Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 EG 4464/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 2761/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12.04.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von Elterngeld während der Zeit einer verbüßten Strafhaft.
Die 1979 geborene Klägerin befand sich ab dem 29.03.2007 in der Justizvollzugsanstalt S. G. (JVA) in Untersuchungshaft. Der Regelvollzug begann am 27.09.2007; hieraus wurde die Klägerin am 24.05.2009 entlassen. Während der Verbüßung ihrer Freiheitsstrafe gebar die Klägerin am 16.11.2007 ihren Sohn J., der mit ihr in der JVA lebte. Vom 21.01.2008 bis zu ihrer Haftentlassung war die Klägerin in einem Arbeitsbetrieb der JVA im Umfang von 34,15 Wochenstunden gegen Entgelt beschäftigt.
Am 25.01.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Elterngeld für ihren Sohn J ... Darin gab sie an, ihr Mann, der leibliche Vater des Kindes, verbüße ebenfalls eine Haft. Vor und nach der Geburt ihres Kindes habe sie kein Einkommen erzielt. Ausweislich der übersendeten Verdienstbescheinigung der JVA vom 29.02.2008 war die Klägerin ab 21.01.2008 in einem Arbeitsbetrieb der JVA beschäftigt. Sie habe ein durchschnittliches monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 200 Euro brutto bei einem Stundensatz von 1,51 Euro erhalten. Für das Jahr 2007 habe das Bruttoeinkommen einschließlich des Monats Januar 2008 87,53 Euro betragen. Vom Bruttoeinkommen seien für die Gefangenen 2008 1,65 % Pflichtbeiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden. Taschengeld habe die Klägerin wie folgt erhalten: 4,44 Euro für September 2007 sowie jeweils 31,08 Euro für Oktober bis Dezember 2007. Mit Bescheid vom 22.04.2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Anspruch auf Elterngeld habe ua wer mit seinem Kind in einem Haushalt lebe und dieses selbst betreue und erziehe. Diese Voraussetzungen habe die Klägerin nicht erfüllt, da in einer JVA ein Haushalt nicht begründet werden könne.
Mit ihrem Widerspruch vom 14.05.2008 machte die Klägerin geltend, sie habe sich in einer Mutter-Kind-Abteilung in der JVA befunden, in der ihr die Möglichkeit eingeräumt worden sei, ihr Kind in den ersten beiden Monaten alleine zu betreuen. Ab 14.01.2008 sei sie einer Beschäftigung ca 6,8 Stunden täglich nachgegangen. Während dieser Zeit habe sich ihr Sohn in einem hauseigenen Hort aufgehalten. Ansonsten sei er von ihr betreut worden. Ihr Stundenlohn sei mit 1,51 Euro sehr niedrig. Elterngeld stehe ihr daher zu. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 2 und 3 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) nicht erfüllt, da sie mit ihrem Sohn J. nicht in einem Haushalt gelebt habe. In einer JVA oder einer Entziehungsanstalt könne ein Haushalt grundsätzlich nicht begründet werden. Dies sei nur in Fällen der Untersuchungshaft möglich, da der bisherige Haushalt in der Regel bestehen bleibe, sodass für die Prüfung einer nur vorübergehenden Abwesenheit vom Haushalt, die dem Anspruch nicht entgegenstehe, die Regelung zur vorübergehenden Unterbrechung der Betreuung nach § 1 Abs 5 BEEG entsprechend anzuwenden sei. Dies sei bei der Klägerin jedoch nicht der Fall. Im Übrigen scheitere ihr Anspruch an § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG. Danach erhalte Elterngeld derjenige, der keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübe. Nach § 1 Abs 6 BEEG sei eine Person nicht voll erwerbstätig, wenn ihre wöchentliche Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteige. Maßgeblich seien die tatsächlich gearbeiteten Stunden im jeweiligen Lebensmonat, für den Elterngeld beansprucht werde. Ab 21.01.2008 sei die Klägerin einer vollen Erwerbstätigkeit mit durchschnittlich 34,15 Wochenstunden nachgegangen. Aus diesem Grund habe ab dem 4. Lebensmonat ihres Sohnes J. kein Anspruch auf Elterngeld bestanden. Letztlich stehe ihr damit für den Zeitraum vom 16.11.2007 bis 15.11.2008 kein Elterngeld zu.
Hiergegen hat die Klägerin am 17.12.2008 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung führt sie aus, sie lebe zusammen mit ihrem Sohn in einem Haushalt. In der Mutter-Kind-Abteilung der JVA sei sie zusammen mit anderen Frauen und deren Kindern in einem Wohnbereich untergebracht. Mit ihrem Sohn habe sie zusammen ein Zimmer; eine Gemeinschaftsküche, das Bad sowie das WC und das Wohnzimmer teile sie sich mit anderen. Eine Ungleichbehandlung mit Frauen, die ihre Kinder in einem Frauenhaus erziehen bzw in einer Mutter-Kind-Einrichtung lebten und Anspruch auf Elterngeld hätten, sei nicht nachvollziehbar.
Während des laufenden Verfahrens hat die Beklagte bei der JVA eine Arbeitsbescheinigung der Klägerin angefordert, aus der sich eine Arbeitstätigkeit der Klägerin für den Zeitraum vom 21.01.2008 bis einschließlich 18.05.2009 ergibt (vgl Auskunft vom 20.05.2009). Zudem hat die JVA der Beklagten mitgeteilt, die Klägerin sei gem § 37 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) zur Arbeit verpflichtet gewesen. Die Klägerin sei gemeinsam mit ihrem Kind in der Mutter- und Kind-Einrichtung untergebracht gewesen, wobei die Kosten für Lebens- und Pflegemittel für deren Kind durch den vom Jugendamt entrichteten Tagessatz abgedeckt und somit aus öffentlicher Hand bezahlt worden seien. Nach Arbeitsende habe die Klägerin ihren Sohn J. selbst versorgt (vgl Auskunft vom 18.02.2010).
Mit Urteil vom 12.04.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht mit ihrem Sohn J. in einem gemeinsamen Haushalt im Sinne des § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG gelebt. Hierunter sei eine durch familienhaftes Zusammenleben geprägte Gemeinschaft zu verstehen. Dabei handele es sich um eine wohnungsmäßige familienhafte Wirtschaftsführung im Rahmen einer auf eine gewisse Dauer und nicht nur vorübergehend angelegten Hausgemeinschaft. In einer JVA stehe demgegenüber der Anstaltscharakter im Vordergrund, da die Art und Weise des Zusammenlebens überwiegend durch die Vorgaben der JVA geprägt werde und von der Klägerin nicht habe beeinflusst werden können. Da der Lebensunterhalt von J. im Wesentlichen durch Leistungen des Jugendamtes bestritten worden sei, könne darüber hinaus nicht von einer familienhaften Wirtschaftsführung gesprochen werden. Die Tatsache, dass die Klägerin nach Aufnahme ihrer Beschäftigung in der JVA von ihrem Verdienst zusätzlich frisches Obst und andere Lebensmittel für ihren Sohn gekauft habe, reiche für die Annahme eines Haushaltes nicht aus. Insoweit komme es auf die Frage, wie sich die ab dem 3. Lebensmonat des Sohnes der Klägerin ausgeübte Beschäftigung der JVA auf den Leistungsanspruch der Klägerin auswirke, nicht mehr an.
Gegen das der Klägerbevollmächtigten am 10.05.2010 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.06.2010 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, die Voraussetzungen einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG, die durch räumliche, materielle und immaterielle Beziehungen im Verhältnis zwischen dem Elterngeldberechtigten und dem Kind gekennzeichnet seien, lägen bei ihr vor. Insbesondere habe sie die materielle Sicherung des Kindes übernommen. Ihr Beitrag hierzu habe insbesondere in der Antragstellung auf Elterngeld bestanden. Ferner sei J. insofern materiell direkt durch sie gesichert gewesen, als sie mit ihren in der JVA erwirtschafteten geringfügigen Einnahmen und durch das Kindergeld, das sie für ihren Sohn erhalten habe, diesen mit Kleidung, Windeln und Hygieneartikeln, Obst etc habe versorgen können. Im Übrigen sei ihr Anspruch nicht nach § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG ausgeschlossen, da eine Erwerbstätigkeit in diesem Sinne nicht vorgelegen habe. Vielmehr sei sie nach § 37 StVollzG dazu verpflichtet gewesen, in der Zeit vom 21.01.2008 bis 18.05.2009 34,15 Stunden pro Woche tätig zu sein. Der Tätigkeit sei sie daher lediglich im Rahmen des Vollzugsplanes nachgegangen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12.04.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2008 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 16.11.2007 bis 15.11.2008 Elterngeld in Höhe von 300,00 Euro monatlich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Insbesondere könne in einer JVA kein Haushalt begründet werden, da - im Gegensatz zum Aufenthalt in einem Frauenhaus oder sonstiger Einrichtungen bzw Anstalten - der Aufenthalt dort nicht freiwilliger Natur sei. Die Klägerin habe keinen Einfluss darauf gehabt, wie das zeitliche und räumliche Zusammenleben mit ihrem Kind geregelt worden. Insbesondere sei sie nicht in der Entscheidung frei gewesen, den Haushalt zu verändern, umzugestalten, aufzugeben oder neu zu begründen. Im Übrigen handle es sich bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit um eine solche im Sinne des § 1 Abs 1 Nr 4 und Abs 6 BEEG. Insoweit sei zumindest ab dem 4. Lebensmonat von J. auch eine elterngeldschädliche Beschäftigung mit mehr als 30 Wochenstunden gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1, 144 Abs 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs-und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2008 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Elterngeld für ihren Sohn J. für den Zeitraum vom 16.11.2007 bis 15.11.2008.
Anspruch auf Elterngeld hat nach § 1 Abs 1 BEEG, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (1.), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (2.), dieses Kind selbst betreut und erzieht (3.) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (4.).
Unstreitig hatte die Klägerin ihren Wohnsitz im streitgegenständlichen Zeitraum in Deutschland und betreute und erzog ihr Kind J. selbst; die Unterbringung des Kindes im Hort während der Ausübung der Erwerbstätigkeit war insoweit unschädlich. Allerdings hat die Klägerin die Voraussetzung, mit ihrem Kind in einem Haushalt zu leben, nicht erfüllt. Die Klägerin befand sich vom 29.03.2007 bis 26.09.2007 in Untersuchungshaft und im Zeitraum vom 27.09.2007 bis zu ihrer Entlassung am 24.05.2009 im Regelvollzug. Am 16.11.2007 wurde ihr Sohn J. geboren, der sich bis nach Ablauf des 12. Lebensmonats mit ihr in der JVA aufhielt. Hier begründete die Klägerin keinen Haushalt im Sinne des § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG.
Unter einem Haushalt versteht man eine durch familienhaftes Zusammenleben geprägte Gemeinschaft (Bundessozialgericht [BSG] 18.04.1975, 3 RK 20/74, BSGE 39, 231). Hierunter ist die häusliche wohnungsmäßige familienhafte Wirtschaftsführung im Rahmen einer auf eine gewisse Dauer und nicht nur vorübergehend angelegten Hausgemeinschaft zu verstehen (BSG 23.03.1983, 3 RK 66/81, SozR 2200 § 199 Nr 3). Auch Dritte können neben dem Elterngeldberechtigten und dem Kind zusammen in einem Haushalt leben. Entscheidendes Kriterium für den gemeinsamen Haushalt ist das räumliche Zusammenleben. Unschädlich ist allerdings eine vorübergehende anderweitige Unterbringung, etwa wegen Krankheit oder Urlaub des Anspruchsberechtigten, wenn die Zugehörigkeit zum Haushalt nicht auf Dauer aufgehoben wird (BSG 17.05.1988, 10 RKg 10/86, SozR 5870 § 3 Nr 6). Nach § 1 Abs 3 BEEG ist es erforderlich, dass der Elterngeldberechtigte das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat. Hierbei kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BSG auf das Bestehen einer Familiengemeinschaft an, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung von Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) darstellt. Alle drei Kriterien stehen in enger Beziehung zueinander und können sich auch teilweise überschneiden; keines davon darf jedoch gänzlich fehlen (BSG 30.01.2002, B 5 RJ 34/01, Breith 2002, 709 mwN). Wie das BSG bereits zum Kindergeldrecht ausgeführt hat, kommt es für die Feststellung eines eigenen Haushaltes nicht nur auf die Eigentums- und Besitzverhältnisse an Wohnung und Hausrat an, sondern auch darauf, wer die Kosten der Haushaltsführung trägt (BSGE 30, 28, 30). Dabei ist maßgeblich, dass der Betreffende die Kosten der Lebens- und Wirtschaftsführung im Wesentlichen selbst trägt (BSGE 30, 28, 30). Entscheidend ist, ob dem Berechtigten noch eine eigenverantwortliche Wirtschaftsführung möglich ist, er sich wirtschaftlich also selbst versorgen kann (BSG 01.09.2005, B 3 KR 19/04 R, SGb 2006, 423 bis 426).
Gemessen an diesen Kriterien konnte die Klägerin mit ihrem Sohn J. in der JVA keinen Haushalt iSd § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG begründen.
Der Aufenthalt der Klägerin in der JVA ist nicht auf Grund eines frei ausgehandelten und von ihr selbst finanziell getragenen Mietvertrages zu Stande gekommen, sondern auf die von ihr zwangsweise zu verbüßende Haftstrafe zurückzuführen. Im Rahmen des von ihr ab 27.09.2007 absolvierten Regelvollzuges wurde die Klägerin selbst vollständig versorgt. Die Versorgung ihres Kindes erfolgte ausweislich der Auskunft der JVA vom 18.02.2010 durch den vom Jugendamt entrichteten Tagessatz für Lebens- und Pflegemittel. Der Aufenthalt in einer JVA dient im Ergebnis dazu, eine Haft zu verbüßen und die Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen. Dies geschieht durch die Unterbringung in der JVA, in der diese Fähigkeit trainiert werden soll. Das Zusammenleben in einer JVA wird dabei überwiegend und fast ausschließlich durch die Vorgaben der JVA geprägt; die Möglichkeit, auf die individuelle Tagesstruktur Einfluss zu nehmen, ist gering. Diese mangelnde Gestaltungsmöglichkeit schließt ein durch familienhaftes Zusammenleben geprägtes Miteinander aus. Denn gerade der Anstaltscharakter verhindert die hierfür erforderliche selbstständige Führung bzw Organisation und Gliederung eines Haushalts. Insbesondere haben auch solche Gefangene, die wie die Klägerin in einer Mutter-Kind-Einrichtung untergebracht sind, keinen Einfluss auf die Regelung des zeitlichen und räumlichen Zusammenlebens mit ihrem Kind. Dies ist der wesentliche Unterschied zu einem Haushalt bzw einer Haushaltsgemeinschaft außerhalb einer JVA. Dort wird auf Grund einzelner oder gemeinschaftlicher Entscheidung der Haushaltsmitglieder der Haushalt umgestaltet, aufgegeben oder neu begründet. Eine solche Möglichkeit eröffnet sich einem Inhaftierten demgegenüber infolge der mit der Strafhaft verbundenen Einschränkungen nicht.
Der Einwand der Klägerin, eine Ungleichbehandlung mit Frauen, die ihre Kinder in einem Frauenhaus erziehen bzw in einer Mutter-Kind-Einrichtung lebten und Anspruch auf Elterngeld hätten, sei nicht nachvollziehbar, trägt ebenfalls nicht. Denn im Vergleich zur Unterbringung in einer JVA fehlt es gerade nicht an dem freien Entschluss zur Gründung einer entsprechenden Wohnform und der jeweiligen Gestaltung und Organisation des Lebensumfeldes.
Soweit zudem von Klägerseite eingewendet wird, eine unterschiedliche Behandlung von Untersuchungshäftlingen und Müttern im Regelvollzug in Mutter-Kind-Einrichtungen sei nicht gerechtfertigt, kann auch dem nicht zugestimmt werden. Im Gegensatz zum Regelvollzug wird der ursprüngliche Haushalt im Rahmen der Untersuchungshaft weiter aufrechterhalten; insoweit wird dieser als maßgeblicher Haushalt herangezogen.
Schließlich entspricht die vom Senat für den Anwendungsbereich des BEEG vertretene Auslegung des Begriffs "Haushalt" in § 1 Abs 1 BEEG auch dem Sinn und Zweck des Elterngeldes. Damit wird vom Gesetzgeber primär das Ziel verfolgt, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlagen zu unterstützen, wenn sich die Eltern in der Frühphase der Elternschaft vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. Es will dazu beitragen, dass es beiden Elternteilen auf Dauer besser gelingt, ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern. Dabei soll das Elterngeld dauerhafte Einbußen mit der Gefahr einer Abhängigkeit von staatlichen Fürsorgeleistungen vermeiden, Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf eröffnen und die wirtschaftliche Selbständigkeit fördern (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15). In erster Linie wollte der Gesetzgeber durch das Elterngeld demjenigen betreuenden Elternteil helfen, der seine Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung des Kindes unterbricht oder reduziert. Dieser erhält einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 14 f). Die Gewährung einer Sozialleistung, die - wie schon das BErzg und jetzt erst recht das Elterngeld - Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben will, verfehlt ihr Ziel, wenn eine solche freie Entscheidung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gar nicht möglich ist (vgl BSG, 30.09.2010, B 10 EG 9/09 R, zur Frage der fehlenden Aufenthaltserlaubnis und mangelnden Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer). Der Zweck des Elterngeldes, Wahlfreiheit zwischen Kindererziehung und Berufstätigkeit zu sichern, kann dann nämlich nicht erreicht werden. Denn die bewusste Entscheidung, das eigene Kind in einem Maße zu betreuen, das über das hinausgeht, was bei voller Erwerbstätigkeit möglich ist, ist Strafhäftlingen verwehrt. Eine solche, vom eigenen Willen getragene Entscheidung zu treffen, ist ihnen gerade wegen der zu verbüßenden Haftstrafe nicht möglich.
Ferner gilt es auch einem Wertungswiderspruch zu anderen Bereichen des Sozialgesetzbuches entgegenzuwirken. So handelt es sich bei Mutter-Kind-Einrichtungen des Strafvollzugs (§§ 80, 142 StVollzG) um Einrichtungen der Jugendhilfe iSd § 45 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Ein Personensorgeberechtigter hat Anspruch auf Jugendhilfe, die bei einer gemeinsamen Unterbringung mit dem Kind auch Leistungen zum Unterhalt (§ 39 SGB VIII) umfasst (BVerwG 12.12.2000, 5 C 48/01, BVerwGE 117, 261). Dabei handelt es sich nach Ansicht des BVerwG um eine Sicherstellung des notwendigen Unterhalts des Kindes "außerhalb des Elternhauses" (BVerwG aaO Rn 34). Auch ist die Unterbringung des Kindes in der JVA von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig: Die Unterbringung muss dem Wohl des Kindes entsprechen und das Jugendamt ist vor der Unterbringung zu hören (§ 80 Abs 1 StVollzG). Gleiches gilt für die Zeit ab 01.01.2010 in Bezug auf Mutter-Kind-Abteilungen iSd § 10 Buch 1 des baden-württembergischen Justizvollzuggesetzes vom 10.11.2009 (GBl 2009, 545).
Letztlich ist die Frage, inwieweit sich die von der Klägerin in der JVA ab dem 3. Lebensmonat ihres Kindes ausgeübte Tätigkeit nach § 1 Abs 1 Nr 4 und Abs 6 BEEG auf den Leistungsanspruch auswirkt, nicht entscheidungserheblich. Allerdings geht der Senat in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23.03.1979, 7 RAr 98/78, BSGE 48, 129 bis 134) davon aus, dass es sich bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit um eine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG handelt. Das BSG hat insoweit ausgeführt, dass nach dem Inkrafttreten des StVollzG nicht mehr aus den Grundsätzen über die Versicherungs- bzw Beitragspflicht geschlossen werden könne, dass nur bei freibegründeten Beschäftigungsverhältnissen eine entlohnte Beschäftigung vorliege. Für den Begriff der Beschäftigung komme es nicht darauf an, dass der Gefangene die ihm zugewiesene Arbeit auf Grund der im Vollzug bestehenden Arbeitspflicht (§ 41 StVollzG) ausführe, denn auch diese Tätigkeit solle nach dem StVollzG der Beschäftigung im allgemeinen Arbeitsleben gleichgestellt werden. Nach § 37 Abs 2 StVollzG soll es sich auch bei der zugewiesenen Arbeit um eine wirtschaftlich ergiebige Arbeit handeln, aufgrund derer der Gefangene einen Anspruch auf Arbeitsentgelt hat. Insoweit stünde der Klägerin auf Grund ihrer über 30-stündigen wöchentlichen Tätigkeit ab dem 4. Lebensmonat ihres Kindes Justin nach § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG zudem kein Anspruch auf Elterngeld zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von Elterngeld während der Zeit einer verbüßten Strafhaft.
Die 1979 geborene Klägerin befand sich ab dem 29.03.2007 in der Justizvollzugsanstalt S. G. (JVA) in Untersuchungshaft. Der Regelvollzug begann am 27.09.2007; hieraus wurde die Klägerin am 24.05.2009 entlassen. Während der Verbüßung ihrer Freiheitsstrafe gebar die Klägerin am 16.11.2007 ihren Sohn J., der mit ihr in der JVA lebte. Vom 21.01.2008 bis zu ihrer Haftentlassung war die Klägerin in einem Arbeitsbetrieb der JVA im Umfang von 34,15 Wochenstunden gegen Entgelt beschäftigt.
Am 25.01.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Elterngeld für ihren Sohn J ... Darin gab sie an, ihr Mann, der leibliche Vater des Kindes, verbüße ebenfalls eine Haft. Vor und nach der Geburt ihres Kindes habe sie kein Einkommen erzielt. Ausweislich der übersendeten Verdienstbescheinigung der JVA vom 29.02.2008 war die Klägerin ab 21.01.2008 in einem Arbeitsbetrieb der JVA beschäftigt. Sie habe ein durchschnittliches monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 200 Euro brutto bei einem Stundensatz von 1,51 Euro erhalten. Für das Jahr 2007 habe das Bruttoeinkommen einschließlich des Monats Januar 2008 87,53 Euro betragen. Vom Bruttoeinkommen seien für die Gefangenen 2008 1,65 % Pflichtbeiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden. Taschengeld habe die Klägerin wie folgt erhalten: 4,44 Euro für September 2007 sowie jeweils 31,08 Euro für Oktober bis Dezember 2007. Mit Bescheid vom 22.04.2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Anspruch auf Elterngeld habe ua wer mit seinem Kind in einem Haushalt lebe und dieses selbst betreue und erziehe. Diese Voraussetzungen habe die Klägerin nicht erfüllt, da in einer JVA ein Haushalt nicht begründet werden könne.
Mit ihrem Widerspruch vom 14.05.2008 machte die Klägerin geltend, sie habe sich in einer Mutter-Kind-Abteilung in der JVA befunden, in der ihr die Möglichkeit eingeräumt worden sei, ihr Kind in den ersten beiden Monaten alleine zu betreuen. Ab 14.01.2008 sei sie einer Beschäftigung ca 6,8 Stunden täglich nachgegangen. Während dieser Zeit habe sich ihr Sohn in einem hauseigenen Hort aufgehalten. Ansonsten sei er von ihr betreut worden. Ihr Stundenlohn sei mit 1,51 Euro sehr niedrig. Elterngeld stehe ihr daher zu. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 2 und 3 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) nicht erfüllt, da sie mit ihrem Sohn J. nicht in einem Haushalt gelebt habe. In einer JVA oder einer Entziehungsanstalt könne ein Haushalt grundsätzlich nicht begründet werden. Dies sei nur in Fällen der Untersuchungshaft möglich, da der bisherige Haushalt in der Regel bestehen bleibe, sodass für die Prüfung einer nur vorübergehenden Abwesenheit vom Haushalt, die dem Anspruch nicht entgegenstehe, die Regelung zur vorübergehenden Unterbrechung der Betreuung nach § 1 Abs 5 BEEG entsprechend anzuwenden sei. Dies sei bei der Klägerin jedoch nicht der Fall. Im Übrigen scheitere ihr Anspruch an § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG. Danach erhalte Elterngeld derjenige, der keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübe. Nach § 1 Abs 6 BEEG sei eine Person nicht voll erwerbstätig, wenn ihre wöchentliche Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteige. Maßgeblich seien die tatsächlich gearbeiteten Stunden im jeweiligen Lebensmonat, für den Elterngeld beansprucht werde. Ab 21.01.2008 sei die Klägerin einer vollen Erwerbstätigkeit mit durchschnittlich 34,15 Wochenstunden nachgegangen. Aus diesem Grund habe ab dem 4. Lebensmonat ihres Sohnes J. kein Anspruch auf Elterngeld bestanden. Letztlich stehe ihr damit für den Zeitraum vom 16.11.2007 bis 15.11.2008 kein Elterngeld zu.
Hiergegen hat die Klägerin am 17.12.2008 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung führt sie aus, sie lebe zusammen mit ihrem Sohn in einem Haushalt. In der Mutter-Kind-Abteilung der JVA sei sie zusammen mit anderen Frauen und deren Kindern in einem Wohnbereich untergebracht. Mit ihrem Sohn habe sie zusammen ein Zimmer; eine Gemeinschaftsküche, das Bad sowie das WC und das Wohnzimmer teile sie sich mit anderen. Eine Ungleichbehandlung mit Frauen, die ihre Kinder in einem Frauenhaus erziehen bzw in einer Mutter-Kind-Einrichtung lebten und Anspruch auf Elterngeld hätten, sei nicht nachvollziehbar.
Während des laufenden Verfahrens hat die Beklagte bei der JVA eine Arbeitsbescheinigung der Klägerin angefordert, aus der sich eine Arbeitstätigkeit der Klägerin für den Zeitraum vom 21.01.2008 bis einschließlich 18.05.2009 ergibt (vgl Auskunft vom 20.05.2009). Zudem hat die JVA der Beklagten mitgeteilt, die Klägerin sei gem § 37 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) zur Arbeit verpflichtet gewesen. Die Klägerin sei gemeinsam mit ihrem Kind in der Mutter- und Kind-Einrichtung untergebracht gewesen, wobei die Kosten für Lebens- und Pflegemittel für deren Kind durch den vom Jugendamt entrichteten Tagessatz abgedeckt und somit aus öffentlicher Hand bezahlt worden seien. Nach Arbeitsende habe die Klägerin ihren Sohn J. selbst versorgt (vgl Auskunft vom 18.02.2010).
Mit Urteil vom 12.04.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht mit ihrem Sohn J. in einem gemeinsamen Haushalt im Sinne des § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG gelebt. Hierunter sei eine durch familienhaftes Zusammenleben geprägte Gemeinschaft zu verstehen. Dabei handele es sich um eine wohnungsmäßige familienhafte Wirtschaftsführung im Rahmen einer auf eine gewisse Dauer und nicht nur vorübergehend angelegten Hausgemeinschaft. In einer JVA stehe demgegenüber der Anstaltscharakter im Vordergrund, da die Art und Weise des Zusammenlebens überwiegend durch die Vorgaben der JVA geprägt werde und von der Klägerin nicht habe beeinflusst werden können. Da der Lebensunterhalt von J. im Wesentlichen durch Leistungen des Jugendamtes bestritten worden sei, könne darüber hinaus nicht von einer familienhaften Wirtschaftsführung gesprochen werden. Die Tatsache, dass die Klägerin nach Aufnahme ihrer Beschäftigung in der JVA von ihrem Verdienst zusätzlich frisches Obst und andere Lebensmittel für ihren Sohn gekauft habe, reiche für die Annahme eines Haushaltes nicht aus. Insoweit komme es auf die Frage, wie sich die ab dem 3. Lebensmonat des Sohnes der Klägerin ausgeübte Beschäftigung der JVA auf den Leistungsanspruch der Klägerin auswirke, nicht mehr an.
Gegen das der Klägerbevollmächtigten am 10.05.2010 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.06.2010 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, die Voraussetzungen einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG, die durch räumliche, materielle und immaterielle Beziehungen im Verhältnis zwischen dem Elterngeldberechtigten und dem Kind gekennzeichnet seien, lägen bei ihr vor. Insbesondere habe sie die materielle Sicherung des Kindes übernommen. Ihr Beitrag hierzu habe insbesondere in der Antragstellung auf Elterngeld bestanden. Ferner sei J. insofern materiell direkt durch sie gesichert gewesen, als sie mit ihren in der JVA erwirtschafteten geringfügigen Einnahmen und durch das Kindergeld, das sie für ihren Sohn erhalten habe, diesen mit Kleidung, Windeln und Hygieneartikeln, Obst etc habe versorgen können. Im Übrigen sei ihr Anspruch nicht nach § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG ausgeschlossen, da eine Erwerbstätigkeit in diesem Sinne nicht vorgelegen habe. Vielmehr sei sie nach § 37 StVollzG dazu verpflichtet gewesen, in der Zeit vom 21.01.2008 bis 18.05.2009 34,15 Stunden pro Woche tätig zu sein. Der Tätigkeit sei sie daher lediglich im Rahmen des Vollzugsplanes nachgegangen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12.04.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2008 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 16.11.2007 bis 15.11.2008 Elterngeld in Höhe von 300,00 Euro monatlich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Insbesondere könne in einer JVA kein Haushalt begründet werden, da - im Gegensatz zum Aufenthalt in einem Frauenhaus oder sonstiger Einrichtungen bzw Anstalten - der Aufenthalt dort nicht freiwilliger Natur sei. Die Klägerin habe keinen Einfluss darauf gehabt, wie das zeitliche und räumliche Zusammenleben mit ihrem Kind geregelt worden. Insbesondere sei sie nicht in der Entscheidung frei gewesen, den Haushalt zu verändern, umzugestalten, aufzugeben oder neu zu begründen. Im Übrigen handle es sich bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit um eine solche im Sinne des § 1 Abs 1 Nr 4 und Abs 6 BEEG. Insoweit sei zumindest ab dem 4. Lebensmonat von J. auch eine elterngeldschädliche Beschäftigung mit mehr als 30 Wochenstunden gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1, 144 Abs 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs-und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2008 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Elterngeld für ihren Sohn J. für den Zeitraum vom 16.11.2007 bis 15.11.2008.
Anspruch auf Elterngeld hat nach § 1 Abs 1 BEEG, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (1.), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (2.), dieses Kind selbst betreut und erzieht (3.) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (4.).
Unstreitig hatte die Klägerin ihren Wohnsitz im streitgegenständlichen Zeitraum in Deutschland und betreute und erzog ihr Kind J. selbst; die Unterbringung des Kindes im Hort während der Ausübung der Erwerbstätigkeit war insoweit unschädlich. Allerdings hat die Klägerin die Voraussetzung, mit ihrem Kind in einem Haushalt zu leben, nicht erfüllt. Die Klägerin befand sich vom 29.03.2007 bis 26.09.2007 in Untersuchungshaft und im Zeitraum vom 27.09.2007 bis zu ihrer Entlassung am 24.05.2009 im Regelvollzug. Am 16.11.2007 wurde ihr Sohn J. geboren, der sich bis nach Ablauf des 12. Lebensmonats mit ihr in der JVA aufhielt. Hier begründete die Klägerin keinen Haushalt im Sinne des § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG.
Unter einem Haushalt versteht man eine durch familienhaftes Zusammenleben geprägte Gemeinschaft (Bundessozialgericht [BSG] 18.04.1975, 3 RK 20/74, BSGE 39, 231). Hierunter ist die häusliche wohnungsmäßige familienhafte Wirtschaftsführung im Rahmen einer auf eine gewisse Dauer und nicht nur vorübergehend angelegten Hausgemeinschaft zu verstehen (BSG 23.03.1983, 3 RK 66/81, SozR 2200 § 199 Nr 3). Auch Dritte können neben dem Elterngeldberechtigten und dem Kind zusammen in einem Haushalt leben. Entscheidendes Kriterium für den gemeinsamen Haushalt ist das räumliche Zusammenleben. Unschädlich ist allerdings eine vorübergehende anderweitige Unterbringung, etwa wegen Krankheit oder Urlaub des Anspruchsberechtigten, wenn die Zugehörigkeit zum Haushalt nicht auf Dauer aufgehoben wird (BSG 17.05.1988, 10 RKg 10/86, SozR 5870 § 3 Nr 6). Nach § 1 Abs 3 BEEG ist es erforderlich, dass der Elterngeldberechtigte das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat. Hierbei kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BSG auf das Bestehen einer Familiengemeinschaft an, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung von Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) darstellt. Alle drei Kriterien stehen in enger Beziehung zueinander und können sich auch teilweise überschneiden; keines davon darf jedoch gänzlich fehlen (BSG 30.01.2002, B 5 RJ 34/01, Breith 2002, 709 mwN). Wie das BSG bereits zum Kindergeldrecht ausgeführt hat, kommt es für die Feststellung eines eigenen Haushaltes nicht nur auf die Eigentums- und Besitzverhältnisse an Wohnung und Hausrat an, sondern auch darauf, wer die Kosten der Haushaltsführung trägt (BSGE 30, 28, 30). Dabei ist maßgeblich, dass der Betreffende die Kosten der Lebens- und Wirtschaftsführung im Wesentlichen selbst trägt (BSGE 30, 28, 30). Entscheidend ist, ob dem Berechtigten noch eine eigenverantwortliche Wirtschaftsführung möglich ist, er sich wirtschaftlich also selbst versorgen kann (BSG 01.09.2005, B 3 KR 19/04 R, SGb 2006, 423 bis 426).
Gemessen an diesen Kriterien konnte die Klägerin mit ihrem Sohn J. in der JVA keinen Haushalt iSd § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG begründen.
Der Aufenthalt der Klägerin in der JVA ist nicht auf Grund eines frei ausgehandelten und von ihr selbst finanziell getragenen Mietvertrages zu Stande gekommen, sondern auf die von ihr zwangsweise zu verbüßende Haftstrafe zurückzuführen. Im Rahmen des von ihr ab 27.09.2007 absolvierten Regelvollzuges wurde die Klägerin selbst vollständig versorgt. Die Versorgung ihres Kindes erfolgte ausweislich der Auskunft der JVA vom 18.02.2010 durch den vom Jugendamt entrichteten Tagessatz für Lebens- und Pflegemittel. Der Aufenthalt in einer JVA dient im Ergebnis dazu, eine Haft zu verbüßen und die Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen. Dies geschieht durch die Unterbringung in der JVA, in der diese Fähigkeit trainiert werden soll. Das Zusammenleben in einer JVA wird dabei überwiegend und fast ausschließlich durch die Vorgaben der JVA geprägt; die Möglichkeit, auf die individuelle Tagesstruktur Einfluss zu nehmen, ist gering. Diese mangelnde Gestaltungsmöglichkeit schließt ein durch familienhaftes Zusammenleben geprägtes Miteinander aus. Denn gerade der Anstaltscharakter verhindert die hierfür erforderliche selbstständige Führung bzw Organisation und Gliederung eines Haushalts. Insbesondere haben auch solche Gefangene, die wie die Klägerin in einer Mutter-Kind-Einrichtung untergebracht sind, keinen Einfluss auf die Regelung des zeitlichen und räumlichen Zusammenlebens mit ihrem Kind. Dies ist der wesentliche Unterschied zu einem Haushalt bzw einer Haushaltsgemeinschaft außerhalb einer JVA. Dort wird auf Grund einzelner oder gemeinschaftlicher Entscheidung der Haushaltsmitglieder der Haushalt umgestaltet, aufgegeben oder neu begründet. Eine solche Möglichkeit eröffnet sich einem Inhaftierten demgegenüber infolge der mit der Strafhaft verbundenen Einschränkungen nicht.
Der Einwand der Klägerin, eine Ungleichbehandlung mit Frauen, die ihre Kinder in einem Frauenhaus erziehen bzw in einer Mutter-Kind-Einrichtung lebten und Anspruch auf Elterngeld hätten, sei nicht nachvollziehbar, trägt ebenfalls nicht. Denn im Vergleich zur Unterbringung in einer JVA fehlt es gerade nicht an dem freien Entschluss zur Gründung einer entsprechenden Wohnform und der jeweiligen Gestaltung und Organisation des Lebensumfeldes.
Soweit zudem von Klägerseite eingewendet wird, eine unterschiedliche Behandlung von Untersuchungshäftlingen und Müttern im Regelvollzug in Mutter-Kind-Einrichtungen sei nicht gerechtfertigt, kann auch dem nicht zugestimmt werden. Im Gegensatz zum Regelvollzug wird der ursprüngliche Haushalt im Rahmen der Untersuchungshaft weiter aufrechterhalten; insoweit wird dieser als maßgeblicher Haushalt herangezogen.
Schließlich entspricht die vom Senat für den Anwendungsbereich des BEEG vertretene Auslegung des Begriffs "Haushalt" in § 1 Abs 1 BEEG auch dem Sinn und Zweck des Elterngeldes. Damit wird vom Gesetzgeber primär das Ziel verfolgt, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlagen zu unterstützen, wenn sich die Eltern in der Frühphase der Elternschaft vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. Es will dazu beitragen, dass es beiden Elternteilen auf Dauer besser gelingt, ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern. Dabei soll das Elterngeld dauerhafte Einbußen mit der Gefahr einer Abhängigkeit von staatlichen Fürsorgeleistungen vermeiden, Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf eröffnen und die wirtschaftliche Selbständigkeit fördern (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15). In erster Linie wollte der Gesetzgeber durch das Elterngeld demjenigen betreuenden Elternteil helfen, der seine Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung des Kindes unterbricht oder reduziert. Dieser erhält einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 14 f). Die Gewährung einer Sozialleistung, die - wie schon das BErzg und jetzt erst recht das Elterngeld - Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben will, verfehlt ihr Ziel, wenn eine solche freie Entscheidung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gar nicht möglich ist (vgl BSG, 30.09.2010, B 10 EG 9/09 R, zur Frage der fehlenden Aufenthaltserlaubnis und mangelnden Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer). Der Zweck des Elterngeldes, Wahlfreiheit zwischen Kindererziehung und Berufstätigkeit zu sichern, kann dann nämlich nicht erreicht werden. Denn die bewusste Entscheidung, das eigene Kind in einem Maße zu betreuen, das über das hinausgeht, was bei voller Erwerbstätigkeit möglich ist, ist Strafhäftlingen verwehrt. Eine solche, vom eigenen Willen getragene Entscheidung zu treffen, ist ihnen gerade wegen der zu verbüßenden Haftstrafe nicht möglich.
Ferner gilt es auch einem Wertungswiderspruch zu anderen Bereichen des Sozialgesetzbuches entgegenzuwirken. So handelt es sich bei Mutter-Kind-Einrichtungen des Strafvollzugs (§§ 80, 142 StVollzG) um Einrichtungen der Jugendhilfe iSd § 45 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Ein Personensorgeberechtigter hat Anspruch auf Jugendhilfe, die bei einer gemeinsamen Unterbringung mit dem Kind auch Leistungen zum Unterhalt (§ 39 SGB VIII) umfasst (BVerwG 12.12.2000, 5 C 48/01, BVerwGE 117, 261). Dabei handelt es sich nach Ansicht des BVerwG um eine Sicherstellung des notwendigen Unterhalts des Kindes "außerhalb des Elternhauses" (BVerwG aaO Rn 34). Auch ist die Unterbringung des Kindes in der JVA von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig: Die Unterbringung muss dem Wohl des Kindes entsprechen und das Jugendamt ist vor der Unterbringung zu hören (§ 80 Abs 1 StVollzG). Gleiches gilt für die Zeit ab 01.01.2010 in Bezug auf Mutter-Kind-Abteilungen iSd § 10 Buch 1 des baden-württembergischen Justizvollzuggesetzes vom 10.11.2009 (GBl 2009, 545).
Letztlich ist die Frage, inwieweit sich die von der Klägerin in der JVA ab dem 3. Lebensmonat ihres Kindes ausgeübte Tätigkeit nach § 1 Abs 1 Nr 4 und Abs 6 BEEG auf den Leistungsanspruch auswirkt, nicht entscheidungserheblich. Allerdings geht der Senat in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23.03.1979, 7 RAr 98/78, BSGE 48, 129 bis 134) davon aus, dass es sich bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit um eine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG handelt. Das BSG hat insoweit ausgeführt, dass nach dem Inkrafttreten des StVollzG nicht mehr aus den Grundsätzen über die Versicherungs- bzw Beitragspflicht geschlossen werden könne, dass nur bei freibegründeten Beschäftigungsverhältnissen eine entlohnte Beschäftigung vorliege. Für den Begriff der Beschäftigung komme es nicht darauf an, dass der Gefangene die ihm zugewiesene Arbeit auf Grund der im Vollzug bestehenden Arbeitspflicht (§ 41 StVollzG) ausführe, denn auch diese Tätigkeit solle nach dem StVollzG der Beschäftigung im allgemeinen Arbeitsleben gleichgestellt werden. Nach § 37 Abs 2 StVollzG soll es sich auch bei der zugewiesenen Arbeit um eine wirtschaftlich ergiebige Arbeit handeln, aufgrund derer der Gefangene einen Anspruch auf Arbeitsentgelt hat. Insoweit stünde der Klägerin auf Grund ihrer über 30-stündigen wöchentlichen Tätigkeit ab dem 4. Lebensmonat ihres Kindes Justin nach § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG zudem kein Anspruch auf Elterngeld zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
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