Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 3523/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2305/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. März 2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Klage gegen den Bescheid vom 05. Mai 2010 wird abgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Änderungsverfahrens die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Bei dem am 20.05.1947 geborenen Kläger war zuletzt mit Ausführungsbescheid vom 31.10.2005 ein Gesamt-GdB von 30 wegen einer Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks, eines Schlaf-Apnoe-Syndroms und degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule anerkannt worden.
Am 20.07.2006 beantragte der Kläger Neufeststellung. Er machte als zusätzliche Erkrankungen eine Prostataerkrankung mit erektiler Dysfunktion, eine Versteifung des rechten Daumens, eine Schultergelenkserkrankung links und eine Depression geltend. Das Versorgungsamt des zuständigen Landratsamts holte den Befundbericht der behandelnden Allgemeinmediziner Dres. W., W. vom 01.08.2006 ein (zusätzliche Erkrankungen: Adipositas, gut eingestellte Hypertonie; problematisch sei lediglich eine gewisse Stressbelastung). Diese Ärzte reichten unter anderem auch den Entlassungsbericht der Kliniken A., Dr. Z., vom 07.12.2004 über eine Behandlung des Klägers am 04. und 05.11.2004 (obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom, essentielle Hypertonie, Adipositas, Rhinitis, Nikotinmissbrauch) ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung dieser Befunde lehnte das Landratsamt Ravensburg als Versorgungsamt den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 17.01.2007 ab. Die Verhältnisse hätten sich nicht wesentlich geändert. Zwar sei zu den vorbekannten Behinderungen mit der erektilen Dysfunktion eine weitere hinzugekommen. Nachdem diese aber nur einen Einzel-GdB von 10 bedinge, habe sich der Gesamt-GdB nicht geändert. Der Entscheidung zu Grunde lagen weitere Einzel-GdB von je 20 für eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks und das Schlaf-Apnoe-Syndrom und 10 für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule.
Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, die einzelnen Behinderungen seien höher zu bewerten. Insbesondere bedinge das Schlaf-Apnoe-Syndrom einen GdB von wenigstens 30, nachdem er - der Kläger - mit der Beatmungsmaske nicht zurechtkomme. Das Versorgungsamt holte zusätzlich den Befundbericht der Lungenärztin Dr. R. vom 04.09.2007 (beginnende respiratorische Globalinsuffizienz) mitsamt ihrem Arztbrief vom 01.06.2007 über eine schlafmedizinische Untersuchung des Klägers (optimale Einstellung des mit Beatmungsmaske behandelten Schlaf-Apnoe-Syndroms) ein. Daraufhin wies das Landesversorgungsamt des beklagten Landes den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 14.12.2007 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 21.12.2007 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Er hat zunächst beantragt, den Beklagten zur Feststellung eines GdB von 60 zu verpflichten. Er hat erneut darauf verwiesen, dass er die Beatmungsmaske nicht vertrage. Ferner hat er unter anderem vorgetragen, allein seine depressive Erkrankung bedinge einen GdB von zumindest 30.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war und insbesondere eine depressive Erkrankung bestritten hatte, hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Aussagen wurden gemacht von Urologe Dr. Ö. unter dem 14.02.2008 (erektile Dysfunktion, Prostataadenom, PSA-Elevation, Spermatozele li.), Dr. R. unter dem 18.02.2008 (obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom unter Beatmungstherapie, beginnende respiratorische Partialinsuffizienz, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Adipo¬si-tas; Verschlechterung des Beschwerdebildes seit 2005; unter gut eingestellter Beatmungstherapie und nach den Lungenfunktionswerten keine Funktionsbeeinträchtigungen), von Orthopäden Dr. H. unter dem 15.02.2008 (Tendovaginits stenosas D1 [schnappender Daumen] rechts), Internisten und Kardiologen Dres. O., P. mit Schreiben vom 26.02.2008 (erfolgreich therapiertes Schlaf-Apnoe-Syndrom, GdB 20), von Internist Dr. K. unter dem 25.02.2008 (vorbekannte Diagnosen, derzeit noch keine Hinweise auf eine koronare Herzerkrankung; Atemnot mit einer Ergometer¬be¬last¬barkeit bis 150 W; GdB von 20 wegen hypertensiver Herzerkrankung und des vorbekannten Schlaf-Apnoe-Syndroms) sowie Internist Dr. D. unter dem 07.03.2008 (zahlreiche Diagnosen, keine Verschlechterung des Zustandes seit 2005, ein GdB von 30 erscheine gerechtfertigt). Dr. D. hat außerdem zahlreiche ärztliche Unterlagen vorgelegt, darunter den Entlassungsbericht der Reha-Klinik Schömberg, PD Dr. S., vom 18.10.2006 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 26.09. bis 17.10.2006 (vollschichtiges Leistungsvermögen sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch in der bisherigen Tätigkeit als Verkaufsingenieur bei einer Maschinenbaufirma). Wegen der weiteren Angaben der behandelnden Ärzte wird auf die schriftlichen Aussagen verwiesen.
Sodann hat das SG von Amts wegen den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. N. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 13.05.2009 zu dem Ergebnis gekommen, bei dem Kläger beständen - auf orthopädischem Fachgebiet - eine Supra- und Infra-Spinatus-Sehnen-Tendinitis bds. bei Z.n. [Zustand nach] operiertem Rotatorenmanschetten-Syndrom bds. und AC-Gelenkresektion rechts, ein degeneratives Dorso-Lumbal-Syndrom und jeweils bds. Cox- und Gonarthrosen. Die Funktionsbehinderung der Schulter bedinge einen GdB von 20. Zwar lägen die insoweit notwendigen Bewegungseinschränkungen nicht vor. Da aber rechts eine laterale Clavicula-Resektion erforderlich geworden sei, sei der genannte GdB wegen der verbleibenden Defektsituation und des persistierenden Rota¬to¬ren¬man¬schetten-Syndroms gerechtfertigt. Das Wirbelsäulen-Syndrom bedinge bei zwar nur geringfügigen Bewegungseinschränkungen, aber seit 1996 nachweisbaren Schmerzausstrahlungen in das linke Bein einen GdB von 10. Die Erkrankungen an Hüften und Kniegelenken bedingten keinen messbaren GdB. Unter Berücksichtigung des GdB von 20 für das Schlaf-Apnoe-Syndroms bestehe ein Gesamt-GdB von 30.
Am 02.03.2009 wurde bei dem Kläger nach Feststellung eines Prostata-Ca. vom Typ pT2aG2N0 eine radikale Prostatatektomie durchgeführt (Berichte der Kliniken Oberschwaben vom 18.03. und 04.05.2009, Entlassungsbericht der Kliniken A., Dres. U., E., vom 04.05.2009 über die Anschlussheilbehandlung des Klägers vom 07. bis 28.04.2009).
Mit Bescheid vom 03.08.2009 änderte das Versorgungsamt den Bescheid vom 17.01.2007 ab und stellte bei dem Kläger ab Februar 2009 einen Gesamt-GdB von 60 fest. Zu Grunde lagen nunmehr Einzel-GdB von 50 für die Erkrankung der Prostata in Heilungsbewährung für fünf Jahre und je 20 für die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks und das Schlaf-Apnoe-Syndrom.
Nach Erlass dieses Bescheids hat der Kläger seinen Antrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 60 seit Antragstellung und 80 seit Februar 2009 umgestellt. Der Beklagte ist auch diesem erweiterten Klageantrag entgegengetreten.
Mit Urteil vom 29.03.2010 hat das SG den Beklagten unter entsprechender Abänderung der erlassenen Bescheide verpflichtet, bei dem Kläger ab dem 01.02.2009 einen Gesamt-GdB von 70 festzustellen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die tatsächlichen Verhältnisse bei Erlass des früheren Bescheids vom 31.10.2005 hätten sich bei Antragstellung noch nicht, wohl aber ab dem 01.02.2009 insoweit verändert, als ab diesem Zeitpunkt ein Gesamt-GdB von 70 vorliege. Auf orthopädischem Gebiet sei nach den Feststellungen und dem Vorschlag des Sachverständigen Dr. N. nur für die Funktionsbehinderung der Schulter ein GdB von 20 anzunehmen, während die Wirbelsäulenschäden nur einen GdB von 10 bedingten. Das Schlaf-Apnoe-Syndrom könne nur mit einem GdB von 20 bewertet werden, da eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung zwar not¬wendig, nach den Zeugenaussagen von Dr. R. und Dres. O. und P. aber auch durchführbar sei. Die Hypertonie bedinge zwar einen GdB von 20, dieser erhöhe aber den Gesamt-GdB nicht, da die Hypertonie gut eingestellt sei. Die erektile Dysfunktion sei mit einem GdB von 10 zu bewerten. Eine depressive Erkrankung hätten die behandelnden Ärzte nicht bestätigt. Insgesamt ergebe sich bis Januar 2009 ein Gesamt-GdB von 30. Durch das Hinzutreten der Prostata-Erkrankung in fünfjähriger Heilungsbewährung, die mit einem GdB von 50 zu bewerten sei, ergebe sich ab Februar 2009 ein Gesamt-GdB von 70.
Mit Bescheid vom 05.05.2010 stellte das Versorgungsamt in Ausführung des Urteils bei dem Kläger ab dem 01.02.2009 einen GdB von 70 fest.
Gegen das Urteil des SG, das seinem Prozessbevollmächtigten am 15.04.2010 zugestellt worden ist, hat der Kläger am Montag, dem 17.05.2010, Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, dem in erster Instanz eingeholten Gutachten sei nicht zu folgen, da Dr. N. wie immer die Bewertung der orthopädischen Beeinträchtigungen ausschließlich unter Zuhilfenahme von Lineal und Maßband vorgenommen habe. Hinsichtlich der Berücksichtigung von Schmerzsyndromen, die gerade bei Wirbelsäulenschäden gleichwertig neben Bewegungseinschränkungen zu bewerten seien, bestehe ein Totalausfall. Der Wirbelsäulenschaden des Klägers sei hiernach mit einem GdB von 30 zu bewerten. Auch die Kniegelenke seien stärker beeinträchtigt als angenommen. Das Schlaf-Apnoe-Syndrom sei höher zu bewerten, da eine Überdruckbeatmung bei dem Kläger deswegen nicht durchführbar sei, weil sie der Kläger psychisch nicht vertrage.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. März 2010 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 17. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2007 und der Bescheide vom 03. August 2009 und vom 05. Mai 2010 zu verpflichten, bei ihm einen GdB von insgesamt 60 ab Antragstellung und von wenigstens 80 ab Februar 2009 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 05. Mai 2010 abzuweisen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat das Gutachten vom 18.11.2010 bei Facharzt für Orthopädie Dr. I. erhoben. Dieser hat auf seinem Fachgebiet bei dem Kläger ein chronisches Wirbelsäulensyndrom in drei Wirbelsäulenabschnitten mit häufigen Schmerzsyndromen bei leichter Skoliose, deutlichen degenerativen Veränderungen und Spinalkanalstenose der Lendenwirbelsäule (LWS), Fehlstatik mit Hohl-Rund-Rücken und V.a. Morbus Scheuermann, ein degeneratives Schultersyndrom bds. mit chronischer Tendinitis sowie Bewegungseinschränkungen bei Z.n. operativ behandeltem Rotatorenmanschetten-Syndrom bds. und Entfernung des Schultereckgelenks rechts, einen Schnappdaumen links, eine Daumensattelgelenksarthrose rechts, Cox- und Gonarthrose jeweils bds. und eine Sprunggelenksarthrose bds. mit Funktionsdefizit festgestellt. Die Wirbelsäulen- und die Schulterschäden seien schwer, die Arthrosen der unteren Gliedmaßen mittelschwer und die Beeinträchtigungen beider Daumen als leicht einzustufen. Das Wirbelsäulensyndrom, das Schultersyndrom und die Beeinträchtigungen der unteren Extremitäten zusammengefasst bedingten jeweils GdB von 20. Insgesamt bestehe auf orthopädischem Gebiet ein GdB von 50.
Nach Eingang des Gutachtens trägt der Beklagte unter Berufung auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 04.04.2011 vor, zwar sei die Bezeichnung und auch die einzelne Bewertung der anerkannten Behinderungen zu ändern. So seien ab November 2010 Funktionsbehinderungen beider Hüft-, Knie- und Sprunggelenke mit einem Einzel-GdB von 20 hinzugekommen, auch sei ebenfalls ab November 2010 der Wirbelsäulenschaden mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Jedoch sei die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks nur mit einem GdB von 10 zu bewerten. Eine solche "Kompensation" von Veränderungen bei einer Behinderung durch Veränderungen bei einer anderen sei möglich, auch weil nur die Feststellung des Gesamt-GdB in Bestandskraft erwachse. Insgesamt ergebe sich daher auch jetzt kein höherer GdB als der vom SG zuerkannte Wert von 70.
Der Beklagte hat sich unter dem 05.05.2011, der Kläger unter dem 17.10.2011 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Nachdem nur der Kläger Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt hat, der Beklagte aber weder Berufung noch Anschlussberufung, war nicht zu entscheiden, ob bei dem Kläger ab der Prostata-Operation im Februar 2009 tatsächlich ein GdB von 70 vorliegt. Jedenfalls besteht seitdem kein höherer GdB als 70. Für die Zeit davor besteht allenfalls der bereits festgestellte GdB von 30.
a) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Abänderung eines bestandskräftigen Bescheids für die Zukunft wegen einer wesentlichen Veränderung der Sach- oder Rechtslage nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und - damit verbunden - für die Feststellung eines GdB (§ 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX], § 30 Bundesversorgungsgesetz [BVG]) und die medizinischen und sonstigen Anforderungen an einzelne GdB-Werte und an die Bildung des Gesamt-GdB nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (im Folgenden: VersMedG) in Anl. 2 der nach § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt. Hierauf wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Zu ergänzen ist lediglich, dass die VersMedV erst am 01.01.2009 in Kraft getreten ist und bei der Bestimmung des GdB für die Zeit zuvor - der Antrag des Klägers datiert vom 20.07.2006 - noch auf die damals in der Rechtsprechung als antezipiertes Sachverständigengutachten anerkannten - "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (im Folgenden: AHP, hier in der Fassung 2008) abzustellen ist.
b) Das Schlaf-Apnoe-Syndrom des Klägers ist durchgängig mit einem GdB von 20 zu bewerten.
Ausschließlich dieser Wert ist nach Nr. B 8.7 VersMedG (Nr. 26.8 AHP) für diese Krankheit vorgesehen, wenn eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung, wie bei dem Kläger, notwendig ist. Ein GdB von wenigstens 50 kommt in Betracht, wenn die nasale Überdruckbeatmung nicht durchführbar ist. In jedem Fall sind zwar Folgeerscheinungen wie z. B. eine Hypertonie zusätzlich zu bewerten, dies bedeutet jedoch nicht, dass der GdB-Wert für das Schlaf-Apnoe-Syndrom erhöht würde, sondern nur, dass die Folgeerkrankung berücksichtigt werden kann, als wäre es eine selbstständige Behinderung.
Bei dem Kläger ist eine nasale Überdruckbeatmung möglich. Wie bereits das SG ausgeführt hat, haben die insoweit sachnächsten Behandler, Lungenärztin Dr. R. und Internisten Dres. O. und P., in ihren Zeugenaussagen übereinstimmend ausgeführt, das Schlaf-Apnoe-Syndrom werde mit der Maske therapiert. Dr. R. hat sogar ausdrücklich bekundet, die CPAP-Therapie sei "gut eingestellt". Wie sich aus ihrem beigefügten Arztbrief vom 29.11.2007 ergibt, hatte der Kläger selbst ihr gegenüber berichtet, bei Verwendung der Maske bemerke seine Ehefrau - nur - ein leises Schnarchen, ohne die Maske dagegen schnarche er laut und unregelmäßig und mache Atempausen. Der Kläger hat dort auch gesagt, die Maske sei "nicht der Hit", denn sie verändere das ganze Leben. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die Verwendung der Maske objektiv unmöglich oder erfolglos ist, sondern nur, dass sie der Kläger als lästig empfindet. Keine andere Bewertung ergibt sich aus seinem in der Berufungsinstanz eingebrachten Vortrag, er könne die Maske aus "psychischen Gründen" nicht verwenden. An die Feststellung der - objektiven - Unmöglichkeit einer Überdruckbeatmung sind strenge Anforderungen zu stellen, weil es von ihr abhängt, ob der GdB für das Schlaf-Apnoe-Syndrom 20 oder "mindestens" 50 beträgt - die VersMedG sehen keine Zwischenstufen vor (vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 13.07.2004, L 6 SB 93/02, Juris Rn. 20 f.). Daran fehlt es hier. Die Angaben des Klägers sind schon nicht glaubhaft. Er hat keinem der Ärzte jemals von solchen psychischen Gründen gegen die Verwendung der Maske berichtet. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger unter psychischen Abnormitäten, wie beispielsweise Zwangs- oder Angstneurosen, leidet, die gegen die Verwendung der Maske sprechen könnten. Der Kläger befindet sich wegen der behaupteten psychischen Probleme beim Tragen der Atemmaske auch nicht in psychiatrische Behandlung. Und selbst wenn der Kläger psychische Beeinträchtigungen auf Grund der Überdruckbeatmung entwickeln würde, so wären sie nicht so erheblich, dass sie nicht überwindbar wären. Immerhin hat der Kläger zeitweise - mit guten Erfolgen - diese Therapie durchführen können.
c) Die - selbstständig zu beurteilende - Hypertonie ist nur mit einem GdB von 10, entgegen der Ansicht des SG also nicht mit einem GdB von 20 zu bewerten.
Für Bluthochdruck sieht Nr. B 9.3 VMG (Nr. 26.9 AHP) einen GdB von 20 erst bei mittelschweren Formen, nämlich bei Organbeteiligungen und einem mehrfachen Anstieg des diastolischen Drucks auf über 100 mgHg trotz Behandlung, vor. Leichtere Formen mit höchstens leichter Augenhintergrundveränderung bedingen dagegen nur einen GdB von 0 bis 10. Auszugehen ist immer von den Blutdruckwerten bei durchgeführter Behandlung, dies ergibt sich aus der Formulierung "trotz Behandlung" in den VersMedG.
Ein mittelschwerer Bluthochdruck liegt bei dem Kläger nicht vor. Alle aktenkundigen Messungen haben diastolische Werte unter 100 mgHg ergeben. So hat Dr. D. in seiner Zeugenaussage vom 07.03.2008 aus dem Jahre 2007 Messwerte von 130/80, 140/80 und 100/70 mmHg angegeben. Dr. N. hat bei der Begutachtung des Klägers am 08.05.2009 einen Wert von 121/80 mmHg gemessen (S. 7 des Gutachtens). Bei der Anschlussheilbehandlung in den A.-Kliniken betrug der Blutdruck 120/70 mmHg (S. 2.2 des Entlassungsberichts vom 04.05.2009). Folgeerkrankungen, wie sie in den VersMedG genannt sind, liegen bei dem Kläger nicht vor, insbesondere keine Augenhintergrundveränderungen.
d) Die erektile Dysfunktion des Klägers - die nach seinen Angaben in den A.-Kliniken aber erst nach der Prostata-OP im März 2009 aufgetreten sei (S. 2.1 des Entlassungsberichts vom 04.05.2009) - bedingt keinen GdB. Nach Nr. B 13.2 VersMedG ist die impotentia coeundi erst bei nachgewiesen erfolgloser Behandlung mit einem GdB von 20 zu bewerten. Ein solcher Nachweis ist hier nicht gegeben.
e) Eine Herzerkrankung liegt bei dem Kläger nach der Zeugenaussage von Dr. K. vom 25.02.2008 nicht vor, jedenfalls bedingt sie keine Leistungsschwäche, die mit einem GdB von wenigstens 20 zu bewerten wäre. Dies zeigt sich darin, dass der Kläger nach der Aussage ergometrisch bis zu 150 W belastet werden konnte, während ein GdB von wenigstens 20 wegen einer Einschränkung der Herzleistung nach Nr. B 9.1.1 VMG erst bei einer mittelschweren Form mit einer ergometrischen Höchstbelastung von 75 W für zwei Minuten in Betracht kommt.
f) Die Schulterbeschwerden des Klägers bedingen bereits seit Antragstellung jedenfalls keinen GdB von mehr als 10. Anders als der Beklagte vorgetragen hat, gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 04.04.2011, haben sich die Beeinträchtigungen an den Schultergelenken nicht etwa verringert, sondern sie waren von Anfang an nur geringfügig.
Nach Nr. B 18.13 VersMedG (Nr. 26.18 AHP) bedingt eine Beweglichkeitseinschränkung des Schultergelenks bei der Armhebung auf 120° einen GdB von 10 und auf nur noch 90° einen GdB von 20, wenn jeweils "entsprechende" Einschränkungen der Dreh- und Spreizfähigkeit vorliegen.
Eine solche Beweglichkeitseinschränkung fehlt bei dem Kläger. Bereits Dr. N. hatte in seinem Gutachten vom 13.05.2009 nach der anerkannten Neutral-Null-Methode Armhebungen seitwärts von 160° rechts und 170° links ermittelt. Dies entspricht nahezu dem Normwert von 180°. Auch die Dreh- und Spreizfähigkeit war mit 40/0/95° an beiden Armen unauffällig (Normwert 40-60/0/95°). Dr. I. hat in dem in der Berufungsinstanz eingeholten Gutachten vom 18.11.2010 nahezu unveränderte Werte mitgeteilt (S. 6 des Gutachtens: Armhebung 160/0/40° re. und 150/0/40° li.; Drehung und Spreizung 40/0/90° re. und 45/0/90° li.).
Auch aus anderen Gründen kann für die Schultern jedenfalls kein GdB von mehr als 10 anerkannt werden. Dr. N. hatte zwar angemerkt, bei dem Kläger liege eine "wesentlich bessere" Restbeweglichkeit der Schultern vor als notwendig. Er hat dann seinen Vorschlag, einen GdB von 20 anzuerkennen, mit der "verbliebenen Defektsituation" und persistierenden Rotatorenmanschetten-Syndromen begründet. Dr. I. hatte zur GdB-Bewertung der Schulter inhaltlich nichts weiter ausgeführt, sondern lediglich auf Dr. N. verwiesen. Jedoch kann Dr. N. in diesem Punkt nicht gefolgt werden. Der Kläger war zuletzt im Oktober 2000 an der linken und am 22.02.2005 an der rechten Schulter, anscheinend nach einer Rotatorenmanschettenruptur, operiert worden (S. 4 des Gutachten Dr. N.). Seitdem sind keine Funktionsausfälle dokumentiert. Auch die Schmerzen, die der Kläger nach den Feststellungen von Dr. N. hat, bedingen keinen höheren GdB. Die VersMedG sehen keine gesonderte Bewertung für bloße Schmerzen ohne Bewegungseinschränkungen vor. Schmerzen führen z. B. nicht zu einer Instabilität des Schultergelenks, für die nach Nr. B 18.13 VersMedG ein gesonderter GdB angesetzt werden kann. Und selbst wenn man sie berücksichtigen wollte, könnten nur dauerhafte, also mindestens sechs Monate andauernde, und erhebliche Schmerzen relevant sein. Solche erheblichen Dauerschmerzen fehlen. So hatte der Kläger bei der Begutachtung durch Dr. N. (S. 9 des Gutachtens) angegeben, er habe sich die Schulter verzerrt, daher tue sie ihm "heute besonders weh". Dem entspricht es, dass er bei der - orthopädischen - Rehabilitation im Reha-Zentrum Schömberg angegeben hatte, er habe nach den Eingriffen "keine Schmerzen mehr im linken Schulterbereich" und rechts seien "die Schmerzen abgeklungen" (S. 2.1 des Entlassungsberichts vom 18.10.2006).
g) Bei der Bewertung der Schäden der unteren Gliedmaßen kann, wie es auch der Beklagte getan hat, zusammengefasst ein GdB von 20 festgestellt werden, allerdings erst ab November 2010.
Für diesen Zeitpunkt hat Dr. I. an Hüften, Knien und Sprunggelenken des Klägers jeweils bds. Bewegungseinschränkungen festgestellt, nämlich Restbeweglichkeiten, die unter den Normwerten liegen. Für die Hüfte hat er eine Beuge- und Streckfähigkeit von 0/0/100° re. und 0/0/110° li. ermittelt (Normwerte: 10-0/0/130°), für die Kniegelenke 0/0/125° re. und 0/0/130° li. (Normwerte: 5-10/0/120-150°) und für die Sprunggelenke 30/0/10° re. und 35/0/10° li. (Normwerte: 40-50/0/20-30°). Diese Einschränkungen erreichen zwar womöglich nicht allein jeweils einen GdB von 20. So ist nach Nr. B 18.14 VersMedG - erst - bei einer restlichen Streck- und Beugefähigkeit der Hüftgelenke von 0/10/90° einseitig ein GdB von 10 bis 20 und bds. ein GdB von 20 bis 30 anzunehmen, die Beugefähigkeit des Klägers beträgt aber noch 100°. Auch bei den Kniegelenken ist hiernach ein GdB erst ab Einschränkungen der Beugung auf 90° anzusetzen. Fasst man jedoch alle Bewegungseinschränkungen der unteren Gliedmaßen zusammen, weil sie sich gegenseitig verstärken, und berücksichtigt man die damit verbundenen Schmerzen, so ist der Kläger nicht beschwert, wenn gleichwohl ein GdB festgestellt wird.
Dagegen kann für die Zeit vor der Begutachtung durch Dr. I. kein GdB von wenigstens 20 in diesem Bereich festgestellt werden. Dr. N. hatte bei seiner Untersuchung im Mai 2009 noch bessere Restbeweglichkeiten ermittelt (S. 13 seines Gutachtens), die überwiegend noch in den Normbereichen lagen (Hüfte 0/0/130° bds., Kniee 0/0/140° bds., Sprunggelenke 20/0/50° bds.). Es muss insoweit bis November 2010 zu einer Verschlimmerung gekommen sein.
h) Die Wirbelsäulenschäden des Klägers letztlich bedingen ebenfalls erst ab der Untersuchung bei Dr. I. im November 2010 einen GdB von 20.
Dr. I. hat hier relevante Bewegungseinschränkungen - nur - an der HWS festgestellt. Nach seinen Feststellungen kann der Kläger die HWS noch um 65-0-20° zurück- und vorneigen (Normwert: 45-70/0/35-45°), um 25/0/30° zur Seite neigen (Normwert: 45/0/45°) und um 45/0/50° drehen (Normwert: 60-80/0/60-80°). An den anderen Wirbelsäulenabschnitten, vor allem der BWS und der LWS, hat Dr. I. keine Bewegungseinschränkungen dokumentiert. Auch die entsprechenden Bewegungsmaße, die Dr. N. für diese Abschnitte gemessen hatte (S. 12 seines Gutachtens), liegen im Normbereich. Allerdings besteht - auch nach den Feststellungen von Dr. N. - ein seit langem bekanntes rezidivierendes, von der LWS ausgehendes, Syndrom mit "pseudo¬radikulärer" Schmerzausstrahlung in das linke Bein, also wohl zumindest mit Nervenwurzelreizungen, wenn auch ohne echte Kompression des Nervs.
Auch wenn damit insgesamt in zwei Wirbelsäulenabschnitten jeweils nur geringfügige funktionelle Auswirkungen vorliegen, für die nach Nr. B 18.9 VersMedG - jeweils - nur ein GdB von 10 anzusetzen wäre, so erscheint es vertretbar, die Beeinträchtigungen insgesamt mittelgradigen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt gleichzustellen und mit einem GdB von 20 zu bewerten. Ein höherer Wert von 30 kommt nicht in Betracht, denn er würde mittelgradige Auswirkungen in beiden betroffenen Wirbelsäulenabschnitten voraussetzen.
Auch dieser GdB ist aber, wie es auch der Beklagte anerkannt hat, erst ab der Untersuchung bei Dr. I. im November 2010 anzuerkennen. Dr. N. hatte noch bessere Restbeweglichkeiten der HWS diagnostiziert (S. 12 seines Gutachtens, wobei er die Vor- und Rückneigefähigkeit nicht erhoben hat). Auch hier muss es daher zu einer Verschlimmerung gekommen sein.
j) Für die Bildung des Gesamt-GdB aus den so ermittelten Werten gilt Folgendes:
Bis März 2009 war nur der Einzel-GdB von 20 für das Schlaf-Apnoe-Syndrom einzubeziehen. Die weiteren Einzel-GdB betrugen jeweils 10 und sind daher nach Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 1 VersMedG nicht zu berücksichtigen. Es war daher kein Gesamt-GdB zu bilden, sondern es verbleibt bei dem GdB von 20. Dass dem Kläger für jenen Zeitraum ein GdB von 30 zuerkannt ist, beschwert ihn nicht.
Ab März 2009 trat das Prostata-Ca. hinzu, das für eine fünfjährige Heilungsbewährung einen Einzel-GdB von 50 bedingt (Nr. B 13.6 VersMedG). Da die Folgen dieser Behinderung jene des Schlaf-Apnoe-Syndroms weder verstärken noch kompensieren, bestand bei dem Kläger ab diesem Zeitpunkt ein Gesamt-GdB von 60. Wenn ihm das SG insoweit einen GdB von 70 zuerkannt hat, ist er dadurch nicht beschwert.
Ab der durch Dr. I. festgestellten Verschlimmerung der orthopädischen Beeinträchtigungen an Wirbelsäule und unteren Gliedmaßen im November 2010 kamen zwei weitere Einzel-GdB von je 20 dazu. Auch wenn die orthopädischen Beeinträchtigungen unterschiedliche Bereiche des Bewegungsapparats betreffen, so meint der Senat gleichwohl, dass sie auch zusammen nur zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB auf nunmehr 70 führen. Beide orthopädischen Einzel-GdB beruhen ihrerseits bereits auf einer Zusammenfassung mehrerer Beschwerden (HWS/LWS, Hüften/Knie/ Sprung¬gelenke), die allein nur GdB-Werte von 10 bedingt hätten. Hier ist daher Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 2 VersMedG zu berücksichtigen. Nach dieser Regelung ist es auch bei leichteren Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
2. Die Klage gegen den Bescheid vom 05. Mai 2010 wird abgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Änderungsverfahrens die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Bei dem am 20.05.1947 geborenen Kläger war zuletzt mit Ausführungsbescheid vom 31.10.2005 ein Gesamt-GdB von 30 wegen einer Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks, eines Schlaf-Apnoe-Syndroms und degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule anerkannt worden.
Am 20.07.2006 beantragte der Kläger Neufeststellung. Er machte als zusätzliche Erkrankungen eine Prostataerkrankung mit erektiler Dysfunktion, eine Versteifung des rechten Daumens, eine Schultergelenkserkrankung links und eine Depression geltend. Das Versorgungsamt des zuständigen Landratsamts holte den Befundbericht der behandelnden Allgemeinmediziner Dres. W., W. vom 01.08.2006 ein (zusätzliche Erkrankungen: Adipositas, gut eingestellte Hypertonie; problematisch sei lediglich eine gewisse Stressbelastung). Diese Ärzte reichten unter anderem auch den Entlassungsbericht der Kliniken A., Dr. Z., vom 07.12.2004 über eine Behandlung des Klägers am 04. und 05.11.2004 (obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom, essentielle Hypertonie, Adipositas, Rhinitis, Nikotinmissbrauch) ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung dieser Befunde lehnte das Landratsamt Ravensburg als Versorgungsamt den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 17.01.2007 ab. Die Verhältnisse hätten sich nicht wesentlich geändert. Zwar sei zu den vorbekannten Behinderungen mit der erektilen Dysfunktion eine weitere hinzugekommen. Nachdem diese aber nur einen Einzel-GdB von 10 bedinge, habe sich der Gesamt-GdB nicht geändert. Der Entscheidung zu Grunde lagen weitere Einzel-GdB von je 20 für eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks und das Schlaf-Apnoe-Syndrom und 10 für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule.
Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, die einzelnen Behinderungen seien höher zu bewerten. Insbesondere bedinge das Schlaf-Apnoe-Syndrom einen GdB von wenigstens 30, nachdem er - der Kläger - mit der Beatmungsmaske nicht zurechtkomme. Das Versorgungsamt holte zusätzlich den Befundbericht der Lungenärztin Dr. R. vom 04.09.2007 (beginnende respiratorische Globalinsuffizienz) mitsamt ihrem Arztbrief vom 01.06.2007 über eine schlafmedizinische Untersuchung des Klägers (optimale Einstellung des mit Beatmungsmaske behandelten Schlaf-Apnoe-Syndroms) ein. Daraufhin wies das Landesversorgungsamt des beklagten Landes den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 14.12.2007 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 21.12.2007 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Er hat zunächst beantragt, den Beklagten zur Feststellung eines GdB von 60 zu verpflichten. Er hat erneut darauf verwiesen, dass er die Beatmungsmaske nicht vertrage. Ferner hat er unter anderem vorgetragen, allein seine depressive Erkrankung bedinge einen GdB von zumindest 30.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war und insbesondere eine depressive Erkrankung bestritten hatte, hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Aussagen wurden gemacht von Urologe Dr. Ö. unter dem 14.02.2008 (erektile Dysfunktion, Prostataadenom, PSA-Elevation, Spermatozele li.), Dr. R. unter dem 18.02.2008 (obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom unter Beatmungstherapie, beginnende respiratorische Partialinsuffizienz, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Adipo¬si-tas; Verschlechterung des Beschwerdebildes seit 2005; unter gut eingestellter Beatmungstherapie und nach den Lungenfunktionswerten keine Funktionsbeeinträchtigungen), von Orthopäden Dr. H. unter dem 15.02.2008 (Tendovaginits stenosas D1 [schnappender Daumen] rechts), Internisten und Kardiologen Dres. O., P. mit Schreiben vom 26.02.2008 (erfolgreich therapiertes Schlaf-Apnoe-Syndrom, GdB 20), von Internist Dr. K. unter dem 25.02.2008 (vorbekannte Diagnosen, derzeit noch keine Hinweise auf eine koronare Herzerkrankung; Atemnot mit einer Ergometer¬be¬last¬barkeit bis 150 W; GdB von 20 wegen hypertensiver Herzerkrankung und des vorbekannten Schlaf-Apnoe-Syndroms) sowie Internist Dr. D. unter dem 07.03.2008 (zahlreiche Diagnosen, keine Verschlechterung des Zustandes seit 2005, ein GdB von 30 erscheine gerechtfertigt). Dr. D. hat außerdem zahlreiche ärztliche Unterlagen vorgelegt, darunter den Entlassungsbericht der Reha-Klinik Schömberg, PD Dr. S., vom 18.10.2006 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 26.09. bis 17.10.2006 (vollschichtiges Leistungsvermögen sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch in der bisherigen Tätigkeit als Verkaufsingenieur bei einer Maschinenbaufirma). Wegen der weiteren Angaben der behandelnden Ärzte wird auf die schriftlichen Aussagen verwiesen.
Sodann hat das SG von Amts wegen den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. N. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 13.05.2009 zu dem Ergebnis gekommen, bei dem Kläger beständen - auf orthopädischem Fachgebiet - eine Supra- und Infra-Spinatus-Sehnen-Tendinitis bds. bei Z.n. [Zustand nach] operiertem Rotatorenmanschetten-Syndrom bds. und AC-Gelenkresektion rechts, ein degeneratives Dorso-Lumbal-Syndrom und jeweils bds. Cox- und Gonarthrosen. Die Funktionsbehinderung der Schulter bedinge einen GdB von 20. Zwar lägen die insoweit notwendigen Bewegungseinschränkungen nicht vor. Da aber rechts eine laterale Clavicula-Resektion erforderlich geworden sei, sei der genannte GdB wegen der verbleibenden Defektsituation und des persistierenden Rota¬to¬ren¬man¬schetten-Syndroms gerechtfertigt. Das Wirbelsäulen-Syndrom bedinge bei zwar nur geringfügigen Bewegungseinschränkungen, aber seit 1996 nachweisbaren Schmerzausstrahlungen in das linke Bein einen GdB von 10. Die Erkrankungen an Hüften und Kniegelenken bedingten keinen messbaren GdB. Unter Berücksichtigung des GdB von 20 für das Schlaf-Apnoe-Syndroms bestehe ein Gesamt-GdB von 30.
Am 02.03.2009 wurde bei dem Kläger nach Feststellung eines Prostata-Ca. vom Typ pT2aG2N0 eine radikale Prostatatektomie durchgeführt (Berichte der Kliniken Oberschwaben vom 18.03. und 04.05.2009, Entlassungsbericht der Kliniken A., Dres. U., E., vom 04.05.2009 über die Anschlussheilbehandlung des Klägers vom 07. bis 28.04.2009).
Mit Bescheid vom 03.08.2009 änderte das Versorgungsamt den Bescheid vom 17.01.2007 ab und stellte bei dem Kläger ab Februar 2009 einen Gesamt-GdB von 60 fest. Zu Grunde lagen nunmehr Einzel-GdB von 50 für die Erkrankung der Prostata in Heilungsbewährung für fünf Jahre und je 20 für die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks und das Schlaf-Apnoe-Syndrom.
Nach Erlass dieses Bescheids hat der Kläger seinen Antrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 60 seit Antragstellung und 80 seit Februar 2009 umgestellt. Der Beklagte ist auch diesem erweiterten Klageantrag entgegengetreten.
Mit Urteil vom 29.03.2010 hat das SG den Beklagten unter entsprechender Abänderung der erlassenen Bescheide verpflichtet, bei dem Kläger ab dem 01.02.2009 einen Gesamt-GdB von 70 festzustellen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die tatsächlichen Verhältnisse bei Erlass des früheren Bescheids vom 31.10.2005 hätten sich bei Antragstellung noch nicht, wohl aber ab dem 01.02.2009 insoweit verändert, als ab diesem Zeitpunkt ein Gesamt-GdB von 70 vorliege. Auf orthopädischem Gebiet sei nach den Feststellungen und dem Vorschlag des Sachverständigen Dr. N. nur für die Funktionsbehinderung der Schulter ein GdB von 20 anzunehmen, während die Wirbelsäulenschäden nur einen GdB von 10 bedingten. Das Schlaf-Apnoe-Syndrom könne nur mit einem GdB von 20 bewertet werden, da eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung zwar not¬wendig, nach den Zeugenaussagen von Dr. R. und Dres. O. und P. aber auch durchführbar sei. Die Hypertonie bedinge zwar einen GdB von 20, dieser erhöhe aber den Gesamt-GdB nicht, da die Hypertonie gut eingestellt sei. Die erektile Dysfunktion sei mit einem GdB von 10 zu bewerten. Eine depressive Erkrankung hätten die behandelnden Ärzte nicht bestätigt. Insgesamt ergebe sich bis Januar 2009 ein Gesamt-GdB von 30. Durch das Hinzutreten der Prostata-Erkrankung in fünfjähriger Heilungsbewährung, die mit einem GdB von 50 zu bewerten sei, ergebe sich ab Februar 2009 ein Gesamt-GdB von 70.
Mit Bescheid vom 05.05.2010 stellte das Versorgungsamt in Ausführung des Urteils bei dem Kläger ab dem 01.02.2009 einen GdB von 70 fest.
Gegen das Urteil des SG, das seinem Prozessbevollmächtigten am 15.04.2010 zugestellt worden ist, hat der Kläger am Montag, dem 17.05.2010, Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, dem in erster Instanz eingeholten Gutachten sei nicht zu folgen, da Dr. N. wie immer die Bewertung der orthopädischen Beeinträchtigungen ausschließlich unter Zuhilfenahme von Lineal und Maßband vorgenommen habe. Hinsichtlich der Berücksichtigung von Schmerzsyndromen, die gerade bei Wirbelsäulenschäden gleichwertig neben Bewegungseinschränkungen zu bewerten seien, bestehe ein Totalausfall. Der Wirbelsäulenschaden des Klägers sei hiernach mit einem GdB von 30 zu bewerten. Auch die Kniegelenke seien stärker beeinträchtigt als angenommen. Das Schlaf-Apnoe-Syndrom sei höher zu bewerten, da eine Überdruckbeatmung bei dem Kläger deswegen nicht durchführbar sei, weil sie der Kläger psychisch nicht vertrage.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. März 2010 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 17. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2007 und der Bescheide vom 03. August 2009 und vom 05. Mai 2010 zu verpflichten, bei ihm einen GdB von insgesamt 60 ab Antragstellung und von wenigstens 80 ab Februar 2009 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 05. Mai 2010 abzuweisen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat das Gutachten vom 18.11.2010 bei Facharzt für Orthopädie Dr. I. erhoben. Dieser hat auf seinem Fachgebiet bei dem Kläger ein chronisches Wirbelsäulensyndrom in drei Wirbelsäulenabschnitten mit häufigen Schmerzsyndromen bei leichter Skoliose, deutlichen degenerativen Veränderungen und Spinalkanalstenose der Lendenwirbelsäule (LWS), Fehlstatik mit Hohl-Rund-Rücken und V.a. Morbus Scheuermann, ein degeneratives Schultersyndrom bds. mit chronischer Tendinitis sowie Bewegungseinschränkungen bei Z.n. operativ behandeltem Rotatorenmanschetten-Syndrom bds. und Entfernung des Schultereckgelenks rechts, einen Schnappdaumen links, eine Daumensattelgelenksarthrose rechts, Cox- und Gonarthrose jeweils bds. und eine Sprunggelenksarthrose bds. mit Funktionsdefizit festgestellt. Die Wirbelsäulen- und die Schulterschäden seien schwer, die Arthrosen der unteren Gliedmaßen mittelschwer und die Beeinträchtigungen beider Daumen als leicht einzustufen. Das Wirbelsäulensyndrom, das Schultersyndrom und die Beeinträchtigungen der unteren Extremitäten zusammengefasst bedingten jeweils GdB von 20. Insgesamt bestehe auf orthopädischem Gebiet ein GdB von 50.
Nach Eingang des Gutachtens trägt der Beklagte unter Berufung auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 04.04.2011 vor, zwar sei die Bezeichnung und auch die einzelne Bewertung der anerkannten Behinderungen zu ändern. So seien ab November 2010 Funktionsbehinderungen beider Hüft-, Knie- und Sprunggelenke mit einem Einzel-GdB von 20 hinzugekommen, auch sei ebenfalls ab November 2010 der Wirbelsäulenschaden mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Jedoch sei die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks nur mit einem GdB von 10 zu bewerten. Eine solche "Kompensation" von Veränderungen bei einer Behinderung durch Veränderungen bei einer anderen sei möglich, auch weil nur die Feststellung des Gesamt-GdB in Bestandskraft erwachse. Insgesamt ergebe sich daher auch jetzt kein höherer GdB als der vom SG zuerkannte Wert von 70.
Der Beklagte hat sich unter dem 05.05.2011, der Kläger unter dem 17.10.2011 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Nachdem nur der Kläger Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt hat, der Beklagte aber weder Berufung noch Anschlussberufung, war nicht zu entscheiden, ob bei dem Kläger ab der Prostata-Operation im Februar 2009 tatsächlich ein GdB von 70 vorliegt. Jedenfalls besteht seitdem kein höherer GdB als 70. Für die Zeit davor besteht allenfalls der bereits festgestellte GdB von 30.
a) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Abänderung eines bestandskräftigen Bescheids für die Zukunft wegen einer wesentlichen Veränderung der Sach- oder Rechtslage nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und - damit verbunden - für die Feststellung eines GdB (§ 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX], § 30 Bundesversorgungsgesetz [BVG]) und die medizinischen und sonstigen Anforderungen an einzelne GdB-Werte und an die Bildung des Gesamt-GdB nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (im Folgenden: VersMedG) in Anl. 2 der nach § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt. Hierauf wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Zu ergänzen ist lediglich, dass die VersMedV erst am 01.01.2009 in Kraft getreten ist und bei der Bestimmung des GdB für die Zeit zuvor - der Antrag des Klägers datiert vom 20.07.2006 - noch auf die damals in der Rechtsprechung als antezipiertes Sachverständigengutachten anerkannten - "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (im Folgenden: AHP, hier in der Fassung 2008) abzustellen ist.
b) Das Schlaf-Apnoe-Syndrom des Klägers ist durchgängig mit einem GdB von 20 zu bewerten.
Ausschließlich dieser Wert ist nach Nr. B 8.7 VersMedG (Nr. 26.8 AHP) für diese Krankheit vorgesehen, wenn eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung, wie bei dem Kläger, notwendig ist. Ein GdB von wenigstens 50 kommt in Betracht, wenn die nasale Überdruckbeatmung nicht durchführbar ist. In jedem Fall sind zwar Folgeerscheinungen wie z. B. eine Hypertonie zusätzlich zu bewerten, dies bedeutet jedoch nicht, dass der GdB-Wert für das Schlaf-Apnoe-Syndrom erhöht würde, sondern nur, dass die Folgeerkrankung berücksichtigt werden kann, als wäre es eine selbstständige Behinderung.
Bei dem Kläger ist eine nasale Überdruckbeatmung möglich. Wie bereits das SG ausgeführt hat, haben die insoweit sachnächsten Behandler, Lungenärztin Dr. R. und Internisten Dres. O. und P., in ihren Zeugenaussagen übereinstimmend ausgeführt, das Schlaf-Apnoe-Syndrom werde mit der Maske therapiert. Dr. R. hat sogar ausdrücklich bekundet, die CPAP-Therapie sei "gut eingestellt". Wie sich aus ihrem beigefügten Arztbrief vom 29.11.2007 ergibt, hatte der Kläger selbst ihr gegenüber berichtet, bei Verwendung der Maske bemerke seine Ehefrau - nur - ein leises Schnarchen, ohne die Maske dagegen schnarche er laut und unregelmäßig und mache Atempausen. Der Kläger hat dort auch gesagt, die Maske sei "nicht der Hit", denn sie verändere das ganze Leben. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die Verwendung der Maske objektiv unmöglich oder erfolglos ist, sondern nur, dass sie der Kläger als lästig empfindet. Keine andere Bewertung ergibt sich aus seinem in der Berufungsinstanz eingebrachten Vortrag, er könne die Maske aus "psychischen Gründen" nicht verwenden. An die Feststellung der - objektiven - Unmöglichkeit einer Überdruckbeatmung sind strenge Anforderungen zu stellen, weil es von ihr abhängt, ob der GdB für das Schlaf-Apnoe-Syndrom 20 oder "mindestens" 50 beträgt - die VersMedG sehen keine Zwischenstufen vor (vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 13.07.2004, L 6 SB 93/02, Juris Rn. 20 f.). Daran fehlt es hier. Die Angaben des Klägers sind schon nicht glaubhaft. Er hat keinem der Ärzte jemals von solchen psychischen Gründen gegen die Verwendung der Maske berichtet. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger unter psychischen Abnormitäten, wie beispielsweise Zwangs- oder Angstneurosen, leidet, die gegen die Verwendung der Maske sprechen könnten. Der Kläger befindet sich wegen der behaupteten psychischen Probleme beim Tragen der Atemmaske auch nicht in psychiatrische Behandlung. Und selbst wenn der Kläger psychische Beeinträchtigungen auf Grund der Überdruckbeatmung entwickeln würde, so wären sie nicht so erheblich, dass sie nicht überwindbar wären. Immerhin hat der Kläger zeitweise - mit guten Erfolgen - diese Therapie durchführen können.
c) Die - selbstständig zu beurteilende - Hypertonie ist nur mit einem GdB von 10, entgegen der Ansicht des SG also nicht mit einem GdB von 20 zu bewerten.
Für Bluthochdruck sieht Nr. B 9.3 VMG (Nr. 26.9 AHP) einen GdB von 20 erst bei mittelschweren Formen, nämlich bei Organbeteiligungen und einem mehrfachen Anstieg des diastolischen Drucks auf über 100 mgHg trotz Behandlung, vor. Leichtere Formen mit höchstens leichter Augenhintergrundveränderung bedingen dagegen nur einen GdB von 0 bis 10. Auszugehen ist immer von den Blutdruckwerten bei durchgeführter Behandlung, dies ergibt sich aus der Formulierung "trotz Behandlung" in den VersMedG.
Ein mittelschwerer Bluthochdruck liegt bei dem Kläger nicht vor. Alle aktenkundigen Messungen haben diastolische Werte unter 100 mgHg ergeben. So hat Dr. D. in seiner Zeugenaussage vom 07.03.2008 aus dem Jahre 2007 Messwerte von 130/80, 140/80 und 100/70 mmHg angegeben. Dr. N. hat bei der Begutachtung des Klägers am 08.05.2009 einen Wert von 121/80 mmHg gemessen (S. 7 des Gutachtens). Bei der Anschlussheilbehandlung in den A.-Kliniken betrug der Blutdruck 120/70 mmHg (S. 2.2 des Entlassungsberichts vom 04.05.2009). Folgeerkrankungen, wie sie in den VersMedG genannt sind, liegen bei dem Kläger nicht vor, insbesondere keine Augenhintergrundveränderungen.
d) Die erektile Dysfunktion des Klägers - die nach seinen Angaben in den A.-Kliniken aber erst nach der Prostata-OP im März 2009 aufgetreten sei (S. 2.1 des Entlassungsberichts vom 04.05.2009) - bedingt keinen GdB. Nach Nr. B 13.2 VersMedG ist die impotentia coeundi erst bei nachgewiesen erfolgloser Behandlung mit einem GdB von 20 zu bewerten. Ein solcher Nachweis ist hier nicht gegeben.
e) Eine Herzerkrankung liegt bei dem Kläger nach der Zeugenaussage von Dr. K. vom 25.02.2008 nicht vor, jedenfalls bedingt sie keine Leistungsschwäche, die mit einem GdB von wenigstens 20 zu bewerten wäre. Dies zeigt sich darin, dass der Kläger nach der Aussage ergometrisch bis zu 150 W belastet werden konnte, während ein GdB von wenigstens 20 wegen einer Einschränkung der Herzleistung nach Nr. B 9.1.1 VMG erst bei einer mittelschweren Form mit einer ergometrischen Höchstbelastung von 75 W für zwei Minuten in Betracht kommt.
f) Die Schulterbeschwerden des Klägers bedingen bereits seit Antragstellung jedenfalls keinen GdB von mehr als 10. Anders als der Beklagte vorgetragen hat, gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 04.04.2011, haben sich die Beeinträchtigungen an den Schultergelenken nicht etwa verringert, sondern sie waren von Anfang an nur geringfügig.
Nach Nr. B 18.13 VersMedG (Nr. 26.18 AHP) bedingt eine Beweglichkeitseinschränkung des Schultergelenks bei der Armhebung auf 120° einen GdB von 10 und auf nur noch 90° einen GdB von 20, wenn jeweils "entsprechende" Einschränkungen der Dreh- und Spreizfähigkeit vorliegen.
Eine solche Beweglichkeitseinschränkung fehlt bei dem Kläger. Bereits Dr. N. hatte in seinem Gutachten vom 13.05.2009 nach der anerkannten Neutral-Null-Methode Armhebungen seitwärts von 160° rechts und 170° links ermittelt. Dies entspricht nahezu dem Normwert von 180°. Auch die Dreh- und Spreizfähigkeit war mit 40/0/95° an beiden Armen unauffällig (Normwert 40-60/0/95°). Dr. I. hat in dem in der Berufungsinstanz eingeholten Gutachten vom 18.11.2010 nahezu unveränderte Werte mitgeteilt (S. 6 des Gutachtens: Armhebung 160/0/40° re. und 150/0/40° li.; Drehung und Spreizung 40/0/90° re. und 45/0/90° li.).
Auch aus anderen Gründen kann für die Schultern jedenfalls kein GdB von mehr als 10 anerkannt werden. Dr. N. hatte zwar angemerkt, bei dem Kläger liege eine "wesentlich bessere" Restbeweglichkeit der Schultern vor als notwendig. Er hat dann seinen Vorschlag, einen GdB von 20 anzuerkennen, mit der "verbliebenen Defektsituation" und persistierenden Rotatorenmanschetten-Syndromen begründet. Dr. I. hatte zur GdB-Bewertung der Schulter inhaltlich nichts weiter ausgeführt, sondern lediglich auf Dr. N. verwiesen. Jedoch kann Dr. N. in diesem Punkt nicht gefolgt werden. Der Kläger war zuletzt im Oktober 2000 an der linken und am 22.02.2005 an der rechten Schulter, anscheinend nach einer Rotatorenmanschettenruptur, operiert worden (S. 4 des Gutachten Dr. N.). Seitdem sind keine Funktionsausfälle dokumentiert. Auch die Schmerzen, die der Kläger nach den Feststellungen von Dr. N. hat, bedingen keinen höheren GdB. Die VersMedG sehen keine gesonderte Bewertung für bloße Schmerzen ohne Bewegungseinschränkungen vor. Schmerzen führen z. B. nicht zu einer Instabilität des Schultergelenks, für die nach Nr. B 18.13 VersMedG ein gesonderter GdB angesetzt werden kann. Und selbst wenn man sie berücksichtigen wollte, könnten nur dauerhafte, also mindestens sechs Monate andauernde, und erhebliche Schmerzen relevant sein. Solche erheblichen Dauerschmerzen fehlen. So hatte der Kläger bei der Begutachtung durch Dr. N. (S. 9 des Gutachtens) angegeben, er habe sich die Schulter verzerrt, daher tue sie ihm "heute besonders weh". Dem entspricht es, dass er bei der - orthopädischen - Rehabilitation im Reha-Zentrum Schömberg angegeben hatte, er habe nach den Eingriffen "keine Schmerzen mehr im linken Schulterbereich" und rechts seien "die Schmerzen abgeklungen" (S. 2.1 des Entlassungsberichts vom 18.10.2006).
g) Bei der Bewertung der Schäden der unteren Gliedmaßen kann, wie es auch der Beklagte getan hat, zusammengefasst ein GdB von 20 festgestellt werden, allerdings erst ab November 2010.
Für diesen Zeitpunkt hat Dr. I. an Hüften, Knien und Sprunggelenken des Klägers jeweils bds. Bewegungseinschränkungen festgestellt, nämlich Restbeweglichkeiten, die unter den Normwerten liegen. Für die Hüfte hat er eine Beuge- und Streckfähigkeit von 0/0/100° re. und 0/0/110° li. ermittelt (Normwerte: 10-0/0/130°), für die Kniegelenke 0/0/125° re. und 0/0/130° li. (Normwerte: 5-10/0/120-150°) und für die Sprunggelenke 30/0/10° re. und 35/0/10° li. (Normwerte: 40-50/0/20-30°). Diese Einschränkungen erreichen zwar womöglich nicht allein jeweils einen GdB von 20. So ist nach Nr. B 18.14 VersMedG - erst - bei einer restlichen Streck- und Beugefähigkeit der Hüftgelenke von 0/10/90° einseitig ein GdB von 10 bis 20 und bds. ein GdB von 20 bis 30 anzunehmen, die Beugefähigkeit des Klägers beträgt aber noch 100°. Auch bei den Kniegelenken ist hiernach ein GdB erst ab Einschränkungen der Beugung auf 90° anzusetzen. Fasst man jedoch alle Bewegungseinschränkungen der unteren Gliedmaßen zusammen, weil sie sich gegenseitig verstärken, und berücksichtigt man die damit verbundenen Schmerzen, so ist der Kläger nicht beschwert, wenn gleichwohl ein GdB festgestellt wird.
Dagegen kann für die Zeit vor der Begutachtung durch Dr. I. kein GdB von wenigstens 20 in diesem Bereich festgestellt werden. Dr. N. hatte bei seiner Untersuchung im Mai 2009 noch bessere Restbeweglichkeiten ermittelt (S. 13 seines Gutachtens), die überwiegend noch in den Normbereichen lagen (Hüfte 0/0/130° bds., Kniee 0/0/140° bds., Sprunggelenke 20/0/50° bds.). Es muss insoweit bis November 2010 zu einer Verschlimmerung gekommen sein.
h) Die Wirbelsäulenschäden des Klägers letztlich bedingen ebenfalls erst ab der Untersuchung bei Dr. I. im November 2010 einen GdB von 20.
Dr. I. hat hier relevante Bewegungseinschränkungen - nur - an der HWS festgestellt. Nach seinen Feststellungen kann der Kläger die HWS noch um 65-0-20° zurück- und vorneigen (Normwert: 45-70/0/35-45°), um 25/0/30° zur Seite neigen (Normwert: 45/0/45°) und um 45/0/50° drehen (Normwert: 60-80/0/60-80°). An den anderen Wirbelsäulenabschnitten, vor allem der BWS und der LWS, hat Dr. I. keine Bewegungseinschränkungen dokumentiert. Auch die entsprechenden Bewegungsmaße, die Dr. N. für diese Abschnitte gemessen hatte (S. 12 seines Gutachtens), liegen im Normbereich. Allerdings besteht - auch nach den Feststellungen von Dr. N. - ein seit langem bekanntes rezidivierendes, von der LWS ausgehendes, Syndrom mit "pseudo¬radikulärer" Schmerzausstrahlung in das linke Bein, also wohl zumindest mit Nervenwurzelreizungen, wenn auch ohne echte Kompression des Nervs.
Auch wenn damit insgesamt in zwei Wirbelsäulenabschnitten jeweils nur geringfügige funktionelle Auswirkungen vorliegen, für die nach Nr. B 18.9 VersMedG - jeweils - nur ein GdB von 10 anzusetzen wäre, so erscheint es vertretbar, die Beeinträchtigungen insgesamt mittelgradigen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt gleichzustellen und mit einem GdB von 20 zu bewerten. Ein höherer Wert von 30 kommt nicht in Betracht, denn er würde mittelgradige Auswirkungen in beiden betroffenen Wirbelsäulenabschnitten voraussetzen.
Auch dieser GdB ist aber, wie es auch der Beklagte anerkannt hat, erst ab der Untersuchung bei Dr. I. im November 2010 anzuerkennen. Dr. N. hatte noch bessere Restbeweglichkeiten der HWS diagnostiziert (S. 12 seines Gutachtens, wobei er die Vor- und Rückneigefähigkeit nicht erhoben hat). Auch hier muss es daher zu einer Verschlimmerung gekommen sein.
j) Für die Bildung des Gesamt-GdB aus den so ermittelten Werten gilt Folgendes:
Bis März 2009 war nur der Einzel-GdB von 20 für das Schlaf-Apnoe-Syndrom einzubeziehen. Die weiteren Einzel-GdB betrugen jeweils 10 und sind daher nach Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 1 VersMedG nicht zu berücksichtigen. Es war daher kein Gesamt-GdB zu bilden, sondern es verbleibt bei dem GdB von 20. Dass dem Kläger für jenen Zeitraum ein GdB von 30 zuerkannt ist, beschwert ihn nicht.
Ab März 2009 trat das Prostata-Ca. hinzu, das für eine fünfjährige Heilungsbewährung einen Einzel-GdB von 50 bedingt (Nr. B 13.6 VersMedG). Da die Folgen dieser Behinderung jene des Schlaf-Apnoe-Syndroms weder verstärken noch kompensieren, bestand bei dem Kläger ab diesem Zeitpunkt ein Gesamt-GdB von 60. Wenn ihm das SG insoweit einen GdB von 70 zuerkannt hat, ist er dadurch nicht beschwert.
Ab der durch Dr. I. festgestellten Verschlimmerung der orthopädischen Beeinträchtigungen an Wirbelsäule und unteren Gliedmaßen im November 2010 kamen zwei weitere Einzel-GdB von je 20 dazu. Auch wenn die orthopädischen Beeinträchtigungen unterschiedliche Bereiche des Bewegungsapparats betreffen, so meint der Senat gleichwohl, dass sie auch zusammen nur zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB auf nunmehr 70 führen. Beide orthopädischen Einzel-GdB beruhen ihrerseits bereits auf einer Zusammenfassung mehrerer Beschwerden (HWS/LWS, Hüften/Knie/ Sprung¬gelenke), die allein nur GdB-Werte von 10 bedingt hätten. Hier ist daher Nr. A 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 2 VersMedG zu berücksichtigen. Nach dieser Regelung ist es auch bei leichteren Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
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