S 30 SF 646/11

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
30
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 30 SF 646/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Fiktive Terminsgebühr bei Teilanerkenntnis und Erledigung im Übrigen
Bemerkung
Bei Annahme eines Teilanerkenntnisses und Abgabe einer Erklärung des Rechtsstreits im Übrigen für erledigt (Klagerücknahme) ohne mündliche Verhandlung fällt eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG, dort Nr. 3, an. Entgegen anderer Ansicht ist der
1.
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 17.11.2011 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.10.2011 im Ausgangsverfahren S 30 SB 246/07 wie folgt abgeändert: Die von dem Erinnerungsgegner an den Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten werden auf 386,75 EUR festgesetzt.
2.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Im Ausgangsverfahren S 30 SB 246/07 machte der Erinnerungsführer mit der Klageschrift vom 12.10.2007 die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 40 gegen den Erinnerungsgegner geltend. Zur Begründung wurde vom Prozessbevollmächtigten mehrseitig zu den medizinischen Problemen des Mandanten ausgeführt. Es folgten zwei weitere, jeweils 2 ½-seitige Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten. Nach Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet, welches den festgestellten GdB von 40 bestätigte, erhob der Erinnerungsführer Einwendungen gegen das Gutachten, die begründet wurden. Weiterhin wurde ein Antrag nach § 109 SGG angekündigt unter Hinweis darauf, dass diesbezüglich noch Klärungsbedarf bestand. Mit gesondertem Schriftsatz wurde später der konkret zu beauftragende Arzt benannt. Das Gericht holte ein Gutachten auf dem Fachgebiet des Inneren nach § 109 SGG wie beantragt ein. Dieses ergab eine Empfehlung des Gutachters dahingehend, einen GdB von 50 festzustellen. Daraufhin gab der Erinnerungsgegner mit Schriftsatz vom 08.02.2010 ein Teilanerkenntnis wie folgt ab:

"Der Beklagte erklärt sich bereit, mit Wirkung ab 01. Dezember 2008 einen GdB von 50 festzustellen."

Der Erinnerungsführer nahm diese Erklärung mit Schriftsatz vom 22.02.2010 an und beantragte gleichzeitig eine Kostengrundentscheidung sowie die Übernahme der Kosten des Gutachtens nach § 109 SGG auf die Staatskasse. Der Erinnerungsgegner trat einer Kostenerstattung entgegen. Hierzu nahm der Prozessbevollmächtigte jeweils auf Aufforderung des Gerichts in drei weiteren Schriftsätzen Stellung. Nach Übernahme der Kammer durch die jetzige Vorsitzende wurde im Dezember 2010 über beide Anträge des Prozessbevollmächtigten entschieden, hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten wurde der Erinnerungsgegner zur hälftigen Erstattung verpflichtet.

Mit Antrag vom 10.01.2011 begehrte der Erinnerungsführer Kostenfestsetzung i.H.v. insgesamt 650,00 Euro netto = 773,50 Euro brutto. Der Nettobetrag setzt sich zusammen aus einer Verfahrensgebühr i.H.v. 350,00 Euro, einer Terminsgebühr i.H.v. 270,- Euro sowie Dokumenten- und Post- und Telekommunikationspauschale (insgesamt 30,00 Euro). Der Antrag enthält keine Begründung. Der Erinnerungsgegner erklärte sich bereit, Kosten i.H.v. 163,03 Euro brutto insgesamt zu erstatten. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einer Verfahrensgebühr i.H.v. 250,00 Euro netto sowie den o.g. Pauschalen (24,00 Euro netto) zuzüglich der Umsatzsteuer (19 % = 52,06 Euro). Vom sich ergebenden Gesamtbetrag i.H.v. 326,06 Euro brutto sei nach der Kostengrundentscheidung nur die Hälfte geschuldet. Mit Schriftsatz vom 05.08.2011 machte der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers hierzu geltend, dass die festgesetzte Gebührenhöhe bezüglich der Verfahrensgebühr angemessen und damit verbindlich sei. Die Terminsgebühr sei entstanden, da das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung geendet habe. Hilfsweise wurde für den Fall, dass keine Terminsgebühr entstanden sei, die Festsetzung einer Einigungs-/Erledigungsgebühr beantragt.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.10.2011 wurden die von dem Erinnerungsgegner zu erstattender Kosten auf 339,15 Euro festgesetzt. Dabei wurde die Verfahrensgebühr grundsätzlich in beantragter Höhe, davon jedoch nur die Hälfte, berücksichtigt. Weiterhin wurde eine Einigungsgebühr i.H.v. 190,- Euro netto und die o.g. Pauschalen (insgesamt 30,- Euro) jeweils zur Hälfte berechnet. Die Festsetzung einer über die Mittelgebühr hinausgehenden Verfahrensgebühr sei angemessen und damit verbindlich. Bezüglich der Einigungsgebühr liege aber nur ein Durchschnittsfall vor, für den die Mittelgebühr angemessen sei. Der Beschluss enthält keine Ausführungen dazu, warum eine Terminsgebühr nicht angefallen sei.

Ausweislich des Empfangsbekenntnisses wurde der Beschluss am 19.10.2011 dem Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers zugestellt.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legte der Erinnerungsführer unter dem 17.11.11, bei Gericht per Fax am selben Tag eingegangen, Erinnerung ein. Dieser wurde – nachdem der Erinnerungsgegner zur in Frage stehenden Problematik bereits zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hatte - mit gerichtlicher Verfügung vom 29.11.11 nicht abgeholfen.

B.

Die zulässige, insbesondere binnen eines Monats nach Bekanntgabe und damit innerhalb der Frist des § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereichte Erinnerung ist teilweise begründet. Dem Erinnerungsführer stehen wegen einer angefallenen Terminsgebühr höhere Kostenerstattungsansprüche gegen den Erinnerungsgegner zu, als im angegriffenen Beschluss festgesetzt wurden. Insoweit war der Beschluss zu ändern. Soweit Erstattung der berechneten Gebühren in voller Höhe beantragt wurde, ist die Festsetzung jeweils nur des halben Betrages jedoch nicht fehlerhaft. Diesbezüglich war die Erinnerung zurückzuweisen.

Da die Erinnerung selbst keine Begründung enthält, sondern nur auf die Ausführungen im Kostenfestsetzungsverfahren verweist, ist zunächst der Umfang der Erinnerung dahingehend festzustellen, dass diese sich gegen die Ablehnung der Festsetzung einer Terminsgebühr i.H.v. 270,- Euro netto (zuzüglich Umsatzsteuer) sowie gegen die Festsetzung nur der halben Beträge aller Positionen richtet.

I.

Gemäß § 2 Abs. 1 i.V.m. § 3 RVG richten sich die Gebühren vorliegend nach den im Vergütungsverzeichnis (VV) vorgesehenen Gebührentatbeständen und –rahmen.

1. Die in Rechnung gestellte Terminsgebühr ist dem Grunde und der Höhe nach entstanden und war somit festzusetzen, der angegriffene Beschluss insoweit zu ändern.

a) Die Terminsgebühr fällt gemäß Nr. 3106 VV RVG an "in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG)" und zwar nach Nr. 3 "auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet."

Die Frage, ob ein angenommenes Teilanerkenntnis mit anschließender Erledigterklärung (= Klagerücknahme) im Übrigen die Terminsgebühr auslöst, ist in der Rechtsprechung umstritten. Das Vorliegen einer "herrschenden Meinung", wie von Müller-Rabe im Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Auflage, dort Nr. 3106 VV Rn. 4, angegeben, lässt sich insoweit nicht feststellen. Zu diesem Schluss kommt auch das SG Hamburg in seinem Beschluss vom 10.11.2011, (Az. S 23 SF 217/11 E; entnommen der Datenbank JURIS). Der zu dieser Entscheidung gebildete Leitsatz lautet:

"Eine Terminsgebühr nach RVG-VV Nr 3106 S 2 Nr 3 entsteht nur bei einem vollständigen Anerkenntnis und nicht, wenn nach einem Teilanerkenntnis und dessen Annahme die Klägerin ihre Klage im übrigen zurücknimmt; die zT abweichend vertretene Ansicht ist auch keine "herrschende Meinung"."

In den Gründen heißt es:

"Eine Terminsgebühr nach VV Nr 3106 S 2 Nr 3 ist nicht entstanden. Voraussetzung für eine solche Gebühr ist nach ihrer Definition, daß "das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet"; damit ist erkennbar nur ein vollständiges Anerkenntnis gemeint und wird nicht der Fall erfasst, dass nach einem Teilanerkenntnis und dessen Annahme die Klägerin ihre Klage im Übrigen zurücknimmt (vgl LSG NRW 10.05.2006 - L 10 B 13/05 SB = AGS 2006, 441 = RVGreport 2006, 347; Thüringer LSG 19.06.2007 – L 6 B 80/07 SF = ASR 2008, 52; Thüringer LSG 26.11.2008 - L 6 B 130/08 SF = AGS 2009, 579; Thüringer LSG 29.07.2009 – L 6 B 15/09 SF; Keller jurisPR-SozR 22/2007 Anm. 6; Keller jurisPR-SozR 24/2008 Anm. 6; a.A. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl, Rnr 6 zu VV 3106; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl., Rdnr 1 zu VV 3106; SG Trier 25.01.2007 – S 6 SB 122/05 = JurBüro 2008, 86; SG Trier 25.03.2010 – S 5 SB 88/09 = JurBüro 2010, 361; SG Koblenz 05.03.2009 – S 3 SF 28/09 E = Jurbüro 2009, 311).

Daß es (worauf SG Koblenz in seinen o.g. Entscheidungen abstellt) für den Rechtsanwalt mit einem Aufwand verbunden ist, nach einem bloßen Teilanerkenntnis eine vollständige Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache zu erklären, bedeutet demgegenüber schon deshalb kein rechtlich gewichtiges Argument, weil dieser Aufwand wesentlich in Gesprächen mit dem Mandanten besteht, die indessen entsprechend der Vorbemerkung 3 Abs 3, 2. Halbsatz VV RVG für die Entstehung einer Terminsgebühr allein gerade nicht genügen, während die (vom SG Trier a.a.O. für wesentlich gehaltene) Frage, ob die Ausklammerung eines Teilanerkenntnisses aus dem Entstehen einer Terminsgebühr tendenziell zu einer vermehrten (Termins-)Belastung der Sozialgerichte führt, rechtspolitisch gestellt werden mag, aber keine von ihrem klaren Wortlaut abweichende Auslegung von VV Nr 3106 rechtfertigen kann.

Neben dem Wortlaut der VV Nr 3106 Nr 3 bleibt für deren zutreffende (und von keiner "herrschenden", sondern lediglich auf vereinzelte sozialgerichtliche Entscheidungen ohne eigene Begründung gestützte Meinung einiger Kommentatoren abweichend gesehene) Auslegung wesentlich, daß der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung der Gebührentatbestände auch das Ziel verfolgt, die Verfahrenskosten für die nach § 183 Satz 1 SGG kostenprivilegierten Kläger beim Sozialgericht niedrig zu halten (vgl SG Stuttgart 14.11.2011 2011 – S 20 SF 7180/10 E = AGS 2011, 72 unter Hinweis auf SG Duisburg 24.04.2006 – S 21 RJ 140/04)."

Auch das SG Nürnberg verneint in seinem Beschluss vom 16.09.2011 (Az. S 19 SF 108/11 E, ebenfalls entnommen der Datenbank JURIS) das Entstehen der Terminsgebühr im Falle eines angenommenen Teilanerkenntnisses mit nachfolgender Erledigung des Streits im Übrigen:

"Entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist das Gericht ohnehin der Auffassung, dass eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG nicht schon bei einem Teilanerkenntnis entsteht. Denn bereits der eindeutige Wortlaut von Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG verlangt, dass das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Gemeint ist mithin ein Anerkenntnis, dessen Annahme den Rechtsstreit sofort gemäß § 101 Abs. 2 SGG erledigt, ohne dass es weiterer Erklärungen bedarf. Ein Teilanerkenntnis, das den Rechtsstreit nur im Zusammenhang mit einer weitergehenden Erledigungserklärung beenden kann, löst den Anfall einer fiktiven Terminsgebühr gerade nicht aus. Soweit unter Berufung auf den Sinn und Zweck der Vorschrift eine andere Auffassung vertreten wird, vermag das Gericht dieser nicht zu folgen. Die Gegenmeinung des Sozialgerichts Trier etwa führt hierzu u.a. folgendes aus (Beschluss vom 25.03.2010, Az.: S 5 SB 88/09):

"Die so genannte fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 2 VV RVG ist vom Gesetzgeber angeordnet worden, weil der Gesetzgeber offenbar gesehen hat, dass ein nicht unerheblicher Teil aller sozialgerichtlichen Verfahren ohne Anberaumung eines Termins ihr Ende findet, der Gesetzgeber aber gleichzeitig auch gesehen hat, dass die Gebühren für das sozialgerichtliche Verfahren sich gegenüber dem unter der BRAGO bestehenden Zustand auf nur noch die Hälfte reduzieren würden, wenn kein Termin stattfindet. Um der Anwaltschaft diesen Einkommensverlust zu ersparen ist die fiktive Terminsgebühr, wie sie in Nr. 3106 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 VV RVG etwa vorgesehen ist, angeordnet worden (Guhl, Die Rahmengebühren im RVG für sozialrechtliche Angelegenheiten, NZS 2005, S. 193(194)). Es macht unter Berücksichtigung dieser gesetzgeberischen Intention keinen Sinn anzunehmen, dass ein Teilanerkenntnis nicht von der Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG erfasst wäre. Würde man dies annehmen, würde ein Teilanerkenntnis regelmäßig nicht mehr im schriftlichen Verfahren angenommen bzw. der Rechtsstreit im Übrigen nicht für erledigt erklärt werden. Das Gericht wäre dann gezwungen, einen Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen und der Anwalt würde durch die bloße Wahrnehmung dieses Termins, in dem er dann etwa "lediglich" das Teilanerkenntnis annimmt und den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt, den Anfall der Terminsgebühr auslösen. Die fiktive Terminsgebühr würde in dieser Situation gleichfalls entstehen, wenn das Gericht über den (noch) anhängigen Streitgegenstand im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung oder durch Gerichtsbescheid entscheidet. Es ist aber sicherlich nicht vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen, durch eine solche Regelung die Gerichte weiter zu belasten. Genau dies wäre allerdings die Folgen, wenn das Gericht gezwungen wäre, eine mündliche Verhandlung durchzuführen oder in der Sache zu entscheiden."

Nach Auffassung des Gerichts ist eine derartige, dem Wortlaut von 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG widersprechende Auslegung nicht erforderlich, um einen Gebührenanreiz für die Anwaltschaft zur Entlastung der Gerichte von mündlichen Verhandlungen zu schaffen. In entsprechenden Fallkonstellationen ist vielmehr - unter Wahrung der gesetzlichen Systematik - ein Anreiz dadurch zu schaffen, dass der Anfall einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG i.V.m. der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 VV RVG sowie der Anfall einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG wohlwollend geprüft werden."

Es erschließt sich jedoch in keiner Weise, wieso die Sozialgerichte Hamburg und Nürnberg hier davon ausgehen, dass der Wortlaut der Nummer 3106 Nr. 3 VV RVG eindeutig im oben zitierten Sinne sei. Das Gegenteil ist der Fall. Denn es heißt dort gerade nicht "durch" angenommenes Anerkenntnis, sondern "nach" angenommenem Anerkenntnis. Nur die Verwendung des Wortes "durch" würde aber die von den genannten Gerichten angenommene eindeutige Beschränkung auf das vollständige Anerkenntnis bewirken. Die Verwendung des Wortes "nach" dagegen lässt gerade Raum dafür, dass der Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung endet durch weitere Erklärungen "nach" angenommenem Anerkenntnis. Wollte man rein auf den Wortlaut abstellen, müsste also eher das Teilanerkenntnis unter Nr. 3 fallen, denn das Vollständige.

Kann somit nicht ausschließlich auf den Wortlaut abgestellt werden, ist die Regelung nach Sinn und Zweck auszulegen. Der Hinweis des Sozialgerichts Hamburg auf das gesetzgeberische Ziel, die Verfahrenskosten für die nach § 183 Satz 1 SGG kostenprivilegierten Kläger beim Sozialgericht niedrig zu halten, geht dabei nach hier vertretener Ansicht an der Sache vorbei. Hätte dieses Ziel bei Schaffung der Regelungen der Nr. 3106 im Vordergrund gestanden, hätte der Gesetzgeber auf die fiktive Terminsgebühr insgesamt verzichten müssen. Aus der Tatsache, dass er sich trotz dieses grundsätzlich vorhandenen Ziels für eine fiktive Terminsgebühr entschieden hat, ist zu schließen, dass das Ziel der Vermeidung arbeitsintensiver Verhandlungstermine hier den wesentlichen Ausschlag für die Regelung gegeben hat. Diesem Ziel entspricht es, sowohl das angenommene vollständige Anerkenntnis als auch das Teilanerkenntnis und die nachfolgende Erledigterklärung (Klagerücknahme) unter Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG zu fassen.

b) Die vom Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers festgesetzte Höhe der Terminsgebühr ist verbindlich, denn sie entspricht billigem Ermessen. Ausgehend von der Mittelgebühr i.H.v. 200,- Euro (Gebührenrahmen von 20,- bis 380,- Euro) entspricht die um 35 % vorgenommene Erhöhung auf 270,- Euro der nach Ansicht des Gerichts angemessenen Gebühr.

Dabei ist auch die Frage der festzusetzenden Höhe der fiktiven Terminsgebühr streitig. Soweit hier vertreten wird, dass sich die Höhe an der Höhe der Verfahrensgebühr orientieren soll (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., Nr. 3106 VV Rn. 13), kann dies nur eingeschränkt gelten. Denn die Voraussetzungen des § 14 RVG sind für alle Gebührentatbestände getrennt zu prüfen. Soweit aber wegen der Bedeutung der Angelegenheit oder wegen der höheren Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei der Verfahrensgebühr eine Überdurchschnittlichkeit bejaht wurde, kann für die Terminsgebühr nichts anderes gelten. Es ist dann nur noch zu prüfen, ob die (fehlende) Schwierigkeit und der (fehlende) Umfang der im fiktiven Termin zu erörternden Probleme diese erhöhend wirkenden Faktoren kompensieren. Da im vorliegenden Verfahren umfangreicher Prozessstoff und zwei im Ergebnis nicht gleichlautende medizinische Gutachten vorlagen, ist von einer Überdurchschnittlichkeit sowohl bezüglich des Umfangs als auch der Schwierigkeit einer fiktiven Verhandlung auszugehen. Wegen der Bewertung der anderen Faktoren des § 14 RVG wird auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Bescheid Bezug genommen.

2. Über die mit Schriftsatz vom 05.08.2011 hilfsweise beantragte Einigungs-/Erledigungsgebühr nach Nrn. 1005, 1006, 1002 VV RVG ist nicht mehr zu entscheiden. Denn der Kostenfestsetzungsbeschluss darf nicht mehr zusprechen, als beantragt war (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl., § 197 Rn. 9). Vorliegend ist der Antrag bezüglich der Erledigungsgebühr gestellt "hilfsweise für den Fall, dass eine Terminsgebühr nicht festgesetzt werden sollte." Da der Antrag Prozesshandlung ist und somit deren Voraussetzungen unterliegt (vgl. Leitherer, a.a.O., § 197 Rn. 4), ist diese bedingte Antragstellung möglich, wenn die Bedingung, also das künftige ungewisse Ereignis, ein Vorgang im Rahmen des Prozesses ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl., Vor § 60 Rn. 11). Das ist hier der Fall. Die Bedingung (nämlich Nichtfestsetzung einer Terminsgebühr) ist jedoch nicht eingetreten.

II.

Soweit sich die Erinnerung auch gegen die erfolgte nur hälftige Festsetzung aller Beträge richtet, war sie zurückzuweisen. Der Antrag vom 10.01.2011 auf Festsetzung in voller Höhe entspricht nicht der Kostengrundentscheidung, wonach nur die Hälfte der außergerichtlichen Kosten vom Erinnerungsgegner zu erstatten ist. Dem Antrag wurde also insoweit zu Recht von der Kostenbeamtin nicht stattgegeben.

III.

Nach all dem ergibt sich folgende Berechnung: Verfahrensgebühr 350,- Euro Terminsgebühr 270,- Euro Auslagenpauschale 20,- Euro Fotokopiekosten 10,- Euro Gesamt netto 650,- Euro Zzgl. MWST 123,50 Euro Gesamtsumme 773,50 Euro davon ½ = 386,75 Euro
Rechtskraft
Aus
Saved