L 27 R 18/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 30 R 6037/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 18/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer begehrten Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt sind.

Die 1958 geborene Klägerin ist verwitwet und lebt zusammen mit ihrem jüngsten von 3 Kindern sowie ihrem Lebensgefährten in einem Reihenhaus in B.

Die Klägerin ist von Beruf Erzieherin und hat bis zum 31. Mai 1990 Zeiten (zuletzt Kindererziehungszeiten) in der gesetzlichen Rentenversicherung. Von 1989 bis 1999 lebte die Klägerin mit ihren Kindern und ihrem 2. Ehemann, einem Franzosen, der im diplomatischen Dienst tätig war, im Ausland. Dieser verstarb Ende 2000 aufgrund einer Krebserkrankung. Infolge der Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit als Erzieherin hat die Klägerin ab dem 15. Februar 2001 Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Seit 2001 bezieht die Klägerin eine Witwenrente des französischen Staates sowie seit dem 26. Juni 2007 Leistungen nach dem II. Buch des Sozialgesetzbuches.

Am 13. Oktober 2003 wurde die Klägerin stark alkoholisiert von ihrer Tochter aufgefunden. In der Zeit vom 14. Oktober bis zum 10. November 2003 befand sich die Klägerin darauf hin in einer stationären Entgiftungsmaßnahme in den Kliniken B. Im Anschluss erfolgte bis zum 15. März 2004 eine stationäre Reha-Entwöhnungsmaßnahme in L Sch. Ausweislich des Reha-Entlassungsberichtes vom 25. März 2004 wurde die Klägerin als erwerbsfähig (6 Stunden und mehr) sowohl in ihrem letzten Beruf als Erzieherin als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes entlassen. In der Zeit vom 29. März bis zum 9. Juli 2004 befand sich die Klägerin in einer tagesklinischen Behandlung in den St. H-Kliniken B. Im Anschluss nahm sie in der Zeit vom 30. August bis zum 8. Oktober 2004 an einer erweiterten Berufsfindung mit betrieblicher Arbeitserprobung teil. Die Ärztin R bescheinigte der Klägerin in ihrer diesbezüglich abgegebenen Stellungnahme vom 30. September 2004 eine derzeit verminderte Belastbarkeit (nicht über 6 Stunden) und empfahl ein berufliches Training. Ein von Januar bis April 2005 durchgeführtes Arbeitstraining zur Kauffrau brach die Klägerin ab.

Am 7. Juni 2005 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K stellte nach körperlicher Untersuchung der Klägerin vom 8. September 2005 in ihrem Gutachten vom 13. September 2005 fest, dass die Klägerin für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch 3 bis 6 Stunden leistungsfähig sei, für eine Tätigkeit als Erzieherin unter 3 Stunden. Die Feststellungen würden seit Oktober 2003 gelten. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 11. November 2005 in der Gestalt eines undatierten Widerspruchsbescheides lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin erfülle nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente gemäß § 43 des VI. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Aufgrund der gutachtlichen Feststellungen sei davon auszugehen, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung am 14. Oktober 2003 (Beginn der Entgiftungsmaßnahme) eingetreten sei. Die Klägerin habe in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung unter Berücksichtigung ihres Versicherungsverlaufes keine 3 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung belegt.

Auf den erneuten Rentenantrag der Klägerin vom 5. Juni 2007 hat die Beklagte ein Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S-S eingeholt. Diese stellte nach ärztlicher Untersuchung der Klägerin vom 18. Juli 2007 in ihrem Gutachten vom 27. Juli 2007 fest, dass das Leistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seit dem 23. Juni 2007 auf unter 3 Stunden täglich abgesunken sei. Mit Bescheid vom 21. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2008 lehnte die Beklagte den Antrag erneut unter Hinweis auf die fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab. Es sei weiterhin von einem Leistungsfall vom 14. Oktober 2003 auszugehen.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin hat das Sozialgericht Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte, der Fachärztin für Nervenheilkunde V vom 2. Juni 2009, des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. B vom 15. Juni 2009 und des Arztes für Orthopädie Dr. Sp vom 24. Juli 2009 eingeholt und sodann den Arzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin Dr. W mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser stellte nach körperlicher Untersuchung der Klägerin vom 23. August 2010 in seinem Gutachten vom 14. September 2010 fest, dass die Klägerin nur noch über ein Leistungsvermögen von unter 6 Stunden verfüge. Seit dem 2. Juni 2009 sei von einem Leistungsvermögen von 3 bis 6 Stunden auszugehen. Auf Anfrage des Gerichts hat der Sachverständige mit ergänzender Stellungnahme vom 29. September 2010 mitgeteilt, dass das Leistungsvermögen in der Zeit vom 14. Oktober 2003 bis zur Entlassung aus der Langzeitentwöhnung auf unter drei Stunden und für die Zeit danach auf 3 bis 6 Stunden abgesunken sei. Zu dem Gutachten hat die Klägerin eine ergänzende Stellungnahme der Ärztin V vom 21. November 2010 vorgelegt.

Mit Urteil vom 25. November 2010 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die Klägerin erfülle nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab dem 6. Juni 2007 gemäß § 43 SGB VI. Dies setze nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI voraus, dass die Klägerin in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens 3 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung bzw. Tätigkeit habe. Daran fehle es vorliegend. Denn aufgrund der vorliegenden medizinischen Feststellungen sei nicht auszuschließen, dass der Fall der Erwerbsminderung bereits am 14. Oktober 2003 vorgelegen habe. Zu diesem Zeitpunkt seien aber nur 33 Monatsbeiträge mit Pflichtbeiträgen belegt. Zwar sei es nach den medizinischen Festsstellungen auch möglich, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten sei. Der erforderliche Vollbeweis einer erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetretenen Erwerbsminderung sei jedoch nicht erbracht. Dies gehe nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin.

Gegen das ihr am 7. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Januar 2011 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilsweiser Erwerbsminderung beschränkt auf die Zeit ab dem 1. Juli 2007 weiterverfolgt.

Sie ist der Ansicht, dass durch die Leistungseinschätzung der Ärztin V und den Rehabericht vom 25. März 2004 belegt sei, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung erst weit nach dem 14. Oktober 2003 eingetreten sei. So gehe auch die Rentenauskunft der Beklagten vom 20. August 2004 von einem Leistungsfall vom 24. Mai 2004 aus.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2008 zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01. Juli 2007 unbefristet Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtskate, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2007.

Die begehrte Rente steht der Klägerin nicht zu, weil sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur dann erfüllt, wenn in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens 3 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung bzw. Tätigkeit belegt sind. Eine entsprechende Anzahl von Pflichtbeiträgen er-füllt die Klägerin nur dann, wenn der Leistungsfall nachweislich nach dem 1. Januar 2004 eingetreten ist. Denn in diesem Fall wären nach Wiederaufnahme einer versicherten Tätigkeit am 15. Februar 2001 ab dem 2. Januar 2004 36 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt (vgl. zur Be-rechnung von Zeiten §122 Abs. 1 SGB VI). Daran fehlt es vorliegend. Den Nachweis, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung im Sinne des erforderlichen Vollbeweises mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erst nach dem 1. Januar 2004 eingetreten ist, hat die Klägerin nicht erbracht. Der Senat folgt insoweit den umfassenden Ausführungen und Bewertungen des Sozialgerichts in Auswertung der vorliegenden medizinischen Erkenntnissen, durch die insbesondere auch belegt ist, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Leistungsfall vor dem 2. Januar 2004 uns zwar bereits am 14. Oktober 2003 eingetreten ist, und sieht daher ge-mäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darlegung in den Gründen ab. Soweit sich die Klägerin auf die Leistungseinschätzung der Ärztin V und den Rehabericht vom 25. März 2004 beruft, erscheint danach zwar der Eintritt des Leistungsfalles nach dem 1. Januar 2004 als möglich. Ein entsprechender Nachweis ist damit jedoch nicht geführt. Dies gilt erst recht mit Blick auf die von der Klägerin in Bezug genommene Rentenauskunft vom 20. August 2004. Das dort in Bezug genommene Datum des 24. Mai 2004 ist allein als hypothetischer Leistungsfall be-nannt. Die Nichterweislichkeit eines Leistungsfalles nach dem 1. Januar 2004 - bei im übrigen auch nach Auffassung der Beteiligten ausgeschöpften Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts in medizinischer Hinsicht - geht, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin. Umstände, die die Annahme des Eintrittes eines neuen Leistungsfalles nach einem wiedererlangten Leistungsvermögen zu einem späteren Zeitpunkt begründen könnten, sind weder ersichtlich noch - trotz entsprechender Erörterung in der mündlichen Verhandlung des Senats - vorgetragen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
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