S 22 KR 421/00

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
L 1 KR 31/05
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
S 22 KR 421/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. April 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten einer stationären Behandlung im B. Hospital in E. in der Zeit vom 10. Februar bis 2. März 1997 sowie über die Kostenübernahme für künftige Behandlungen im B. Hospital oder im E1 Center bei Prof. R. in U ...

Die 1947 geborene Klägerin leidet nach Angaben unter anderem ihres behandelnden Arztes Dr. N. seit Jahren an vielfältigen Allergien, Medikamentenunverträglichkeiten und vor allem an einer ausgeprägten Multiplen Chemikalienunverträglichkeit (Multiple Chemical Sensitivity – MCS) mit schweren körperlichen, neurologischen und psychischen Symptomen. Aufgrund ihrer Erkrankung begab sie sich erstmals im Jahr 1988 in Behandlung bei dem Nichtvertragsarzt R1 (früher: B1, jetzt: W1), deren Kosten ihr bis Ende 1998 von der Beklagten erstattet wurden.

Im Januar 1997 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine stationäre Behandlung im B. Hospital in E., um dort insbesondere eine Testung von verträglichen Narkotika und Zahnfüllstoffen durchführen und anschließend eine Zahnsanierung vornehmen zu lassen. Sie führte die stationäre Behandlung in der Zeit vom 10. Februar bis 2. März 1997 durch und beantragte in der Folgezeit die Kostenübernahme für weitere Behandlungen dort oder im E1 Center bei Prof. R. in U., da sich ihre gesundheitliche Situation dramatisch weiter verschlechtert habe und Folgebehandlungen daher dringend notwendig seien. Die Beklagte lehnte diese Anträge unter Bezugnahme auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Hamburg (MDK) vom 27. Mai 1998 durch Bescheid vom 8. September 1998 ab, da die begehrten Behandlungen ohne anerkannten Wirksamkeitsnachweis seien und Behandlungen im Inland durch zugelassene Leistungserbringer möglich seien. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2000 zurück. Die Diagnose MCS könne keinesfalls als gesichert angesehen werden und die im Inland zur Verfügung stehenden Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft. Darüber hinaus fehle ein wissenschaftlicher Beweis für die im B. Hospital oder bei Prof. R. angewandten Behandlungsmethoden.

Die Klägerin hat dagegen am 10. Juli 2000 Klage erhoben und vorgetragen, die Diagnose MCS sei sehr wohl gesichert. Für diese Erkrankung habe die Schulmedizin keine Therapie anzubieten. Sie benötige vielmehr eine Behandlung nach den Methoden der Klinischen Ökologie, die im B. Hospital oder bei Prof. R. durchgeführt werden könne. Dort müssten insbesondere verträgliche Lokalanästhetika und Zahnfüllstoffe für eine notwendige Zahnbehandlung sowie Narkosemittel, Kortison, Antihistamin und Antibiotika für eventuell eintretende Notfälle ausgetestet werden.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Prof. Dr. B2 vom 1. Oktober 2003 eingeholt. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung der Klägerin ausgeführt, dass eine ausreichend gesicherte Diagnose nicht gestellt werden könne, da die Klägerin eine weiterführende Diagnostik wegen der Befürchtung von Symptomverschlechterungen abgelehnt habe. Die von ihr angegebenen Beschwerden ähnelten jedoch dem Symptomkomplex einer MCS. Eine verbindliche Definition der MCS existiere nicht, sie beschreibe vielmehr eine Vielzahl unspezifischer Kernsymptome wie Müdigkeit, Schwindel, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie unspezifische Beschwerden verschiedener Organsysteme. Da die Symptome nicht auf eine objektivierbare Ursache zurückgeführt werden könnten, sei die Anerkennung als eigenständiges Krankheitsbild umstritten. Kontrollierte Studien zur Therapie der MCS seien bisher nicht bekannt, ursächlich wirkende Pharmakotherapien gebe es nicht. Das B. Hospital, das E1 Center sowie das deutsche Institut für U1 orientierten sich an der sogenannten Klinischen Ökologie, die aufgrund fehlender Standards als unkonventionelle Richtung der Allergologie zu verstehen sei. An diagnostischen und therapeutischen Strategien stehe dort neben einer Minimierung der Allergen- und Schadstoffexposition die sogenannte Provokations-Neutralisations-Technik nach Miller im Vordergrund. Allen Einrichtungen sei gemeinsam, dass der Behandlungserfolg durch valide wissenschaftliche oder prospektive Studien zu Wirksamkeit und Verträglichkeit der Therapie nicht habe belegt werden können. Auch bei eingehender Durchsicht der internationalen Literatur ließen sich nur wenig Quellen zur Therapie der MCS finden, wobei es auch Studien gebe, die zeigten, dass Therapieansätze der Klinischen Ökologie, wie beispielsweise die Karenz gegenüber Umweltnoxen, langfristig sogar zu einer Symptomverschlechterung führen könnten. Ein über den Placeboeffekt hinausgehender Therapieerfolg habe daher bisher nicht hinreichend belegt werden können, sodass weder im B. Hospital noch im E1 Center eine dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung der MCS durchgeführt werde.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 12. April 2005 – den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 26. Mai 2005 – abgewiesen und unter Bezugnahme auf das Gutachten von Prof. B2 ausgeführt, es stehe einem Leistungsanspruch entgegen, dass die Behandlung im B. Hospital und im E1 Center nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Ebenso wenig sei davon auszugehen, dass sich das dort angewandte Therapiekonzept in der medizinischen Praxis durchgesetzt oder in der medizinischen Fachdiskussion eine breite Resonanz gefunden habe.

Die Klägerin hat dagegen am 27. Juni 2005 (Montag) Berufung eingelegt und trägt vor, die angefochtene Entscheidung werde den Maßstäben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1BvR 347/98 – Juris) nicht gerecht. Aus den Befundberichten ihrer behandelnden Ärzte gehe hervor, dass sie die auftretenden Symptome teilweise als lebensbedrohlich empfinde und die streitige Behandlung notwendig sei, um eventuelle katastrophale Folgeschäden einschließlich eines Todesfallrisikos abzuwenden. Ihr seien Fälle bekannt, in denen die Verabreichung von Narkotika an MCS-Kranke zum Tode geführt habe. Andere seien aufgrund ihres schweren Leidens aus dem Leben geschieden. Bei ihr liege eine extreme MCS vor, da sie nicht nur auf zahlreiche alltägliche Schadstoffe, sondern sogar auf lebensrettende Medikamente wie Antihistamin, Kortison, Adrenalin und sämtliche Narkotika reagiere. Des Weiteren vertrage sie weder Schmerzmittel noch Zahnzemente. Sie sei deshalb bereits seit Jahrzehnten nicht mehr zahnärztlich oder chirurgisch behandelt worden, obwohl die Notwendigkeit hierfür bestanden habe. Die Testungen im B. Hospital hätten ergeben, dass sämtliche Lokalanästhetika und Zahnzemente unverträglich seien. Es gebe aber die Möglichkeit, sich individuell angefertigte Vakzine zu spritzen, um diese Stoffe eventuell später einmal zu vertragen. Für einen Erfolg seien aber halbjährliche Nachtestungen im B. Hospital erforderlich, um jeweils neue Vakzine herzustellen. Diese Behandlungen seien in deutschen Vertragskliniken weder heute noch damals möglich gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. April 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. September 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der stationären Behandlung im B. Hospital in E. in der Zeit vom 10. Februar bis 2. März 1997 zu erstatten sowie die Kosten für weitere Behandlungen im B. Hospital oder im E1 Center bei Prof. R. in U. zu übernehmen,

hilfsweise die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach persönlicher Untersuchung zur Frage, inwieweit eine hinreichende Ausschlussdiagnostik bei der Klägerin erfolgt ist beziehungsweise inwieweit durch andere medizinische Behandlungen die Erkrankungen der Klägerin geheilt werden können.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer bisherigen Rechtsauffassung fest. Der Senat hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ein nervenärztlich-umweltmedizinisches Gutachten von Dr. S. vom 30. September 2009 eingeholt. Dr. S. – ehemaliger ärztlicher Direktor und Geschäftsführer der Fachkliniken N1 – hat nach ambulanter Untersuchung der Klägerin festgestellt, dass sie unter MCS mit Nahrungsmittelintoleranzen sowie multiplen Allergien leide. Sie habe schon Ende der Sechzigerjahre erste Zeichen von systemischen Reaktionen auf umweltbedingte Belastungen gezeigt, wobei die daraus resultierenden gesundheitlichen Störungen ab Mitte der Achtzigerjahre ihren Lebensstil bestimmt hätten. Nach zahlreichen erfolglosen diagnostischen Interventionen hätten erst unter der 1988 von Herrn R1 gestellten Diagnose MCS hilfreiche komplexe Therapiestrategien entwickelt werden können. Hierzu gehörten die Expositionsmeidung gegenüber unverträglichen Substanzen, die Rotation verträglicher Nahrungsmittel sowie die Expositionsmeidung gegenüber unverträglichen physikalischen Faktoren (beispielsweise ultravioletter Strahlung). Die Klägerin verdanke der Befolgung dieser Behandlungsansätze die Wiedergewinnung eines großen Teils ihrer Funktionsfähigkeit. Es gebe inzwischen auch eine Reihe von Studien, die Interventionen mit orthomolekularen Substanzen und Vakzinen bei MCS verlaufsorientiert für notwendig erachteten. Bei den herkömmlichen statistischen Evaluationsansätzen sei es bisher aber schwer gefallen, die Effektstärken dieser Behandlungsansätze nachzuweisen, da die Messinstrumente sie nicht trenngenau erfassen könnten. Nach Ablauf eines erfolgreichen Modellversuchs in den Fachkliniken N1 hätten aber die Krankenkassen die Kosten der Verabreichung von orthomolekularen Substanzen und Vakzinen nicht mehr erstattet, sodass viele Patienten versucht hätten, ohne diese Leistungen auszukommen und nur die Basisstrategien (Expositionsmeidung, individuelle Nahrungsprotokolle) fortzusetzen, wobei es bei vielen nach unterschiedlichen Zeiträumen zu Verschlechterungen des gesundheitlichen Status gekommen sei. Aufgrund der wechselnden Rahmenbedingungen sei es allerdings schwierig, statistisch signifikante Unterschiede im Hinblick auf die Therapieergebnisse nachzuweisen. Bei unzureichender Behandlung könnten bei der MCS lebensgefährliche Risiken wie Herz- Kreislaufversagen, motorische Kontrollverluste, Krampfanfälle oder anaphylaktoide Reaktionen entstehen. Auf längere Sicht lebensgefährdend seien Krankheitsverläufe mit Kachexie und Suizidalität.

Der Senat hat sodann gemäß § 106 SGG ein Gutachten nach Aktenlage des Facharztes für Hygiene und Umweltmedizin Prof. Dr. W. vom 28. März 2011 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass sich der Begriff der MCS auf ein klinisches Syndrom beziehe, das durch wiederkehrende vielfältige Symptome verschiedener Organsysteme als Reaktion auf eine Vielzahl von unterschiedlichen chemischen Substanzen in niedrigsten Dosisbereichen gekennzeichnet sei. Es bestehe wissenschaftlicher Konsens weder zur Ätiologie der MCS noch zu den Therapiekonzepten. MCS sei daher nach wie vor eine Ausschlussdiagnose und könne erst gestellt werden, wenn keine andere körperliche, psychosomatische und/oder psychiatrische Diagnose das Beschwerdebild des Betroffenen ausreichend erkläre. Kontrollierte Studien zur Therapie von MCS lägen nicht vor, auch wirksame Pharmakotherapien seien nicht bekannt. Adäquate therapeutische Ansätze bedürften vielmehr stets eines ganzheitlichen bio-psycho-sozialen Verständnisses. Bei der Klägerin könne sowohl 1997 als auch im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung lediglich von einem Verdacht auf MCS gesprochen werden, da andere körperliche oder psychische Ursachen nicht hinreichend ausgeschlossen worden seien. Die im B. Hospital angewandten Therapien würden nach den Prinzipien der Klinischen Ökologie durchgeführt, die wissenschaftlich umstritten und deren Nutzen wissenschaftlich nicht ausreichend belegt sei. Kritische Stellungnahmen hierzu gebe es seit 1986. Sie habe daher weder 1997 dem seinerzeit anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen noch sei dies gegenwärtig der Fall. Das Gleiche gelte für Behandlungen im E1 Center, die ebenfalls nach den Prinzipien der Klinischen Ökologie erfolgten. Demgegenüber sei eine medizinisch erforderliche Behandlung auf der Grundlage einer sachgerechten Differentialdiagnostik im Rahmen der stationären vertragsärztlichen Versorgung auch in Deutschland möglich.

Dr. S. ist im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Dezember 2011 ergänzend gehört worden und hat auf Befragen erklärt, es gebe Hinweise, dass der Körper eines MCS-Patienten immunologisch, endokrinologisch, neuropsychologisch und vom Stoffwechsel her Dysfunktionen habe. Eine schlüssige Theorie für diese Störungen gebe es aber derzeit nicht. Entscheidend sei das Erscheinungsbild, wobei auch Laborbefunde Hinweise geben könnten. Bei der Klägerin bestehe ein schweres Krankheitsbild, das nicht mehr durch Verhaltensänderungen, wie zum Beispiel Expositionsvermeidung, ausreichend behandelt werden könne. Differentialdiagnostik und ergänzende Therapien seien hinreichend betrieben worden. Die bei ihr vorliegende Betäubungsmittelunverträglichkeit könne gefährlich werden, wenn sie plötzlich operiert werden müsse, da es dabei zu auch lebensbedrohlichen Komplikationen kommen könne. Durch eine entsprechende Hyposensibilisierung sei es möglich, die unerwünschten Wirkungen der Narkosemittel zu reduzieren. Der Aufenthalt im B. Hospital sei daher medizinisch angezeigt gewesen. Eine Nachbehandlung in Deutschland sei zurzeit nicht möglich, da der Kollege R1 die Methode nicht mehr praktiziere.

Auch Prof. Dr. W. ist in der mündlichen Verhandlung ergänzend gehört worden. Auf Befragen hat er ausgeführt, er habe in seiner beruflichen Tätigkeit sowohl universitäre Forschung betrieben als auch Patienten mit umweltbezogenen Krankheiten klinisch behandelt. Grob geschätzt habe er vielleicht etwa hundert MCS-Patienten betreut. Zu den Behandlungsmethoden gehörten die Hyposensibilisierung mittels psychotherapeutischer Verfahren ebenso wie eine interdisziplinäre Differentialdiagnostik. Es gebe auch im Bereich der Immunologie bei Menschen unterschiedliche Empfindlichkeiten gegenüber verschiedenen Umweltbelastungen. Die Immunologie gehöre aber nicht zu seinem Fachgebiet. Aus den Akten sei ihm bekannt, dass die Klägerin gegenüber verschiedenen Betäubungsmitteln überempfindlich sei. Hieraus resultiere selbstverständlich eine Gefährdung des Patienten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und die ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 20. Dezember 2011 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige (§§ 143, 151 SGG) Berufung ist nicht begründet, da das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Die Klägerin kann weder die Erstattung der Kosten für die im Jahr 1997 im B. Hospital durchgeführte stationäre Krankenhausbehandlung (1.) noch die Kostenübernahme für künftige Behandlungen im B. Hospital (2.) oder im E1 Center bei Prof. R. in U. (3.) verlangen.

1. Als Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten für die 1997 im B. Hospital durchgeführte stationäre Krankenhausbehandlung kommt allein § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in der bis zum 30. Juni 2001 geltenden Fassung in Betracht, der allerdings nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) mit Rücksicht auf höherrangiges Europäisches Recht für Krankenbehandlungen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) nur mit gewissen Einschränkungen anwendbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 11/04 R; BSG, Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 22/08 R; beide Juris). Anders als im ambulanten Bereich hat der EuGH es aber für zulässig angesehen, dass die Übernahme von Kosten für eine Krankenhausbehandlung im EU-Ausland von einer vorherigen Genehmigung der Krankenkasse abhängig gemacht wird und dass diese Genehmigung voraussetzt, dass die Behandlung in ärztlichen Kreisen als üblich betrachtet wird und die medizinische Behandlung des Versicherten es erfordert. Die Voraussetzung der Üblichkeit ist dabei erfüllt, wenn die Behandlung in der internationalen Medizin hinreichend erprobt und anerkannt ist. Wegen fehlender medizinischer Notwendigkeit darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Patienten ebenso wirksame Behandlung rechtzeitig in einer Einrichtung erlangt werden kann, mit der die Krankenkasse eine vertragliche Vereinbarung getroffen hat (EuGH, Urteil vom 13.05.2003 – C-385/99 (Müller-Fauré/van Riet); EuGH, Urteil vom 12.07.2001 – C-157/99 (Smits/Peerbooms); beide Juris).

Dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch steht nach Auswertung der vorliegenden Gutachten entgegen, dass die Behandlung im B. Krankenhaus im Jahr 1997 in der internationalen Medizin nicht hinreichend erprobt und anerkannt war, also nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Behandlungsmethode von der großen Mehrheit der Fachleute befürwortet worden wäre, was wiederum voraussetzen würde, dass hinsichtlich der Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen vorgelegen haben (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.1999 – B 1 KR 4/98 R; BSG, Urteil vom 14.02.2001 - B 1 KR 29/00 R – beide Juris – zur gleichartigen Voraussetzung in § 18 Abs. 1 SGB V). Dies ist jedoch nicht der Fall; vielmehr haben alle gerichtlich beauftragten Sachverständigen die übereinstimmende Aussage getroffen, dass die im B. Hospital durchgeführten, auf der Lehre der Klinischen Ökologie basierenden Behandlungsmethoden in wissenschaftlichen Fachkreisen umstritten waren beziehungsweise noch immer sind. Die Befürwortung der Methode durch einzelne Fachleute kann den Anspruch ebenso wenig begründen wie der Umstand, dass die Klägerin damit im konkreten Einzelfall positive Erfahrungen gemacht haben mag.

Prof. B2 und Prof. W. haben ausgeführt, dass bereits Definition, Ätiologie und Anerkennung der MCS als eigenständiges Krankheitsbild und demzufolge auch die möglichen Behandlungsstrategien stark umstritten seien. Beide haben mitgeteilt, dass es keine kontrollierten Studien zur Therapie der MCS und keine wissenschaftlichen abgesicherten Erkenntnisse zu den Ansätzen der im B. Hospital angewandten Klinischen Ökologie gebe. Es gebe lediglich vereinzelte Veröffentlichungen von Studien mit geringer Patientenzahl, denen wiederum kritische Publikationen gegenüberstünden.

Etwas anderes ergibt sich aber auch nicht aus dem Gutachten von Dr. S ... Auch wenn er persönlich die Behandlungsmethoden der Klinischen Ökologie befürwortet, hat er eine wissenschaftliche Anerkennung dieser Methoden im Sinne einer gesicherten Datenlage nicht darlegen können. Er hat zwar darauf hingewiesen, dass es eine Reihe von Studien und einen erfolgreichen Modellversuch in den Fachkliniken N1 gebe, die den Erfolg einer Behandlung von MCS-Patienten mit orthomolekularen Substanzen und Vakzinen belegt hätten; er hat aber gleichzeitig eingeräumt, dass es schwierig sei, dies mit Messinstrumenten objektivierbar zu erfassen. Soweit er darauf verwiesen hat, dass nach Abschluss des Modellversuchs viele Patienten aus Kostengründen auf diese Behandlungsteile verzichtet hätten und sich ihr Gesundheitszustand daraufhin verschlechtert habe, lässt sich auch damit eine hinreichende Anerkennung der Behandlungsmethode in wissenschaftlichen Fachkreisen nicht begründen. Insbesondere werden zu dieser Aussage weder Patientenzahlen noch Zeiträume oder Art und Häufigkeit der (wieder) aufgetretenen Symptome genannt, sodass eine Überprüfung oder Würdigung dieser Bewertung nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass beim Absetzen der vorher verabreichten Substanzen aus Kostengründen ein (umgekehrter) Placeboeffekt kaum auszuschließen sein wird. Dementsprechend hat Dr. S. auch zugestanden, dass aufgrund der wechselnden Rahmenbedingungen statistisch signifikante Ergebnisse nicht mitgeteilt werden könnten.

Des Weiteren steht dem Kostenerstattungsanspruch entgegen, dass es nicht an einer gleichen oder ebenso wirksamen Behandlungsmöglichkeit in einer Vertragseinrichtung im Inland fehlt. Dabei kann dahin stehen, ob Prof. B2 und Prof. W. darin zu folgen ist, dass bereits die Diagnose einer MCS bei der Klägerin nicht gesichert und insofern weitere Differentialdiagnostik im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erforderlich sei. Denn auch wenn man von dem Vorliegen einer MCS bei der Klägerin ausgeht, stehen vertragsärztliche Behandlungsmöglichkeiten im Inland zur Verfügung. Hierzu gehört zum einen der von Prof. W. genannte Ansatz, der eine Hyposensibilisierung mittels psychotherapeutischer Verfahren sowie eine interdisziplinäre Betrachtung in Form von auf das individuelle Krankheitsbild abgestimmten Behandlungen durch die jeweiligen Fachärzte vorsieht. Aber auch die Basisstrategien für die Behandlung der MCS nach den Grundsätzen der Klinischen Ökologie – im Wesentlichen die Austestung und Vermeidung unverträglicher Stoffe sowie die Erarbeitung von Verhaltens- und Ernährungskonzepten – können im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung, zum Beispiel in den Fachkliniken N1, erlangt werden. Soweit im B. Hospital darüber hinaus spezifische Behandlungsansätze, insbesondere Verabreichung von Vakzinen und orthomolekularen Substanzen, verfolgt werden, handelt es sich hierbei – wie ausgeführt – nicht um eine wissenschaftlich hinreichend anerkannte Methode, sodass hierauf nicht abgestellt werden kann.

Schließlich folgt auch keine andere Beurteilung aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 06.12.2005, a.a.O.), wonach es mit dem Verfassungsrecht nicht zu vereinbaren ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, der unter einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit leidet, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten ärztlichen Behandlung auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbare Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Diese Voraussetzungen sind schon deshalb nicht erfüllt, weil es, wie ausgeführt wurde, nicht an zumutbaren vertragsärztlichen Behandlungsmethoden gefehlt hat.

2. Aus den genannten Gründen kann die Klägerin auch nicht die Kostenübernahme für künftige stationäre Behandlungen im B. Hospital beanspruchen. Als Anspruchsgrundlage kommt insoweit ausschließlich § 13 Abs. 5 SGB V in seiner ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung in Betracht, mit dem die vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union im nationalen Recht umgesetzt worden sind. Hiernach setzt die Kostenübernahme voraus, dass eine vorherige Zustimmung der Krankenkasse eingeholt wurde, die Krankenhausbehandlung im Ausland dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und eine gleiche oder ebenso wirksame Behandlung in einer inländischen Vertragseinrichtung nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden kann. Wie sich aus den vorliegenden Gutachten ergibt, entspricht die im B. Hospital angewandte Behandlungsmethode auch gegenwärtig nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und es stehen weiterhin inländische Behandlungsalternativen zur Verfügung. Gegenüber dem Stand von 1997 haben sich insoweit keine Änderungen ergeben, sodass auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden kann. Nichts anderes folgt aus dem zum 1. Januar 2012 in Kraft tretenden § 2 Abs. 1a SGB V, mit dem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungskonformen Auslegung des Leistungsrechts bei lebensbedrohlichen oder tödlichen Erkrankungen (Beschluss vom 06.12.2005, a.a.O.) in geltendes Gesetzesrecht übernommen wird. Denn die in dieser Regelung bestimmten Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch entsprechen den vom Bundesverfassungsgericht formulierten und ermöglichen keinen vereinfachten Zugang zu abweichenden Leistungen.

3. Schließlich kann die Klägerin auch nicht die Übernahme der Kosten von Behandlungen im E1 Center in U. beanspruchen. Nach dem insoweit maßgeblichen § 18 Abs. 1 SGB V kann die Krankenkasse, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich ist, die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen ebenfalls nicht vor, weil auch die Behandlung im E1 Center der Lehre der Klinischen Ökologie folgt, die nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, und im Übrigen ausreichende Behandlungsmöglichkeiten im Inland bestehen.

Der Senat war nicht gehalten, dem Beweisantrag der Klägerin auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu der Frage nachzukommen, inwieweit eine hinreichende Ausschlussdiagnostik bei ihr erfolgt ist beziehungsweise inwieweit durch andere medizinische Behandlungen ihre Erkrankungen geheilt werden können. Die Frage nach hinreichender Ausschlussdiagnostik ist bereits nicht entscheidungserheblich, da die Voraussetzungen der geltend gemachten Kostenerstattungs- und Kostenübernahmeansprüche auch dann nicht erfüllt sind, wenn man vom Vorliegen einer MCS bei der Klägerin ausgeht. Die Frage nach anderen Behandlungsmöglichkeiten der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankung ist durch die vorliegenden Gutachten bereits hinreichend geklärt, wie im Einzelnen dargelegt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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