L 12 AS 5421/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 3177/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5421/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. November 2011 abgeändert und der Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern vorläufig ab 1. Dezember 2011 bis 31. Mai 2012, längstens bis zur Bestandskraft des noch zu ergehenden Bescheids wegen des Antrags auf Leistungen ab 1. Dezember 2011 Leistungen in Höhe von monatlich 717,50 EUR an die Antragstellerin Ziff. 1 und 49,50 EUR an den Antragsteller Ziff. 2 zu erbringen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner trägt 2/3 der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.

3. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt. Zur Wahrnehmung ihrer Rechte wird ihnen Rechtsanwalt P., Reutlingen, beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die 1980 geborene Antragstellerin Ziff. 1 bezieht seit März 2007 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner. Sie ist die Mutter des 2008 geborenen Antragstellers Ziff. 2. In der Vergangenheit war zwischen den Beteiligten im Rahmen von Klageverfahren wiederholt streitig, ob S. H. (H.), der Vater des Antragstellers Ziff. 2, mit der Antragstellerin Ziff. 1 in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebt und sein Erwerbseinkommen daher auf den Bedarf der Antragsteller anzurechnen ist. H. leistet monatlich 202 EUR Unterhalt für seinen Sohn, Kindergeld wird in Höhe von 184 EUR gezahlt. Die Antragstellerin Ziff. 1 und H. waren aus K. zum 1. November 2006 nach G. umgezogen, wo sie bis 28. Februar 2010 unter der Anschrift K. Str. gemeldet waren.

Im Rahmen eines Fortzahlungsantrags vom 18. Februar 2010 legte die Antragstellerin Ziff. 1 eine Mietbescheinigung des H. vor, wonach dieser ab 1. März 2010 eine Wohnung in M. an die Antragstellerin Ziff. 1 vermietet habe (320 EUR Kaltmiete zzgl. 145 EUR Nebenkosten). Sie gab an, zwar lebe sie mit H. in einer gemeinsamen Wohnung, jedoch nicht länger als ein Jahr in einem gemeinsamen Haushalt. Nach dem vorgelegten Mietvertrag zwischen der Firma D. B. GmbH & Co. KG und H. über die Wohnung in M. begann dieser Mietvertrag am 14. November 2009 und war Teil eines Arbeitsvergütungsvertrags.

Der Antragsgegner versagte zunächst mit Bescheid vom 19. April 2010 die Gewährung von Leistungen ab März 2010. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ordnete das Sozialgericht Reutlingen (SG) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin an und verpflichtete den Antragsgegner zur vorläufigen Erbringung der Regelleistung von 323 EUR pro Monat für die Zeit vom 3. Mai 2010 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens (Beschluss vom 9. Juni 2010 - S 3 AS 1433/10 ER -). Leistungen wegen Kosten der Unterkunft seien nicht zu gewähren wegen des wahrscheinlichen Zusammenlebens mit H., der alleiniger Mieter der Wohnung sei. Die Antragstellerin legte in der Folgezeit dem Antragsgegner Schreiben vom 31. Mai und 8. Juli 2010 vor mit dem Briefkopf "D. B.", in denen die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Mietrückständen der Antragstellerin ausgesprochen wurde bzw. ausgeführt wurde, die Antragstellerin könne nach Zahlung der ausstehenden Mieten in der Wohnung bleiben. Am 23. Juli 2010 erklärte die Antragstellerin bei einer Vorsprache, es gebe bereits einen neuen Hauptmieter, der als Koch bei D. B. in M. arbeite. Im Oktober 2010 legte sie einen "Mietvertrag für Untermieter" vor zwischen ihr und S. S. (S.) mit Mietbeginn zum 1. Juli 2010 und einer Gesamtmiete von 465 EUR.

Bei einer Prüfung durch das Hauptzollamt U. bei der Firma D. B. am 5. August 2010 gab S. an, er arbeite bereits seit 2007 dort als Koch, außer ihm arbeite dort noch H. Im oberen Stock des Gebäudes befänden sich zwei Wohnungen, von denen eine vom Geschäftsführer und die andere von H. und seiner Freundin bewohnt werde.

Der Antragsgegner lehnte daraufhin mit Bescheid vom 11. August 2010 die Gewährung von Leistungen ab März 2010 ab, da wegen des anzurechnenden Einkommens von H. keine Hilfebedürftigkeit bestehe. Im Widerspruchsverfahren gab die Antragstellerin an, H. wohne schon seit langem nicht mehr in der Wohnung, er habe seinen Hauptwohnsitz in T ... Gegen den Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2010 erhob die Antragstellerin Klage (S 3 AS 3935/10), welche noch anhängig ist.

Ein am 10. September 2010 gestellter Antrag auf Gewährung von Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes blieb ohne Erfolg (Beschluss vom 3. November 2010 - S 3 AS 2988/10 ER -). Dabei verwies das SG darauf, dass große Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Antragstellerin bestünden. Insbesondere habe sich aus den vom SG eingeholten schriftlichen Auskünften des Geschäftsführers der Firma D. B. und des S. ergeben, dass letzterer zu keinem Zeitpunkt Mieter einer Wohnung im Gebäude der Firma D. B. gewesen sei und S. nach seinen Angaben lediglich zum Schein Untermietverträge mit der Antragstellerin geschlossen habe. Zudem stammten die Schreiben vom 31. Mai und 8. Juli 2010 nicht vom Geschäftsführer der Firma D. B., sondern seien in Täuschungsabsicht verfasst worden.

Ab 31. Oktober 2010 waren die Antragsteller in L., Z.str. gemeldet. Die Antragstellerin machte geltend, von ihrem früheren Vermieter - nicht Partner - aus der Wohnung geworfen worden zu sein und legte einen Mietvertrag vom 21. September 2010 vor zwischen ihr und N.S. (N.S.) über eine Wohnung von 60 qm (Kaltmiete 355 EUR, Betriebskostenvorauszahlung 150 EUR). Am 20. Dezember 2010 wurde vom Antragsgegner bei der Antragstellerin ein Hausbesuch durchgeführt. In dem Bericht des Außendienstmitarbeiters wird ausgeführt, die Antragstellerin habe angegeben, es bestehe keine Beziehung mehr zu H. Am Wochenende halte er sich besuchsweise in ihrer Wohnung auf, um den Sohn zu besuchen. Im Bad habe Nassrasierzeug auf dem Waschbecken gelegen, es seien drei Zahnbürsten vorhanden gewesen sowie ein Zettel an der Pinnwand im Flur mit der Aufschrift "Papa Arzttermin 20.12.2010, 8.15 Uhr".

Der Antragsgegner bewilligte daraufhin vorläufig Leistungen vom 25. November 2010 bis 30. April 2011 (Bescheid vom 5. Januar 2011, Änderungsbescheid vom 11. Januar 2011). Ein am 4. Januar 2011 beim SG gestellter Antrag auf Gewährung von Leistungen wurde nachfolgend für erledigt erklärt (- S 3 AS 29/11 ER -). Die endgültige Bewilligung erfolgte mit Bescheid vom 12. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2011. Für den Folgezeitraum 1. Mai bis 31. Oktober 2011 bewilligte der Antragsgegner Leistungen mit Bescheid vom 14. April 2011.

Vom Amtsgericht Reutlingen (AG) wurde die Antragstellerin wegen Betrugs in vier Fällen (unrechtmäßiger Bezug von Berufsausbildungsbeihilfe und Grundsicherung nach dem SGB II) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Wegen Betrugs in drei Fällen infolge des Verschweigens einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wurde die Antragstellerin freigesprochen, da das Bestehen einer gemeinsamen Wohnung und einer Lebensgemeinschaft in der K. Str. in G. nicht mit der für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit feststand (- 9 Ds 28 Js 4600/10 -). Nachgehend wurde die Antragstellerin auf ihre Berufung vom Landgericht T. mit Urteil vom 24. Oktober 2011 wegen Betrugs (zu Lasten der Bundesagentur wegen Berufsausbildungsbeihilfe) zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde; die drei weiteren Betrugsvorwürfe, wegen derer das AG die Antragstellerin verurteilt hatte, wurden nach § 154 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt.

Am 4. Oktober 2011 sprach N.S. beim Antragsgegner vor und erklärte, er habe keinen Mietvertrag mit der Antragstellerin geschlossen, welche gefälschte Unterlagen eingereicht habe. Mieter sei H., der zwar auch in der Wohnung wohne, aber nicht gemeldet sei. Ergänzend hat N.S. einen Mietvertrag vom 23. September 2010 zwischen ihm und H. vorgelegt.

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen die Antragstellerin wurde N.S. am 12. Oktober 2010 als Zeuge polizeilich vernommen. Hierbei gab er an, Eigentümer des Gebäudes Z.str. 20 in L. zu sein und dort in einer Wohnung mit seiner Familie zu leben. Die andere Wohnung sei an H. vermietet (Wohnfläche 75 qm, Grundmiete 470 EUR, Garage 30 EUR, Betriebskosten 200 EUR; insgesamt 700 EUR). H. und die Antragsteller wohnten seiner Meinung nach wie eine richtige Familie zusammen.

Den Antrag der Antragsteller auf Weiterbewilligung der Leistungen vom 5. Oktober 2011 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 31. Oktober 2011 ab, da die Antragsteller, die mit H. zusammenlebten, nicht hilfebedürftig seien.

Am 8. November 2011 haben die Antragsteller beim SG Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und geltend gemacht, der Vortrag des N.S. sei wahrheitswidrig. Der Antragsgegner stütze sich auf Aussagen, die eindeutig von Belastungstendenzen geprägt seien. Die Antragsteller seien ohne jeglichen Einkommensbezug.

Das SG hat die Akten des AG und der Polizeidirektion R. beigezogen und mit Beschluss vom 24. November 2011 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Das SG hat gestützt auf § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeführt, dass der Antrag abzulehnen sei, da ein Anordnungsanspruch der Antragsteller auf Gewährung der begehrten Leistungen nicht wahrscheinlich bestehe. Für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit sei nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei Personen, die in Bedarfsgemeinschaft lebten, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehöre auch ein mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebender Partner, wenn nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen sei, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II). Dieser Wille werde nach § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, wenn u.a. Partner länger als ein Jahr zusammenlebten oder mit einem gemeinsamen Kind zusammenlebten. Diese gesetzliche Vermutung greife hier ein, da die Antragstellerin und H. seit mehreren Jahren zusammen wohnten, bereits drei Mal gemeinsam umgezogen seien und mit einem gemeinsamen Kind, dem Antragsteller Ziff. 2 zusammen wohnten. Die Einwendungen der Antragstellerin seien nicht glaubhaft, das SG stütze sich insoweit auf die Erklärungen des N.S. im Ermittlungsverfahren. Nach seinen Erklärungen stamme der von der Antragstellerin vorgelegte Mietvertrag nicht von ihm. Danach spreche viel dafür, dass die Antragstellerin - wie bereits im Verfahren S 3 AS 2988/10 ER (Beschluss vom 3. November 2010) - zum Nachweis anspruchsbegründender Tatsachen für Leistungen selbst Unterlagen beschafft habe, in dem der Mustermietvertrag aus dem Internet ausgedruckt und mit dem Namen der Antragstellerin versehen worden sei. Die Unterschrift unter dem von N.S. vorgelegten Mietvertrag weiche erkennbar von der Unterschrift des Vermieters der von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen ab. Die Unterschrift des H. in dem von N.S. vorgelegten Mietvertrag entspreche dagegen der in den Verwaltungsakten mehrfach vorhandenen Unterschrift des H. Zudem habe N.S. dargelegt, dass H. gemeinsam mit den Antragstellerin in der Wohnung lebe wie eine ganz normale Familie. Im Rahmen der Gesamtwürdigung habe das SG auch berücksichtigt, dass bereits in vorangegangenen Verfahren große Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Antragstellerin bestanden hätten, die bereits mehrfach gegenüber dem Gericht falsche Angaben gemacht habe. Auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Vermieter N.S. vor dem AG beseitige nicht die Zweifel an der Glaubwürdigkeit. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.V.m. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II sei das Einkommen des H. bei Prüfung der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller zu berücksichtigen. Der Umstand, dass H. eine regelmäßige Berufstätigkeit ausübe, für die ihm ein Firmenfahrzeug (Mercedes-Bus-Sprinter) zur Verfügung gestellt worden sei, lasse ausreichend den Schluss zu, dass ein Erwerbseinkommen erzielt werde, das der Hilfebedürftigkeit entgegen stehe.

Hiergegen richtet sich die am 7. Dezember 2011 eingelegte Beschwerde der Antragsteller. Hierzu wird eine eidesstattliche Versicherung des H. vom 26. November 2011 vorgelegt, in welcher H. ausführt, in der Wohnung in der Z.str. in L. nie seinen Lebensmittelpunkt gehabt zu haben; er habe lediglich sein Besuchs- und Umgangsrecht mit seinem Sohn wahrgenommen. Als er von der Situation erfahren habe, dass die Wohnung Schimmel aufweise und der Vermieter auf eine Mängelanzeige mit drastischen Mitteln wie Abstellen des Wassers und der Heizung reagiert habe, sei es seine Pflicht als Vater gewesen, sich um die Wohnverhältnisse zu kümmern, weshalb er im Oktober 2011 sich zeitweise in der Wohnung aufgehalten habe. Mit weiterer eidesstattlicher Versicherung vom 14. Dezember 2011 hat H. ergänzend ausgeführt, dass er seit Sommer 2010 mit Erstwohnsitz in T. gemeldet sei, wo er sich um seine erkrankte Mutter und Großmutter kümmern müsse. Unter der Woche fahre er Lkw für die Firma B. GmbH in R. bei L ... Er habe mit N.S. keinen Mietvertrag unterschrieben. Zur Begründung der Beschwerde hat die Antragstellerin darüber hinaus vorgetragen, dass N.S. offenkundig eine falsche Aussage gemacht habe, was sich schon aus dessen Aussagen ergebe, die er im Mietrechtsstreit beim AG gemacht habe. Der Mietrechtsstreit sei ausschließlich von der Antragstellerin geführt worden, N.S. habe an seiner falschen Aussage, dass H. der Mieter sein solle, nicht festgehalten. Der Antragsgegner verstoße gegen seine Amtsermittlungspflicht, wenn er völlig ungeprüft Aussagen des Vermieters übernehme. Das gesamte Verfahren sei von einer extremen Belastungstendenz der beteiligten Behörden geprägt. Die Antragsteller seien inzwischen umgezogen ab 1. Dezember 2011 in den S.weg in L. (Wohnfläche 100 qm, 450 EUR Kaltmiete, 100 EUR Nebenkosten), gleichwohl verweigere der Antragsgegner auch weiterhin Leistungen.

Der Antragsgegner bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses des SG.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten des Antragsgegners und die beigezogenen Akten des AG (- 8 C 1370/11 -) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller hat teilweise Erfolg.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache ist die Beschwerde auch insoweit teilweise begründet, als den Antragstellern ab 1. Dezember 2011 vorläufig Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zuzusprechen sind. Hinsichtlich des Zeitraums 8. bis 30. November 2011 ist dagegen die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden und die Beschwerde zurückzuweisen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Wird im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breith 2005, 803). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, weil etwa eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden unter Berücksichtigung insbesondere der grundrechtlichen Belange des Antragstellers. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 42). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - FEVS 57, 72 und 164).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind den Antragstellern ab 1. Dezember 2011 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zur Gewährleistung des Existenzminimums zuzusprechen, sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind insoweit glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin Ziff. 1 erfüllt jedenfalls ab 1. Dezember 2011 sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a noch nicht erreicht, sie ist erwerbsfähig, hilfebedürftig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Der Antragsteller Ziff. 2 ist als 3-jähriges Kind der Antragstellerin Ziff. 1 gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Insbesondere sind die Antragsteller auch hilfebedürftig, denn sie können ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen sichern und erhalten die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen (§ 9 Abs. 1 SGB II). Für den Zeitraum ab 1. Dezember 2011 gibt es bislang keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller mit H. zusammenleben, so dass es auch keine Rechtfertigung gibt, im Hinblick auf dessen Erwerbseinkommen den Antragstellern die existenzsichernden Leistungen vorzuenthalten.

Der Antragsteller Ziff. 1 erhält 202 EUR Unterhalt von seinem Vater, daneben ist das Kindergeld von 184 EUR bei ihm als Einkommen anzurechnen (§ 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Die Antragstellerin Ziff. 1 verfügt über kein Einkommen, zu verwertendes Vermögen haben die Antragsteller ebenfalls nicht. Als Bedarf sind die Regelbedarfe nach §§ 20 Abs. 2 Satz 1, 23 Nr. 1 SGB II anzusetzen (364 EUR für die Antragstellerin Ziff. 1 sowie 213 EUR für den Antragsteller Ziff. 2) sowie der Mehrbedarf wegen Alleinerziehung für die Antragstellerin Ziff. 1 in Höhe von 131 EUR (§ 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II). Im Bereich der Kosten der Unterkunft und Heizung sind nur die angemessenen Kosten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen, denn die Antragsteller sind ohne vorherige Zusicherung (§ 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II) in eine Wohnung gezogen, die zu groß und zu teuer ist. Als Rechtsfolge dieser Obliegenheitsverletzung scheidet ein befristeter Bestandsschutz nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II, also die Übernahme auch unangemessener Kosten für einen Übergangszeitraum von in der Regel sechs Monaten, aus (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 119). Als Kaltmiete kann daher nur der für einen Zwei-Personen-Haushalt im Bezirk des Antragsgegners als angemessen angesehene Betrag von 345 EUR berücksichtigt werden. Zuzüglich der Nebenkosten von 100 EUR beträgt damit der Unterkunftsbedarf 222,50 EUR pro Person. Damit ergibt sich für die Antragstellerin Ziff. 1 ein monatlicher Leistungsanspruch von 717,50 EUR und für den Antragsteller Ziff. 2 von 49,50 EUR (213 EUR + 222,50 EUR - 184 EUR - 202 EUR). An der Eilbedürftigkeit bestehen keinerlei Zweifel, denn die Antragsteller erhalten derzeit überhaupt keine Leistungen. Der Antragsgegner ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes daher zur vorläufigen Erbringung dieser Leistungen zu verpflichten.

Hinsichtlich des Zeitraums 8. bis 30. November 2011 hat die Beschwerde indes keinen Erfolg. Der Senat hält - ebenso wie das SG - für diesen Zeitraum einen Anordnungsanspruch nicht für glaubhaft gemacht. Zur Vermeidung von Wiederholungen weist der Senat insoweit die Beschwerde aus den überzeugenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen im Beschwerdeverfahren nachzutragen, dass zwar auch Zweifel an der Aussage des N.S. bestehen, jedoch die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Antragstellerin insbesondere unter Berücksichtigung ihres Vorgehens in der Vergangenheit hinsichtlich gefälschter Unterlagen bzw. Scheinmietverträge auch unter tatkräftiger Mitwirkung von H. (etwa die Vorgänge um die von der Fa. D. B. an H. vermietete Wohnung in M.) erheblich überwiegen. Insoweit sind auch die eidesstattlichen Versicherungen des H. mit Skepsis zu würdigen. Dagegen hat N.S. zwar am 1. Oktober 2011 bei der Polizei im Rahmen einer Strafanzeige gegen H. wegen Beleidigung laut Sachverhaltsbericht angegeben, es bestehe kein schriftlicher Mietvertrag, nur eine mündliche Vereinbarung. Allerdings handelte es sich insoweit nicht um eine förmliche Vernehmung, sondern um Angaben, die von der Ex-Frau des nach polizeilichen Angaben sehr schlecht deutsch sprechenden N.S. übersetzt worden waren. Im Rahmen der späteren förmlichen Vernehmung hat N.S. den mit H. geschlossenen Mietvertrag vorgelegt. Für die Richtigkeit dieses Vertrags sprechen nicht nur nach erstem Anschein die Unterschriften, während die angebliche Unterschrift des N.S. unter dem von der Antragstellerin vorgelegten Vertrag ganz offensichtlich von den tatsächlich von N.S. stammenden Unterschriften gravierend abweicht, sondern auch die Quittungen über die erhaltenen Mietzahlungen von zunächst 700 EUR monatlich, die vom Betrag her mit der höheren Miete gemäß dem Vertrag mit H. in Einklang zu bringen sind. Nichts anderes ergibt sich aus dem vom Bevollmächtigten der Antragstellerin hervorgehobenen Kündigungsschreiben des N.S. vom 2. Oktober 2011 an die Antragstellerin. Daraus ergibt sich keineswegs, dass N.S. selbst von einem Vertrag mit der Antragstellerin ausging, denn auch an H. hat N.S. am gleichen Tag ein wortgleiches Kündigungsschreiben verfasst (Bl ... 39 der Akte des AG - 8 C 1370/11 -). Vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Situation zwischen den Hausbewohnern können daraus keine besonderen Schlüsse gezogen werden.

Auch wenn in Bezug auf den Zeitraum November 2011 in der Hauptsache noch weiterer Ermittlungsbedarf besteht und die Erfolgsaussichten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht endgültig geklärt werden können, ist für den Zeitraum bis 30. November 2011 selbst unter dem Gesichtspunkt einer Folgenabwägung keine vorläufige Leistung geboten. Neben den nach Auffassung des Senats aller Voraussicht nach fehlenden Erfolgsaussichten ist insoweit auch zu berücksichtigen, dass den Antragstellern mit den ab 1. Dezember 2011 zugesprochenen Leistungen aktuell die Sicherung ihrer grundlegenden Bedarfe zur Sicherung der Existenz möglich ist. Für den davor liegenden Zeitraum ist insoweit kein überwiegendes Bedürfnis der Antragsteller zur Erbringung vorläufiger Leistungen erkennbar, so dass ihnen das Abwarten des Hauptsacheverfahrens zumutbar ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Den Antragstellern ist für das Beschwerdeverfahren nach § 73a SGG i.V.m. §§ 114 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved