L 1 SV 1019/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SO 4578/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 SV 1019/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01.02.2011 wird zurückgewiesen. Die Anträge werden abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der im Jahre 1950 geborene, nicht unter Betreuung stehende Kläger ukrainischer Staatsangehörigkeit wendet sich gegen ein Schreiben der Beklagten vom 29.10.2010. Der Kläger war seit dem 05.08.2004 obdachlosenrechtlich im Städtischen Wohnheim, R. Str ..., in K. untergebracht. Er erhält von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Sozialhilfe). Seit dem 11.04.2011 ist dem Kläger von der Beklagten im Hotel H., R.-F.-S ...,. K. das Zimmer. zugewiesen worden. Diese Zuweisung erfolgte ebenfalls zur Vermeidung von Obdachlosigkeit.

Mit Schreiben vom 29.10.2010 teilte die Beklagte dem Kläger Folgendes mit:

"Sehr geehrter Herr A., seit dem 05.08.2004 sind Sie obdachlosenrechtlich bei uns im Wohnheim untergebracht. Die Obdachlosenrechtliche Unterbringung begründet keinerlei Mietrechte. Sie haben weder Anspruch auf ein bestimmtes Zimmer, auf ein Einzelzimmer und auch nicht auf die Unterbringung im Wohnheim. Wir können Sie jederzeit obdachlosenrechtlich umsetzen. Obdachlosenrechtlich im Wohnheim werden nur Männer untergebracht, die bereit sind, sozialarbeiterische Unterstützung anzunehmen! Dazu ist es erforderlich, dass Sie regelmäßige Gesprächstermine bei ihrer zuständigen Sozialarbeiterin annehmen. Sie sind laut Satzung des Betriebes des Wohnheimes verpflichtet intensiv Wohnung zu suchen. Leider sind Sie bereits seit 6 Jahren hier im Wohnheim. Dies ist entschieden zu lang. Sie lassen keinerlei Bemühungen erkennen, sich eine Wohnung zu suchen. Wir fordern Sie deshalb auf in Zukunft regelmäßige Termine mit ihrer zuständigen Sozialarbeiterin Frau S. wahr zunehmen. Darüber hinaus weisen Sie bitte bei ihren Gesprächen nach, dass Sie sich um eine Wohnung bemühen. Ansonsten müssen wir davon ausgehen, dass Sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen. Somit kann ihnen laut Satzung § 5 Absatz 2 ihnen die Unterkunft versagt werden. Ein ausschließlicher schriftlicher Verkehr ist unzulässig! Frau S. wird ihnen in den nächsten Tagen einen neuen Gesprächstermin mitteilen."

Gegen dieses Schreiben hat der Kläger am 03.11.2010 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Der Kläger hat sich in dieser Klage als Vorsitzender Richter ad hoc des Europäischen Gerichtshofs zum Schutze der Menschenrechte - Eurotribunal - bezeichnet. Er bezeichnet sich auch als Präsident des Internationalen Ständigen Schiedsgerichtshofs - Eurotribunal -. Nach unbeantwortet gebliebener Aufforderung des Gerichts, gegen welchen Bescheid sich seine Klage richte und welche Entscheidung des Gerichts er begehre, und nach Anhörung hat das Sozialgericht Karlsruhe über den sinngemäßen Antrag des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, ihren "Verwaltungsakt vom 29.10.2010" als gesetzwidrig zu annullieren und mit ihm als Vermieter einer Wohnung in dem Wohnheim R. S ..., K., zu verhandeln, durch Gerichtsbescheid vom 01.02.2011 entschieden und die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, eine Anfechtungsklage sei nicht zulässig, weil sich diese nur gegen einen Verwaltungsakt richten könne. Das beanstandete Schreiben der Heimleitung des Wohnheims der Beklagten vom 29.10.2010 sei kein Verwaltungsakt. Im Übrigen sei ein Verwaltungsakt, gegen den sich der Kläger richten könne, nicht ersichtlich. Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 05.02.2011 zugestellt.

Am 07.03.2011, einem Montag, hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens ist gegen den Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung eine obdachlosenrechtliche Umsetzungsentscheidung vom 30.03.2011 ergangen. Der Antrag des Klägers auf einstweiligen Rechtsschutz gegen diese Umsetzungsverfügung – Umsetzung von der R. S ... in die R.-F.-S ... – wurde vom Sozialgericht Karlsruhe an das sachlich und örtlich zuständige Verwaltungsgericht Karlsruhe verwiesen. Der Beschluss wurde nach Zurückweisung der Beschwerde durch Beschluss des 9. Senats vom 01.07.2011 – L 9 SV 2422/11 ER-B rechtskräftig.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger mehrfach darauf hingewiesen, dass das Sozialgericht Karlsruhe die Anordnungen des Eurotribunals zu beachten habe. Das Sozialgericht Karlsruhe habe verleumderische Behauptungen, wie z. B., dass er psychisch erkrankt sei, aufgestellt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe als "gesetzwidrig zu annullieren" und die Sache zur mündlichen Verhandlung an "das andere Sozialgericht" zu übergeben.

Weiterhin beantragt er,

durch einstweilige Anordnung die Verfahren beim Sozialgericht Karlsruhe S 1 SO 1431/11, S 1 SO 2700/11, S 1 SO 2701/11 und S 1 SO 2702/11 mit dem Verfahren S 1 SO 4578/10 zu verbinden sowie durch einstweilige Anordnung den Präsidenten des Sozialgerichts Karlsruhe zu verpflichten, dem Präsidenten des Eurotribunals die Teilnahme im Verfahren als ehrenamtlicher Richter zu ermöglichen.

Zudem hat er die Mitglieder des 1. Senats, insbesondere dessen Präsidentin wegen offensichtlicher Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung führt er aus, der Senat sei befangen, weil er die Terminsbestimmung an den Antragsteller statt an den Präsidenten des Eurotribunals gesandt habe. Die Befangenheit der Präsidentin sei offensichtlich, weil sie pflichtwidrig und gesetzeswidrig dem Präsidenten des Eurotribunals die Teilnahme im Verfahren als ehrenamtlicher Richter nicht ermöglichen wolle.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten, zwei Bände Akten des Sozialgerichts Karlsruhe zu dem Aktenzeichen S 1 SO 5157/07 und S 1 SO 4578/10, zwei Nebenverfahrensakten des Landessozialgerichts mit dem Aktenzeichen L 7 SF 1455/11 AB sowie L 9 SV 2422/11 ER-B sowie die angefallene Berufungsakte mit dem Aktenzeichen L 1 SV 1019/11 vor. Auf den Inhalt dieser Akten sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat. Die Durchsuchung des Klägers durch die Polizei vor dem Betreten des Sitzungssaals war dem Kläger zumutbar. Aufgrund von Drohungen war eine sitzungspolizeiliche Anordnung erforderlich, um die Sicherheit des Gerichts zu gewährleisten. Nach der Durchsuchung hätte der Kläger an der mündlichen Verhandlung teilnehmen können, die eigens wegen seiner Erkrankung in Karlsruhe anberaumt worden war. Der Kläger war zudem in der Ladung darauf hingewiesen worden, dass bei seinem Nichterscheinen auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

Der Senat konnte in der erkennenden Besetzung trotz seines Befangenheitsantrags entscheiden. Das Ablehnungsgesuch des Klägers ist unzulässig und daher ist der Senat nicht gehindert, unter Mitwirkung der abgelehnten Richter selbst über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden (vgl. z. B. BFH, NJW 2009, 3806, Beschluss des 7. Senats vom 25.07.2011 – L 7 SO 1019/11 – betreffend den Kläger).

Die Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs ergibt sich bereits daraus, dass hier ein gesamter Spruchkörper pauschal abgelehnt wird, ohne dass in dem Ablehnungsgesuch ausreichend individualisiert auf Befangenheitsgründe geschlossen werden könnte. Auch soweit der Kläger ausdrücklich die Präsidentin des erkennenden Senats ablehnt, ist sein Ablehnungsgesuch offensichtlich untauglich, weil der geltend gemachte Befangenheitsgrund unter keinem denkbaren Aspekt eine Befangenheit begründen könnte.

Im Übrigen ist die zulässige Berufung nicht begründet. Gemäß § 17a GVG ist das Landessozialgericht an die Rechtswegentscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe gebunden; die Bindungswirkung gilt auch, wenn die Klage als unzulässig abgewiesen wurde (vgl. Zimmermann in Münchener Kommentar zur ZPO zu § 17a GVG, Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 17a GVG, Rn. 19), da die Rechtswegzuständigkeit vor den übrigen Sachurteilsvoraussetzungen zu beachten ist.

Das Sozialgericht Karlsruhe hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Bei dem Schreiben vom 29.10.2010 handelt es sich – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt. Dieses Schreiben hat keinen Regelungscharakter. Es weist den Kläger lediglich darauf hin, dass er obdachlosenrechtlich in dem Wohnheim untergebracht sei und sozialarbeiterische Unterstützung in Anspruch nehmen solle. Er wird aufgefordert, regelmäßige Gesprächstermine bei der zuständigen Sozialarbeiterin anzunehmen. Er möge sich zudem um eine Wohnung bemühen. Auch auf die Satzung der Unterbringung (§ 5 Absatz 2) und seine Mitwirkungspflichten wurde der Kläger hingewiesen. Aufgrund des Hinweischarakters fehlt dem Schreiben jegliche Regelung. Eine Änderung, Aufhebung oder eine verbindliche Feststellung subjektiver Rechte des Klägers ist in dem Schreiben vom 29.10.2010 nicht erfolgt. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Schreiben vom 29.10.2011 um eine die Umsetzungsverfügung vom 30.03.2011 vorbereitende Maßnahme gehandelt hat, die allenfalls im Rahmen einer gegen diese Umsetzungsverfügung erhobenen Anfechtungsklage einer Überprüfung zugeführt werden kann (vgl. § 44a VwGO).

Im Übrigen ist ergänzend festzustellen, dass der Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil sich das Schreiben vom 29.10.2010 erledigt hat. Die Beklagte hat den Kläger von dem Wohnheim, das mit dem Antrag gemeint war, nämlich das in der R. S ..., in die Unterkunft in der R.-F.-S ... umgesetzt. Auf diese Unterkunft, nämlich das Hotel H., hat sich der erstinstanzliche Antrag des Klägers und das Schreiben vom 29.10.2010 nicht bezogen.

Soweit der Kläger im Wege der einstweiligen Anordnung die Verbindung von Verfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe begehrt, wird dieser Antrag als offensichtlich unzulässig abgelehnt, da eine solche verfahrensleitende Handlung in Bezug auf erstinstanzliche Verfahren durch das Berufungsgericht nicht erfolgen kann. Dies gilt auch für seinen Antrag, den Präsidenten des Sozialgerichts Karlsruhe zu verpflichten, den Kläger als ehrenamtlichen Richter im Verfahren mitwirken zu lassen. Auch dieser Antrag ist offensichtlich unzulässig, da ein subjektiv-öffentliches Recht insoweit dem Kläger nicht zur Seite steht – im Gegenteil, der verfassungsrechtlich garantierte Grundsatz des gesetzlichen Richters verbietet die Teilnahme des Klägers als Präsident des Eurotribunals. Auch sein Petitum, an der Sitzung des Senats als ehrenamtlicher Richter teilzunehmen, ist aus den gleichen Gründen abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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