Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 21 R 1564/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 5.12.2011 gegen den Bescheid vom 28.11.2011 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um eine Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt EUR 77.441,07.
Bei der Antragstellerin handelt es sich um ein Dienstleistungsunternehmen in den Bereichen Zeitarbeit und Stellenvermittlung. Die Antragstellerin ist Mitglied im Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleistungsunternehmen (AMP), der seinerseits Tarifpartner der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist. In der streitgegenständlichen Zeit verwies die Antragstellerin in den Arbeitsverträgen von ihr entliehener Arbeitnehmer auf die mit der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag und Beschäftigungssicherungstarifvertrag).
Mit Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) bestätigte das Bundesarbeitsgericht (BAG) auf Antrag von Ver.di und dem Land Berlin die vorinstanzlich durch das Arbeitsgericht Berlin (Beschluss v. 1.4.2009, 35 BV 17008/08) und das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss v. 7.12.2009, 23 TaBV 1016/09) festgestellte Tarifunfähigkeit der CGZP.
In der Folge führte die Deutsche Rentenversicherung bei den betroffenen Zeitarbeitsunternehmen Betriebsprüfungen durch, in der Zeit vom 6.9.2011 bis 8.9.2011 nach entsprechender Vorankündigung durch die Antragsgegnerin auch bei der Antragstellerin. Prüfungszeitraum war die Zeit vom 1.1.2007 bis 31.12.2009. Zu dem Ergebnis wurde die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.10.2011 angehört.
Mit Bescheid vom 28.11.2011 erhob die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin bezogen auf den Prüfungszeitraum eine Beitragsnachforderung in Höhe von EUR 77.441,07. Die angewandten Tarifverträge seien unwirksam, daher stünde den betroffenen Arbeitnehmern derselbe Lohn wie der Stammbelegschaft zu mit der Konsequenz entsprechend höherer Beiträge zur Sozialversicherung. Die Gesamtbeitragsforderung basiere auf einer Schätzung jeweils auf der Grundlage von Beschäftigungsgruppen je nach Entleiherbranche, dem gruppenspezifischen Bruttolohn pro Kalenderjahr, bereinigt um verleihfreie Zeiten, Urlaub etc., verifiziert durch eine Stichprobe und im Wege einer Lohnabstandsbetrachtung in Relation gestellt zu den tatsächlichen Entgelten vergleichbarer Arbeitnehmer. Die Beiträge seien bis zum drittletzten Bankarbeitstag des Monats, der dem Datum des Bescheides folgt, an die zuständigen insgesamt 43 Einzugsstellen (Krankenkassen) zu zahlen.
Hiergegen legte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 5.12.2011 Widerspruch ein. Zugleich bat sie die Antragsgegnerin um Aussetzung der Zwangsvollstreckung, hilfsweise die involvierten Krankenkassen um Stundung.
Aufgrund Schreibens vom 16.12.2011 lehnte die Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung ab. Zugleich leitete sie den Aussetzungsantrag der Antragstellerin an die betroffenen Krankenkassen weiter.
Mit Wirkung zum 27.12.2011 zogen die Krankenkassen ihre jeweiligen Forderungen ein. Die Antragstellerin buchte die Forderungen am 30.12.2011 zurück. Als Reaktion kündigten bereits mehrere Krankenkassen die zwangsweise Beitreibung an, eine Stundung scheide wegen der - zum Teil - geringen Höhe der Beitragsschulden aus (Bandbreite der Forderungen: EUR 0,80 bis EUR 39.092,36).
Mit ihrem unter dem 24.12.2011 bei Gericht eingegangenen Eilantrag macht die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen den Beitragsbescheid vom 28.11.2011 geltend. Es bestünden erhebliche Bedenken gegenüber der Rechtmäßigkeit der erhobenen Forderung. Das BAG habe die Tarifunfähigkeit mit Wirkung vom 14.12.2010 nur gegenwarts- und antragsbezogen festgestellt, eine Rückwirkung sei daraus nicht abzuleiten. Die Antragstellerin habe auf die Wirksamkeit der zwischen dem AMP und der CGZP geschlossenen Tarifverträge vertrauen dürfen; die Anwendung sei schließlich zum Teil sogar von staatlichen Stellen wie der Bundesagentur für Arbeit ausdrücklich empfohlen worden. Die Beitragsansprüche entstünden frühestens ab dem Zeitpunkt ab dem sie geschuldet sind und damit ab Datum des Beschlusses des BAG; ggf. könne man wegen der Entstehung der Beitragsschuld auch wie bei Einmalzahlungen erst auf den Zuflusszeitpunkt abstellen. Im Übrigen sei die Forderung verjährt bzw. sogar verwirkt. Vorhergehende Betriebsprüfungen für denselben Zeitraum stünden einer erneuten Überprüfung entgegen. Abgesehen davon habe die Antragsgegnerin nicht berücksichtigt, dass in die Vergleichsberechnung nur vergleichbare Arbeitnehmer der Stammbelegschaft, nicht jedoch fiktive Arbeitnehmer einzubeziehen seien. Ferner seien Zulagen wie z.B. Verpflegungsmehraufwand oder Fahrtkosten entgeltmindernd zu berücksichtigen. Schließlich entbehre die vorgenommene Schätzung der Antragsgegnerin einer rechtlichen Grundlage, da dieses Vorgehen nur bei objektiven Verstößen des Arbeitgebers gegen die Aufzeichnungspflicht erlaubt sei; ein solcher Verstoß sei der Antragstellerin nicht vorzuwerfen, da sie nur zum damaligen Zeitpunkt wirksame Tarifverträge angewandt habe. Eine echte Rückwirkung sei nur unter Beachtung von Übergangsfristen zulässig. Auch die Bundesregierung und der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung stünden einer Rückwirkung ablehnend gegenüber.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 5.12.2011 gegen den Bescheid vom 28.11.2011 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie aus, sie habe keinen Zweifel an der Richtigkeit ihrer Feststellungen und der beitragsrechtlichen Konsequenzen. Das BAG habe seine Entscheidung wesentlich darauf gestützt, dass der Organisationsbereich der CGZP weiter reiche als der ihrer Mitgliedsgewerkschaften und sich dabei auf die für den Streitfall relevante Satzung der Tarifgemeinschaft aus 2009 bezogen, die der für 2005 entspräche. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass die CGZP jemals tariffähig gewesen sei. Ferner habe das BAG die bestehende Tarifunfähigkeit nur deklaratorisch festgestellt. Sie sei seit langem streitig gewesen und der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung sei gerade nicht geschützt. Die Beitragsforderung sei zusammen mit dem höheren Lohnanspruch laufend entstanden, es handle sich gerade nicht um eine Einmalzahlung. Die Verjährungsfrist betrage bei vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen 30 Jahre. Ab dem 14.12.2010 sei der Antragstellerin die Beitragsverpflichtung bekannt gewesen. Vorhergehenden Betriebsprüfungen käme weder eine Entlastungsfunktion für den Arbeitgeber noch eine Sperrwirkung gegenüber weiteren Prüfungen zu. Die vorgenommene Schätzung sei wegen der großen Anzahl der betroffenen Beschäftigungsverhältnisse, der zum Teil nur kurzfristigen Beschäftigungsdauer und der Anzahl der Entleiher angebracht gewesen, da eine Detailaufklärung insoweit einen unverhältnismäßigen Aufwand dargestellt hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
Gründe
II:
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 5.12.2011 gegen den Bescheid vom 28.11.2011 ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen anordnen, in denen Widerspruch oder Klage keine aufschiebende Wirkung haben.
Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. nur LSG NRW, Beschluss vom 7.1.2011, L 8 R 864/10 ER m.w.N. unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, hängt davon ab, ob bei Abwägung der Interessen das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Im Rahmen der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden gerichtlichen Entscheidung ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass das Gesetz das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert (s.o. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG). Nach dem Rechtsgedanken der insoweit entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 86a Abs. 3 S. 2 SGG ist die aufschiebende Wirkung daher anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Für ernstliche Zweifel reicht es dabei nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht, d.h. wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfes im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (vgl. LSG NRW, Beschlüsse v. 24.6.2009, L 8 B 4/09 R ER; v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R ER; v. 18.2.2010, L 8 B 13/09 R ER; v. 8.10.2010, L 8 R 368/10 B ER, v. 7.1.2011, a.a.O., jeweils unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Unter Beachtung dieser Grundsätze überwiegt das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens regelmäßig nur summarischen Prüfung ergeben sich ernstliche Zweifel. Nach Auffassung der Kammer spricht mehr für einen Erfolg des Widerspruchs der Antragstellerin vom 5.12.2011 als dagegen.
Während die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs bezüglich der Tariffähigkeit der CGZP für die Vergangenheit nach aktuellem Rechtsstand zu Gunsten der Antragstellerin (bestenfalls) als offen zu betrachten sind, sind die Erfolgsaussichten bezüglich der Frage der rückwirkenden Erstattungspflicht der beitragspflichtigen Arbeitgeber nach Auffassung der Kammer als überwiegend wahrscheinlich zu beurteilen.
Rechtsgrundlage des Beitragsbescheides vom 28.11.2011 ist § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Nach § 28p Abs. 1 Satz 5 erster Halbsatz SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern.
Die Antragsgegnerin hat durch den Beitragsbescheid vom 28.11.2011 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die bei der Antragstellerin beschäftigten Leiharbeitnehmer in der Krankenversicherung (gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)) in der Rentenversicherung (gem. § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)), in der sozialen Pflegeversicherung (gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 HS 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) und in der Arbeitslosenversicherung (gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)) im Zusammenhang mit der Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt.
Die Nachforderung wäre allerdings nur dann rechtmäßig, wenn die festgestellte Beitragsschuld der Antragstellerin bestünde. Dies setzt zum einen voraus, dass die bei der Antragstellerin auf der Basis von mit der CGZP abgeschlossenen Tarifverträgen beschäftigten Leiharbeitnehmer einen höheren Entgeltanspruch ("equal pay") hätten (hierzu unter a)) und zum anderen, dass auf diesen Sozialversicherungsbeiträge im Prüfungszeitraum zulässiger Weise nachzuerheben wären (hierzu unter b)). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Im Einzelnen:
a) Nach Auffassung der Kammer ist bereits die Tariffähigkeit der CGZP und damit die Unwirksamkeit der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge für die Zeit vor dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 gerade und nach wie vor noch nicht fachgerichtlich, insbesondere höchstrichterlich abschließend geklärt.
Insofern ist es für das Gericht offen, ob die Antragsgegnerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt berechtigt ist, auch mit Wirkung für die Vergangenheit Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern. Die Kammer schließt sich diesbezüglich der Rechtsprechung des Sozialgerichts Hamburg in seiner Entscheidung vom 18.11.2011 an (S 51 R 1149/11 ER, zitiert nach juris; zu den Änderungen seit dieser Entscheidung insbesondere in Gestalt der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 9.1.2012, 24 TaBV 1285/11, siehe unter a); vgl. auch a.A. jetzt SG Hamburg, Beschluss v. 9.1.2012, S 11 R 1354/11 ER, zitiert nach juris).
Nach § 9 Nr. 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) sind Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere Bedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes vorsehen als die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden unwirksam, es sei denn ein Tarifvertrag lässt eine abweichende Regelung zu.
Liegt ein solcher eine Abweichung erlaubender, rechtswirksamer Tarifvertrag nicht vor, ist der Verleiher nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit seiner Überlassung an den Entleiher die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes zu gewähren.
Ob dieser Anspruch besteht, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden. Die Tarifunfähigkeit der CGZP ist für den hier maßgeblichen Prüfzeitraum vom 1.1.2007 bis 31.12.2009 derzeit noch nicht unangreifbar festgestellt worden. Das BAG hat in seinem Beschluss vom 14.12.2010 nur festgestellt, dass die CGZP gegenwartsbezogen nicht tariffähig ist (a.a.O.).
Spitzenorganisationen können gem. § 2 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz (TVG) selbst Parteien eines Tarifvertrages sein, wenn der Abschluss von Tarifverträgen zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehört. Die an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung im Einzelnen zu stellenden Anforderungen sind dabei gesetzlich nicht bestimmt. In seinem Beschluss vom 14.12.2010 (a.a.O.) hat das BAG hierzu unter anderem ergänzend festgestellt, dass die Tariffähigkeit im Gesetzessinne auch voraussetzt, dass der Organisationsbereich der Spitzenorganisationen mit dem ihrer Mitgliedergewerkschaften übereinstimmt. Davon ist nach Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die Tarifgemeinschaft der CGZP unter Berücksichtigung ihrer Satzung vom 8.10.2009 jedoch nicht auszugehen, deren Organisationsbereich überrage den der Mitgliedergewerkschaften.
Der Antragsgegnerin ist ohne weiteres zuzugeben, dass die tragenden Gründe des BAG es wahrscheinlich machen, oder, wie es das Sächsische LAG formuliert hat, "sich entsprechende Zweifel fast zur Sicherheit verdichten" (vgl. Beschluss v. 5.9.2011, a.a.O., Rn. 26 in der Interpretation von juris, vgl. 3. Leitsatz), dass die CGZP auch in der Vergangenheit tarifunfähig war.
Nichtsdestotrotz hat das BAG seine Feststellungen ganz ausdrücklich und mit besonderer Betonung ohne Vergangenheitsbezug getroffen (a.a.O., Rn. 33). Das BAG hat sich dabei an der Antragstellung der die Feststellung begehrenden Parteien orientiert und daraus nach Wortlaut und Begründung einen ausdrücklichen Gegenwartsbezug abgeleitet ("tarifunfähig ist"). Wenn das BAG den Gegenwartsbezug seiner Feststellung jedoch explizit hervorhebt, ist daraus zu schließen, dass eine weitreichende, vergangenheitsbezogene Rückwirkung nicht beabsichtigt war.
Entsprechend geht auch die vorherrschende Ansicht der Landesarbeitsgerichte davon aus, dass der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 keine Rückwirkung zukommt ("ex tunc"), sondern die fehlende Tariffähigkeit der CGZP lediglich rein gegenwartsbezogen festgestellt worden ist (LAG Rheinland – Pfalz, Beschluss v. 15.06.2011, 6 Ta 99/11; LAG Baden – Württemberg, Beschluss v. 21.06.2011, 11 Ta 10/11; LAG Mecklenburg – Vorpommern, Beschluss v. 15.8.2011, 2 Ta 42/11; Sächsisches LAG, Beschluss v. 05.09.2011, 4 Ta 162/11 und v. 8.9.2011, 4 Ta 149/11; LAG Nürnberg, Beschluss v. 19.09.2011, 2 Ta 128/11; LAG Hamm, Beschluss v. 28.09.2011, 1 Ta 500/11; LAG Köln, Beschluss v. 14.10.2011, 13 Ta 284/11, jeweils zitiert nach juris; differenzierend: LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 2.11.2011, 4 Ta 130/11; a.A. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.9.2011, 7 Sa 1318/11; vgl. auch ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil v. 12.5.2011, 5 Ca 5129/10; ArbG Frankfurt/Oder, Beschluss v. 9.6.2011, 3 Ca 422/11; vgl. auch ganz aktuell: ArbG Hamburg, Beschluss v. 9.1.2012, S 11 R 1354/11 ER im Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg v. 20.9.2011, jeweils zitiert nach juris).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der jüngsten Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 9.1.2012 (24 TaBV 1285/11), das die Rechtsprechung des BAG vom 18.12.2010 nunmehr auch auf die Satzungen der CGZP seit 2004 bezogen hat. Zum einen hat sich das LAG zufolge der Pressemitteilung - die Urteilsgründe lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung der erkennenden Kammer noch nicht vor – gerade nicht zur Frage des auch vorliegend relevanten Vertrauensschutzes zu Gunsten der Arbeitgeber geäußert, die in Einzelrechtsstreitigkeiten über bestehende Nachforderungen zu klären sei. Zwar hat das LAG die Rechtsbeschwerde zum BAG nicht zugelassen und Beschlüsse über die Tariffähigkeit einer Vereinigung erwachsen auch in Rechtskraft, die sich "in subjektiver Hinsicht nicht nur auf die Verfahrensbeteiligten, sondern auf jedermann erstreckt" (vgl. BAG, Beschluss v. 28.3.2006, ABR 58/04, zitiert nach juris), es besteht jedoch zum anderen noch die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 92a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Da die Frage der Tarifunfähigkeit der CGZP für die Vergangenheit grundsätzliche Bedeutung hat und sich die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg zugleich in Widerspruch zur Entscheidung des Tarifsenates des BAG zur Frage der Auswirkungen für die Vergangenheit setzt, muss die erkennende Kammer davon ausgehen, dass diese Beschwerde – für die eine einmonatige Frist ab Zustellung der Entscheidung gilt - mit höchster Wahrscheinlichkeit wegen ihrer politisch-wirtschaftlichen Brisanz sowohl eingelegt wird als auch Aussicht auf Erfolg hat.
Nach aktueller Auskunft des Bundesarbeitsgerichts wird über die ca. ein Dutzend Rechtsbeschwerden gegen die Beschlüsse der verschiedenen Landesarbeitsgerichte, mit denen über die erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Aussetzungsbeschlüsse nach § 97 Abs. 5 ArbGG entschieden wurde, erst "Ende des ersten Quartals 2012" entschieden.
Damit bleibt es dabei, dass für den hier maßgeblichen Prüfzeitraum vom 1.1.2007 bis 31.12.2009 bzw. jedenfalls bis zum Satzungserlass vom 8.10.2009 und damit für den wesentlichen Zeitraum nicht höchstrichterlich abschließend festgestellt wurde, dass die CGZP tarifunfähig ist und die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge unwirksam sind, so dass zumindest gegenwärtig die Rechtmäßigkeit für die Vergangenheit wirkender "Equal-Pay-Ansprüche" der beschäftigten Leiharbeitnehmer und daran gekoppelter sozialversicherungsrechtlicher Beitragsnachforderungen noch nicht hinreichend feststeht.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich das BAG im Falle eines auch die rückwirkenden Zeiträume erfassenden Antragsverfahrens nicht nur mit der Tariffähigkeit der CGZP auseinandersetzen muss, sondern insbesondere auch mit der Frage der Rückwirkung seiner Rechtsprechung, die es ganz offensichtlich sensibel behandelt.
Aus §§ 2a, 97 ArbGG folgt jedoch, dass es allein Sache der zuständigen Fachgerichtsbarkeit ist, sich zu der Tariffähigkeit für die Vergangenheit und zur Rückwirkung seiner diesbezüglichen höchstrichterlichen Rechtsprechung abschließend zu äußern. Keineswegs obliegt dies den Sozialgerichten, die insoweit vielmehr das Primat der Arbeitsgerichtsbarkeit zu respektieren haben.
b) Unabhängig davon ist die Frage der Tariffähigkeit oder –unfähigkeit nach Auffassung der erkennenden Kammer auch nicht automatisch gleichzusetzen mit der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung im Sozialversicherungsrecht. Vielmehr geht die erkennende Kammer nach summarischen Maßstäben davon aus, dass sich die Antragsgegnerin gegenüber der Forderung jedenfalls auf Vertrauensschutz berufen kann.
Zur Frage der Rückwirkung (gesetzesgleicher) höchstrichterlicher Entscheidungen im Beitragsrecht hat das Bundessozialgericht bereits in der grundlegenden Entscheidung vom 18.11.1980 (12 RK 59/79, zitiert nach juris) klargestellt, dass eine nachträgliche Forderung von noch nicht verjährten Beiträgen nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein kann (vgl. auch LSG NRW, Urteil v. 28.01.2003, L 5 KR 197/01, zitiert nach juris). Die Vorschrift in § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), wonach ein Schuldner die Leistung nur so zu erbringen braucht, wie Treu und Glauben es erfordern, enthalte einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch im öffentlichen Recht und damit auch im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelte (vgl. BSGE 17,173, 175 f.; 21, 52, 55; 47, 194, 196).
Bereits bei summarischer Prüfung hatte die Kammer jedoch insoweit folgende Aspekte zu berücksichtigen:
Gegen eine rückwirkende Anwendung einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Lasten der beitragspflichtigen Arbeitgeber spricht, dass die Änderung der Rechtsprechung für die Betroffenen hier praktisch wie eine Änderung des Rechts wirkt. Eine Rechtsänderung würde aber einem - sogar verfassungsrechtlichen - Rückwirkungsverbot unterliegen (BVerfGE 19, 187,195; 22, 330, 347; 30, 272, 285, jeweils m.w.N). Da dieses Rückwirkungsverbot ebenfalls aus dem Gedanken des Vertrauensschutzes entwickelt worden ist, erscheint es nur folgerichtig, den Betroffenen im Falle einer sie belastenden Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung den gleichen Vertrauensschutz zuzubilligen wie bei einer entsprechenden Rechtsänderung, insbesondere wenn es sich um die Anwendung der geänderten Rechtsprechung auf Sachverhalte handelt, die abgeschlossen in der Vergangenheit liegen. Dies bedeutet, dass ihnen bis zur Bekanntgabe der Rechtsprechung bzw. Information hierüber von der zuständigen Verwaltungsstelle Vertrauensschutz zuzubilligen ist (vgl. BAG, Urteil v. 18.11.1980, a.a.O.).
So sehr auch die Vereinbarung von unterdurchschnittlichen Löhnen durch unzureichend legitimierte Organisationen zu unterbinden und die Gleichstellung der Löhne aus arbeitsrechtlicher wie sozialversicherungsrechtlicher Sicht zu befürworten ist, so ist auf der anderen Seite ebenso zu sehen, dass § 9 Nr. 2 AÜG die tarifliche Abweichung grundsätzlich erlaubt, während zugleich jedoch die Frage der Tariffähigkeit gesetzlich nicht abschließend geregelt, sondern einer sich stetig an Einzelfällen fortentwickelnden Auslegung durch gesetzesvertretendes Richterrecht unterworfen ist.
Für die Kammer war dabei ebenso relevant, dass die Anwendung der von der CGZP geschlossenen Tarifverträge bis zur höchstrichterlichen Rechtsprechung von staatlichen Stellen zumindest geduldet und zum Teil auch ausdrücklich empfohlen und von der Deutschen Rentenversicherung entsprechend bisher nicht moniert wurde.
Vor allem aber stehen die Folgen einer zu raschen Ermöglichung der sozialversicherungsrechtlichen Vollstreckung für die Vergangenheit vor einer gesetzlich ausdrücklich für vorgreiflich befundenden fachgerichtlichen letztinstanzlichen Klärung in keinem Verhältnis zu den daraus resultierenden wirtschaftlichen Belastungen der Antragstellerin im Besonderen mit insgesamt EUR 77.441,07 und darüber hinaus der ca. 1600 Zeitarbeitsunternehmen im Allgemeinen. Sie liegt auch nicht im Interesse der Antragsgegnerin bzw. der – vorliegend 43 - Einzugsstellen, auf die insoweit ein unverhältnismäßiger, weil ggf. rückgängig zu machender Aufwand zukäme.
Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die nachträgliche Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht bereits per se unzumutbar ist, denn bei der Beitragsnachforderung handelt es sich um die Erfüllung der im Beitragsrecht jedem Arbeitgeber auferlegten Pflichten (vgl. LSG Thüringen, Beschluss v. 9.3.2006, L 6 R 967/05 ER; LSG NRW, Beschluss v. 5.11.2008, L 16 B 7/08 R ER, je unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Zu berücksichtigen ist jedoch auch die Besonderheit, dass Stundungsgesuche bei der Einzugsstelle wie im vorliegenden Fall häufig bereits deswegen zum Scheitern verurteilt sind, weil die Einzelforderung zu gering ist und sich die Belastung erst aus der Masse der Einzelforderungen sämtlicher Krankenkassen ergibt.
Demgegenüber drängt die Vollstreckung der Sozialversicherungsträger in zeitlicher Hinsicht nicht. Nach Auffassung der erkennenden Kammer bietet es sich vielmehr an, die Beitragsforderungen für die Zeit vor dem 14.10.2010, die zwecks Durchbrechung der Verjährung von der Antragsgegnerin sicherlich zunächst zu erheben sind, bei eingehendem Widerspruch bis zur abschließenden Klärung im vorgenannten Sinne einstweilen ruhend zu stellen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um eine Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt EUR 77.441,07.
Bei der Antragstellerin handelt es sich um ein Dienstleistungsunternehmen in den Bereichen Zeitarbeit und Stellenvermittlung. Die Antragstellerin ist Mitglied im Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleistungsunternehmen (AMP), der seinerseits Tarifpartner der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist. In der streitgegenständlichen Zeit verwies die Antragstellerin in den Arbeitsverträgen von ihr entliehener Arbeitnehmer auf die mit der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag und Beschäftigungssicherungstarifvertrag).
Mit Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) bestätigte das Bundesarbeitsgericht (BAG) auf Antrag von Ver.di und dem Land Berlin die vorinstanzlich durch das Arbeitsgericht Berlin (Beschluss v. 1.4.2009, 35 BV 17008/08) und das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss v. 7.12.2009, 23 TaBV 1016/09) festgestellte Tarifunfähigkeit der CGZP.
In der Folge führte die Deutsche Rentenversicherung bei den betroffenen Zeitarbeitsunternehmen Betriebsprüfungen durch, in der Zeit vom 6.9.2011 bis 8.9.2011 nach entsprechender Vorankündigung durch die Antragsgegnerin auch bei der Antragstellerin. Prüfungszeitraum war die Zeit vom 1.1.2007 bis 31.12.2009. Zu dem Ergebnis wurde die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.10.2011 angehört.
Mit Bescheid vom 28.11.2011 erhob die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin bezogen auf den Prüfungszeitraum eine Beitragsnachforderung in Höhe von EUR 77.441,07. Die angewandten Tarifverträge seien unwirksam, daher stünde den betroffenen Arbeitnehmern derselbe Lohn wie der Stammbelegschaft zu mit der Konsequenz entsprechend höherer Beiträge zur Sozialversicherung. Die Gesamtbeitragsforderung basiere auf einer Schätzung jeweils auf der Grundlage von Beschäftigungsgruppen je nach Entleiherbranche, dem gruppenspezifischen Bruttolohn pro Kalenderjahr, bereinigt um verleihfreie Zeiten, Urlaub etc., verifiziert durch eine Stichprobe und im Wege einer Lohnabstandsbetrachtung in Relation gestellt zu den tatsächlichen Entgelten vergleichbarer Arbeitnehmer. Die Beiträge seien bis zum drittletzten Bankarbeitstag des Monats, der dem Datum des Bescheides folgt, an die zuständigen insgesamt 43 Einzugsstellen (Krankenkassen) zu zahlen.
Hiergegen legte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 5.12.2011 Widerspruch ein. Zugleich bat sie die Antragsgegnerin um Aussetzung der Zwangsvollstreckung, hilfsweise die involvierten Krankenkassen um Stundung.
Aufgrund Schreibens vom 16.12.2011 lehnte die Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung ab. Zugleich leitete sie den Aussetzungsantrag der Antragstellerin an die betroffenen Krankenkassen weiter.
Mit Wirkung zum 27.12.2011 zogen die Krankenkassen ihre jeweiligen Forderungen ein. Die Antragstellerin buchte die Forderungen am 30.12.2011 zurück. Als Reaktion kündigten bereits mehrere Krankenkassen die zwangsweise Beitreibung an, eine Stundung scheide wegen der - zum Teil - geringen Höhe der Beitragsschulden aus (Bandbreite der Forderungen: EUR 0,80 bis EUR 39.092,36).
Mit ihrem unter dem 24.12.2011 bei Gericht eingegangenen Eilantrag macht die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen den Beitragsbescheid vom 28.11.2011 geltend. Es bestünden erhebliche Bedenken gegenüber der Rechtmäßigkeit der erhobenen Forderung. Das BAG habe die Tarifunfähigkeit mit Wirkung vom 14.12.2010 nur gegenwarts- und antragsbezogen festgestellt, eine Rückwirkung sei daraus nicht abzuleiten. Die Antragstellerin habe auf die Wirksamkeit der zwischen dem AMP und der CGZP geschlossenen Tarifverträge vertrauen dürfen; die Anwendung sei schließlich zum Teil sogar von staatlichen Stellen wie der Bundesagentur für Arbeit ausdrücklich empfohlen worden. Die Beitragsansprüche entstünden frühestens ab dem Zeitpunkt ab dem sie geschuldet sind und damit ab Datum des Beschlusses des BAG; ggf. könne man wegen der Entstehung der Beitragsschuld auch wie bei Einmalzahlungen erst auf den Zuflusszeitpunkt abstellen. Im Übrigen sei die Forderung verjährt bzw. sogar verwirkt. Vorhergehende Betriebsprüfungen für denselben Zeitraum stünden einer erneuten Überprüfung entgegen. Abgesehen davon habe die Antragsgegnerin nicht berücksichtigt, dass in die Vergleichsberechnung nur vergleichbare Arbeitnehmer der Stammbelegschaft, nicht jedoch fiktive Arbeitnehmer einzubeziehen seien. Ferner seien Zulagen wie z.B. Verpflegungsmehraufwand oder Fahrtkosten entgeltmindernd zu berücksichtigen. Schließlich entbehre die vorgenommene Schätzung der Antragsgegnerin einer rechtlichen Grundlage, da dieses Vorgehen nur bei objektiven Verstößen des Arbeitgebers gegen die Aufzeichnungspflicht erlaubt sei; ein solcher Verstoß sei der Antragstellerin nicht vorzuwerfen, da sie nur zum damaligen Zeitpunkt wirksame Tarifverträge angewandt habe. Eine echte Rückwirkung sei nur unter Beachtung von Übergangsfristen zulässig. Auch die Bundesregierung und der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung stünden einer Rückwirkung ablehnend gegenüber.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 5.12.2011 gegen den Bescheid vom 28.11.2011 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie aus, sie habe keinen Zweifel an der Richtigkeit ihrer Feststellungen und der beitragsrechtlichen Konsequenzen. Das BAG habe seine Entscheidung wesentlich darauf gestützt, dass der Organisationsbereich der CGZP weiter reiche als der ihrer Mitgliedsgewerkschaften und sich dabei auf die für den Streitfall relevante Satzung der Tarifgemeinschaft aus 2009 bezogen, die der für 2005 entspräche. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass die CGZP jemals tariffähig gewesen sei. Ferner habe das BAG die bestehende Tarifunfähigkeit nur deklaratorisch festgestellt. Sie sei seit langem streitig gewesen und der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung sei gerade nicht geschützt. Die Beitragsforderung sei zusammen mit dem höheren Lohnanspruch laufend entstanden, es handle sich gerade nicht um eine Einmalzahlung. Die Verjährungsfrist betrage bei vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen 30 Jahre. Ab dem 14.12.2010 sei der Antragstellerin die Beitragsverpflichtung bekannt gewesen. Vorhergehenden Betriebsprüfungen käme weder eine Entlastungsfunktion für den Arbeitgeber noch eine Sperrwirkung gegenüber weiteren Prüfungen zu. Die vorgenommene Schätzung sei wegen der großen Anzahl der betroffenen Beschäftigungsverhältnisse, der zum Teil nur kurzfristigen Beschäftigungsdauer und der Anzahl der Entleiher angebracht gewesen, da eine Detailaufklärung insoweit einen unverhältnismäßigen Aufwand dargestellt hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
Gründe
II:
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 5.12.2011 gegen den Bescheid vom 28.11.2011 ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen anordnen, in denen Widerspruch oder Klage keine aufschiebende Wirkung haben.
Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. nur LSG NRW, Beschluss vom 7.1.2011, L 8 R 864/10 ER m.w.N. unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, hängt davon ab, ob bei Abwägung der Interessen das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Im Rahmen der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden gerichtlichen Entscheidung ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass das Gesetz das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert (s.o. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG). Nach dem Rechtsgedanken der insoweit entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 86a Abs. 3 S. 2 SGG ist die aufschiebende Wirkung daher anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Für ernstliche Zweifel reicht es dabei nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht, d.h. wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfes im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (vgl. LSG NRW, Beschlüsse v. 24.6.2009, L 8 B 4/09 R ER; v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R ER; v. 18.2.2010, L 8 B 13/09 R ER; v. 8.10.2010, L 8 R 368/10 B ER, v. 7.1.2011, a.a.O., jeweils unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Unter Beachtung dieser Grundsätze überwiegt das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens regelmäßig nur summarischen Prüfung ergeben sich ernstliche Zweifel. Nach Auffassung der Kammer spricht mehr für einen Erfolg des Widerspruchs der Antragstellerin vom 5.12.2011 als dagegen.
Während die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs bezüglich der Tariffähigkeit der CGZP für die Vergangenheit nach aktuellem Rechtsstand zu Gunsten der Antragstellerin (bestenfalls) als offen zu betrachten sind, sind die Erfolgsaussichten bezüglich der Frage der rückwirkenden Erstattungspflicht der beitragspflichtigen Arbeitgeber nach Auffassung der Kammer als überwiegend wahrscheinlich zu beurteilen.
Rechtsgrundlage des Beitragsbescheides vom 28.11.2011 ist § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Nach § 28p Abs. 1 Satz 5 erster Halbsatz SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern.
Die Antragsgegnerin hat durch den Beitragsbescheid vom 28.11.2011 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die bei der Antragstellerin beschäftigten Leiharbeitnehmer in der Krankenversicherung (gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)) in der Rentenversicherung (gem. § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)), in der sozialen Pflegeversicherung (gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 HS 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) und in der Arbeitslosenversicherung (gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)) im Zusammenhang mit der Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt.
Die Nachforderung wäre allerdings nur dann rechtmäßig, wenn die festgestellte Beitragsschuld der Antragstellerin bestünde. Dies setzt zum einen voraus, dass die bei der Antragstellerin auf der Basis von mit der CGZP abgeschlossenen Tarifverträgen beschäftigten Leiharbeitnehmer einen höheren Entgeltanspruch ("equal pay") hätten (hierzu unter a)) und zum anderen, dass auf diesen Sozialversicherungsbeiträge im Prüfungszeitraum zulässiger Weise nachzuerheben wären (hierzu unter b)). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Im Einzelnen:
a) Nach Auffassung der Kammer ist bereits die Tariffähigkeit der CGZP und damit die Unwirksamkeit der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge für die Zeit vor dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 gerade und nach wie vor noch nicht fachgerichtlich, insbesondere höchstrichterlich abschließend geklärt.
Insofern ist es für das Gericht offen, ob die Antragsgegnerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt berechtigt ist, auch mit Wirkung für die Vergangenheit Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern. Die Kammer schließt sich diesbezüglich der Rechtsprechung des Sozialgerichts Hamburg in seiner Entscheidung vom 18.11.2011 an (S 51 R 1149/11 ER, zitiert nach juris; zu den Änderungen seit dieser Entscheidung insbesondere in Gestalt der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 9.1.2012, 24 TaBV 1285/11, siehe unter a); vgl. auch a.A. jetzt SG Hamburg, Beschluss v. 9.1.2012, S 11 R 1354/11 ER, zitiert nach juris).
Nach § 9 Nr. 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) sind Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere Bedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes vorsehen als die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden unwirksam, es sei denn ein Tarifvertrag lässt eine abweichende Regelung zu.
Liegt ein solcher eine Abweichung erlaubender, rechtswirksamer Tarifvertrag nicht vor, ist der Verleiher nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit seiner Überlassung an den Entleiher die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes zu gewähren.
Ob dieser Anspruch besteht, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden. Die Tarifunfähigkeit der CGZP ist für den hier maßgeblichen Prüfzeitraum vom 1.1.2007 bis 31.12.2009 derzeit noch nicht unangreifbar festgestellt worden. Das BAG hat in seinem Beschluss vom 14.12.2010 nur festgestellt, dass die CGZP gegenwartsbezogen nicht tariffähig ist (a.a.O.).
Spitzenorganisationen können gem. § 2 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz (TVG) selbst Parteien eines Tarifvertrages sein, wenn der Abschluss von Tarifverträgen zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehört. Die an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung im Einzelnen zu stellenden Anforderungen sind dabei gesetzlich nicht bestimmt. In seinem Beschluss vom 14.12.2010 (a.a.O.) hat das BAG hierzu unter anderem ergänzend festgestellt, dass die Tariffähigkeit im Gesetzessinne auch voraussetzt, dass der Organisationsbereich der Spitzenorganisationen mit dem ihrer Mitgliedergewerkschaften übereinstimmt. Davon ist nach Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die Tarifgemeinschaft der CGZP unter Berücksichtigung ihrer Satzung vom 8.10.2009 jedoch nicht auszugehen, deren Organisationsbereich überrage den der Mitgliedergewerkschaften.
Der Antragsgegnerin ist ohne weiteres zuzugeben, dass die tragenden Gründe des BAG es wahrscheinlich machen, oder, wie es das Sächsische LAG formuliert hat, "sich entsprechende Zweifel fast zur Sicherheit verdichten" (vgl. Beschluss v. 5.9.2011, a.a.O., Rn. 26 in der Interpretation von juris, vgl. 3. Leitsatz), dass die CGZP auch in der Vergangenheit tarifunfähig war.
Nichtsdestotrotz hat das BAG seine Feststellungen ganz ausdrücklich und mit besonderer Betonung ohne Vergangenheitsbezug getroffen (a.a.O., Rn. 33). Das BAG hat sich dabei an der Antragstellung der die Feststellung begehrenden Parteien orientiert und daraus nach Wortlaut und Begründung einen ausdrücklichen Gegenwartsbezug abgeleitet ("tarifunfähig ist"). Wenn das BAG den Gegenwartsbezug seiner Feststellung jedoch explizit hervorhebt, ist daraus zu schließen, dass eine weitreichende, vergangenheitsbezogene Rückwirkung nicht beabsichtigt war.
Entsprechend geht auch die vorherrschende Ansicht der Landesarbeitsgerichte davon aus, dass der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 keine Rückwirkung zukommt ("ex tunc"), sondern die fehlende Tariffähigkeit der CGZP lediglich rein gegenwartsbezogen festgestellt worden ist (LAG Rheinland – Pfalz, Beschluss v. 15.06.2011, 6 Ta 99/11; LAG Baden – Württemberg, Beschluss v. 21.06.2011, 11 Ta 10/11; LAG Mecklenburg – Vorpommern, Beschluss v. 15.8.2011, 2 Ta 42/11; Sächsisches LAG, Beschluss v. 05.09.2011, 4 Ta 162/11 und v. 8.9.2011, 4 Ta 149/11; LAG Nürnberg, Beschluss v. 19.09.2011, 2 Ta 128/11; LAG Hamm, Beschluss v. 28.09.2011, 1 Ta 500/11; LAG Köln, Beschluss v. 14.10.2011, 13 Ta 284/11, jeweils zitiert nach juris; differenzierend: LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 2.11.2011, 4 Ta 130/11; a.A. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.9.2011, 7 Sa 1318/11; vgl. auch ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil v. 12.5.2011, 5 Ca 5129/10; ArbG Frankfurt/Oder, Beschluss v. 9.6.2011, 3 Ca 422/11; vgl. auch ganz aktuell: ArbG Hamburg, Beschluss v. 9.1.2012, S 11 R 1354/11 ER im Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg v. 20.9.2011, jeweils zitiert nach juris).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der jüngsten Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 9.1.2012 (24 TaBV 1285/11), das die Rechtsprechung des BAG vom 18.12.2010 nunmehr auch auf die Satzungen der CGZP seit 2004 bezogen hat. Zum einen hat sich das LAG zufolge der Pressemitteilung - die Urteilsgründe lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung der erkennenden Kammer noch nicht vor – gerade nicht zur Frage des auch vorliegend relevanten Vertrauensschutzes zu Gunsten der Arbeitgeber geäußert, die in Einzelrechtsstreitigkeiten über bestehende Nachforderungen zu klären sei. Zwar hat das LAG die Rechtsbeschwerde zum BAG nicht zugelassen und Beschlüsse über die Tariffähigkeit einer Vereinigung erwachsen auch in Rechtskraft, die sich "in subjektiver Hinsicht nicht nur auf die Verfahrensbeteiligten, sondern auf jedermann erstreckt" (vgl. BAG, Beschluss v. 28.3.2006, ABR 58/04, zitiert nach juris), es besteht jedoch zum anderen noch die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 92a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Da die Frage der Tarifunfähigkeit der CGZP für die Vergangenheit grundsätzliche Bedeutung hat und sich die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg zugleich in Widerspruch zur Entscheidung des Tarifsenates des BAG zur Frage der Auswirkungen für die Vergangenheit setzt, muss die erkennende Kammer davon ausgehen, dass diese Beschwerde – für die eine einmonatige Frist ab Zustellung der Entscheidung gilt - mit höchster Wahrscheinlichkeit wegen ihrer politisch-wirtschaftlichen Brisanz sowohl eingelegt wird als auch Aussicht auf Erfolg hat.
Nach aktueller Auskunft des Bundesarbeitsgerichts wird über die ca. ein Dutzend Rechtsbeschwerden gegen die Beschlüsse der verschiedenen Landesarbeitsgerichte, mit denen über die erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Aussetzungsbeschlüsse nach § 97 Abs. 5 ArbGG entschieden wurde, erst "Ende des ersten Quartals 2012" entschieden.
Damit bleibt es dabei, dass für den hier maßgeblichen Prüfzeitraum vom 1.1.2007 bis 31.12.2009 bzw. jedenfalls bis zum Satzungserlass vom 8.10.2009 und damit für den wesentlichen Zeitraum nicht höchstrichterlich abschließend festgestellt wurde, dass die CGZP tarifunfähig ist und die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge unwirksam sind, so dass zumindest gegenwärtig die Rechtmäßigkeit für die Vergangenheit wirkender "Equal-Pay-Ansprüche" der beschäftigten Leiharbeitnehmer und daran gekoppelter sozialversicherungsrechtlicher Beitragsnachforderungen noch nicht hinreichend feststeht.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich das BAG im Falle eines auch die rückwirkenden Zeiträume erfassenden Antragsverfahrens nicht nur mit der Tariffähigkeit der CGZP auseinandersetzen muss, sondern insbesondere auch mit der Frage der Rückwirkung seiner Rechtsprechung, die es ganz offensichtlich sensibel behandelt.
Aus §§ 2a, 97 ArbGG folgt jedoch, dass es allein Sache der zuständigen Fachgerichtsbarkeit ist, sich zu der Tariffähigkeit für die Vergangenheit und zur Rückwirkung seiner diesbezüglichen höchstrichterlichen Rechtsprechung abschließend zu äußern. Keineswegs obliegt dies den Sozialgerichten, die insoweit vielmehr das Primat der Arbeitsgerichtsbarkeit zu respektieren haben.
b) Unabhängig davon ist die Frage der Tariffähigkeit oder –unfähigkeit nach Auffassung der erkennenden Kammer auch nicht automatisch gleichzusetzen mit der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung im Sozialversicherungsrecht. Vielmehr geht die erkennende Kammer nach summarischen Maßstäben davon aus, dass sich die Antragsgegnerin gegenüber der Forderung jedenfalls auf Vertrauensschutz berufen kann.
Zur Frage der Rückwirkung (gesetzesgleicher) höchstrichterlicher Entscheidungen im Beitragsrecht hat das Bundessozialgericht bereits in der grundlegenden Entscheidung vom 18.11.1980 (12 RK 59/79, zitiert nach juris) klargestellt, dass eine nachträgliche Forderung von noch nicht verjährten Beiträgen nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein kann (vgl. auch LSG NRW, Urteil v. 28.01.2003, L 5 KR 197/01, zitiert nach juris). Die Vorschrift in § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), wonach ein Schuldner die Leistung nur so zu erbringen braucht, wie Treu und Glauben es erfordern, enthalte einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch im öffentlichen Recht und damit auch im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelte (vgl. BSGE 17,173, 175 f.; 21, 52, 55; 47, 194, 196).
Bereits bei summarischer Prüfung hatte die Kammer jedoch insoweit folgende Aspekte zu berücksichtigen:
Gegen eine rückwirkende Anwendung einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Lasten der beitragspflichtigen Arbeitgeber spricht, dass die Änderung der Rechtsprechung für die Betroffenen hier praktisch wie eine Änderung des Rechts wirkt. Eine Rechtsänderung würde aber einem - sogar verfassungsrechtlichen - Rückwirkungsverbot unterliegen (BVerfGE 19, 187,195; 22, 330, 347; 30, 272, 285, jeweils m.w.N). Da dieses Rückwirkungsverbot ebenfalls aus dem Gedanken des Vertrauensschutzes entwickelt worden ist, erscheint es nur folgerichtig, den Betroffenen im Falle einer sie belastenden Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung den gleichen Vertrauensschutz zuzubilligen wie bei einer entsprechenden Rechtsänderung, insbesondere wenn es sich um die Anwendung der geänderten Rechtsprechung auf Sachverhalte handelt, die abgeschlossen in der Vergangenheit liegen. Dies bedeutet, dass ihnen bis zur Bekanntgabe der Rechtsprechung bzw. Information hierüber von der zuständigen Verwaltungsstelle Vertrauensschutz zuzubilligen ist (vgl. BAG, Urteil v. 18.11.1980, a.a.O.).
So sehr auch die Vereinbarung von unterdurchschnittlichen Löhnen durch unzureichend legitimierte Organisationen zu unterbinden und die Gleichstellung der Löhne aus arbeitsrechtlicher wie sozialversicherungsrechtlicher Sicht zu befürworten ist, so ist auf der anderen Seite ebenso zu sehen, dass § 9 Nr. 2 AÜG die tarifliche Abweichung grundsätzlich erlaubt, während zugleich jedoch die Frage der Tariffähigkeit gesetzlich nicht abschließend geregelt, sondern einer sich stetig an Einzelfällen fortentwickelnden Auslegung durch gesetzesvertretendes Richterrecht unterworfen ist.
Für die Kammer war dabei ebenso relevant, dass die Anwendung der von der CGZP geschlossenen Tarifverträge bis zur höchstrichterlichen Rechtsprechung von staatlichen Stellen zumindest geduldet und zum Teil auch ausdrücklich empfohlen und von der Deutschen Rentenversicherung entsprechend bisher nicht moniert wurde.
Vor allem aber stehen die Folgen einer zu raschen Ermöglichung der sozialversicherungsrechtlichen Vollstreckung für die Vergangenheit vor einer gesetzlich ausdrücklich für vorgreiflich befundenden fachgerichtlichen letztinstanzlichen Klärung in keinem Verhältnis zu den daraus resultierenden wirtschaftlichen Belastungen der Antragstellerin im Besonderen mit insgesamt EUR 77.441,07 und darüber hinaus der ca. 1600 Zeitarbeitsunternehmen im Allgemeinen. Sie liegt auch nicht im Interesse der Antragsgegnerin bzw. der – vorliegend 43 - Einzugsstellen, auf die insoweit ein unverhältnismäßiger, weil ggf. rückgängig zu machender Aufwand zukäme.
Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die nachträgliche Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht bereits per se unzumutbar ist, denn bei der Beitragsnachforderung handelt es sich um die Erfüllung der im Beitragsrecht jedem Arbeitgeber auferlegten Pflichten (vgl. LSG Thüringen, Beschluss v. 9.3.2006, L 6 R 967/05 ER; LSG NRW, Beschluss v. 5.11.2008, L 16 B 7/08 R ER, je unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Zu berücksichtigen ist jedoch auch die Besonderheit, dass Stundungsgesuche bei der Einzugsstelle wie im vorliegenden Fall häufig bereits deswegen zum Scheitern verurteilt sind, weil die Einzelforderung zu gering ist und sich die Belastung erst aus der Masse der Einzelforderungen sämtlicher Krankenkassen ergibt.
Demgegenüber drängt die Vollstreckung der Sozialversicherungsträger in zeitlicher Hinsicht nicht. Nach Auffassung der erkennenden Kammer bietet es sich vielmehr an, die Beitragsforderungen für die Zeit vor dem 14.10.2010, die zwecks Durchbrechung der Verjährung von der Antragsgegnerin sicherlich zunächst zu erheben sind, bei eingehendem Widerspruch bis zur abschließenden Klärung im vorgenannten Sinne einstweilen ruhend zu stellen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved