Bildung des Gesamt-GdB nach den damals regelmäßig herangezogenen "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (im Folgenden: AHP) in der letzten Fassung 2008 hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt. Hierauf wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Zu ergänzen ist lediglich, dass die AHP ab dem 01.01.2009 durch die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (im Folgenden: VersMedG) in Anlage 2 der nach § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Versorgungsmedizin-Verord¬nung (VersMedV) ersetzt wurden.
5. Bei dem Kläger besteht ab November 2006 ein Gesamt-GdB von 70.
a) Zunächst ist festzuhalten, dass die Fibromyalgie, das CFS und die psychischen Erkrankungen des Klägers drei getrennte Krankheitsbilder darstellen, die jeweils für sich Einzel-GdB bedingen und nicht zu einem einheitlichen GdB zusammengefasst werden dürfen, sondern allenfalls eine etwaige Überschneidung ihrer Auswirkungen bei der Bildung des Gesamt-GdB berücksichtigt werden kann:
Es trifft zwar zu, dass die Fibromyalgie und auch das CFS (ebenso wie die multiple Chemikalienunverträglichkeit) nach Nr. 26.18 AHP und zunächst auch noch nach Nr. B 18.4 VersMedG als "Somatisierungssyndrome" eingestuft worden waren. Bereits damals schrieben die AHP bzw. die VersMedG aber vor, dass diese Syndrome nach ihren "funktionellen" Auswirkungen zu beurteilen seien und nicht etwa nur nach ihren "psychischen", wie Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 14.07.2011 angeführt hatte. Zu den funktionellen Auswirkungen gehören und gehörten auch nach den früheren Regelungen auch körperliche Beschwerden. Dies ist insbesondere für die Fibromyalgie augenfällig. Bei ihr handelt es sich um ein generalisiertes Schmerzsyndrom (vgl. Rohr/Sträßer/Dahm, BVG, Bd. III, Kommentierung zur VersMedV, Teil B, S. 108 [Stand Oktober 2010]), also eine Krankheit mit im Wesentlichen körperlichen Auswirkungen. Schmerzen und andere körperliche Symptome werden aber von den GdB-Werte für psychische Erkrankungen (heute Nr. B 3.7. VMG) nicht erfasst. Entsprechend hat auch der Sachverständige Dr. Ö. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.08.2011 darauf hingewiesen, dass die Fibromyalgie zwar durchaus einen Bezug zu psychiatrischen Störungen hat, aber selbst als algologische (schmerztherapeutische) oder (nichtentzündliche) rheumatologische Erkrankung aufzufassen ist.
Auch um die Selbstständigkeit dieser Erkrankungen zu betonen, wurde durch Art. 1 Nr. 2 lit. d der Ersten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung (1. VersMedV-ÄndV) vom 01.03.2010 (BGBl I S. 249) die Bezeichnung als "Somatisierungs-Syndrome" in Nr. B 18.4 VersMedG gestrichen. Diese Änderung sollte unter anderem deutlich machen, dass das Fibromyalgie-Syndrom eine rheumatische und keine psychische Krankheit sei (BR-Drs. 891/09 S. 5). Nachdem diese Änderung der VersMedG nach der Ansicht des Verordnungsgebers nur eine "Klarstellung" sein sollte, hat der Senat keine Bedenken, auch schon die früheren Regelungen in den AHP 2008 und der ersten Fassung der VersMedG - ihrem Wortlaut entsprechend - so auszulegen, dass jedenfalls nicht nur die psychischen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen sind.
Da die VersMedG - ebenso wie schon die AHP 2008 - aber nach wie vor keine eigenen GdB-Werte vorgeben, kann es dabei verbleiben, dass für die Bewertung der Fibromyalgie (und des chronischen Müdigkeitssyndroms) grundsätzlich die GdB-Werte für psychische Störungen analog herangezogen werden können (vgl. im Einzelnen Rohr/Sträßer/Dahm, a.a.O., S. 109 f.). Dies heißt aber nicht, wie ausgeführt, dass eine eventuell daneben bestehende psychische Erkrankung keinen weiteren Einzel-GdB bedingen kann. Ebenso sind stärker körperbezogene Folgen der Fibromyal¬gie analog anderer GdB-Werte der VMG zu beurteilen. So können durch die Fibromyalgie ausgelöste degenerative Veränderungen an den Muskeln nach Nr. B 18.6 VersMedG und an GeN.en nach Nrn. B 18.9 ff. VersMedG bewertet werden.
b) Die Fibromyalgie des Klägers ist erheblich. Wie auch die beiden Sachverständigen Dr. Ö. (S. 21 ff. des Gutachtens) und in erster Instanz Dr. E. (S. 18 ff. seines Gutachtens) überzeugend ausgeführt haben, bestehen eine erhebliche Schmerzempfindlichkeit an allen 18 der insoweit relevanten "Tender-Points", tastbare Muskelverspannungen an Gesicht, Kopf, Nacken, Rücken, Becken und Extremitäten und außerdem bereits mehrere körperliche Folgeerscheinungen, nämlich Veränderungen am Kausystem (Myoarthropatie) und an Ellenbogen und Achillessehnen (Achillo¬dy¬nie). Dr. E. hat außerdem berichtet (S. 21), dass die Beeinträchtigungen durch die Fibromyal¬gie trotz einer polypragmatischen Medikation fortbeständen. Angesichts dieser Beeinträchtigungen kann dem übereinstimmenden Vorschlag beider Gutachter gefolgt und für die Fibromyalgie ein Einzel-GdB von 30 angesetzt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dieser Wert nach Nr. B 3.7 VersMedG (ebenso nach Nr. 26.3 AHP) lediglich die untere Stufe für stärker behindernde psychische Störungen darstellt. Andererseits ist das Kopfschmerzsyndrom des Klägers von dieser Bewertung mit umfasst, da es neben der Fibromyalgie, die ein den ganzen Körper umfassendes Schmerzsyndrom darstellt, keine darüber hinaus gehenden Ein¬schränkungen bedingt.
c) Das ebenfalls getrennt zu bewertende chronische Müdigkeitssyndrom (CFS) bewertet der Senat - ebenfalls den Vorschlägen von Dr. Ö. folgend - mit einem GdB von 20. Diese Bewertung fußt nicht nur auf den Werten in Nr. B 3.7 VersMedG, sondern beruht vor allem auf einer Analogie zur Bewertung des Schlaf-Apnoe-Syndroms in Nr. B 8.7 VersMedG (früher Nr. 26.8 AHP), der einzigen in den AHP bzw. den VMG geregelten Schlafkrankheit. Dort ist ein Einzel-GdB von 20 bereits bei einer zwar notwendigen, aber auch möglichen Behandlung (Überdruckbeatmung) vorgesehen, also auch in Fällen, in denen das Schlaf-Apnoe-Syndrom letztlich keine Tagesmüdigkeit mehr verursacht. Bei dem Kläger bestehen aber nach den überzeugenden Feststellungen von Dr. Ö. noch solche Symptome am Tag, nämlich eine chronische Erschöpfung und Müdigkeit trotz Erholungspausen und sogar trotz üblichen Schlafumfangs (S. 23 des Gutachtens). Wie zur Bildung des Gesamt-GdB noch auszuführen sein wird, überlappen sich jedoch die Auswirkungen dieser Behinderung erheblich mit jenen der anderen Behinderungen.
d) Die seelische Krankheit des Klägers haben beide Sachverständigen als Angst und Depression gemischt bezeichnet (ICD-10 F 41.2). Allerdings hat Dr. Ö. in dem depressiven Teilbereich dieser Erkrankung nur noch eine sehr leichte Störung in Form einer Dysthymie diagnostiziert, während Dr. E. - der allerdings kein Psychiater ist - eine (noch) mittelgradige depressive Störung gesehen hatte. Gleichwohl haben beide Sachverständigen einen GdB von 30 für diese Erkran-kung vorgeschlagen. Dem kann gefolgt werden. Dr. Ö. hat auf den erheblichen Ausprägungsgrad der Angstkomponente der Erkrankung hingewiesen. Nach seinen Feststellungen wird der Kläger überwiegend mit zwei angstlösenden Antidepressiva (Trevilor und Amitriptylin) und außerdem einem ebenfalls angstlösenden Sedativum Promethazin behandelt. Dr. Ö. hielt auch die - durch ärztliche Unterlagen gestützte - Schilderung des Klägers, er habe bereits seit langem, mindestens seit 1993, regelmäßig Panikattacken mit Todesangst, für glaubhaft (S. 11 des Gutachtens). Zu berücksichtigen sind ferner die erheblichen Einschränkungen im Tagesablauf des Klägers, der - nach seinen Schilderungen - um 9.00 bzw. 11.00 Uhr aufsteht, etwa zwei Stunden benötigt, bis er z. B. das Frühstück bereitet, und im Haushalt die Hilfe einer Bekannten braucht. Hinzu kommt, dass der Kläger - nach seinen Angaben bei Dr. E. (S. 14 des Gutachtens) - nur noch ungern das Haus verlässt und öffentliche Veranstaltungen meidet. Hiernach erscheint es überzeugend, den unteren Wert für eine stärker behindernde Störung mit - bereits - wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nach Nr. B 3.7 VMG (Nr. 26.3 AHP) anzusetzen, also einen GdB von 30. Vor allem angesichts der Angstkrankheit kann nicht mehr von einer leichteren Störung gesprochen werden, die nur einen GdB von bis zu 20 bedingen würde.
e) Die Bewertung des postthrombotischen Syndroms und der Bluterkrankung (Faktor-V-Krank-heit) des Klägers mit einem Einzel-GdB von 20 ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Dieser Wert erscheint auch überzeugend. Er entspricht dem unteren Wert aus der Spanne von 20 bis 40, die nach Nr. B 16.10 VersMedG (Nr. 26.16 AHP) für sonstige Blutungsleiden mit mäßigen Auswirkungen vorgesehen ist. Solche Auswirkungen bestehen hier. Bei dem Kläger treten rezidivierend, wenn auch in größeren Abständen, Unterschenkelthrombosen auf, einmal (1993) ist es auch zu einer Lungenembolie gekommen. Hinzu kommt, dass der Kläger dauerhaft mit Antikoagulantien behandelt wird, was nach dem Zusatz zu Nr. B 16.10 VersMedG (Nr. 26.16 AHP) bereits allein einen GdB von 10 bedingt, auch wenn ansonsten keine Folgeerscheinungen der Bluterkrankung (mehr) bestehen.
f) Auf orthopädischem Gebiet ist lediglich von einem GdB von 20 auszugehen, wie ihn auch der Beklagte anerkannt hat.
Basis für diese Bewertung sind - nur - die vorliegenden medizinischen Unterlagen, vor allem die Arztbriefe. Die Ergebnisse eines orthopädischen Gutachtens können nicht berücksichtigt werden. Dass ein solches Gutachten nicht vorliegt, beruht auf einer fehlenden Mitwirkung des Klägers. Der Kläger war nach § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG gehalten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken. Im Rahmen dieser Obliegenheit muss sich der Kläger eines sozialgerichtlichen Verfahrens auch von einem Sachverständigen untersuchen lassen, soweit ihm dies zumutbar ist, wobei die Grenzen der Zumutbarkeit analog den Vorschriften für das Verwaltungsverfahren (§ 65 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I] bestimmt werden können (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 103 Rn. 14a m.w.N.). Gegen diese Obliegenheit hat der Kläger verstoßen, nachdem er zu vier vorgeschlagenen Untersuchungsterminen bei dem durch den Senat bestellten orthopädischen Sachverständigen Dr. D. nicht erschienen war und sodann mitgeteilt hat, er werde sich von Dr. D. nicht begutachten lassen. Einen wichtigen Grund, der diese Untersuchung als unzumutbar erscheinen lassen könnte, hat der Kläger jedoch nicht mitgeteilt. Sein Vorbringen, Dr. D.s Gutachten hielten - regelmäßig - einer Überprüfung durch einen "versierten Orthopäden" nicht Stand, reicht hierzu nicht aus. Einen solchen Vorwurf konnte der Kläger nicht erheben, nachdem er bislang nicht von Dr. D. begutachtet worden war. Nur gegen das vorliegende Gutachten hätte er inhaltliche Einwände erheben und den Sachverständigen ggfs. wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen können. Auf diese Rechtslage und auf die Folgen der verweigerten Mitwirkung ist der Kläger in dem Schreiben des Senats vom 17.03.2011 ausreichend hingewiesen worden, er hat gleichwohl nicht mitgewirkt. Als Folge des Obliegenheitsverstoßes eines Klägers unterbleibt die notwendige Begutachtung und das Gericht bildet sich seine Überzeugung nur auf der Basis des Vorbringens der Beteiligten und der ggfs. vorhandenen Beweismittel, insbesondere anderer Gutachten und der Aussagen der behandelnden Ärzte.
Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen und dem Gutachten von Dr. E. trifft der GdB von 20 für die orthopädischen Beeinträchtigungen des Klägers zu. Es besteht insoweit eine Funktionsbeeinträchtigung nur eines Abschnitts der Wirbelsäule, nämlich der Halswirbelsäule (HWS), allerdings nur mit endgradigen Einschränkungen der Beweglichkeit und mit allenfalls geringfügigen Nervenwurzelreizungen. Dies hat Dr. P. in seinem Gutachten festgestellt. Dass nach wie vor nur Segmente eines WS-Abschnitts betroffen sind und dass lediglich degenerative Veränderungen mit (geringfügigen) Protusionen einzelner Bandscheiben zu verzeichnen sind, aber z. B. kein Bandscheibenprolaps, ergibt sich auch aus dem Arztbrief des Radiologen Dr. N. vom 24.07.2009, den der Kläger im Berufungsverfahren zur Akte gereicht hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Schmerzen, die durch die Wirbelsäulenschäden entstehen, vollständig von der Bewertung der Fibromyalgie umfasst werden. Dagegen hat Dr. Ö. in seinem Gutachten vom 19.04.2011 - zusätzlich - eine Halsmarkschädigung mit geringen motorischen Ausfällen und einer Koordinationsstörung (des Halses bzw. der Kopfhaltung) diagnostiziert (S. 26 Gutachten). Vor diesem Hintergrund erscheint es vertretbar, bei der Wirbelsäule einen GdB von - gerade - 20 anzunehmen, der nach Nr. B 18.9 VersMedG an sich erst bei mittel-gradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, also häufigen Bewe¬gungs-einschränkungen mittleren Grades oder häufigen Wirbelsäulensyndromen vorgesehen ist. Zumindest kann ein GdB von 20 auf orthopädischem Gebiet gerechtfertigt werden, wenn man zusätzlich die rezidivierenden Reizerscheinungen an der rechten Schulter nach einer Schädigung der Supra¬spinatus¬sehne und einer AC-Gelenks¬arthrose berücksichtigt, die nach den Vorschriften über Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks (Nr. B 18.13 VersMedG) selbst allenfalls einen GdB von 10 bedingen würden.
g) Die weiteren Erkrankungen des Klägers bedingen nur Einzel-GdB von jeweils höchstens 10:
Für Bluthochdruck sieht Nr. B 9.3 VersMedG einen GdB von 20 erst bei mittelschweren Formen, nämlich bei Organbeteiligungen oder einem mehrfachen Anstieg des diastolischen Drucks auf über 100 mgHg, vor. Solche Auswirkungen liegen hier nicht vor. Bei den Untersuchungen und der Blutdrucklangzeitmessung des Klägers während seiner Rehabilitation in der Klinik K. sind Organbeteiligungen bislang nicht festgestellt worden und hat der diastolische Wert höchstens 73,6 mmHg betragen (Entlassungsbericht vom 14.11.2005, S. 2-4 f.). Bei den Begutachtungen hatten Dr. E. 140/80 mmHg und Dr. Ö. 195/95 mmHg gemessen.
Der Teilverlust des Dickdarms 12/2004 hat keine erheblichen Auswirkungen. Bereits bei Dr. E. hatte der Kläger berichtet, nach der Operation habe er zwar ausgeprägten Durchfall gehabt, dies habe sich jedoch gebessert, nunmehr habe er dreimal am Tag Stuhlgang. Die Schmerzen im Unterbauch seien verschwunden. Hiernach kann nach Nr. B 10.2.2 VersMedG nur noch von einem Z.n. Darmteilresektion ohne wesentliche Beschwerden und Auswirkungen ausgegangen werden, der einen GdB von bis zu 10 bedingt. Ein GdB von 20 kommt erst bei häufig rezidivierenden Symptomen (wie z. B. Durchfällen) in Betracht. Ein dreimaliger Stuhlgang am Tag ist aber noch nicht in diesem Bereich zu sehen.
Auf urologischem Gebiet hat der Kläger bei Dr. E. von Schwierigkeiten beim "In-Gang-Kommen" des Harnflusses berichtet, dies ist allenfalls als Entleerungsstörung leichteren Grades einzustufen, die nach Nr. B 12.2.2 VersMedG einen GdB von 10 bedingt.
Einen Herzinfarkt im eigentlichen Sinne hat der Kläger nicht erlitten. Bereits in dem Arztbrief vom 31.01.2003, den das Versorgungsamt im Antragsverfahren eingeholt hat, hat Dr. H. lediglich von einem Z.n. Herzinsuffizienz 02/2002 und rezidivierenden Koronarbeschwerden gesprochen. In der Zeit danach wird diese Diagnose nicht mehr gestellt, insbesondere auch nicht in dem Entlassungsbericht der Klinik K. vom 14.11.2005. Auch die beiden Gutachten Dr. E. und Dr. Ö. berücksichtigen eine Herzerkrankung nicht. Danach ist davon auszugehen, dass insoweit keine relevanten Beeinträchtigungen verblieben sind. Hierfür spricht auch, dass der Kläger bei der sitzergometrischen Untersuchung bei Dr. R. am 23.03.2006 bis zu 125 W belastet werden konnte, während ein GdB von wenigstens 20 wegen einer Einschränkung der Herzleistung nach Nr. B 9.1.1 VersMedG erst bei einer mittelschweren Belastung mit einer ergometrischen Höchstbelastung von 75 W für zwei Minuten in Betracht kommt.
Eine Sehbehinderung besteht bei dem Kläger angesichts der Visen von jeweils 0,8 (sc) nicht. Erst ab einem Restvisus von bds. 0,63 kommt ein GdB von 10 in Betracht (vgl. Nr. B 4.3 VersMedG).
h) Bei einer integrierenden Betrachtung ist aus den beim Kläger vorliegenden, insoweit relevanten Einzel-GdB von 30 (Fibromyalgie), 30 (psych. Erkrankung), 20 (Müdig¬keits¬syndrom), 20 (orthopädische Beeinträchtigungen) und 20 (Bluterkrankung) ein Gesamt-GdB von 70 zu bilden. Zwar überschneiden sich, wie ausgeführt, die Fibromyalgie und das Müdigkeits¬syndrom jeweils stark mit der gemischten depressiven und Angsterkrankung. Gleichwohl bestehen auch jeweils eigenständige Funktionsbeeinträchtigungen, insbesondere tritt die Schmerzerkrankung nicht hinter der psychischen Krankheit zurück. Für diese drei Bereiche kann daher ein GdB von 50 gebildet werden. Zusammen mit den weiteren Beeinträchtigungen ist hiernach ein GdB von 70 gerechtfertigt, der ab November 2006 zuerkannt werden kann.
6. Erst ab diesem Zeitpunkt können die orthopädischen Beeinträchtigungen des Klägers mit einem GdB von 20 bewertet werden. Diese zeitliche Zäsur hat zunächst Dr. E. in seinem Gutachten vom 23.03.2007 gesehen. Er hat berichtet, der Kläger habe im November 2006 auf Grund der in den Vordergrund getretenen HWS-Problematik einen beruflichen Wiedereinstieg abbrechen müssen (S. 2 des Gutachtens). Dr. Ö. hat diesen Zeitpunkt als nachvollziehbar bezeichnet und in seinen Vorschlag übernommen. Dies erscheint vertretbar. Die Ver¬schlechterung der degenerativen Veränderungen der HWS wurde bei einer radiologischen Untersuchung des Klägers in jenem Zeitraum festgestellt und in dem Arztbrief des Radiologen Dr. N. vom 04.12.2006 beschrieben. Dort ist auch ausgeführt, an dem am stärksten betroffenen Segment C4/5 seien die Verengungen (Spondylosis und Spinalkanalstenose) progredient, während eine vorhandene Protusion rückläufig sei. Bis Oktober 2006 ergab sich dagegen nur ein Gesamt-GdB von 60, weil auf orthopädischem Gebiet nur ein GdB von 10 vorlag.
7. In zwei Punkten war der Tenor des Gerichtsbescheids von Amts wegen abzuändern, was auch durch das Berufungsgericht geschehen kann:
Zum einen hat das SG eine gerichtliche Feststellung ausgesprochen, dass der GdB des Klägers seit dem 13.02.2002 60 betrage. Es hat also offensichtlich eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) angenommen und für zulässig gehalten. Die Feststellung eines GdB ist jedoch eine Statusentscheidung mit Inter-Omnes-Wirkung, die nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX - allein - den "für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden" obliegt. Entsprechend sind Fest¬stellungs-klagen in diesem Bereich unzulässig. Ein Kläger kann allein Verpflichtungsklage erheben und nur eine gerichtliche Verpflichtung der zuständigen Behörde zum Erlass eines feststellenden Bescheids verlangen (Keller, a.a.O., § 55 Rn. 13c mit Hinweis auf BSG, SozR 3-1300 § 44 Nr. 3).
Zum anderen hatte der Kläger bereits in erster Instanz die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von "mindestens 70" beantragt. Da das SG eine Verpflichtung zur Feststellung eines GdB von 60 ausgesprochen hat, hätte es die Klage im Übrigen abweisen müssen.
Wegen dieser Änderungen hat der Senat den Tenor vollständig neu gefasst.
8. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 193 SGG.
9. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Der Beklagte wird verpflichtet, bei dem Kläger ab dem 13. Februar 2002 einen Grad der Behinderung von 60 (sechzig) und ab dem 01. November 2006 einen Grad der Behinderung von 70 (siebzig) festzustellen.
Im Übrigen werden die Klagen ab- und die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet dem Kläger 4/5 (vier Fünftel) seiner außergerichtlichen Kosten beider Instanzen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des beklagten Landes zur Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
1. Der am 12.05.1943 geborene Kläger beantragte am 13.02.2002 erstmals und rückwirkend zum 01.01.2000 die Feststellung eines GdB. Er gab an, er leide unter wiederholtem Muskel- und Gelenkschmerz im Schulter-Arm-Bereich, Atembeschwerden und Luftnot, Zustand nach (Z.n.) Lungenembolie, Z.n. Herzinfarkt, unter einer Depression mit Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Antriebsstörung, unter Beinkrämpfen und Oberschenkelschmerzen links, Z.n. Unterschenkel-Venen-Thrombose 1970, 1991 und 1995, unter rezidivierenden Hals- und Lendenwirbelsäulen-Syn¬dro¬men bei degenerativen Veränderungen und Spondylosen sowie unter einem Impinge¬ment-¬Syn¬drom der rechten Schulter. Er sei wegen Fibromyalgie in Behandlung. Auf den Antrag hin holte das zuständige Versorgungsamt Berichte der behandelnden Ärzte ein, wobei es hinsichtlich des behandelnden Neurologen Dr. H. eine richterliche Vernehmung beim Sozialgericht Stuttgart (SG) beantragte. Mit Bescheid vom 06.05.2003 lehnte das Versorgungsamt den Antrag ab. Es liege kein GdB von mindestens 20 vor. Die versor¬gungsärztliche Stellungnahme, die diesem Bescheid zu Grunde lag, nannte als Behinderungen eine Fibromyalgie mit funktionellen Organbeschwerden und psychovegetativen Störungen (GdB 10) und eine Funktionsbehinderung bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (GdB 10). Die Z.n. nach Lungenembolie, nach Herzinfarkt und nach Thrombose bedingten jeweils keinen GdB von wenigstens 10.
2. Der Kläger legte am 30.05.2003 Widerspruch ein. Er trug vor, allein für die psychische Erkrankung sei ein GdB von 30 bis 40 angemessen, für die Polyneuropathie (gemeint wohl: Fibro¬myalgie) ein GdB von mindestens 20. Das Versorgungsamt holte weitere Befundberichte und Entlassungsberichte über stationäre Behandlungen des Klägers ein.
Am 09.03.2004 erhob der Kläger vor dem SG Untätigkeitsklage (S 3 SB 1540/04) und begehrte Bescheidung seines Widerspruchs.
Unter dem 04.06.2006 erließ das Versorgungsamt einen Teil-Abhilfe-Bescheid, mit dem es bei dem Kläger ab dem 01.01.2000 einen Gesamt-GdB von 30 feststellte. Als Behinderungen erkannte es an (mit dem jeweiligen Einzel-GdB nach der zu Grunde liegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme): seelische Störung mit funktionellen Organbeschwerden und einem Kopfschmerzsyndrom (20), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Fibromyalgie-syn¬drom (20), Bluthochdruck (10), postthrombotisches Syndrom und behand¬lungsbedürftige Blut¬erkrankung (Faktor-V-Leiden, 10) sowie Magen- und Dickdarm¬erkrankung (10).
Nachdem der Kläger an seinem Widerspruch im Übrigen festhielt, erließ das Landes-versorgungsamt des beklagten Landes den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 29.06.2004.
3. Der Kläger erklärte daraufhin die Untätigkeitsklage für erledigt und hat am 12.07.2004 in der Sache Klage zum SG erhoben. Er hat hierbei zunächst die Feststellung eines GdB von 50 beantragt, und zwar ab Februar 2002. Später hat er seinen Antrag dahin erweitert, dass ab Februar 2002 ein GdB von "mindestens 70" festzustellen sei. Er hat weitere Behinderungen geltend gemacht. Er hat vor allem die Zusammenfassung mehrerer Behinderungen zu einem Einzel-GdB durch den versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten gerügt.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Orthopäde Dr. M. hat in seiner Aussage vom 10.06.2005 angegeben, auf orthopädischem Gebiet dominierten die Schulter- und Ellenbogenbeschwerden, an Lenden- und Brustwirbelsäule seien keine gravierenden Strukturveränderungen und keine Band-scheibenvorfälle zu verzeichnen, es bestehe hier jedoch eine gesteigerte Schmerzempfind¬lichkeit, die mit einem GdB von 20 zu bewerten sei. Neurologe und Psychiater Dr. H. hat unter dem 06.10.2005 zusätzlich auf rezidivierende depressive Episoden mit zurzeit schwerer Ausprägung hingewiesen und den Entlassungsbericht der Klinik K. vom 14.11.2005 über eine stationäre Rehabilitation des Klägers zur Akte gereicht. Die Klinische Fachimmunologin Prof. Dr. L. hat unter dem 18.05.2006 von einer Behandlung der - erheblichen - Fibromyalgie bis zum Jahre 2003 berichtet. Der Internist und Kardiologe Dr. R. hat in seiner Aussage vom 16.05.2006 angegeben, der Kläger habe am 23.03.2006 in einer Sitzergometrie bis zu 125 W belastet werden können. Der Anteil der seelischen Erkrankung am Gesamtkomplex sei dominant. Er verwies auch auf die Darmerkrankungen des Klägers, nämlich eine Sigma-Diverti¬ku¬li¬¬tis mit entzünd¬licher Darm-Stenose. Der Orthopäde Dr. B. hat mit Schreiben vom 18.05.2006 mitgeteilt, der Kläger leide auch an einer Retro¬patellar¬arthrose am linken Kniegelenk ohne Ergussbildung bei freier Beweglichkeit.
Bereits nach Eingang der ersten Zeugenaussagen hatte das beklagten Land, zuerst unter dem 23.12.2005, vergleichsweise die Feststellung eines Gesamt-GdB von 50 seit dem 01.07.2003 angeboten, ein Vergleich ist jedoch nicht zu Stande gekommen.
Im Auftrag des SG hat der Internist, Rheumatologe und Endokrinologe Dr. E. das Gutachten vom 23.03.2007 über den Kläger erstattet. Dieser Sachverständige hat bei dem Kläger folgende Behinderungen (jeweils mit vorgeschlagenem GdB) festgestellt: Fibro¬myal¬gie¬-Syn¬drom (30), seelische Störung in Form einer Depression (30), Blutgerinnungsstörung mit Auswirkungen (20), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (10 ab 2000, 20 ab 11/2006), strukturelle Schädigung mit funktioneller Störung in der rechten Schulter (10) und im rechten Kiefergelenk (10), Hypertonie (10), Teilverlust des Dickdarms (10), Schlafstörung seit 2004 (10), Hörstörung seit 2006 mit Z.n. Hörsturz (10), Miktionsstörung bei Prostatahyperplasie seit 2006 (10) und Neigung zu Harnleitersteinen (( 10). Den Gesamt-GdB hat Dr. H. auf 50 seit 2002, auf 60 seit 12/2004 und auf 70 seit 11/2006 geschätzt. Er hat ausgeführt, die seelischen Beeinträchtigungen des Klägers seien erheblich und nicht nur eine Auswirkung der chronischen Schmerzen. Sie seien daher eine Erkrankung mit eigenem Wert, nicht lediglich - im Sinne einer "somatoformen Schmerz¬störung" - eine andere Betrachtungsweise für das Fibromyalgie-Syndrom.
Der Kläger hat sodann wegen tatsächlicher Feststellungen des Sachverständigen (Ödeme, Kniebeugen, Angaben über die mögliche Wegstrecke) Einwendungen erhoben. Nachdem Dr. H. an seinen Feststellungen festgehalten hatte, hat ihn der Kläger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieses Gesuch hat das SG mit Beschluss vom 08.10.2007 abgelehnt (S 21 SB 6095/07). Die Beschwerde des Klägers gegen diesen Beschluss hat der erkennende Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg mit Beschluss vom 11.03.2008 zurückgewiesen (L 3 SB 5641/07 B). Das Befangenheitsgesuch sei nicht unverzüglich nach Kenntnis des geltend gemachten Ablehnungsgrundes, hier des Inhalts des Gutachtens, gestellt worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.04.2008 hat das SG unter entsprechender Abänderung der angegriffenen Bescheide des Beklagten festgestellt, der GdB des Klägers betrage 60 seit dem 13.02.2002. Unter Auswertung der ärztlichen Aussagen und des Gutachtens von Dr. E. hat das SG ausgeführt, bei dem Kläger beständen - jeweils mit Einzel-GdB von mindestens 20 - ein Kopfschmerzsyndrom mit seelischer Beeinträchtigung mit einem GdB von 30, eine Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule (20), ein Fibromyalgie-Syndrom als entzündlich-rheu-ma¬ti¬sche Erkrankung neben der seelischen Störung mit einem GdB von 30 und ein postthrombotisches Syndrom und eine behandlungsbedürftige Bluterkrankung (20). Die weiteren noch vorliegenden Beeinträchtigungen des Klägers (Z.n. Teilresektion des Dickdarms mit Gastritis, jedoch ohne wesentliche Beschwerden; Hypertonie) bedingten jeweils keinen GdB von mehr als 10. Weitere Behinderungen, insbesondere eine Lungenembolie oder eine Herzerkrankung, lägen nicht vor bzw. zeitigten aktuell keine Beeinträchtigungen. Aus den genannten Einzel-GdB ergebe sich ein Gesamt-GdB von 60, und zwar entgegen der Ansicht des Beklagten bereits ab Antragstellung.
Mit Bescheid vom 24.04.2008 stellte das Versorgungsamt in Ausführung des Gerichtsbescheids vom 01.04.2008 bei dem Kläger ab dem 13.02.2002 einen GdB von 60 fest.
4. Am 22.04.2008 hat der Kläger Berufung zum LSG eingelegt. Er hat zunächst vorgetragen, bereits die Bildung des Gesamt-GdB von 60 aus den anerkannten Einzel-GdB von 30, 30, 20 und 20 durch das SG entspreche nicht den Vorgaben. Die seelische Störung sei im Wesentlichen unabhängig von der Fibromyalgie zu sehen. Allenfalls überschnitten sich in ihren Auswirkungen die Fibromyalgie und das Wirbelsäulensyndrom. Auch seien die Einzel-GdB für die seelische Störung und die Fibromyalgie höher anzusetzen, das SG habe nicht ausreichend den Schweregrad dieser Erkrankungen und die aus ihnen folgenden Funktionsbeeinträchtigungen ermittelt. So habe Dr. E. das Fibromyalgie-Syndrom als schwer eingestuft. Seine Bewertung mit einem GdB von nur 30 sei daher nicht nachvollziehbar. Die seelische Erkrankung habe Dr. E. nicht sachgerecht bewerten können, nachdem er kein Psychiater sei. Bei ihm - dem Kläger - bestehe eine schwere seelische Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die allein einen GdB von mindestens 50 bedinge. In dem Erörterungstermin am 05.11.2009 hat der Kläger ferner behauptet, er leide nunmehr auch unter einer Macular¬dege¬nera¬tion und einer Spinalkanalstenose.
Zu seinem Vorbringen hat der Kläger weitere Arztbriefe von Dr. H. vom 28.01.2009 (depressive Störung und Angst gemischt, hierbei seit Jahren mittel- bis schwergradige depressive Episoden), des HNO-Arztes Dr. I. vom 22.02.2010 (linksseitiger Hörsturz 4/2006 mit pfeifendem und tlw. klopfendem Geräusch), von Dr. H. vom 24.02.2010 (Spinalkanalstenose C3/4 und C4/5, ED [Erstdiagnose] vor über zehn Jahren, Verschlechterung seit 12/2007 mit massiven cervikalen Blockaden und Einschränkungen des Gehens), des Radiologen Dr. L. vom 24.07.2009, der Augenärztin Dr. S. vom 16.03.2010 (Blend¬empfind¬lich¬keit, Einschränkungen der Hell-/Dunkeladaption, rez. Augenschmerzen, trockenes Auge, Linsentrü¬bungen, Visus li. und re. jeweils 0,8) und des Urologen Dr. A. vom 16.08.2010 (chronische Prostatitis, V.a. [Verdacht auf] Prostata-Ca., Z.n. Ureterstein-Koliken und Ureterstein-Abängen, massiver Leidensdruck des Klägers) vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 01. April 2008 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 06. Mai 2003 in Gestalt des Teil-Abhilfe-Bescheids vom 04. Juni 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2004 sowie des Bescheids vom 24. April 2008 zu verpflichten, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 70 seit dem 13.02.2002 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 24. April 2008 abzuweisen.
Er verteidigt seine Entscheidungen. Er meint, bei der Bewertung eines Fibromyalgie-Syndroms spiele eine psychogene Komponente eine wesentliche Rolle. Hierzu hat der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 14.07.2011 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, eine Aufteilung der GdB-Bewertungen für Fibromyalgie und für eine depressive Erkrankung, aber auch für ein chronisches Müdigkeitssyndrom, entspreche nicht den Vorgaben eines Kommentars (Rohr/Sträßer) zum Bundesversorgungsgesetz (BVG), wonach Müdig-keitssyndrom und Fibromyalgie "nach ihren psychischen Auswirkungen" zu beurteilen seien. Das gelte auch für OhrgeräuscP. Fasse man sämtliche psychischen Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers zusammen, ergebe sich kein höherer GdB als 40. Weiter zu berücksichtigen sei - lediglich - ein bereits weitreichender Einzel-GdB von 20 für die orthopädischen Beeinträchtigungen, sodass sich (unter weiterer Berücksichtigung des Einzel-GdB von 20 für das postthrombotische Syndrom und die Bluterkrankung) kein höherer Gesamt-GdB als 60 ergebe. Wegen der weiteren Ausführungen von Dr. W. wird auf die versor¬gungsärztliche Stellungnahme verwiesen.
Der Senat hat zunächst erneut behandelnde Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. H. hat unter dem 18.05.2009 mitgeteilt, bei dem Kläger handle es sich um eine chronifizierte schwere Depression mit rezidivierenden Stimmungstiefs und deutlich eingeschränkter Affektmodulation. Der Kläger werde zwei- bis dreiwöchentlich behandelt. Er habe von 2002 bis 2009 80 Stunden Psychotherapie absolviert. Zu bewerten sei die Krankheit als schwere seelische Störung mit mittel- bis schwergradiger sozialer Anpassungsstörung. Es beständen nahezu keine Außenaktivitäten und kein Freundeskreis mehr. Der Kläger lebe in Partnerschaft, wobei ein chronifizierter Beziehungskonflikt und keine intakte Beziehung beständen.
Mit Beweisbeschluss vom 26.08.2010 hat der Senat die Begutachtung des Klägers durch den Orthopäden Dr. D. und den Neurologen und Psychiater PD Dr. Ö. angeordnet. Nachdem der Kläger vier vorgeschlagene Begutachtungstermine bei Dr. D. nicht wahrgenommen hatte, wobei er zum Teil angab, krank zu sein, hat er mit Schriftsatz vom 01.03.2011 mitgeteilt, sich nicht durch Dr. D. begutachten lassen zu wollen, weil die Gutachten von Dr. D. grundsätzlich keiner Überprüfung durch einen versierten Orthopäden Stand hielten. Der Senat hat daraufhin unter dem 17.03.2011 mitgeteilt, hinsichtlich der auf orthopädischem Gebiet liegenden Beschwerden des Klägers von fehlender Mitwirkung auszugehen und den Kläger entsprechend lediglich durch Dr. Ö. begutachten zu lassen. Entsprechend ist Dr. D. entbunden worden.
Dr. Ö. hat in seinem Gutachten vom 19.04.2011 ausgeführt, der Kläger leide - auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet - an einer schweren Fibromyalgie mit außergewöhnlichen Schmerzen in verschiedenen Körperbereichen (Vorschlag: Einzel-GdB 30), an einer insgesamt mittelschweren psychischen Erkrankung in Form von Angst und depressiver Störung gemischt, wobei die depressive Störung zurzeit nur den Grad einer Dysthymie erreiche, während die Angststörung ausgeprägt sei und umfangreich medikamentös behandelt werden (Einzel-GdB insgesamt 30), an einem chronischen Müdigkeitssyndrom ("chronic fatigue syndrome", CFS, Einzel-GdB 20). Zu berücksichtigen seien weiter die Einzel-GdB von 20 für die orthopädischen Beschwerden und 20 für die Bluterkrankung. Integrierend zusammengefasst bestehe ein Gesamt-GdB von 70, wobei eine außergewöhnliche Komplexität von Störungen vorliege, welche sich seit den 1970-er Jahren und speziell seit 1992/1993 verstärkt hätten. Hinsichtlich der Entwicklung des GdB (50 seit 2002, 60 seit 12/2004, 70 seit 11/2006) könne dem sehr gründlichen und differenzierten Gutachten von Dr. E. gefolgt werden, wobei einerseits ab 04/2011 zusätzlich eine Rückenmarksfunktionsstörung vorliege, andererseits die von Dr. P. beschriebene depressive Störung nicht mehr mittelschwer bis schwer sei, sondern durch eine entsprechende Behandlung abgemildert worden sei. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen wird auf das schriftliche Gutachten und auf die nach Einwänden des Klägers gegen das Gutachten eingeholte ergänzende Stellungnahme vom 08.08.2011 verwiesen, in der der Sachverständige auch ausgeführt hat, bei der Fibromyalgie handle es sich um ein komplexes Schmerzsyndrom mit somatischen, psychischen und sozialen Anteilen, das von der psychischen Erkrankung und auch vom CFS zu unterscheiden sei.
Beide Beteiligte haben sich mit Schriftsätzen vom 15.09.2011 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 22.11.2011 die Einholung eines orthopädischen Gutachtens bei Dr. G. beantragt. Der Senat hat daraufhin unter dem 28.11.2011 darauf hingewiesen, dass er in diesem Verfahren am 14.12.2011 ohne mündliche Verhandlung entscheiden wolle.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung. Die Zustimmung des Klägers zu dieser Verfahrensweise vom 15.09.2011 ist nicht durch eine wesentliche Änderung der Prozesslage unwirksam geworden. Eine Einverständniserklärung wird unter anderem dann unwirksam, wenn das Gericht Auskünfte einholt (vgl. insoweit Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 124 Rn. 3e). Dies gilt jedoch nur dann, wenn sich durch diese Auskunft die Tatsachengrundlage für die Entscheidung ändert (BSG, Urt. v. 11.11.2003, B 2 U 32/02 R, Juris Rn. 13) und den Beteiligten durch die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung die Chance genommen wird, sich zu den neuen oder neu bewerteten Tatsachen zu äußern, was dann der Fall ist, wenn das Gericht nach Einholung der Auskunft nicht darauf hinweist, weiterhin ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu wollen (BSG, a.a.O., Rn. 15). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar war die ergänzende Stellungnahme von Dr. Ö. vom 08.08.2011 zunächst möglicherweise nur dem Beklagten übersandt worden, lag also dem Kläger noch nicht vor, als er einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zustimmte. Jedoch wurde die Stellungnahme dann am 26.09.2011 auch dem Kläger übersandt. Es bestand seitdem ausreichend Gelegenheit für ihn, sich dazu zu äußern, zumal auch der Senat am 28.11.2011 mitgeteilt hatte, auf Grund der Zustimmungserklärungen am 14.12.2011 ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu wollen. Vor allem aber enthielt die Stellungnahme von Dr. Ö. keine neuen Tatsachen und auch keine neue Bewertung der bereits bekannten Tatsachen. Vielmehr hat Dr. Ö. seine Feststellungen aus dem Gutachten vom 19.04.2011 aufrechterhalten und insbesondere seine allgemein-me¬dizi¬ni¬sche, dem Kläger günstige Ansicht verteidigt, die Fibromyalgie und das CFS seien von der psychischen Erkrankung zu trennen. Zudem war dem Kläger bei Erteilung der Einverständniserklärung bekannt gewesen, dass bei Dr. Ö. noch eine ergänzende Stellungnahme eingeholt worden war.
2. Der Senat konnte ungeachtet des Antrags des Klägers vom 22.11.2011, nach § 109 Abs. 1 SGG ein orthopädisches Gutachten einzuholen, in der Sache entscheiden. Der Antrag ist abzulehnen. Nach § 109 Abs. 2 Variante 2 SGG kann ein solcher Antrag abgelehnt werden, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde und der Antrag aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Nachdem das Verfahren aus Sicht des Senats entscheidungsreif ist und am 14.12.2011 zur Entscheidung anstand, hätte es das Verfahren verzögert, wenn dem Antrag vom 22.11.2011 nachgekommen worden wäre, weil die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens nicht binnen dreier Wochen möglich gewesen wäre. Der Senat hält auch dafür, dass der Antrag aus grober Nachlässigkeit heraus nicht früher gestellt worden ist. Dieser Fall ist anzunehmen, wenn eine Partei den Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG nicht binnen angemessener Frist stellt, nachdem sie erkennt, dass das Gericht keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen beabsichtigt (Keller, a.a.O., § 109 Rn. 11). Angemessen in diesem Sinne ist eine Frist von einem Monat (Keller, a.a.O. m.w.N.). Hiernach hätte der Antrag spätestens Mitte Oktober 2011 gestellt werden müssen, nachdem der Kläger durch das Schreiben des Senats vom 13.09.2011 erfahren hatte, dass der Senat die Sache für entscheidungsreif hält.
3. Nachdem nur der Kläger Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG eingelegt hat, der Beklagte aber weder Berufung noch Anschlussberufung, war nicht mehr zu entscheiden, ob bei dem Kläger ab der Antragstellung am 13.02.2002 tatsächlich ein Gesamt-GdB von 60 vorlag oder dieser Wert ggfs. erst zu einem späteren Zeitpunkt erreicht worden ist. Jedoch besteht bei dem Kläger ab dem 01.11.2006 ein Gesamt-GdB von 70, während in der streitigen Zeit zuvor (13.02.2002 bis 31.10.2006) jedenfalls kein höherer GdB als 60 anzunehmen ist.
4. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung eines GdB (§ 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX], § 30 Bundesversorgungsgesetz [BVG]) und auch die medizinischen und sonstigen Anforderungen an einzelne GdB-Werte und an die Bildung des Gesamt-GdB nach den damals regelmäßig herangezogenen "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (im Folgenden: AHP) in der letzten Fassung 2008 hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt. Hierauf wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Zu ergänzen ist lediglich, dass die AHP ab dem 01.01.2009 durch die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (im Folgenden: VersMedG) in Anlage 2 der nach § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Versorgungsmedizin-Verord¬nung (VersMedV) ersetzt wurden.
5. Bei dem Kläger besteht ab November 2006 ein Gesamt-GdB von 70.
a) Zunächst ist festzuhalten, dass die Fibromyalgie, das CFS und die psychischen Erkrankungen des Klägers drei getrennte Krankheitsbilder darstellen, die jeweils für sich Einzel-GdB bedingen und nicht zu einem einheitlichen GdB zusammengefasst werden dürfen, sondern allenfalls eine etwaige Überschneidung ihrer Auswirkungen bei der Bildung des Gesamt-GdB berücksichtigt werden kann:
Es trifft zwar zu, dass die Fibromyalgie und auch das CFS (ebenso wie die multiple Chemikalienunverträglichkeit) nach Nr. 26.18 AHP und zunächst auch noch nach Nr. B 18.4 VersMedG als "Somatisierungssyndrome" eingestuft worden waren. Bereits damals schrieben die AHP bzw. die VersMedG aber vor, dass diese Syndrome nach ihren "funktionellen" Auswirkungen zu beurteilen seien und nicht etwa nur nach ihren "psychischen", wie Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 14.07.2011 angeführt hatte. Zu den funktionellen Auswirkungen gehören und gehörten auch nach den früheren Regelungen auch körperliche Beschwerden. Dies ist insbesondere für die Fibromyalgie augenfällig. Bei ihr handelt es sich um ein generalisiertes Schmerzsyndrom (vgl. Rohr/Sträßer/Dahm, BVG, Bd. III, Kommentierung zur VersMedV, Teil B, S. 108 [Stand Oktober 2010]), also eine Krankheit mit im Wesentlichen körperlichen Auswirkungen. Schmerzen und andere körperliche Symptome werden aber von den GdB-Werte für psychische Erkrankungen (heute Nr. B 3.7. VMG) nicht erfasst. Entsprechend hat auch der Sachverständige Dr. Ö. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.08.2011 darauf hingewiesen, dass die Fibromyalgie zwar durchaus einen Bezug zu psychiatrischen Störungen hat, aber selbst als algologische (schmerztherapeutische) oder (nichtentzündliche) rheumatologische Erkrankung aufzufassen ist.
Auch um die Selbstständigkeit dieser Erkrankungen zu betonen, wurde durch Art. 1 Nr. 2 lit. d der Ersten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung (1. VersMedV-ÄndV) vom 01.03.2010 (BGBl I S. 249) die Bezeichnung als "Somatisierungs-Syndrome" in Nr. B 18.4 VersMedG gestrichen. Diese Änderung sollte unter anderem deutlich machen, dass das Fibromyalgie-Syndrom eine rheumatische und keine psychische Krankheit sei (BR-Drs. 891/09 S. 5). Nachdem diese Änderung der VersMedG nach der Ansicht des Verordnungsgebers nur eine "Klarstellung" sein sollte, hat der Senat keine Bedenken, auch schon die früheren Regelungen in den AHP 2008 und der ersten Fassung der VersMedG - ihrem Wortlaut entsprechend - so auszulegen, dass jedenfalls nicht nur die psychischen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen sind.
Da die VersMedG - ebenso wie schon die AHP 2008 - aber nach wie vor keine eigenen GdB-Werte vorgeben, kann es dabei verbleiben, dass für die Bewertung der Fibromyalgie (und des chronischen Müdigkeitssyndroms) grundsätzlich die GdB-Werte für psychische Störungen analog herangezogen werden können (vgl. im Einzelnen Rohr/Sträßer/Dahm, a.a.O., S. 109 f.). Dies heißt aber nicht, wie ausgeführt, dass eine eventuell daneben bestehende psychische Erkrankung keinen weiteren Einzel-GdB bedingen kann. Ebenso sind stärker körperbezogene Folgen der Fibromyal¬gie analog anderer GdB-Werte der VMG zu beurteilen. So können durch die Fibromyalgie ausgelöste degenerative Veränderungen an den Muskeln nach Nr. B 18.6 VersMedG und an GeN.en nach Nrn. B 18.9 ff. VersMedG bewertet werden.
b) Die Fibromyalgie des Klägers ist erheblich. Wie auch die beiden Sachverständigen Dr. Ö. (S. 21 ff. des Gutachtens) und in erster Instanz Dr. E. (S. 18 ff. seines Gutachtens) überzeugend ausgeführt haben, bestehen eine erhebliche Schmerzempfindlichkeit an allen 18 der insoweit relevanten "Tender-Points", tastbare Muskelverspannungen an Gesicht, Kopf, Nacken, Rücken, Becken und Extremitäten und außerdem bereits mehrere körperliche Folgeerscheinungen, nämlich Veränderungen am Kausystem (Myoarthropatie) und an Ellenbogen und Achillessehnen (Achillo¬dy¬nie). Dr. E. hat außerdem berichtet (S. 21), dass die Beeinträchtigungen durch die Fibromyal¬gie trotz einer polypragmatischen Medikation fortbeständen. Angesichts dieser Beeinträchtigungen kann dem übereinstimmenden Vorschlag beider Gutachter gefolgt und für die Fibromyalgie ein Einzel-GdB von 30 angesetzt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dieser Wert nach Nr. B 3.7 VersMedG (ebenso nach Nr. 26.3 AHP) lediglich die untere Stufe für stärker behindernde psychische Störungen darstellt. Andererseits ist das Kopfschmerzsyndrom des Klägers von dieser Bewertung mit umfasst, da es neben der Fibromyalgie, die ein den ganzen Körper umfassendes Schmerzsyndrom darstellt, keine darüber hinaus gehenden Ein¬schränkungen bedingt.
c) Das ebenfalls getrennt zu bewertende chronische Müdigkeitssyndrom (CFS) bewertet der Senat - ebenfalls den Vorschlägen von Dr. Ö. folgend - mit einem GdB von 20. Diese Bewertung fußt nicht nur auf den Werten in Nr. B 3.7 VersMedG, sondern beruht vor allem auf einer Analogie zur Bewertung des Schlaf-Apnoe-Syndroms in Nr. B 8.7 VersMedG (früher Nr. 26.8 AHP), der einzigen in den AHP bzw. den VMG geregelten Schlafkrankheit. Dort ist ein Einzel-GdB von 20 bereits bei einer zwar notwendigen, aber auch möglichen Behandlung (Überdruckbeatmung) vorgesehen, also auch in Fällen, in denen das Schlaf-Apnoe-Syndrom letztlich keine Tagesmüdigkeit mehr verursacht. Bei dem Kläger bestehen aber nach den überzeugenden Feststellungen von Dr. Ö. noch solche Symptome am Tag, nämlich eine chronische Erschöpfung und Müdigkeit trotz Erholungspausen und sogar trotz üblichen Schlafumfangs (S. 23 des Gutachtens). Wie zur Bildung des Gesamt-GdB noch auszuführen sein wird, überlappen sich jedoch die Auswirkungen dieser Behinderung erheblich mit jenen der anderen Behinderungen.
d) Die seelische Krankheit des Klägers haben beide Sachverständigen als Angst und Depression gemischt bezeichnet (ICD-10 F 41.2). Allerdings hat Dr. Ö. in dem depressiven Teilbereich dieser Erkrankung nur noch eine sehr leichte Störung in Form einer Dysthymie diagnostiziert, während Dr. E. - der allerdings kein Psychiater ist - eine (noch) mittelgradige depressive Störung gesehen hatte. Gleichwohl haben beide Sachverständigen einen GdB von 30 für diese Erkran-kung vorgeschlagen. Dem kann gefolgt werden. Dr. Ö. hat auf den erheblichen Ausprägungsgrad der Angstkomponente der Erkrankung hingewiesen. Nach seinen Feststellungen wird der Kläger überwiegend mit zwei angstlösenden Antidepressiva (Trevilor und Amitriptylin) und außerdem einem ebenfalls angstlösenden Sedativum Promethazin behandelt. Dr. Ö. hielt auch die - durch ärztliche Unterlagen gestützte - Schilderung des Klägers, er habe bereits seit langem, mindestens seit 1993, regelmäßig Panikattacken mit Todesangst, für glaubhaft (S. 11 des Gutachtens). Zu berücksichtigen sind ferner die erheblichen Einschränkungen im Tagesablauf des Klägers, der - nach seinen Schilderungen - um 9.00 bzw. 11.00 Uhr aufsteht, etwa zwei Stunden benötigt, bis er z. B. das Frühstück bereitet, und im Haushalt die Hilfe einer Bekannten braucht. Hinzu kommt, dass der Kläger - nach seinen Angaben bei Dr. E. (S. 14 des Gutachtens) - nur noch ungern das Haus verlässt und öffentliche Veranstaltungen meidet. Hiernach erscheint es überzeugend, den unteren Wert für eine stärker behindernde Störung mit - bereits - wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nach Nr. B 3.7 VMG (Nr. 26.3 AHP) anzusetzen, also einen GdB von 30. Vor allem angesichts der Angstkrankheit kann nicht mehr von einer leichteren Störung gesprochen werden, die nur einen GdB von bis zu 20 bedingen würde.
e) Die Bewertung des postthrombotischen Syndroms und der Bluterkrankung (Faktor-V-Krank-heit) des Klägers mit einem Einzel-GdB von 20 ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Dieser Wert erscheint auch überzeugend. Er entspricht dem unteren Wert aus der Spanne von 20 bis 40, die nach Nr. B 16.10 VersMedG (Nr. 26.16 AHP) für sonstige Blutungsleiden mit mäßigen Auswirkungen vorgesehen ist. Solche Auswirkungen bestehen hier. Bei dem Kläger treten rezidivierend, wenn auch in größeren Abständen, Unterschenkelthrombosen auf, einmal (1993) ist es auch zu einer Lungenembolie gekommen. Hinzu kommt, dass der Kläger dauerhaft mit Antikoagulantien behandelt wird, was nach dem Zusatz zu Nr. B 16.10 VersMedG (Nr. 26.16 AHP) bereits allein einen GdB von 10 bedingt, auch wenn ansonsten keine Folgeerscheinungen der Bluterkrankung (mehr) bestehen.
f) Auf orthopädischem Gebiet ist lediglich von einem GdB von 20 auszugehen, wie ihn auch der Beklagte anerkannt hat.
Basis für diese Bewertung sind - nur - die vorliegenden medizinischen Unterlagen, vor allem die Arztbriefe. Die Ergebnisse eines orthopädischen Gutachtens können nicht berücksichtigt werden. Dass ein solches Gutachten nicht vorliegt, beruht auf einer fehlenden Mitwirkung des Klägers. Der Kläger war nach § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG gehalten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken. Im Rahmen dieser Obliegenheit muss sich der Kläger eines sozialgerichtlichen Verfahrens auch von einem Sachverständigen untersuchen lassen, soweit ihm dies zumutbar ist, wobei die Grenzen der Zumutbarkeit analog den Vorschriften für das Verwaltungsverfahren (§ 65 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I] bestimmt werden können (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 103 Rn. 14a m.w.N.). Gegen diese Obliegenheit hat der Kläger verstoßen, nachdem er zu vier vorgeschlagenen Untersuchungsterminen bei dem durch den Senat bestellten orthopädischen Sachverständigen Dr. D. nicht erschienen war und sodann mitgeteilt hat, er werde sich von Dr. D. nicht begutachten lassen. Einen wichtigen Grund, der diese Untersuchung als unzumutbar erscheinen lassen könnte, hat der Kläger jedoch nicht mitgeteilt. Sein Vorbringen, Dr. D.s Gutachten hielten - regelmäßig - einer Überprüfung durch einen "versierten Orthopäden" nicht Stand, reicht hierzu nicht aus. Einen solchen Vorwurf konnte der Kläger nicht erheben, nachdem er bislang nicht von Dr. D. begutachtet worden war. Nur gegen das vorliegende Gutachten hätte er inhaltliche Einwände erheben und den Sachverständigen ggfs. wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen können. Auf diese Rechtslage und auf die Folgen der verweigerten Mitwirkung ist der Kläger in dem Schreiben des Senats vom 17.03.2011 ausreichend hingewiesen worden, er hat gleichwohl nicht mitgewirkt. Als Folge des Obliegenheitsverstoßes eines Klägers unterbleibt die notwendige Begutachtung und das Gericht bildet sich seine Überzeugung nur auf der Basis des Vorbringens der Beteiligten und der ggfs. vorhandenen Beweismittel, insbesondere anderer Gutachten und der Aussagen der behandelnden Ärzte.
Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen und dem Gutachten von Dr. E. trifft der GdB von 20 für die orthopädischen Beeinträchtigungen des Klägers zu. Es besteht insoweit eine Funktionsbeeinträchtigung nur eines Abschnitts der Wirbelsäule, nämlich der Halswirbelsäule (HWS), allerdings nur mit endgradigen Einschränkungen der Beweglichkeit und mit allenfalls geringfügigen Nervenwurzelreizungen. Dies hat Dr. P. in seinem Gutachten festgestellt. Dass nach wie vor nur Segmente eines WS-Abschnitts betroffen sind und dass lediglich degenerative Veränderungen mit (geringfügigen) Protusionen einzelner Bandscheiben zu verzeichnen sind, aber z. B. kein Bandscheibenprolaps, ergibt sich auch aus dem Arztbrief des Radiologen Dr. N. vom 24.07.2009, den der Kläger im Berufungsverfahren zur Akte gereicht hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Schmerzen, die durch die Wirbelsäulenschäden entstehen, vollständig von der Bewertung der Fibromyalgie umfasst werden. Dagegen hat Dr. Ö. in seinem Gutachten vom 19.04.2011 - zusätzlich - eine Halsmarkschädigung mit geringen motorischen Ausfällen und einer Koordinationsstörung (des Halses bzw. der Kopfhaltung) diagnostiziert (S. 26 Gutachten). Vor diesem Hintergrund erscheint es vertretbar, bei der Wirbelsäule einen GdB von - gerade - 20 anzunehmen, der nach Nr. B 18.9 VersMedG an sich erst bei mittel-gradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, also häufigen Bewe¬gungs-einschränkungen mittleren Grades oder häufigen Wirbelsäulensyndromen vorgesehen ist. Zumindest kann ein GdB von 20 auf orthopädischem Gebiet gerechtfertigt werden, wenn man zusätzlich die rezidivierenden Reizerscheinungen an der rechten Schulter nach einer Schädigung der Supra¬spinatus¬sehne und einer AC-Gelenks¬arthrose berücksichtigt, die nach den Vorschriften über Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks (Nr. B 18.13 VersMedG) selbst allenfalls einen GdB von 10 bedingen würden.
g) Die weiteren Erkrankungen des Klägers bedingen nur Einzel-GdB von jeweils höchstens 10:
Für Bluthochdruck sieht Nr. B 9.3 VersMedG einen GdB von 20 erst bei mittelschweren Formen, nämlich bei Organbeteiligungen oder einem mehrfachen Anstieg des diastolischen Drucks auf über 100 mgHg, vor. Solche Auswirkungen liegen hier nicht vor. Bei den Untersuchungen und der Blutdrucklangzeitmessung des Klägers während seiner Rehabilitation in der Klinik K. sind Organbeteiligungen bislang nicht festgestellt worden und hat der diastolische Wert höchstens 73,6 mmHg betragen (Entlassungsbericht vom 14.11.2005, S. 2-4 f.). Bei den Begutachtungen hatten Dr. E. 140/80 mmHg und Dr. Ö. 195/95 mmHg gemessen.
Der Teilverlust des Dickdarms 12/2004 hat keine erheblichen Auswirkungen. Bereits bei Dr. E. hatte der Kläger berichtet, nach der Operation habe er zwar ausgeprägten Durchfall gehabt, dies habe sich jedoch gebessert, nunmehr habe er dreimal am Tag Stuhlgang. Die Schmerzen im Unterbauch seien verschwunden. Hiernach kann nach Nr. B 10.2.2 VersMedG nur noch von einem Z.n. Darmteilresektion ohne wesentliche Beschwerden und Auswirkungen ausgegangen werden, der einen GdB von bis zu 10 bedingt. Ein GdB von 20 kommt erst bei häufig rezidivierenden Symptomen (wie z. B. Durchfällen) in Betracht. Ein dreimaliger Stuhlgang am Tag ist aber noch nicht in diesem Bereich zu sehen.
Auf urologischem Gebiet hat der Kläger bei Dr. E. von Schwierigkeiten beim "In-Gang-Kommen" des Harnflusses berichtet, dies ist allenfalls als Entleerungsstörung leichteren Grades einzustufen, die nach Nr. B 12.2.2 VersMedG einen GdB von 10 bedingt.
Einen Herzinfarkt im eigentlichen Sinne hat der Kläger nicht erlitten. Bereits in dem Arztbrief vom 31.01.2003, den das Versorgungsamt im Antragsverfahren eingeholt hat, hat Dr. H. lediglich von einem Z.n. Herzinsuffizienz 02/2002 und rezidivierenden Koronarbeschwerden gesprochen. In der Zeit danach wird diese Diagnose nicht mehr gestellt, insbesondere auch nicht in dem Entlassungsbericht der Klinik K. vom 14.11.2005. Auch die beiden Gutachten Dr. E. und Dr. Ö. berücksichtigen eine Herzerkrankung nicht. Danach ist davon auszugehen, dass insoweit keine relevanten Beeinträchtigungen verblieben sind. Hierfür spricht auch, dass der Kläger bei der sitzergometrischen Untersuchung bei Dr. R. am 23.03.2006 bis zu 125 W belastet werden konnte, während ein GdB von wenigstens 20 wegen einer Einschränkung der Herzleistung nach Nr. B 9.1.1 VersMedG erst bei einer mittelschweren Belastung mit einer ergometrischen Höchstbelastung von 75 W für zwei Minuten in Betracht kommt.
Eine Sehbehinderung besteht bei dem Kläger angesichts der Visen von jeweils 0,8 (sc) nicht. Erst ab einem Restvisus von bds. 0,63 kommt ein GdB von 10 in Betracht (vgl. Nr. B 4.3 VersMedG).
h) Bei einer integrierenden Betrachtung ist aus den beim Kläger vorliegenden, insoweit relevanten Einzel-GdB von 30 (Fibromyalgie), 30 (psych. Erkrankung), 20 (Müdig¬keits¬syndrom), 20 (orthopädische Beeinträchtigungen) und 20 (Bluterkrankung) ein Gesamt-GdB von 70 zu bilden. Zwar überschneiden sich, wie ausgeführt, die Fibromyalgie und das Müdigkeits¬syndrom jeweils stark mit der gemischten depressiven und Angsterkrankung. Gleichwohl bestehen auch jeweils eigenständige Funktionsbeeinträchtigungen, insbesondere tritt die Schmerzerkrankung nicht hinter der psychischen Krankheit zurück. Für diese drei Bereiche kann daher ein GdB von 50 gebildet werden. Zusammen mit den weiteren Beeinträchtigungen ist hiernach ein GdB von 70 gerechtfertigt, der ab November 2006 zuerkannt werden kann.
6. Erst ab diesem Zeitpunkt können die orthopädischen Beeinträchtigungen des Klägers mit einem GdB von 20 bewertet werden. Diese zeitliche Zäsur hat zunächst Dr. E. in seinem Gutachten vom 23.03.2007 gesehen. Er hat berichtet, der Kläger habe im November 2006 auf Grund der in den Vordergrund getretenen HWS-Problematik einen beruflichen Wiedereinstieg abbrechen müssen (S. 2 des Gutachtens). Dr. Ö. hat diesen Zeitpunkt als nachvollziehbar bezeichnet und in seinen Vorschlag übernommen. Dies erscheint vertretbar. Die Ver¬schlechterung der degenerativen Veränderungen der HWS wurde bei einer radiologischen Untersuchung des Klägers in jenem Zeitraum festgestellt und in dem Arztbrief des Radiologen Dr. N. vom 04.12.2006 beschrieben. Dort ist auch ausgeführt, an dem am stärksten betroffenen Segment C4/5 seien die Verengungen (Spondylosis und Spinalkanalstenose) progredient, während eine vorhandene Protusion rückläufig sei. Bis Oktober 2006 ergab sich dagegen nur ein Gesamt-GdB von 60, weil auf orthopädischem Gebiet nur ein GdB von 10 vorlag.
7. In zwei Punkten war der Tenor des Gerichtsbescheids von Amts wegen abzuändern, was auch durch das Berufungsgericht geschehen kann:
Zum einen hat das SG eine gerichtliche Feststellung ausgesprochen, dass der GdB des Klägers seit dem 13.02.2002 60 betrage. Es hat also offensichtlich eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) angenommen und für zulässig gehalten. Die Feststellung eines GdB ist jedoch eine Statusentscheidung mit Inter-Omnes-Wirkung, die nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX - allein - den "für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden" obliegt. Entsprechend sind Fest¬stellungs-klagen in diesem Bereich unzulässig. Ein Kläger kann allein Verpflichtungsklage erheben und nur eine gerichtliche Verpflichtung der zuständigen Behörde zum Erlass eines feststellenden Bescheids verlangen (Keller, a.a.O., § 55 Rn. 13c mit Hinweis auf BSG, SozR 3-1300 § 44 Nr. 3).
Zum anderen hatte der Kläger bereits in erster Instanz die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von "mindestens 70" beantragt. Da das SG eine Verpflichtung zur Feststellung eines GdB von 60 ausgesprochen hat, hätte es die Klage im Übrigen abweisen müssen.
Wegen dieser Änderungen hat der Senat den Tenor vollständig neu gefasst.
8. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 193 SGG.
9. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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