L 6 U 24/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4 U 124/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 24/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Zuständigkeit für einen Versicherungsfall.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 30. Juli 1997 erkannte die Klägerin einen Unfall der am ... 1960 geborenen Versicherten M. S. vom 25. Mai 1992 als Arbeitsunfall an. Dabei war diese als Beschäftigte der sich seinerzeit in der Trägerschaft der Landeshauptstadt M. befindenden Kindertagesstätte "Kinderhaus A. S." im Rahmen einer Sportübung über einen Kasten gesprungen. Sie bewilligte der Versicherten mit Wirkung vom 29. Dezember 1993 an auf unbestimmte Zeit eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (vH). Folgen des Arbeitsunfalls seien eine nach operativ versorgtem Bandscheibenvorfall L5/S1 bestehende Bewegungseinschränkung im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie eine röntgenologisch nachweisbare Höhenminderung im ehemals betroffenen Wirbelsäulensegment. Grundlagen der Entscheidung waren u.a. das neurologische Gutachten des Dr. D. vom 29. März 1995 sowie die chirurgischen Gutachten des Dr. N. vom 22. August 1995 und 7. April 1997 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 6. Februar und 19. Juni 1996.

Nach Anhörung der Versicherten stellte die Klägerin dieser gegenüber mit bestandskräftigem Bescheid vom 8. Juni 2001 nach § 48 Abs. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) fest, dass ab dem 1. Juli 2001 keine Änderungen der Rente zugunsten der Versicherten mehr erfolgen würden. Nach der von dem Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. L. eingeholten beratenden Stellungnahme vom 11. April 2001 habe sich ergeben, dass das Unfallereignis vom 25. Mai 1992 auf das vorbestehende Bandscheibenleiden weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung als rechtlich wesentliche (Teil-)Ursache eingewirkt habe. In der genannten Stellungnahme hatte Dr. L. die Ansicht vertreten, durch die Erschütterung des Achsenorgans sei es (lediglich) zu einer Verlagerung des Bandscheibenvorfalls mit Tangierung der Nervenwurzel und damit verbundenen Funktionseinbußen gekommen.

Wegen eines Wechsels in der Trägerschaft der Kindertagesstätte "Kinderhaus A. S." stellte die Klägerin mit Bescheid vom 20. Januar 2006 gegenüber der Landeshauptstadt M. das Ende ihrer Zuständigkeit für die Versicherung fest. Den Bescheid sandte sie laut entsprechendem Aktenvermerk am gleichen Tag ab. Mit Schreiben vom 13. März 2006 überwies sie die Einrichtung rückwirkend zum 1. August 2005 an die Beklagte. Unter dem 7. April und 23. Mai 2006 machte sie dieser gegenüber bis einschließlich zum 31. Mai 2006 für die gezahlte Verletztenrente eine Erstattungsforderung in Höhe von 2.690,75 EUR geltend. Mit Schreiben vom 23. Mai 2006 hielt die Klägerin an ihrer Forderung fest und legte dar, dass die Entschädigungspflicht des neu zuständigen Trägers der gesetzlichen Unfallversicherungsträgers nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann nicht entfalle, wenn der Anspruch zu Unrecht anerkannt worden sei (BSG, Urteil vom 28. März 1985 – 2 RU 27/84BSGE 58, 63 = SozR 1300 § 45 Nr. 16).

Die Beklagte lehnte die Begleichung der Forderung mit Schreiben vom 3. Mai und 6. Juni 2006 ab. Voraussetzung für den Übergang der Unfalllast im Rahmen der erfolgten Überweisung des Unfallbetriebes sei das Vorliegen eines entschädigungspflichtigen Arbeitsunfalls. Ein solcher liege nach den Ausführungen Dr. L.s, der lediglich eine Gelegenheitsursache angenommen habe, aber nicht vor. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung an die Versicherte habe daher die Klägerin zu erbringen.

Am 22. Dezember 2006 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Dessau Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Beklagte sei an den Verwaltungsakt vom 30. Juli 1997 gebunden. Hierzu hat sie auf weitere Rechtsprechung des BSG verwiesen (BSG, Beschluss vom 23. August 1989 – 2 BU 15/89 – juris). Ungeachtet dessen festgestellter Rechtswidrigkeit habe die Versicherte einen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Verletztenrente erworben. Die Unfalllast richte sich nicht nur der Höhe nach, sondern auch in Bezug auf die Zuordnung zu einem bestimmten Unternehmen nach den bindenden Feststellungen im Verhältnis zwischen abgebendem Unfallversicherungsträger und Versichertem.

Die Beklagte hat an ihrer Ansicht festgehalten, wonach ein zu übernehmender Versicherungsfall nicht gegeben sei. Der bisherigen Rechtsprechung hätten nur Fälle zugrunde gelegen, bei denen ein Versicherungsfall vorgelegen habe, jedoch die Leistungen zu hoch festgestellt worden seien bzw. der neue Unfallversicherungsträger die Entscheidung des alten Unfallversicherungsträgers nicht akzeptiert habe. Beides sei hier nicht der Fall.

Mit Urteil vom 18. Februar 2009 hat das SG festgestellt, dass die Beklagte für den mit Bescheid vom 30. Juli 1997 anerkannten Arbeitsunfall der Versicherten M. S. vom 25. Mai 1992 ab dem 1. Januar 2007 zuständiger Unfallversicherungsträger sei, die Beklagte verurteilt, der Klägerin die ab dem 1. Januar 2007 für den Arbeitsunfall vom 25. Mai 1992 getätigten Aufwendungen zu erstatten und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Zuständigkeit der Beklagten und der Beginn ihrer Zuständigkeit folgten aus § 137 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Danach gehe die Zuständigkeit für einen Versicherungsfall, der vor einem Zuständigkeitswechsel eingetreten sei, mit dem Wechsel der Zuständigkeit für ein Unternehmen von einem Unfallversicherungsträger auf einen anderen über. Der bisherige Träger bleibe bis zum Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Entscheidung über das Ende seiner Zuständigkeit gegenüber dem Unternehmen bindend werde, für dieses zuständig. Maßgebliches Kalenderjahr sei hier das Jahr 2006. Das Ereignis vom 25. Mai 1992 stelle auch einen Versicherungsfall im Sinne des § 137 Abs. 2 Satz 1 SGB VII dar. Maßgeblich sei nämlich die durch die Klägerin erfolgte Bewilligung einer Verletztenrente infolge eines Versicherungsfalles. Nach der Rechtsprechung würden die zwischen dem alten Träger und dem Versicherten getroffenen Regelungen wegen der Bindungswirkung ergangener Bescheide in Verbindung mit der Rechtsnachfolge für den neuen Unfallversicherungsträger verbindlich, wobei es nicht auf die Rechtmäßigkeit der jeweiligen Verwaltungsakte ankomme (BSG, Urteil vom 28. März 1985, s.o.). Da für eine Nichtigkeit der von der Klägerin erteilten Rentenbewilligung keine Anhaltspunkte bestünden, habe die Beklagte den Versicherungsfall mit Wirkung vom 1. Januar 2007 an zu übernehmen. Ein Zuständigkeitswechsel schon ab dem 1. August 2005 lasse sich aus dem Gesetz dagegen nicht herleiten. Der Erstattungsanspruch der Klägerin folge aus § 105 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 103 Abs. 1 SGB X.

Gegen das den Beteiligten am 24. Februar 2009 zugestellte Urteil haben die Beklagte am 19. März 2009 und die Klägerin am 23. März 2009 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt jeweils Berufung eingelegt. Die Beklagte hat ihren Standpunkt wiederholt. Da die Klägerin im Bescheid vom 8. Juni 2001 die Rechtswidrigkeit ihrer zuvor getroffenen Entscheidung selbst festgestellt habe, liege kein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall vor. Eine zu überweisende Unfalllast sei damit nicht gegeben. Vorliegend handele es sich lediglich um einen Zahl- bzw. Leistungsfall der Klägerin. Nur weil die Klägerin die Möglichkeit einer Vermögensschadensversicherung zur Absicherung des ihr unterlaufenen "schweren" Fehlers nicht nutze, könne dies ihr – der Beklagten – nicht zum Nachteil gereichen. Ihre Mitglieder hätten nicht für Fehler anderer Versicherungsträger aufzukommen. Allein die Überweisung des Trägerunternehmens und ihre damit verbundenen zukünftigen Beitragseinnahmen stellten keinen Rechtfertigungsgrund dar.

Die Beklagte beantragt ihrem Vorbringen nach,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Februar 2009 aufzuheben, die Klage abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt ihrem Vorbringen nach,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Februar 2009 abzuändern, festzustellen, dass die Beklagte auch vom 1. August 2005 bis zum 31. Dezember 2006 zuständiger Unfallversicherungsträger für den mit Bescheid vom 30. Juli 1997 anerkannten Arbeitsunfall der Versicherten M. S. ist, die Beklagte zu verurteilen, ihr auch die für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis zum 31. Dezember 2006 für den Arbeitsunfall vom 25. Mai 1992 getätigten Aufwendungen zu erstatten sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Beklagte sei seit dem 1. August 2005 der für den Arbeitsunfall der Versicherten zuständige Unfallversicherungsträger. Dieser Zeitpunkt sei zwischen den Beteiligten in der Sache auch nicht strittig. Der Abschluss einer Vermögensschadensversicherung helfe bei der Beurteilung der Zuständigkeit nicht weiter und stehe auch der Übernahme von Entschädigungsfällen nach einer Unternehmensüberweisung nicht entgegen. Überdies trete eine solche Versicherung z.B. auch für zu hoch festgestellte Renten ein. Derartige Fälle seien auch nach Ansicht der Beklagten zu übernehmen.

Die Klägerin hat ihren Bescheid über die mit Ablauf des 31. Juli 2005 endende Zuständigkeit für die Kindertagesstätte "Kinderhaus A. S." an die Landeshauptstadt M. vom 20. Januar 2006 vorgelegt und ihre Mitteilung an die Beklagte über den zum 1. August 2005 stattfindenden Trägerwechsel der Kindereinrichtung von der Landeshauptstadt M. auf die I. L. S.-A. gGmbH B. vom 29. Juli 2005 beigefügt. Schließlich geht aus dem Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 11. Januar 2006 hervor, dass sich die Beklagte gegenüber dem neuen Träger der Kindertagesstätte vom 1. August 2005 an für zuständig erklärt und den entsprechenden Bescheid am 23. September 2005 übersandt hatte.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die nach § 143 bzw. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaften, form- und fristgerecht erhobenen (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässigen Berufungen haben keinen Erfolg. Wie das SG zutreffend entschieden hat, sind die von der Klägerin mittels Feststellungs- und Leistungsklage (§§ 56, 55 Abs. 1 Nr. 2, 54 Abs. 5 SGG) verfolgten Ansprüche erst mit Wirkung vom 1. Januar 2007 an gegeben. Die von der Klägerin erstrebte Feststellung bzw. Verurteilung der Beklagte bereits ab dem 1. August 2005 scheidet aus.

Zu einer (einfachen) Beiladung der Versicherten gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG sah sich der Senat nicht gedrängt. Von einer solchen der jeweiligen Träger der Kindertagesstätte konnte abgesehen werden, nachdem die insoweit gegebenen Zuständigkeiten der Beteiligten zwischen ihnen in der Sache nicht strittig sind. Ein Fall notwendiger Beiladung der Versicherten nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG liegt nicht vor. Denn in der vorliegenden Rechtsbeziehung der Beteiligten, in der es lediglich um die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen diesen geht, stehen ihr keine Mitwirkungsrechte zu (vgl. BSG, Urteil vom 13. September 1984 – 4 RJ 37/83BSGE 57, 146). Schon nach ihrer Stellung im Gesetz betreffen die vorliegend streitentscheidenden §§ 136, 137 SGB VII nicht das Verhältnis des Versicherten zum zuständigen Versicherungsträger. Vielmehr beinhalten diese Vorschriften Regelungen, welche unmittelbar nur unter den beteiligten Versicherungsträgern gelten und keine Mitwirkungsrechte des Versicherten betreffen, der einen gesetzlichen Wechsel der Zuständigkeit nicht verhindern kann (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 1985, a.a.O.; Urteil vom 29. November 1990 – 2 RU 15/90 – juris). Dies gilt zumindest dann, wenn – wie hier – Versicherte Leistungen erhalten haben und sie diese weder nochmals fordern können noch in Betracht kommt, dass sie deren Wert zu erstatten haben (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 – B 1 KR 20/04 RSozR 4-1300 § 111 Nr. 3, m.w.N.).

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten mit Wirkung vom 1. Januar 2007 an ein Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen zu, da infolge der Überweisung des neuen Trägers der Kindertagesstätte "Kinderhaus A. S." die Entschädigungslast aus dem Unfall der Versicherten vom 25. Mai 1992 zu diesem Zeitpunkt auf die Beklagte übergegangen ist.

Grundlage des Erstattungsanspruchs ist § 105 SGB X, wohingegen § 103 SGB X nicht einschlägig ist. Denn Voraussetzung für das Eingreifen von § 103 SGB X ist nach dessen Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 das (teilweise) Entfallen des Anspruchs auf Sozialleistungen für den Berechtigten. Da die Versicherte auf Grundlage der mit Bescheid vom 30. Juli 1997 bindend (§ 77 SGG) zuerkannten Verletztenrente einen unentziehbaren Leistungsanspruch erlangt hat, liegt eine solche Konstellation hier nicht vor.

Nach § 105 Abs. 1 SGB X ist für den Fall, dass ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, der zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig. Vorliegend sind die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X nicht erfüllt. Diese Norm regelt den Erstattungsanspruch des Leistungsträgers, der aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat, gegenüber dem endgültig zur Leistung verpflichteten Träger. Hier hat die Klägerin insbesondere durch den Bescheid vom 30. Juli 1997 keine vorläufigen Leistungen erbracht. Sie hat den Unfall der Versicherten vielmehr als einen in einem ihrer seinerzeitigen Mitgliedsunternehmen erlittenen Arbeitsunfall anerkannt und ihr eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH gewährt. Dieser Entscheidung lag ihre auf die Gutachten vom 29. März 1995, 22. August 1995 und 7. April 1997 sowie die ergänzenden Stellungnahmen vom 6. Februar und 19. Juni 1996 – in Abgleich mit einschlägiger Literatur – fußende Rechtsauffassung zugrunde, nach der der Unfall vom 25. Mai 1992 als Versicherungsfall anzuerkennen war und bei der Versicherten die im Bescheid bezeichneten rentenberechtigenden Unfallfolgen hinterlassen hat. Zu diesen Entscheidungen war die Klägerin im Zeitpunkt der Bescheiderteilung auch befugt. Denn der zuständigkeitsrelevante Trägerwechsel ist überhaupt erst zum 1. August 2005 erfolgt, und das Überweisungsverfahren wurde erst durch die Bestätigung der Beklagten gegenüber der Klägerin vom 11. Januar 2006 beendet. Hierbei handelt es sich um eine Überweisung nach § 136 Abs. 1 Satz 4 Alt. 2 SGB VII, da die Zuständigkeit der Klägerin für die Kindereinrichtung mit dem Wechsel des Trägers von der Landeshauptstadt M. auf die I. L. S.-A. gGmbH B. entfiel. Vom Zeitpunkt der Wirksamkeit der Überweisung an (hierzu später) ist die Beklagte damit in vollem Umfang in die Rechtsstellung der Klägerin eingetreten und ihre Zuständigkeit für den neuen Unternehmensträger begründet worden. Die Klägerin war fortan unzuständig i.S.v. § 105 Abs. 1 SGB X.

Die Überweisung hat gemäß § 137 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VII auch zur Folge, dass die Unfalllast auf die Beklagte überging. Für abweichende Vereinbarungen i.S.v. § 137 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VII, für die jeweils Vorstandsbeschlüsse der betroffenen Versicherungsträger erforderlich wären (vgl. KassKomm-Ricke, Stand April 2011, § 137 SGB VII, Rn. 6), ist vorliegend weder etwas ersichtlich noch von den Beteiligten vorgetragen. Der Übergang der Unfalllast kann von der Beklagten nicht mit dem Argument abgewehrt werden, die Klägerin habe den Versicherungsfall bzw. den Rentenanspruch zu Unrecht anerkannt.

Nach § 137 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, der – mit Ausnahme des nicht übernommenen finanziellen Ausgleichs von Betriebsmitteln und Rücklagen (§ 649 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung – RVO) – den früheren Regelungen der §§ 669, 649 Abs. 1 RVO entspricht, wird derjenige Unfallversicherungsträger, auf den die Zuständigkeit für ein Unternehmen übergeht, auch hinsichtlich derjenigen Versicherungsfälle zuständig, die vor dem Zuständigkeitswechsel eingetreten sind. Die Ansprüche des Versicherten auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung begründen einen Versicherungsfall im Sinne der Vorschrift. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob der Versicherungsfall ausdrücklich festgestellt war, für alle Fälle, in denen Leistungen aus der Versicherung gegenüber dem Versicherten materiell-rechtlich oder nach Maßgabe bestandskräftiger Bescheide aufgrund eines Anknüpfungsereignisses nach der früheren Zuständigkeit zu erbringen sind. Ein solches Verständnis folgt jedenfalls aus Sinn und Zweck sowie Systematik der Regelungen zur Überweisung. Indem nämlich der Übergang der Unfalllast verhindern soll, dass der bisherige Unfallversicherungsträger weiterhin die auf dem überwiesenen Unternehmen ruhenden Lasten zu tragen hat, ohne ein Beitragsäquivalent zu erhalten, wird dem Fehlen einer Kapitaldeckung der Ausgaben nach dem Umlageprinzip (§ 152 Abs. 1 SGB VII) Rechnung getragen. Danach hat die Beklagte vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Überweisung an diejenigen Entschädigungsansprüche zu befriedigen, die aus Unfällen in dem überwiesenen Unternehmen erwachsen sind. Zu diesen gehört hier der Versicherungsfall vom 25. Mai 1992. Der Übergang der Entschädigungslast bewirkt, dass die Beklagte an diejenigen Berechtigungen auf Seiten der Versicherten gebunden ist, welche die bis dahin zuständige Klägerin verbindlich zu beachten hatte. Art und Umfang dieses konkreten öffentlich-rechtlichen Versicherungsverhältnisses gehen mit anderen Worten in derjenigen Rechtsposition auf die Beklagte über, die die Versicherte gegenüber der Klägerin inne hatte. Die Entschädigungspflicht des neu zuständigen Unfallversicherungsträgers entfällt grundsätzlich selbst dann nicht, wenn sie bei anfänglicher Zuständigkeit dieses Versicherungsträgers entweder kraft Gesetzes oder kraft Satzung gar nicht entstanden wäre oder aber der Anspruch – aus welchen Gründen auch immer – zu Unrecht anerkannt worden ist. Der Anspruch des Versicherten verbleibt ihm in der bestandskräftig festgestellten Höhe. Ein Eingriff in seine Rechtsposition anlässlich des mit der Überweisung akzessorischen Übergangs der Unfalllast ist überhaupt nur erlaubt, wenn das Gesetz ihn ausdrücklich zulässt (BSG, Urteil vom 28. März 1985, a.a.O.; Urteil vom 29. November 1990, a.a.O.; Beschluss vom 23. August 1989, s.o.).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn der Bescheid der Klägerin vom 30. Juli 1997, der weder nach § 45 SGB X rücknehmbar noch nach § 48 SGB X aufhebbar ist, ist jedenfalls auch nicht nichtig. Nichtig ist ein Verwaltungsakt gemäß § 40 SGB X, wenn er an einem besonders schwerwiegenden und bedeutsamen Form- oder Inhaltsfehler leidet, welcher offenkundig war. Hierfür fehlt jeder Ansatzpunkt. Die seinerzeit zuständige Klägerin hat ihre Entscheidung auf Grundlage der eingeholten gutachtlichen Einschätzungen in kritischer Würdigung mit den einschlägigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen wohlbegründet getroffen. Auch unter Berücksichtigung der im Bescheid vom 8. Juni 2001 angeführten Argumentation erscheint ihr Rechtsstandpunkt auch rückblickend nicht einmal als unvertretbar, zumal sich angesichts der von Dr. L. angeführten (unfallbedingten) Verlagerung des Bandscheibenvorfalls mit Tangierung der Nervenwurzel und damit verbundenen Funktionseinbußen in Verbindung mit den im Durchgangsarztbericht vom 25. Mai 1992 dokumentierten Erstbefunden allenfalls über bestimmte Unfallfolgen – nicht aber über die Feststellung des Versicherungsfalls an sich – streiten lassen dürfte.

Der freiwillige Abschluss einer Vermögensschadensversicherung hat auf den von § 137 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VII angeordneten gesetzlichen Wechsel in der Zuständigkeit für den Versicherungsfall vom 25. Mai 1992 keinen rechtserheblichen Einfluss. Denn beim Vorhalt einer solchen Versicherung durch die Klägerin, zu deren Abschluss sie nach dem SGB VII nicht verpflichtet ist, würde Deckung etwa auch für zu hoch festgestellte Renten eintreten, was den Übergang der Unfalllast nach den eigenen Darlegungen der Beklagten gerade nicht hindern würde. Dann leuchtet aber nicht ein, warum der Übergang der Unfalllast z.B. bei einem zu Unrecht zuerkannten Rentenanspruch und entsprechender Versicherungsdeckung anders zu beurteilen sein sollte. Der von der Beklagten geschlossene Versicherungsvertrag mag zwar durchaus sinnvoll sein und für insoweit gedeckte Risiken eingreifen. Ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung werden die Rechtsfolgen des § 137 SGB VII hierdurch aber nicht berührt, so dass auch die Beklagte bei einem Vorgehen nach § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII einen Versicherungsfall nicht "behalten" könnte.

Damit könnte die Beklagte im Ergebnis auch nicht Einwendungen gegen die Leistungsverpflichtung gegenüber der Versicherten im Hinblick auf die Höhe des Erstattungsanspruchs geltend machen. Zwar bestimmt sich diese gemäß § 105 Abs. 2 SGB X grundsätzlich nicht nach der erbrachten Leistung des unzuständigen Versicherungsträgers, sondern nach den für den zuständigen Versicherungsträger geltenden Vorschriften. Im Falle einer Überweisung gilt jedoch § 137 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als maßgebliche, vom zuständigen Leistungsträger zu beachtende Vorschrift i.S.v. § 105 Abs. 2 SGB X, so dass die Beklagte die Unfalllast letztlich in derjenigen Höhe zu entschädigen hat, wie sie von der Klägerin festgestellt wurde.

Entgegen der Ansicht der Klägerin haben der Zuständigkeitswechsel und die dadurch bedingten Rechtsfolgen nicht bereits vom 1. August 2005 an Wirkung entfaltet. Insbesondere lässt sich ein solches Ergebnis nicht auf § 137 Abs. 1 Satz 2 SGB VII stützen, wonach die Unfallversicherungsträger (von § 137 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) Abweichendes vereinbaren können. Allein die Mitteilung der Klägerin an die Beklagte vom 29. Juli 2005, ihr Überweisungsschreiben vom 13. März 2006 sowie die Bestätigung der Beklagten vom 11. Februar 2006 reichen hierfür nicht aus. Zwar mag darin der einvernehmliche Willen zu einer rückwirkenden Unternehmensüberweisung bereits zum 1. August 2005 gesehen werden. Derartige Einzelfallentscheidungen sind durch die Regelung des § 137 Abs. 1 Satz 2 SGB VII jedoch nicht gedeckt. Vielmehr ist diese Norm – ähnlich wie z.B. § 189 SGB VII und andere im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung enthaltene Vorschriften – Ermächtigungsgrundlage für Vereinbarungen, die die Unfallversicherungsträger in abstrakt-genereller Form für bestimmte Konstellationen in ihrer Gesamtheit im Sinne so genannter Normsetzungsverträge treffen. Im vorliegenden Zusammenhang ist dies die am 1. Februar 2000 in Kraft getretene "Vereinbarung betreffend Überweisung von Unternehmen" vom 31. Januar 2000 (abgedruckt etwa bei Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, Stand August 2011, § 137, Rn. 4), welche die auf der Vorgängerregelung des § 668 Abs. 2 RVO beruhende entsprechende Vereinbarung vom 18. Juni 1976 abgelöst hat.

Für dieses Verständnis sprechen sowohl die Gesetzessystematik als auch die historische Auslegung, mag allein der Wortlaut der Norm für sich betrachtet durchaus auch ein anderes Verständnis zulassen. § 137 Abs. 1 SGB VII entspricht im Wesentlichen § 668 RVO, wobei die Überweisung nach dieser Norm mit Ablauf des Geschäftsjahres, in dem der Zuständigkeitswechsel dem Unternehmer mitgeteilt worden ist, wirksam wurde. Daran anknüpfend stellt § 137 Abs. 1 Satz 1 SGB VII für den Fall eines – wie hier – nach § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII erfolgten Zuständigkeitsübergangs nunmehr auf den Ablauf des Kalenderjahres ab, in dem die Entscheidung über das Ende der Zuständigkeit des bisherigen Unfallversicherungsträgers gegenüber dem Unternehmen bindend wird. Dies korrespondiert mit der Umlage nach Kalenderjahren (§ 152 Abs. 1 SGB VII) und dient insbesondere auch der erleichterten Abwicklung von Beitragsverpflichtungen. Für eine im Einzelfall zwischen zwei Unfallversicherungsträgern frei vereinbarte Wirksamkeit einer Unternehmensüberweisung lieferte das Gesetz weder in der Vergangenheit eine Grundlage noch hält es dafür – mit Ausnahme der seinerzeit auf § 668 Abs. 2 RVO bzw. gegenwärtig auf § 137 Abs. 1 Satz 2 SGB VII beruhenden Vereinbarungen (s.o.) – aktuell eine Stütze bereit. Da ein Tatbestand, aus dem sich eine mit Wirkung vom 1. August 2005 an eingetretene Überweisung herleiten ließe, in der Vereinbarung vom 31. Januar 2000 nicht enthalten ist, verbleibt es beim Grundsatz des § 137 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Ausgehend von dem am selben Tag zur Post gegebenen Bescheid der Klägerin vom 20. Januar 2006 ist unter Berücksichtigung von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X i.V.m. § 77 SGGG folglich auf den Ablauf dieses Kalenderjahres abzustellen, so dass der Zuständigkeitswechsel und der damit akzessorische Übergang der Unfalllast aus dem Versicherungsfall vom 25. Mai 1992 ab dem 1. Januar 2007 wirksam geworden sind.

Anhaltspunkte dafür, dass § 105 SGB X wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Klägerin nicht anwendbar ist, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat nicht etwa Leistungen zu Lasten der Beklagten in Kenntnis ihrer eigenen Unzuständigkeit erbracht. Vielmehr war sie bis zum Wirksamwerden der Überweisung für die Erbringung der Verletztenrente zuständig. Letztlich liegen auch keine Hinweise für einen Ausschluss des Erstattungsanspruchs nach § 111 SGB X oder aber seine (teilweise) Verjährung gemäß § 113 SGB X vor. Die Klägerin hat ihren Erstattungsanspruch – ausgehend von ihrer Rechtsansicht – erstmals mit Schreiben vom 29. Juli 2005 angemeldet und die bis zum 31. Mai 2006 erbrachten Leistungen unter dem 7. April und 23. Mai 2006 geltend gemacht. Abgesehen davon, dass die Beklagte mit Schreiben vom 19. September bzw. 14. Dezember 2006 für die Zeit bis zum 31. Dezember 2007 auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet hat, sind die ab dem 1. Januar 2007 an die Versicherte erbrachten erstattungsfähigen Leistungen durch die Klageerhebung am 22. Dezember 2006 gesichert (§ 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Nach alledem waren die Berufungen zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Gegenstandwertes hat ihre Grundlage in § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. den §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 40, 47 Abs. 1 und 2 sowie 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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