L 10 U 4149/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 7856/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4149/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 02.08.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zahlung weiteren Verletztengeldes wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 19.11.2003.

Der am 1944 geborene Kläger betreibt einen KFZ-Handel und ist als selbstständiger Unternehmer bei der Beklagten versichert. Wegen der Folgen eines im Jahre 1984 erlittenen Unfalles erhielt der Kläger von der Beklagten Verletztengeld u.a. für die Zeit vom 20.11.2003 bis 11.12.2003 und vom 01.01.2004 bis 15.08.2004 nach der Versicherungssumme von 20.000,00 EUR und damit kalendertäglich in Höhe von 44,44 EUR (bestandskräftiger Abrechnungsbescheid vom 07.10.2004).

Am 17.10.2001 hatte der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall erlitten, als er einen LKW-Anhänger ankuppelte und - so seine Angaben - beim Ablassen der Deichsel des LKW-Anhängers einen einschießenden Schmerz und ein Reißen im rechten Schultergelenk verspürte. Die später festgestellte Läsion der Rotatorenmanschette der rechten Schulter führte der Kläger auf diesen Unfall zurück. Der auf die Gewährung von Verletztenrente gerichtete Rechtsstreit ist allerdings erfolglos geblieben (rechtskräftiges Urteil des Senats vom 24.04.2008, L 10 U 1052/05: von dauerhaften rentenrelevanten Funktionsstörungen könne angesichts der vom Kläger selbst angegebenen Ausheilung nicht ausgegangen werden). Zur Feststellung der Einzelheiten wird auf dieses Urteil des Senats verwiesen.

Am 19.11.2003 gegen 13:30 Uhr war der Kläger bei seiner versicherten Tätigkeit erneut gestürzt. Er behauptete eine (erneute) Verletzung der Rotatorenmanschette der rechten Schulter durch diesen Unfall. Mit Bescheid vom 06.10.2004 lehnte die Beklagte im Hinblick auf diesen Versicherungsfall einen Anspruch auf Rente ab; unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nahm sie ausgehend von einer Prellung der rechten Schulter bis zum 31.12.2003 an. Mit dem bereits genannten, auch insoweit bestandskräftigen Bescheid vom 07.10.2004 rechnete die Beklagte einen Anspruch auf Verletztengeld auf Grund des Versicherungsfalls vom 19.11.2003 für die Zeit vom 12.12. bis 31.12.2003 nach einer Versicherungssumme von 54.000,00 EUR in Höhe von kalendertäglich 120,00 EUR ab. Ein Rechtsstreit gegen den Bescheid vom 06.10.2004 mit dem Ziel einer Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Verletztenrente ist erfolglos geblieben (rechtskräftiges Urteil des Senats vom 24.04.2008, L 10 U 5318/07: der Senat sehe sich nicht in der Lage, eine auch nur mittelbare Beteiligung der rechten Schulter an diesem Unfall anzunehmen, sodass jedenfalls kein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen der später diagnostizierten Re-Ruptur der Rotatorenmanschette und diesem Unfallereignis bestehe; zur weiteren Feststellung der Einzelheiten wird auch insoweit auf das Urteil des Senats verwiesen). In diesem Berufungsverfahren schlossen die Beteiligten in Bezug auf das erstmalig und damit nach Ablauf der Rechtsbehelf- bzw. Rechtmittelfrist in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Stuttgart S 13 U 3785/05 geltend gemachte Begehren auf höheres Verletztengeld (nämlich wegen vom Kläger behaupteter, bis zum 30.04.2004 auf Grund dieses Unfalls vom 19.11.2003 und der dadurch verursachten Läsion der rechten Rotatorenmanschette eingetretener Arbeitsunfähigkeit) in Höhe von kalendertäglich 120,00 EUR abzgl. der bereits gewährten 44,44 EUR wegen der eingetretenen Bestandskraft insoweit einen Teilvergleich, wonach sich die Beklagte verpflichtete, "über die Höhe des Verletztengeldes (Bescheid vom 07.10.2004) neu zu entscheiden, sofern sich aus einer Entscheidung des Senats im vorliegenden Rechtsstreit oder im Verfahren L 10 U 1052/05 hinsichtlich der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Beschwerden an der rechten Schulter und dem Unfall vom 19.11.2003 ein dem Kläger günstiges Ergebnis zeigt"; der Rechtsstreit wurde insoweit für erledigt erklärt.

In der Folgezeit - erstmals im Juli 2008 - machte der Kläger weiterhin und unter Bezugnahme auf den Teilvergleich als Folge des Unfalles vom 19.11.2003 Arbeitsunfähigkeit bis zum 30.04.2004 und damit für die Zeit vom 01.01. bis 30.04.2004 einen Anspruch auf Verletztengeld wegen dieses Unfalles geltend. Mit Bescheid vom 06.07.2009 und Widerspruchsbescheid vom 22.10.2009 lehnte die Beklagte schließlich eine erneute Entscheidung über die Höhe und Dauer des Verletztengeldes ab.

Das hiergegen am 20.11.2009 angerufene Sozialgericht Stuttgart hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.08.2010 abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 02.09.2010 Berufung eingelegt. Er macht ein Recht auf Neubescheidung auf Grund des abgeschlossenen Teilvergleichs geltend.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 02.08.2010 und den Bescheid vom 06.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über einen Anspruch auf Verletztengeld für die Zeit vom 01.01.2004 bis 30.04.2004 wegen der Folgen des Unfalles vom 19.11.2003 neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die Akten der erwähnten früheren Berufungsverfahren und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten keine erneute Entscheidung über einen Anspruch auf Verletztengeld auf Grund des Unfalles vom 19.11.2003 verlangen.

Der Kläger macht ausweislich seines Berufungsantrages einen Anspruch auf Bescheidung durch die Beklagte geltend, und zwar über einen Anspruch auf Verletztengeld für die Zeit vom 01.01. bis 30.04.2004 auf Grund des Unfalles vom 19.11.2003. Er beruft sich dabei auf den im Berufungsverfahren L 10 U 5318/07 geschlossenen Teilvergleich.

Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens ist somit dieser Teilvergleich, mit dem sich die Beklagte in der Tat verpflichtete, "über die Höhe des Verletztengeldes (Bescheid vom 07.10.2004) neu zu entscheiden". Dies vermittelt dem Kläger einen solchen Anspruch auf Bescheidung, also auf Erlass eines Verwaltungsaktes, den er deshalb zulässigerweise mit der Verpflichtungsklage verfolgt.

Zu Recht haben die Beklagte und das Sozialgericht aber darauf hingewiesen, dass eine Verpflichtung der Beklagten aus diesem Teilvergleich - nämlich über einen Verletztengeldanspruch auf Grund des Unfalles vom 19.11.2003 erneut zu entscheiden - an einen Erfolg des Klägers in den damals anhängigen Berufungsverfahren L 10 U 5318/07 oder L 10 U 1052/05 geknüpft ist. Der Wortlaut des geschlossenen Vergleichs ("sofern sich aus einer Entscheidung des Senats im vorliegenden Rechtsstreit oder im Verfahren L 10 U 1052/05 hinsichtlich der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Beschwerden an der rechten Schulter und dem Unfall vom 19.11.2003 ein dem Kläger günstiges Ergebnis zeigt") lässt keine Zweifel zu. Denn die Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Entscheidung setzt - dies zeigt die Weiterführung des Satzes mit "sofern" - an eine dem Kläger günstige Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Beschwerden an der rechten Schulter und dem Unfall vom 19.11.2003 voraus.

Eine solche günstige Beurteilung nahm der Senat in den genannten Berufungsverfahren aber nicht vor. In jedem dieser Verfahren behauptete der Kläger für jedes Ereignis eine Verletzung der rechten Rotatorenmanschette mit dauerhaften rentenrelevanten Funktionseinschränkungen, die - so die Behauptung des Klägers - bis zum 30.04.2004 Arbeitsunfähigkeit begründet haben soll. Angesichts der aufgetretenen und vom Kläger nicht aufgelösten Widersprüche in seinem Vortrag (im Verfahren L 10 U 1052/05 - Ablassen der Deichsel am 17.10.2001 - behauptete der Kläger bis zuletzt fortdauernde Funktionseinschränkungen nach diesem Ereignis, demgegenüber gab er im Verfahren L 10 U 5318/07 - Sturz am 19.11.2003 - an, die Folgen des Ereignisses vom 17.10.2001 seien vor dem Sturz am 19.11.2003 vollständig ausgeheilt gewesen) konnte der Senat aber für kein Ereignis einen unfallbedingten dauerhaften Schaden an der rechten Schulter annehmen. Im Urteil vom 24.04.2008, L 10 U 1052/05 konnte der Senat auf Grund der Angaben des Klägers über eine Ausheilung nicht feststellen, dass über die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis 24.02.2002 hinaus wesentliche funktionelle Einschränkungen im Bereich der rechten Schulter bestanden. Im Urteil vom 24.04.2008, L 10 U 5318/07 sah sich der Senat nicht in der Lage, von einer - für die geltend gemachten Ansprüche allein maßgebenden - Beteiligung der rechten Schulter beim Sturz am 19.11.2003 auszugehen und er verneinte deshalb einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der - nach Darstellung des Klägers Arbeitsunfähigkeit bis zum 30.04.2004 verursachenden - Schädigung der Rotatorenmanschette der rechten Schulter und dem Unfall vom 19.11.2003. In beiden Berufungsverfahren wies der Senat somit die Berufung des Klägers in vollem Umfang zurück.

Ist aber die im Teilvergleich vorausgesetzte günstige Beurteilung durch den Senat nicht erfolgt, ist auch der hiervon abhängig gemachte Anspruch auf erneute Entscheidung der Beklagten über die Höhe des Verletztengeldes nicht entstanden.

Dabei kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass er einen längeren Anspruch auf Verletztengeld behauptet, während der Vergleich nur die Höhe des Anspruchs betrifft. Denn Grundlage des Teilvergleichs war gerade die Behauptung des Klägers, wegen des Arbeitsunfalles vom 19.11.2003 einen Anspruch auf Verletztengeld bis zum 30.04.2004 zu haben. Dies wirkte sich indessen allein als "Höhenstreit" aus, weil die Beklagte bereits wegen des Arbeitsunfalles aus dem Jahre 1984 für diesen Zeitraum Verletztengeld gewährte, allerdings nur in Höhe von kalendertäglich 44,44 EUR. Da der Anspruch auf Verletztengeld auf Grund des Unfalles vom 19.11.2003 sich mit 120,00 EUR errechnete, hatte der Kläger - konsequenterweise - nur einen Differenzbetrag geltend gemacht ("ein kalendertägliches Verletztengeld für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 30.04.2004 in Höhe von 120,00 EUR abzüglich eines bereits gewährten Verletztengeldes von 44,44 EUR", so der mit Schriftsatz vom 09.11.2007 im Verfahren L 10 U 5318/07 gestellte Berufungsantrag). Dem entsprechend wurde im Teilvergleich dieser prozessuale Gegenstand als höheres Verletztengeld umschrieben und umfasst somit gerade den behaupteten Anspruch bis 30.04.2003. Auch der Kläger behauptet insoweit nichts anderes.

Ein Anspruch des Klägers auf eine erneute Entscheidung über das Verletztengeld steht dem Kläger auch nicht nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu. Danach ist zwar ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte.

Indessen wurde mit dem Teilvergleich im Hinblick auf die - schon damals bestandskräftige - Entscheidung über die Höhe des Verletztengeldes der prozessualen Situation - Unzulässigkeit der Anfechtungs- und Leistungsklage bezüglich eines höheren Anspruches auf Verletztengeld - Rechnung getragen und zugleich - in Anlehnung an § 44 SGB X - zwischen den Beteiligten geregelt, dass diese bestandskräftige Entscheidung über die Höhe des Verletztengeldes nur dann überprüft und in der Folge beseitigt werden soll, wenn eines der Berufungsverfahren ein dem Kläger günstiges Ergebnis haben würde. Denn Prüfungsgegenstand der Berufungsverfahren waren behauptete Verletzungen der Rotatorenmanschette der rechten Schulter, also Gesundheitsstörungen, auf die der Kläger die behauptete Arbeitsunfähigkeit für den streitigen Zeitraum vom 01.01.2004 bis 30.04.2004 zurückführt. Damit wurde der allgemeine Anspruch nach § 44 SGB X konkretisiert und davon abhängig gemacht, dass der Senat eine dem Kläger günstige Entscheidung trifft. Auf Grund der Verbindlichkeit dieses Teilvergleiches (BSG, Urteil vom 29.01.1986, 9b RU 18/84 in SozR 1200 § 44 Nr. 14) und einem fehlenden Erfolg des Klägers in den besagten Berufungsverfahren steht nun fest, dass die Beklagte zu einer erneuten Entscheidung über den Verletztengeldanspruch nicht verpflichtet ist. Dies umfasst gerade auch einen Anspruch nach § 44 SGB X.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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