L 10 LW 1439/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 LW 6411/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 LW 1439/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.02.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Altersrente für Landwirte nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).

Der am 1926 geborene Kläger war Landwirt und bei der Beklagten versichert. Er ist nach wie vor Eigentümer von die Mindestgröße überschreitenden landwirtschaftlichen Flächen von mehr als 26 Hektar, die - so seine Angaben - seit Jahren von seinem Sohn E. bewirtschaftet werden. Im Jahr 2003 wurde vom Kläger und seinem Sohn E. ein Pachtvertrag über die landwirtschaftlichen Grundstücke mit Laufzeit vom 12.08.2003 bis 01.11.2013 unterschrieben. Mit Erklärung vom 13.04.2004 an die Beklagte - einen Altersrentenantrag vom Juli 2003 hatte der Kläger zwischenzeitlich zurückgenommen - bekundeten der Kläger und sein Sohn Manfred "ausdrücklich, dass der Pachtvertrag zwischen uns beiden über die Verpachtung des landwirtschaftlichen Betriebes für die Zeit vom 18.06.2003 bis 17.06.2013 in gegenseitigem Einvernehmen nicht zustande gekommen ist" (Bl. 22 VA). Dem entsprechend lehnte die Beklagte einen sinngemäß im Juli 2007 erneut gestellten Rentenantrag durch Bescheid vom 16.04.2008 und Widerspruchsbescheid vom 27.11.2008 mit der Begründung ab, das landwirtschaftliche Unternehmen sei nicht abgegeben.

In seiner hiergegen am 18.12.2008 beim Sozialgericht Freiburg erhobenen Klage hat der Kläger ausgeführt, er habe das landwirtschaftliche Unternehmen faktisch an seinen Sohn übergeben, der sei in das Unternehmen hineingewachsen; für eine faktische Übergabe sei eine Schriftform nicht erforderlich. Er sei auch gesundheitlich nicht mehr in der Lage, den Betrieb selbst zu bewirtschaften. Der Pachtvertrag für die Zeit vom 12.08.2003 bis 01.11.2013 sei tatsächlich nicht durchgeführt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.02.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, ein schriftlicher Pachtvertrag liege im Hinblick auf die Aufhebungsvereinbarung vom 13.04.2004 und die Erklärung des Klägers, der Pachtvertrag sei nicht mit Leben erfüllt worden, nicht vor. Die vom Kläger behauptete familieninterne Vertragsgestaltung in Form eines Hineinwachsens des Sohnes in den Betrieb reiche für eine Abgabe nicht aus, weil damit das zwingende Schriftformerfordernis nicht eingehalten werde, das für Pachtverträge gelte. Auch der Gesundheitszustand des Klägers habe keinen Einfluss auf die Erfüllung der Abgabevoraussetzungen.

Gegen den ihm am 01.03.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.03.2010 Berufung eingelegt. Er vertritt weiterhin die Auffassung, die vom Gesetz verlangte Schriftform des Pachtvertrages betreffe eine hier vorliegende faktische Übergabe des Unternehmens an den Sohn nicht. Vielmehr sei ihm die landwirtschaftliche Nutzung unmöglich gemacht.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.02.2010 und den Bescheid vom 16.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersrente für Landwirte ab dem 01.07.2007 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zwischenzeitlich ist der Kläger vom Landgericht Freiburg wegen eines früher beabsichtigten Hofübergabevertrages durch Urteil vom 23.12.2010 (14 O 416/08) zur Übereignung der landwirtschaftlichen Grundstücke an seinen Sohn E. verurteilt worden. Er hat dieses Urteil mit der Berufung angefochten.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide über die Ablehnung eines Anspruchs auf Altersrente sind rechtmäßig; der Kläger hat keinen derartigen Leistungsanspruch gegen die Beklagte.

Wie das Landgericht Freiburg im Urteil vom 23.12.2010 (14 O 416/08) geht auch der Senat davon aus, dass der Kläger wegen einer mittelgradigen Demenz prozessunfähig ist. Wie das Landgericht gründet auch der Senat seine Auffassung auf das vom Landgericht eingeholte und vom Kläger vorgelegte Gutachten des Arztes für Psychiatrie Dr. D. nebst ergänzenden Ausführungen.

Gleichwohl ist der Kläger ordnungsgemäß vertreten. Denn das Landgericht hat auf der Grundlage des von ihm eingeholten Gutachtens des Psychiaters Dr. D. auch und überzeugend festgestellt, dass am 26.07.2007, als der Kläger u.a. seinem Sohn M. K. eine Vollmacht erteilte, sich noch keine Hinweise auf eine schwere oder wesentliche Demenz fanden. Der Senat schließt sich auch insoweit der Beurteilung des Landgerichts an. Der Sohn M. K. steht somit gemäß § 51 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO), der gemäß § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, einem gesetzlichen Vertreter gleich, weil, wie § 51 Abs. 3 ZPO voraussetzt, durch die Vollmachterteilung die Bestellung eines Betreuers entfallen kann. Dabei umfasst die vom Kläger erteilte Vollmacht auch den vorliegenden Rechtsstreit, da sie u.a. zur Vertretung in Rentenangelegenheiten in jeder denkbaren Richtung ermächtigt (vgl. Bl. 94 ff. LSG-Akte). M. K. hat auf dieser Grundlage den Prozessbevollmächtigen des Klägers wirksam Prozessvollmacht erteilt.

Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist § 11 Abs. 1 ALG. Danach haben Landwirte Anspruch auf Regelaltersrente, wenn (Nr. 1) sie die Regelaltersgrenze erreicht haben, (Nr. 2) sie die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben und (Nr. 3) das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist. Die Regelaltersgrenze wird mit Vollendung des 67. Lebensjahres erreicht (§ 11 Abs. 3), nach der Übergangsvorschrift des § 87a ALG gilt für den Kläger mit seinem Geburtsjahr 1926 eine Regelaltersgrenze von 65 Jahren.

Diese Voraussetzungen für die begehrte Regelaltersrente erfüllt der Kläger jedoch nicht in vollem Umfang. Es fehlt - wie das Sozialgericht und die Beklagte zutreffend dargelegt haben - an einer Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens.

§ 21 Abs. 1 und Abs. 2 ALG unterscheiden - wie die vergleichbare frühere Regelung in § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Altershilfe für Landwirte (GAL) - zwei Fallgestaltungen der Abgabe (vgl. BSG, Urteil vom 16.11.1995, 4 R Lw 1/94 in SozR 3-5850 § 2 Nr. 1). Regelfall ist die Unternehmensabgabe durch Eigentumsübergang des landwirtschaftlichen Unternehmens auf einen Dritten. Erst in zweiter Linie - was die Rechtsfolgen anbelangt jedoch gleichwertig - kommt als Ersatzübergabe eine Überlassung des landwirtschaftlichen Unternehmens an einen Dritten durch Verpachtung oder Nießbrauch - wobei der entsprechende Vertrag der Schriftform und einer Mindestlaufzeit von neun Jahren bedarf (§ 21 Abs. 2 Satz 2 ALG) - bzw. die Unmöglichkeit landwirtschaftlicher Nutzung - ebenfalls für mindestens neun Jahre (§ 21 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz ALG) - in Betracht. Maßgebend ist danach, ob unter normalen Umständen davon ausgegangen werden kann, dass in der Zukunft eine Bewirtschaftung der Fläche durch den bisherigen landwirtschaftlichen Unternehmer ausgeschlossen ist ("prinzipiell endgültiger Verlust der Unternehmereigenschaft", vgl. BSG, Urteil vom 16.11.1995, 4 R Lw 1/94, a.a.O.). Dem bisherigen Unternehmer muss es verwehrt sein, aus eigener Rechtsmacht alsbald oder jederzeit die Bewirtschaftung des Landes wieder aufzunehmen (BSG, Urteil vom 07.12.1989, 4 RLw 9/88 in SozR 5850 § 2 Nr. 16).

Das Sozialgericht hat in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend dargelegt, dass hier gerade kein wirksamer Pachtvertrag und auch keine Unmöglichkeit landwirtschaftlicher Nutzung der Grundstücke durch den Kläger vorliegt. Der Senat sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Hervorzuheben ist, dass die bloß tatsächliche Einstellung der landwirtschaftlichen Nutzung durch den Kläger als solches zwar zum Verlust der Unternehmereigenschaft führt, jedoch für sich genommen noch keine Abgabe darstellt (BSG, Urteil vom 09.09.1982, 11 RLw 7/81 in SozR 5850 § 41 Nr. 14; Urteil vom 07.12.2000, B 10 LW 17/99 R in SozR 3-5868 § 21 Nr. 3). Auch eine bloß faktische Überlassung der Grundstücke an einen Dritten - hier den Sohn - ohne vertragliche Bindung erfüllt die Voraussetzungen einer Abgabe nicht. Denn im Grunde ist der Kläger als Eigentümer der Grundstücke und ohne jegliche vertragliche Verpflichtung nicht gehindert, die Grundstücke - und sei es durch einen Dritten in seinem Auftrag, weshalb es auf seinen Gesundheitszustand nicht ankommt - selbst zu bewirtschaften.

Hieran ändert - jedenfalls derzeit - auch das Urteil des Landgerichts Freiburg nichts. Zwar ist der Kläger darin verurteilt worden, die landwirtschaftlichen Grundstücke an seinen Sohn zu übereignen, also mit seinem Sohn einen schuldrechtlichen notariellen Vertrag nach Maßgabe eines früheren Vertragsentwurfes abzuschließen (Urteil Seite 24). Indessen ist dieses Urteil nicht rechtskräftig, weil es vom Kläger mit der Berufung angefochten ist. Erst mit Rechtskraft des Urteils würde die Willenserklärung des Klägers nach § 894 ZPO als abgegeben gelten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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