L 10 R 811/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3089/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 811/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 25.01.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1950 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Er absolvierte nach seinen Angaben in Italien eine Ausbildung zum Elektrotechniker und war dort zunächst in diesem Beruf, nachfolgend als Inhaber eines Lebensmittelgeschäfts tätig. Nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1996 arbeitete er als Reinigungskraft. Seit Februar 1999 ist er arbeitslos. Er bezieht zwischenzeitlich eine Invalidenrente aus Italien.

Der Kläger leidet an einer coronaren Drei-Gefäßerkrankung. Im Jahr 1999 erfolgte deswegen eine Bypassoperation und im Jahr 2005 eine Stentimplantation. Eine Progression der Erkrankung wurde im Oktober 2010 festgestellt. Damals kam es während der Durchführung einer Koronarangiographie zu einem Myokardinfarkt. Die Behandlung erfolgte zunächst stationär im Universitätsklinikum M. (Arztbrief von Prof. Dr. B.[Universitätsklinikum M.] Bl. 56 SG-Akte) und anschließend (November 2010) im Rahmen einer ambulanten kardiologischen Rehabilitation. Im Entlassungsbericht führte Prof. Dr. R. (Zentrum für ambulante kardiologische und angiologische Rehabilitation im Klinikum L. , Bl. 87 SG-Akte) aus, bei aktueller ergometrischer Belastung bis zur 100-W-Stufe liege aus kardialer Sicht eine für Tätigkeiten von leichter Arbeitsschwere ausreichende Belastbarkeit vor. Wegen geltend gemachter Restbeschwerden im Rahmen eines langjährig bekannten Wirbelsäulensyndroms sei der Kläger für Tätigkeiten in ungünstiger Arbeitshaltung sowie mit dem Erfordernis von Heben und Tragen nicht nur ganz leichter Lasten nicht geeignet. Da auch insgesamt mit einer weiteren Progression der komplexen KHK gerechnet werden müsse, könne mit einer Wiedereingliederung ins Erwerbsleben nicht gerechnet werden.

Neben der Herzerkrankung liegen beim Kläger eine arterielle Hypertonie, ein unter Therapie klinisch und laborchemisch keine Entzündungsaktivität aufweisender Morbus Crohn, eine gastroösophagiale Refluxerkrankung, ein Zervikalsyndrom und eine Lumbalgie vor (siehe zuletzt Gutachten Dr. K.-K. Bl. 95 VA medizinischer Teil). Im Übrigen macht der Kläger eine Tinnituserkrankung (so auch die Diagnose von Dr. K.-K. a.a.O.) und psychische Beschwerden geltend, wegen derer er in Behandlung beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. steht.

Vor dem nun streitgegenständlichen Rentenantrag beantragte der Kläger bereits in den Jahren 2001, 2003 und 2006 bei der Beklagten jeweils erfolglos die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Zu dem im Jahr 2003 gestellten Antrag erging abschließend das Urteil des erkennenden Senats vom 20.10.2005 (L 10 R 1075/05), zum Antrag aus dem Jahr 2006 der Beschluss des 2. Senats vom 14.04.2009 (L 2 R 5036/08). Ein Rentenanspruch des Klägers, der nach seinem beruflichen Werdegang und seiner letzten Tätigkeit als ungelernter Arbeiter angesehen und damit auf den gesamten Arbeitsmarkt verwiesen wurde, wurde verneint, da er leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden am Tag unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (keine einseitigen Körperhaltungen, gebückte Haltung, Hitze, Staub, Kälte oder Dämpfe, Nachtschicht, besonderen Anforderungen an das Hörvermögen, laute Umgebung, erhöhte Unfallgefährdung, kein Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten oder an gefährlichen Maschinen) verrichten könne. Den Entscheidungen lagen u.a. die in den Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. E. (Untersuchung im Oktober 2003) und der Dr. K.-K. (Untersuchung im November 2006 - im Beschluss des 2. Senats irrtümlich Dr. G. zugeordnet) und das vom Sozialgericht Mannheim (S 11 RJ 1725/04) eingeholte Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie M. (Untersuchung November 2004 Bl. 64 S 11 RJ 1725/04) sowie die in den sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte zu Grunde. U.a. hatte der behandelnde Facharzt für Innere Medizin Dr. F. unter Bezugnahme auf einen Arztbrief von Dr. G. darauf hingewiesen, dass der Kläger das von Dr. G. verordnete Antidepressivum nicht einnehme, da er "eine Hilfestellung zur Berentung erwartete" (Aussage vom Juli 2004 Bl. 38 S 11 RJ 1725/04). Der Sachverständige M. hatte auf seinem Fachgebiet lediglich den Verdacht auf eine Niedrigdosis-Benzodiazepinabhängigkeit mit Kopfschmerzen geäußert und bezüglich der Wirbelsäulenbeschwerden eine Nervenwurzelkompression oder -irritation ausgeschlossen. Im Übrigen sah er sich nicht in der Lage, eine depressive Störung oder einen Tinnitus sicher zu diagnostizieren. Auszuschließen sei eine schwere depressive Störung. Die vom Kläger ihm gegenüber angegebenen Beschwerden sah er weder durch die weiteren Angaben des Klägers zu seinem Tagesablauf, noch durch den klinischen Befund bestätigt.

Im Januar 2010 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte beauftragte wiederum Dr. K.-K. mit einer Begutachtung. Sie erachtete den Kläger weiterhin in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig sechs Stunden und mehr zu verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen, mit ständigem mittelschweren und schweren Heben und Tragen, mit häufigem Bücken, mit häufigem Steigen auf Leitern und Gerüsten, mit ständiger Überkopfarbeit oder vermehrter Lärmbelastung. In ihrem Gutachten verwies sie u.a. auf eine deutliche Diskrepanz zwischen den demonstrierten Bewegungseinschränkungen und den zügigen Bewegungsabläufen in scheinbar unbeobachteten Momenten. In seinem Alltag sei der Kläger nicht wesentlich eingeschränkt. Er helfe regelmäßig im Zwei-Personen-Haushalt und gehe regelmäßig bis zu einer Stunde spazieren, besuche Verwandte und Enkelkinder. Darauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 10.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 ab.

Deswegen hat der Kläger am 26.08.2010 beim Sozialgericht Mannheim Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Internist und Kardiologe Dr. P. hat im September 2010 von einer wechselnden Intensität der Symptomatik berichtet und den Kläger für in der Lage erachtet, eine leichte körperliche Berufstätigkeit mit einer Arbeitszeit von sechs Stunden täglich zu bewältigen. Im Dezember 2010 hat er ergänzt, den Kläger seit dem 22.10.2010 nicht mehr behandelt zu haben. Der Facharzt für Innere Medizin Dr. F. hat den Kläger in seinem Schreiben vom Oktober 2010 (wie bereits zuvor) auf Grund der immer wieder angegebenen Beschwerden für nicht mehr in der Lage erachtet, einer Arbeit nachzugehen. Hingegen haben der Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologe Dr. Z. und der Orthopäde Dr. Z. aus Sicht ihres Fachgebiets keine Bedenken gegen eine leichte sechsstündige Tätigkeit geäußert.

Im Hinblick auf die im Oktober 2010 festgestellte Progression der koronaren Erkrankung hat das Sozialgericht die Arztbriefe von Prof. Dr. B. und Prof. Dr. R. beigezogen und Prof. Dr. B. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat mitgeteilt, abhängig vom (ihm damals nicht bekannten) Verlauf der Anschlussheilbehandlung sei dem Kläger vermutlich eine leichte körperliche Arbeit von sechs Stunden täglich bei leichtgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion zumutbar.

Mit Gerichtsbescheid vom 25.01.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger könne unter Beachtung qualitativer Einschränkungen leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Es hat sich auf die Äußerungen der sachverständigen Zeugen Dr. P. , Dr. Z. und Dr. Z. gestützt. Im Oktober 2010 sei es zu keiner wesentlichen Änderung des kardiologischen Befundes gekommen. Prof. Dr. B. sei davon ausgegangen, dass der Kläger vermutlich leichte körperliche Arbeiten von sechs Stunden wieder verrichten könne. Aktuellere Erkenntnisse lägen nicht vor, da der Kläger nicht mehr bei Dr. P. erschienen sei. Auch nach dem Bericht von Prof. Dr. R. habe eine ausreichende Belastbarkeit für Tätigkeiten leichter körperlicher Arbeitsschwere vorgelegen. Nach dem Ergebnis der ambulanten kardiologischen Rehabilitation könne daher noch nicht davon ausgegangen werden, dass das Leistungsvermögen unter sechs Stunden gesunken sei. Gegebenenfalls könne der Kläger bei einer Verschlechterung der Situation einen neuen Rentenantrag stellen.

Gegen den ihm am 27.01.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.02.2011 Berufung eingelegt. Er verweist auf die Äußerungen von Dr. F. und Prof. Dr. R ... Letzerer habe nicht mehr mit einer Wiedereingliederung gerechnet. Im Übrigen habe er den Orthopäden gewechselt. Seine psychische Situation habe sich seit dem letzten Herzinfarkt im Jahr 2010 verschlechtert. Der Kläger hat Atteste des Dr. F. (Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich) und des Dr. G. vorgelegt. Dr. G. hat eine Behandlung seit dem Jahr 2000 bestätigt. Eine Besserung durch entlastende Gespräche sei fast nicht zu erreichen gewesen. Er sehe keine realistische Chance, dass der Kläger wieder einer Tätigkeit nachgehen könne.

Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 25.01.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 zu verurteilen, ihm ab dem 01.01.2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und hat eine ergänzende sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. L. eingereicht. Dieser hat ausgeführt, dass nach dem kardiologischen Befundbericht vom Prof. Dr. R. eine für Tätigkeiten von leichter körperlicher Arbeitsschwere ausreichende Belastbarkeit vorliege.

Der Senat hat u.a. Dr. G. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Er hat im November 2011 mitgeteilt, den Kläger seit Januar 2009 an vier Terminen - beginnend im Juli 2011 - gesehen zu haben. Er habe eine angst- und depressive Störung, Spannungskopfschmerzen und einen Tinnitus diagnostiziert. Die in seinem Attest genannten entlastenden Gespräche hätten in einem früheren Behandlungszeitraum in den Jahren 2000/01 stattgefunden. Damals sei der Kläger über einen längeren Zeitraum alle 14 Tage behandelt worden. Der behandelnde Orthopäde Dr. Sch. hat ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten von sechs Stunden täglich bestätigt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Mannheim (S 11 RJ 1725/04 und S 10 R 3359/07) sowie die beigezogene Vorakte des erkennenden Senats (L 10 R 1075/05) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung zu.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe steht dem Kläger keine Rente wegen Erwerbsminderung zu. Zwar ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger an einer koronaren Herzerkrankung leidet, die sich im Jahr 2010 verschlechterte, ferner an einer arteriellen Hypertonie, einem Morbus Crohn ohne Entzündungsaktivität, einer gastroösophagialen Refluxerkrankung, einem Zervikalsyndrom ohne Funktionseinschränkung bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und einer Lumbalgie mit endgradiger Funktionseinschränkung bei degenerativen Veränderungen. Gestützt auf das Gutachten von Dr. K.-K. , den sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. P. , Dr. Z. , Prof. Dr. B. und Dr. Sch. geht der Senat aber wie das Sozialgericht davon aus, dass der Kläger trotz dieser Gesundheitsstörungen leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich unter Vermeidung von Wirbelsäulenzwangshaltungen, ständigem mittelschweren und schweren Heben und Tragen, häufigem Bücken, häufigem Steigen auf Leitern und Gerüsten, ständiger Überkopfarbeit oder vermehrter Lärmbelastung (so Dr. K.-K. ) verrichten kann. Der im Verfahren S 11 RJ 1725/04 eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen des Kardiologen L. (Bl. 56 S 11 RJ 1725/04) entnimmt der Senat ferner, dass Tätigkeiten mit erschwerten Bedingungen wie vermehrter Hitze, Staub oder Kälte sowie Nachtschicht-Tätigkeiten zu vermeiden sind.

Auch das nunmehr vierte vom Kläger innerhalb von weniger als zehn Jahren eingeleitete Rentenverfahren bleibt damit erfolglos. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird daher zunächst auf die vorangegangenen Entscheidungen, insbesondere auf diejenigen des Landessozialgerichts im Urteil des erkennenden Senats vom 20.10.2005 und den Beschluss des 2. Senats vom 16.04.2009 Bezug genommen. Einzugehen ist lediglich auf die nunmehr tatsächlich - freilich erst im Verlauf des Klageverfahrens und nicht bereits zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung - eingetretene Verschlechterung des kardiologischen Befundes sowie auf das Berufungsvorbringen des Klägers, das sich im Wesentlichen auf diese Verschlechterung und ihre Folgen bezieht.

Insoweit verkennt der Senat gestützt auf den Arztbrief und die sachverständige Zeugenaussage von Prof. Dr. B. nicht, dass es im Oktober 2010 zu einer Progression der koronaren Erkrankung und im Rahmen der damals durchgeführten Untersuchungen zu einem Myokardinfarkt gekommen ist. Diese Verschlechterung schließt jedoch eine Tätigkeit in dem beschriebenen Umfang unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen zur Überzeugung des Senats nicht aus. Der Senat stützt sich dabei auf die sachverständige Zeugenaussage von Prof. Dr. B. , den Arztbrief von Prof. Dr. R. sowie die sozialmedizinische Stellungnahme von Prof. Dr. L ... Zuzugeben ist, dass Prof. Dr. B. nur als Vermutung, weil in Abhängigkeit vom Erfolg der im Anschluss an die stationäre Behandlung durchgeführten ambulanten Rehabilitationsmaßnahme, von einem Leistungsvermögen von sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten ausgegangen ist. Der von Prof. Dr. B. vorausgesetzte "Erfolg" der Rehabilitation ist jedoch durch den Arztbrief von Prof. Dr. R. belegt. Zwar hat dieser tatsächlich nicht mit einer Wiedereingliederung in das Erwerbsleben gerechnet (S. 5 des Berichtes oben). Zuvor hat er jedoch, u.a. nach einer Ergometerbelastung bis zur 100 Watt-Stufe, aus kardialer Sicht eine ausreichende Belastbarkeit für leichte Tätigkeiten festgestellt (S. 4 des Berichtes unten), was von Prof. Dr. L. bestätigt worden ist.

Die Einschätzung von Prof. Dr. R. , dass mit einer Wiedereingliederung nicht zu rechnen sei, ist hingegen nicht maßgeblich. Zum einen ist unerheblich (BSG, Urteil vom 14.05.1996, 4 RA 60/94 in SozR 3-2600 § 43 Nr. 13), ob der Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich einen ihm zumutbaren Arbeitsplatz erhalten wird. Denn das Risiko, ob ein Versicherter auch tatsächlich einen für ihn geeigneten und zumutbaren Arbeitsplatz erhält, fällt in den Bereich der Arbeitslosenversicherung und ist deshalb nicht von der Rentenversicherung zu tragen, die ihre Versicherten allein vor den Nachteilen einer durch Krankheit oder Behinderung geminderten Leistungsfähigkeit zu schützen hat. Dem entsprechend bestimmt das Gesetz für alle Erwerbsminderungstatbestände ausdrücklich, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer die jeweils zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann und dass die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§§ 43 Abs. 3, 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Zum anderen ist die künftige Entwicklung der Herzerkrankung, die Prof. Dr. R. in diesem Zusammenhang angesprochen hat, ebenfalls unbeachtlich. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass der Kläger bei einer eventuellen weiteren Verschlechterung einen neuen Rentenantrag stellen kann. Soweit Prof. Dr. B. ergänzend angemerkt hat, der ambulant behandelnde Kardiologe Dr. P. könne Näheres zur Belastbarkeit des Klägers mitteilen, ist das Sozialgericht diesem Hinweis nachgegangen und hat Dr. P. ein zweites Mal als sachverständigen Zeugen befragt. Allerdings hat dieser über keine erneute Vorsprache des Klägers berichten können. Auch dies spricht für den Erfolg der durchgeführten ambulanten Rehabilitationsmaßnahme.

Soweit Prof. Dr. R. Einschränkungen wegen der vom Kläger - so ausdrücklich im Entlassungsbericht - geltend gemachten orthopädischen Beschwerden annimmt, beruht dies allein auf Angaben des Klägers. Verifiziert hat Prof. Dr. R. diese Beschwerden nicht, dies wäre für ihn als Kardiologen auch fachfremd gewesen. Entsprechend können die von Prof. Dr. R. daraus abgeleiteten Einschränkungen (insbesondere Ausschluss von Heben und Tragen nicht nur ganz leichter Lasten) der Beurteilung der Leistungsfähigkeit nicht zu Grunde gelegt werden. Vielmehr legt der Senat, wie ausgeführt, die Beurteilung von Dr. K.-K. und jene der behandelnden Orthopäden zu Grunde.

Soweit der Kläger die sachverständige Zeugenaussage seines bislang behandelnden Orthopäden Dr. Z. mit dem Hinweis auf einen neu in Anspruch genommenen Orthopäden sinngemäß in Frage gestellt hat, hat der Senat diesem Vorbringen durch die ergänzende Befragung von Dr. Sch. Rechnung getragen. Freilich hat Dr. Sch. das bereits von Dr. Z. beschriebene Leistungsvermögen gerade bestätigt. Soweit er als weitere Diagnosen eine Hyperkyphose und Spondylose der Brustwirbelsäule, eine beginnende Coxarthrose links und ein zervikodorsales Muskelreizsyndrom genannt hat, kommt auch diesen Diagnosen mithin keine sozialmedizinisch relevante Bedeutung zu.

Soweit der Kläger zuletzt auf "insbesondere" aus der Herzerkrankung resultierende schwere Depressionen und Ängste hingewiesen hat und hierzu die Atteste von Dr. F. und Dr. G. vorgelegt hat, vermag sich der Senat von der Richtigkeit der Auffassung von Dr. F. und Dr. G. , dass ein Leistungsvermögen nur noch für weniger als drei bzw. weniger als sechs Stunden täglich bestehe, nicht zu überzeugen.

Konkrete Befunde, die ein derart eingeschränktes Leistungsvermögen belegen könnten, werden von beiden Ärzten nicht genannt. Insbesondere kann sich der Senat, obwohl es objektiv zu einer Befundverschlechterung im Hinblick auf die kardiale Situation im 2010 gekommen ist, nicht davon überzeugen, dass sich im Zusammenhang mit dieser Verschlechterung, so wie vom Kläger zuletzt vorgetragen, auch seine psychische Situation wesentlich verschlechtert hat. Die ergänzend durchgeführte sachverständige Zeugenbefragung von Dr. G. hat ergeben, dass sich die im Attest vom 13.09.2011 erwähnte "Depression mit schweren Ängsten" auf einen Behandlungszeitraum in den Jahren 2000/01 - also lange vor der aktuellen Veränderung des kardiologischen Befundes - bezogen hat. Aktuell hat Dr. G. nach vier Vorsprachen des Klägers seit Juli 2011 lediglich eine Angst- und depressive Störung, Spannungskopfschmerzen und einen Tinnitus diagnostiziert.

Gegen eine Verschlechterung des psychischen Zustands im Zusammenhang mit dem neuen kardiologischen Befund spricht auch, dass der Kläger Dr. G. eben nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der Verschlechterung der kardiologischen Erkrankung im Oktober 2010, auch nicht nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme Ende November 2010, sondern erst im Juli 2011 aufgesucht hat. Die aktuelle Äußerungen von Dr. G. , auch seine Einschätzung zur Leistungsfähigkeit des Klägers, wird für den Senat zudem dadurch entkräftet, dass Dr. F. , der den Kläger in seinem Rentenbegehren durchaus unterstützt, in dem vorangegangen Klageverfahren S 11 RJ 1725/04 ausdrücklich darauf hinwies, dass der Kläger Dr. G. gezielt als Hilfestellung zur Berentung aufsuchte. Davon geht der Senat auch aktuell aus. Denn es fällt auf, dass die nach mehrjähriger Pause erneute Vorsprache des Klägers bei Dr. G. im Juli 2011 erst nach dem Hinweis des Berichterstatters auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung vom April 2011 erfolgt ist.

Gegen die Annahme einer wegen der kardiologischen Befundänderung eingetretenen wesentlichen Verschlechterung spricht nicht nur der eben dargestellte fehlende zeitliche Zusammenhang, sondern auch die nach Beginn der erneuten Inanspruchnahme von Dr. G. im Vergleich zu den Behandlungen in den Jahren 2000/01 deutlich geringere Behandlungsdichte. Während der Kläger damals über einen längeren Zeitraum hinweg 14-tägig behandelt wurde, ist es aktuell nur zu drei Vorsprachen im Abstand von ca. einem Monat und zuletzt zu einer vierten Vorsprache im Abstand von zwei Monaten gekommen.

Im Übrigen kann der Senat der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. G. , so wie schon der Sachverständige M. den damaligen Angaben des Klägers (Bl. 103 S 11 RJ 1725/04), keinen Beleg für eine hypochondrische Überängstlichkeit in Bezug auf seine kardiale Situation entnehmen. Zwar hat Dr. G. angegeben, der Kläger habe ihm von einem anhaltenden Druckgefühl auf der Brust berichtet. Gleichzeitig hat Dr. G. jedoch auf den Kläger belastende Sorgen - Gesundheit seiner Frau, familiäre Streitigkeiten - hingewiesen. Nachdem der Kläger aber bereits gegenüber dem Sachverständigen M. anamnestisch (Bl. 82 S 11 RJ 1725/04) ständige Schmerzen in der Brust angab, und der Sachverständige keine hypochondrische Überängstlichkeit feststellen konnte, erschließt sich eine solche dem Senat auch nicht aus der aktuellen Zeugenaussage von Dr. G ...

Auch sonst ergeben sich keine Hinweise, dass seit der Begutachtung durch Dr. M. im November 2004, was den psychischen Zustand angeht, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Schon damals gab der Kläger an unter Kopfschmerzen und einem Tinnitus zu leiden (Bl. 82 S 11 RJ 1725/04), ferner stand schon damals die Diagnose einer depressiven Störung zur Diskussion.

Das Gutachten des Nervenarztes M. kann daher aus Sicht des Senats nach wie vor als Entscheidungsgrundlage dienen. Letztlich hat Dr. G. mit der aktuellen Zeugenaussage - insbesondere im Hinblick auf die aktuell von ihm gestellten Diagnosen - die gutachtliche Auffassung des Sachverständigen Mayer, dass jedenfalls keine schwere depressive Störung besteht, im Ergebnis bestätigt. Da der Sachverständige M. schon allein auf Grund des Ausschlusses einer schweren Depression angesichts des vom Kläger geschilderten Tagesablaufs und des von ihm erhobenen Befundes ein sechsstündiges Leistungsvermögen nicht ausschloss, vermag der Senat auch jetzt aus den Äußerungen von Dr. G. nichts anderes herzuleiten.

Soweit sich der Kläger auf die Einschätzung von Dr. F. beruft, überzeugt diese den Senat nicht. Das zuletzt vorgelegte Attest vom August 2011 enthält keine nachvollziehbare Begründung für das von Dr. F. angenommene Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden. Hinsichtlich seiner sachverständigen Zeugenaussage vom Oktober 2010 ist bemerkenswert, dass Dr. F. sich bei seiner Einschätzung auf die vom Kläger "angegebenen Beschwerden" stützt. Es ist nicht ersichtlich, dass Dr. F. in ausreichendem Maß das Vorliegen der vorgebrachten Beschwerden kritisch hinterfragt hat oder durch Erhebung objektiver Befunde sich eine eigene Überzeugung von deren Ausmaß gebildet hat. Dazu hätte jedoch angesichts der Erkenntnisse aus dem Gutachten des Sachverständigen M. Anlass bestanden. Der Sachverständige M. legte umfassend dar, dass das Beschwerdevorbringen des Klägers mit dem klinischen Befund (z.B. Schilderung von Beschwerden bis hin zu Suizidalität ohne eine entsprechend spürbare emotionale Betroffenheit, Bl. 108 S 11 RJ 1725/04), mit dem selbst angegebenen Tagesablauf (z.B. taucht der zuvor mitgeteilte Zwang, den ganzen Tag wegen Verdauungsbeschwerden auf der Toilette verbringen zu müssen, im Tagesablauf nicht auf, Bl. 100 a.a.O.) und unzureichender konkreter Angaben (z.B. ließ sich zum Tinnitus nichts Spezielles erfragen, mehrmals bezog sich der Kläger auf Bücher, in denen er Informationen zum Tinnitus gelesen hatte, üblicherweise zu erwartende Beschwerden, z.B. beim regelmäßigen zwei- bis dreistündigen Lesen italienischer Bücher am Nachmittag wurden gerade nicht angegeben, Bl. 102 a.a.O.) nicht in Einklang zu bringen war. Auch Dr. K.-K. schilderte eine ausgeprägte Aggravationstendenz bei Rentenbegehren und eine deutliche Diskrepanz zwischen den demonstrierten Bewegungseinschränkungen und den zügigen Bewegungsabläufen in scheinbar unbeobachteten Momenten.

Abschließend ist anzumerken, dass die von Dr. G. im Attest vom September 2011 angesprochenen "realistischen Chancen", auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wieder einer Tätigkeit nachgehen zu können, letztlich - wie die von Prof. Dr. R. vorgenommene schlechte Prognose hinsichtlich einer erfolgreichen "Wiedereingliederung" - auf die konkreten - aus Sicht der beiden Ärzte schlechten - Vermittlungsaussichten des gesundheitlich angeschlagenen Klägers hinweisen. Dieses Risiko ist jedoch - wie oben schon ausgeführt - für die Frage des Bestehens von Erwerbsminderung ohne Bedeutung.

Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit kommt für den Kläger nicht in Betracht, da er - wie schon im Urteil des Senats vom 20.10.2005 ausgeführt - angesichts seiner letzten Tätigkeit als Reinigungskraft in einem Hotel auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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