Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 20 R 1968/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 458/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2010 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 20. September 2010 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die am 1961 geborene Klägerin begehrt die Anerkennung von Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.
Die Klägerin besuchte nach Vollendung des sechzehnten Lebensjahres bis 31. August 1980 die E Oberschule T in B (O) und bestand das Abitur am 4. Juli 1980. Vom 1. September 1980 bis 31. August 1985 war sie an der Hochschule für Ö "B L" B eingeschrieben und erlangte ausweislich des Zeugnisses vom 30. Juli 1985 am 2. Juli 1985 den akademischen Grad Diplomwirtschaftler. Zum 1. September 1985 nahm sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Auf den Kontenklärungsantrag der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2004 die in dem dem Bescheid beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten hinsichtlich der Zeiten bis zum 31. Dezember 1995 fest und lehnte es u.a. ab, die Zeit vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 als Anrechnungszeit vorzumerken. Sie wies darauf hin, die Zeit vom 17. Juni 1977 bis 16. Juni 1978 sei als Zeit schulischer Ausbildung vorgemerkt worden, diese Zeit könne jedoch derzeit bei einer Rentenberechnung nicht berücksichtigt werden, weil sie vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegt worden sei. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2006 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt: Über die Anrechnung des Zeitraums vom 17. Juni 1977 bis 16. Juni 1978 sei nicht im Bescheid nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) zu entscheiden, sondern erst bei Eintritt des Leistungsfalls. Aufgrund des am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes – WFG – vom 25. September 1996 (BGBl. I S 1461) seien Zeiten der schulischen Ausbildung nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI im Übrigen erst ab Vollendung des 17. Lebensjahres zu berücksichtigen. Der Zeitraum vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 könne nicht als Hochschulausbildung im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB VI anerkannt werden, weil die Klägerin zuvor schon ihr Studium erfolgreich beendet hätte.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgebracht: Das WFG sei verfassungswidrig. Die Zeit vom 3. Juli 1985 bis zum 31. August 1985, d. h. bis zum Beginn des regulären Einstellungstermins in der DDR sei als Anrechnungszeit anzuerkennen. Die Vorschriften zur Anrechnung passten nicht zu den tatsächlichen Gegebenheiten in der DDR. Die Aufnahme einer Zwischenbeschäftigung sei ihr weder erreichbar noch zumutbar gewesen. Das Sozialgericht Berlin (SG) hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. April 2010 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrten Vormerkungen. Rechtgrundlage für die streitigen Vormerkungen von Anrechnungszeittatbeständen sei § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI. Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI idF des WFG seien Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach vollendetem siebzehntem Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben, insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren. In dem von der Klägerin geltend gemachten Zeitraum ihrer schulischen Ausbildung sei sie jedoch (erst) sechzehn Jahre alt gewesen. Der Ausschluss von Zeiten vor Vollendung des siebzehnten Lebensjahres sei verfassungsgemäß. Insbesondere liege kein Verstoß gegen die Grundrechte der Klägerin aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor. Der Eingriff in die Rentenanwartschaft infolge der Verschiebung des Beginns der Anrechnungszeit wegen Schulausbildung auf die Vollendung des siebzehnten Lebensjahres diene einem Gemeinwohlzweck und sei verhältnismäßig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 – 1 BvL 10/00 – BVerfGE 117, 272, 296 ff.). Hierbei sei insbesondere zu beachten, dass eine solche Anwartschaft, soweit ihr die Zurücklegung einer schulischen Ausbildung zugrunde liege, nicht auf einer Beitragsleistung beruhe. Die Schulausbildung als solche begründe allein noch keinen personalen Bezug zur Rentenversicherung. Sie stelle für sich genommen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Eigenleistung des Versicherten dar, die der Rentenversicherung zugute komme, sondern diene der eigenen Qualifizierung und liege in seinem Verantwortungsbereich (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2008 – B 13 R 43/07 R –, vgl. auch BSG, Urteil vom 24. Februar 1999 – B 5 RJ 28/98 R – juris). Soweit die Klägerin ferner die Vormerkung der Zeit vom 3. Juli 1985 bis zum 31. August 1985 als Anrechnungszeit begehre, handele es sich nicht um Zeiten einer Hochschulausbildung gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI. Nur solche Zeiten erfüllten den Tatbestand einer Anrechnungszeit, die der "Ausbildung" dienten, in denen also Berufsausbildung tatsächlich erfolgt sei; das Ende der Ausbildung werde grundsätzlich durch die Abschlussprüfung gesetzt (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1999 – B 4 RA 12/98 R – juris). Dies gelte unabhängig davon, ob der Versicherte eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht habe. Derartige – ohne eigene Beitragsleistung zurückgelegte – (Ausbildungs-)Anrechnungszeiten dienten nicht der Vervollständigung der Versicherungsbiographie, sondern stellten eine Solidarleistung der Versichertengemeinschaft dar. Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung von rentenrechtlichen Zeiten im Bereich des sozialen Ausgleichs unter den Rentenversicherten einen weiten Gestaltungsspielraum. Wenn er dabei typisierend darauf abstelle, dass der Versicherte durch seine Ausbildung eine berufliche Qualifikation erreicht habe, die ihm die Aufnahme einer regelmäßig in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigung ermögliche und deshalb als Endzeitpunkt für den berücksichtigungsfähigen Umfang auf den letzten Ausbildungstag ohne Berücksichtigung "DDR-spezifischer Besonderheiten" abstelle, sei dies auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der von der Klägerin geltend gemachten Zeit nach ihrer Abschlussprüfung handele es sich auch nicht um eine unschädliche Überbrückungszeit, da der betroffene Abschnitt nicht zwischen zwei Ausbildungsabschnitten gelegen habe (vgl. BSG, Urteil vom 31. August 2000 – B 4 RA 7/99 R - juris).
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 20. September 2010 gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI Zeiten bis 31. Dezember 2003 festgestellt, soweit diese nicht bereits früher festgestellt worden waren. Nachdem die Klägerin neben der Weiterverfolgung ihres erstinstanzlichen Klagebegehrens zunächst hilfsweise die Anerkennung der Zeit vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit begehrt hatte, hat sie im Erörterungstermin vom 14. September 2011 ihr Begehren auf die Vormerkung von Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung beschränkt. Sie trägt ergänzend vor: Es liege bisher keine sachliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Verkürzung von Schulzeiten um zwölf Monate vor. Der Wegfall der Anrechnungszeit vor Vollendung des 17. Lebensjahres behandele sie willkürlich schlechter als Bestandsrentner, die eine Anerkennung und Abgeltung innerhalb ihrer Rentenanwartschaften erhalten hätten. Mit dem Festhalten an der Altersgrenze von siebzehn Jahren werde unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zwischen akademischen und nichtakademischen Ausbildungen differenziert. Der Gesetzgeber gehe in Art einer "Salami-Taktik" fortgesetzt gegen das bisherige System der Rentenversicherung vor, die zu immer höheren Anwartschaftsverlusten führe. Soweit Wartezeiten nach einem formellen Hochschulabschluss bis zum Beginn einer Beschäftigung trotz Immatrikulation nicht als Anrechnungszeit im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr. 4 iVm § 252a SGB VI anerkannt würden, verstoße dies gegen Art. 3 Abs. 1 GG und gegen das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2010 und Änderung des Bescheides vom 19. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2006 in der Fassung des Bescheides vom 20. September 2010 zu verpflichten, die Zeiten vom 17. Juni 1977 bis 16. Juni 1978 und vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Dabei war im Berufungsverfahren ausschließlich über die erstinstanzlich verfolgte und statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage iSv § 54 Abs. 1 und 4 SGG gegen den Bescheid vom 19. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2006 zu befinden, mit der die Klägerin die Vormerkung der Zeiten vom 17. Juni 1977 bis 16. Juni 1978 und vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung begehrt. Der Bescheid vom 20. September 2010 ist nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, weil er den angefochtenen Verwaltungsakt nicht abgeändert oder ersetzt hat. Denn mit dem Bescheid vom 20. September 2010 sind nur Daten festgestellt worden, die nicht – wie hier – bereits früher festgestellt worden waren. Soweit sich die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 20. September 2010 richtet, war sie mangels funktioneller Zuständigkeit des Landessozialgerichts unzulässig (vgl. § 29 SGG) und mithin abzuweisen.
Die auf die Vormerkung der Zeiten vom 17. Juni 1977 bis 16. Juni 1978 und vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung gerichtete Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 19. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Vormerkung der streitigen Zeiträume als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung. Zur weiteren Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Gerichtsbescheides (S. 4 Abs. 2 bis S. 6 Abs. 2 letzte Zeile) Bezug. Ergänzend ist lediglich auszuführen: Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens an seiner Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 16. März 2011 – L 16 R 758/10 – juris) fest, dass die Nichtanrechenbarkeit von vor Vollendung des siebzehnten Lebensjahres zurückgelegten Schulzeiten verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Das BSG hat im Übrigen in dem zur Begrenzung des Gesamtleistungswerts für Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung ergangenen Urteil vom 19. April 2011 – B 13 R 8/11 R – im Vorgehen des Gesetzgebers mit und seit dem Erlass des WFG entgegen der Auffassung der Klägerin ("Salami-Taktik") keine verfassungswidrige Verschlechterung rentenversicherungsrechtlicher Positionen erkennen können und im Übrigen erneut darauf hingewiesen, dass die Schul- und Hochschulausbildung als solche keinen personalen Bezug zur Rentenversicherung begründe. Es sei deshalb durchaus konsequent, die Ausbildung vorwiegend dem Bereich der Eigenverantwortung des Einzelnen zuzuordnen, deren besondere Honorierung dem grundsätzlich an dem Eintritt in das Arbeitsleben anknüpfenden System der Rentenversicherung jedenfalls nicht immanent sei. Soweit die Klägerin im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der Zeit vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 als Anrechnungszeit auf den Umstand verweist, dass sie aufgrund des in der DDR maßgeblichen "Lenkungssystems" an der Hochschule für Ö "B L" B nach dem erfolgreichen Absolvieren der Abschlussprüfung noch bis zum Beginn ihrer Beschäftigung eingeschrieben gewesen sei, kann der Senat schon wegen des auch hier vor Eintritt in das Arbeitsleben fehlenden personalen Bezugs zur Rentenversicherung in der Nichtanrechnung der angeführten Zeit keinen Verfassungsverstoß erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die am 1961 geborene Klägerin begehrt die Anerkennung von Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.
Die Klägerin besuchte nach Vollendung des sechzehnten Lebensjahres bis 31. August 1980 die E Oberschule T in B (O) und bestand das Abitur am 4. Juli 1980. Vom 1. September 1980 bis 31. August 1985 war sie an der Hochschule für Ö "B L" B eingeschrieben und erlangte ausweislich des Zeugnisses vom 30. Juli 1985 am 2. Juli 1985 den akademischen Grad Diplomwirtschaftler. Zum 1. September 1985 nahm sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Auf den Kontenklärungsantrag der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2004 die in dem dem Bescheid beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten hinsichtlich der Zeiten bis zum 31. Dezember 1995 fest und lehnte es u.a. ab, die Zeit vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 als Anrechnungszeit vorzumerken. Sie wies darauf hin, die Zeit vom 17. Juni 1977 bis 16. Juni 1978 sei als Zeit schulischer Ausbildung vorgemerkt worden, diese Zeit könne jedoch derzeit bei einer Rentenberechnung nicht berücksichtigt werden, weil sie vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegt worden sei. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2006 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt: Über die Anrechnung des Zeitraums vom 17. Juni 1977 bis 16. Juni 1978 sei nicht im Bescheid nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) zu entscheiden, sondern erst bei Eintritt des Leistungsfalls. Aufgrund des am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes – WFG – vom 25. September 1996 (BGBl. I S 1461) seien Zeiten der schulischen Ausbildung nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI im Übrigen erst ab Vollendung des 17. Lebensjahres zu berücksichtigen. Der Zeitraum vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 könne nicht als Hochschulausbildung im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB VI anerkannt werden, weil die Klägerin zuvor schon ihr Studium erfolgreich beendet hätte.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgebracht: Das WFG sei verfassungswidrig. Die Zeit vom 3. Juli 1985 bis zum 31. August 1985, d. h. bis zum Beginn des regulären Einstellungstermins in der DDR sei als Anrechnungszeit anzuerkennen. Die Vorschriften zur Anrechnung passten nicht zu den tatsächlichen Gegebenheiten in der DDR. Die Aufnahme einer Zwischenbeschäftigung sei ihr weder erreichbar noch zumutbar gewesen. Das Sozialgericht Berlin (SG) hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. April 2010 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrten Vormerkungen. Rechtgrundlage für die streitigen Vormerkungen von Anrechnungszeittatbeständen sei § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI. Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI idF des WFG seien Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach vollendetem siebzehntem Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben, insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren. In dem von der Klägerin geltend gemachten Zeitraum ihrer schulischen Ausbildung sei sie jedoch (erst) sechzehn Jahre alt gewesen. Der Ausschluss von Zeiten vor Vollendung des siebzehnten Lebensjahres sei verfassungsgemäß. Insbesondere liege kein Verstoß gegen die Grundrechte der Klägerin aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor. Der Eingriff in die Rentenanwartschaft infolge der Verschiebung des Beginns der Anrechnungszeit wegen Schulausbildung auf die Vollendung des siebzehnten Lebensjahres diene einem Gemeinwohlzweck und sei verhältnismäßig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 – 1 BvL 10/00 – BVerfGE 117, 272, 296 ff.). Hierbei sei insbesondere zu beachten, dass eine solche Anwartschaft, soweit ihr die Zurücklegung einer schulischen Ausbildung zugrunde liege, nicht auf einer Beitragsleistung beruhe. Die Schulausbildung als solche begründe allein noch keinen personalen Bezug zur Rentenversicherung. Sie stelle für sich genommen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Eigenleistung des Versicherten dar, die der Rentenversicherung zugute komme, sondern diene der eigenen Qualifizierung und liege in seinem Verantwortungsbereich (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2008 – B 13 R 43/07 R –, vgl. auch BSG, Urteil vom 24. Februar 1999 – B 5 RJ 28/98 R – juris). Soweit die Klägerin ferner die Vormerkung der Zeit vom 3. Juli 1985 bis zum 31. August 1985 als Anrechnungszeit begehre, handele es sich nicht um Zeiten einer Hochschulausbildung gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI. Nur solche Zeiten erfüllten den Tatbestand einer Anrechnungszeit, die der "Ausbildung" dienten, in denen also Berufsausbildung tatsächlich erfolgt sei; das Ende der Ausbildung werde grundsätzlich durch die Abschlussprüfung gesetzt (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1999 – B 4 RA 12/98 R – juris). Dies gelte unabhängig davon, ob der Versicherte eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht habe. Derartige – ohne eigene Beitragsleistung zurückgelegte – (Ausbildungs-)Anrechnungszeiten dienten nicht der Vervollständigung der Versicherungsbiographie, sondern stellten eine Solidarleistung der Versichertengemeinschaft dar. Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung von rentenrechtlichen Zeiten im Bereich des sozialen Ausgleichs unter den Rentenversicherten einen weiten Gestaltungsspielraum. Wenn er dabei typisierend darauf abstelle, dass der Versicherte durch seine Ausbildung eine berufliche Qualifikation erreicht habe, die ihm die Aufnahme einer regelmäßig in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigung ermögliche und deshalb als Endzeitpunkt für den berücksichtigungsfähigen Umfang auf den letzten Ausbildungstag ohne Berücksichtigung "DDR-spezifischer Besonderheiten" abstelle, sei dies auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der von der Klägerin geltend gemachten Zeit nach ihrer Abschlussprüfung handele es sich auch nicht um eine unschädliche Überbrückungszeit, da der betroffene Abschnitt nicht zwischen zwei Ausbildungsabschnitten gelegen habe (vgl. BSG, Urteil vom 31. August 2000 – B 4 RA 7/99 R - juris).
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 20. September 2010 gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI Zeiten bis 31. Dezember 2003 festgestellt, soweit diese nicht bereits früher festgestellt worden waren. Nachdem die Klägerin neben der Weiterverfolgung ihres erstinstanzlichen Klagebegehrens zunächst hilfsweise die Anerkennung der Zeit vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit begehrt hatte, hat sie im Erörterungstermin vom 14. September 2011 ihr Begehren auf die Vormerkung von Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung beschränkt. Sie trägt ergänzend vor: Es liege bisher keine sachliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Verkürzung von Schulzeiten um zwölf Monate vor. Der Wegfall der Anrechnungszeit vor Vollendung des 17. Lebensjahres behandele sie willkürlich schlechter als Bestandsrentner, die eine Anerkennung und Abgeltung innerhalb ihrer Rentenanwartschaften erhalten hätten. Mit dem Festhalten an der Altersgrenze von siebzehn Jahren werde unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zwischen akademischen und nichtakademischen Ausbildungen differenziert. Der Gesetzgeber gehe in Art einer "Salami-Taktik" fortgesetzt gegen das bisherige System der Rentenversicherung vor, die zu immer höheren Anwartschaftsverlusten führe. Soweit Wartezeiten nach einem formellen Hochschulabschluss bis zum Beginn einer Beschäftigung trotz Immatrikulation nicht als Anrechnungszeit im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr. 4 iVm § 252a SGB VI anerkannt würden, verstoße dies gegen Art. 3 Abs. 1 GG und gegen das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2010 und Änderung des Bescheides vom 19. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2006 in der Fassung des Bescheides vom 20. September 2010 zu verpflichten, die Zeiten vom 17. Juni 1977 bis 16. Juni 1978 und vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Dabei war im Berufungsverfahren ausschließlich über die erstinstanzlich verfolgte und statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage iSv § 54 Abs. 1 und 4 SGG gegen den Bescheid vom 19. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2006 zu befinden, mit der die Klägerin die Vormerkung der Zeiten vom 17. Juni 1977 bis 16. Juni 1978 und vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung begehrt. Der Bescheid vom 20. September 2010 ist nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, weil er den angefochtenen Verwaltungsakt nicht abgeändert oder ersetzt hat. Denn mit dem Bescheid vom 20. September 2010 sind nur Daten festgestellt worden, die nicht – wie hier – bereits früher festgestellt worden waren. Soweit sich die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 20. September 2010 richtet, war sie mangels funktioneller Zuständigkeit des Landessozialgerichts unzulässig (vgl. § 29 SGG) und mithin abzuweisen.
Die auf die Vormerkung der Zeiten vom 17. Juni 1977 bis 16. Juni 1978 und vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung gerichtete Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 19. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Vormerkung der streitigen Zeiträume als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung. Zur weiteren Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Gerichtsbescheides (S. 4 Abs. 2 bis S. 6 Abs. 2 letzte Zeile) Bezug. Ergänzend ist lediglich auszuführen: Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens an seiner Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 16. März 2011 – L 16 R 758/10 – juris) fest, dass die Nichtanrechenbarkeit von vor Vollendung des siebzehnten Lebensjahres zurückgelegten Schulzeiten verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Das BSG hat im Übrigen in dem zur Begrenzung des Gesamtleistungswerts für Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung ergangenen Urteil vom 19. April 2011 – B 13 R 8/11 R – im Vorgehen des Gesetzgebers mit und seit dem Erlass des WFG entgegen der Auffassung der Klägerin ("Salami-Taktik") keine verfassungswidrige Verschlechterung rentenversicherungsrechtlicher Positionen erkennen können und im Übrigen erneut darauf hingewiesen, dass die Schul- und Hochschulausbildung als solche keinen personalen Bezug zur Rentenversicherung begründe. Es sei deshalb durchaus konsequent, die Ausbildung vorwiegend dem Bereich der Eigenverantwortung des Einzelnen zuzuordnen, deren besondere Honorierung dem grundsätzlich an dem Eintritt in das Arbeitsleben anknüpfenden System der Rentenversicherung jedenfalls nicht immanent sei. Soweit die Klägerin im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der Zeit vom 3. Juli 1985 bis 31. August 1985 als Anrechnungszeit auf den Umstand verweist, dass sie aufgrund des in der DDR maßgeblichen "Lenkungssystems" an der Hochschule für Ö "B L" B nach dem erfolgreichen Absolvieren der Abschlussprüfung noch bis zum Beginn ihrer Beschäftigung eingeschrieben gewesen sei, kann der Senat schon wegen des auch hier vor Eintritt in das Arbeitsleben fehlenden personalen Bezugs zur Rentenversicherung in der Nichtanrechnung der angeführten Zeit keinen Verfassungsverstoß erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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