L 4 R 179/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 4487/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 179/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09. Dezember 2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 04. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2006 in der Fassung der Bescheide vom 25. November 2009 und 29. Januar 2010 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin auch für die Zeit vom 01. April 2007 bis 30. April 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage wegen der Bescheide vom 29. Januar 2010 und 01. Juli 2011 abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit ist, ob der Klägerin, die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab 01. Mai 2008 bezieht, Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab einem früheren Zeitpunkt zusteht.

Die am 1958 in der Türkei geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Nach ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1972 war sie von Mai 1973 bis Mai 1998 als Maschinenbedienerin und sodann nach dem Bezug von Leistungen der Agentur für Arbeit unterbrochen durch den Bezug von Geldleistungen eines Sozialleistungsträgers und der Agentur für Arbeit vom 29. September 1998 bis 31. Mai 2001 in der Uhrenmontage und Kontrolle versicherungspflichtig beschäftigt. Von 01. Juni 2001 bis 27. März 2002 bezog sie Arbeitslosengeld und sodann bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe. In der Zeit von 15. November 2004 bis 30. September 2006 übte sie eine geringfügige Beschäftigung als Maschinenarbeiterin aus.

Am 07. August 2002 beantragte die Klägerin erstmals Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag nach Erhebung eines Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Dr. St. vom 05. Oktober 2002, wonach die Klägerin regelmäßig einer über sechsstündigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen kann, mit Bescheid vom 07. November 2002 ab. Den von der Klägerin dagegen erhobenen Widerspruch wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2003 zurück. Die von der Klägerin dagegen zum Sozialgericht Reutlingen (- SG -, S 11 R 316/03) erhobene Klage wies das SG nach Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 27. März 2003 und des Facharztes für Psychotherapeutische Medizin, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Sch. vom 29. April 2003 und 26. März 2004 sowie Erhebung eines Sachverständigengutachtens des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. vom 29. Juli 2003 mit ergänzender Stellungnahme vom 12. September 2003 (Es handle sich um eine somatoforme Störung mit teils körperlichen, teils psychischen Störungen; die Klägerin sei in der Lage, vier bis knapp unter sechs Stunden einer leichteren Tätigkeit nachzugehen) mit Urteil vom 27. April 2004 ab.

Am 05. Juli 2005 beantragte die Klägerin erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Sie legte ärztliche Atteste des Arztes Sch. vom 09. Juni 2005, wonach es sich bei ihr diagnostisch um eine somatoforme Störung sowie rezidivierende depressive Episoden und Migräne handele und insgesamt eine deutlich reduzierte körperliche und psychische Belastbarkeit bestehe, und des Dr. S. vom 21. Juni 2005, ausweislich dessen die Klägerin an einer somatoformen depressiven Störung, an einem Bandscheibenvorfall L4/5 sowie einem Fibromyalgiesyndrom leide und die Gesundheitsstörungen in ihrer Gesamtheit zu einer deutlichen Einschränkung ihrer beruflichen Belastungsfähigkeit führten, weshalb er der Klägerin geraten habe, sich berenten zu lassen, vor. Die Beklagte erhob das am 26. August 2005 erstattete Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie Gi ... Die Gutachterin diagnostizierte aufgrund einer am 19. August 2005 durchgeführten Untersuchung eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, und eine somatoforme Schmerzstörung und führte aus, dass daneben ein Wurzelreizsyndrom bestehe. Das depressive Krankheitsbild der Klägerin sei prinzipiell behandelbar, die Klägerin spreche sich jedoch gegen jede stationäre Behandlung aus. Selbst wenn eine Behandlung zwangsweise oder aus einer neuen Einsicht der Klägerin stattfinden würde, bliebe mehr als zweifelhaft, ob irgendeine Veränderung der Symptomatik in diesem komplexen und festgefügten Gebäude möglich wäre. Insgesamt vertrat die Gutachterin die Auffassung, dass die Klägerin ab 05. Juli 2005 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch für leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung drei bis unter sechs Stunden leistungsfähig sei.

Hierauf bewilligte die Beklagte der Klägerin eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme, die diese vom 06. Dezember 2005 bis 10. Januar 2006 in der M.-B.-Klinik in K. absolvierte. Ausweislich des Entlassungsberichts des Prof. Dr. H. vom 19. Januar 2006 bestanden bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Migräne mit Aura, eine chronische Lumboischialgie links und eine Adipositas. Die Klägerin wurde für ihre aktuell ausgeübte dreistündige Tätigkeit arbeitsfähig entlassen. Bei weiterer konsequenter ambulanter Behandlung sei eine Besserung der Gesamtsymptomatik in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten zu erwarten. Bei einer guten Prognose sei die Klägerin danach in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine leichte Tätigkeit drei bis unter sechs Stunden ohne hohe Konzentrations- und Reaktionsanforderungen, Akkordarbeit, Arbeiten unter Druck, Verantwortung für Personen und Maschinen, Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge, häufiges Bücken, Heben und Tragen von schweren Lasten sowie Zwangshaltungen zu verrichten. Im Anschluss daran veranlasste die Beklagte eine weitere Begutachtung der Klägerin durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Ste ... Die Gutachterin stellte in ihrem Gutachten vom 27. März 2006 die Diagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer Dysthymia und kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Wechsel-, Nachtschicht, besonderen Zeitdruck, überwiegend einseitige Körperhaltung, häufiges Bücken, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über sieben kg sechs Stunden und mehr verrichten könne. Die Gutachterin führte aus, die Art und Weise, wie die Klägerin ihre Beschwerden darstelle, sei geprägt von ihrem Ziel, den Rentenwunsch durchzusetzen. Eine tiefe Niedergeschlagenheit im Ausdrucksverhalten habe sie, die Gutachterin, bei der Untersuchung nicht feststellen können. Die bisherige Behandlung sei wenig intensiv, eine schmerztherapeutische Therapie werde überhaupt nicht durchgeführt. Die verordneten Medikamente einschließlich Antidepressiva nehme die Klägerin zumindest nicht regelmäßig ein. Es müsse der Schluss gezogen werden, dass die Klägerin ihre Beschwerden größtenteils durchaus auch bewusstseinsnah zum Ausdruck bringe, um ihre persönlichen Wünsche durchzusetzen, nämlich Entlastung durch Berentung, um eine Zeitlang in der Türkei leben zu können.

Mit Bescheid vom 04. April 2006 lehnte die Beklagte hierauf den Rentenantrag ab. Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch trug die Klägerin vor, das von der Ärztin Ste. erstellte Gutachten sei in weiten Teilen nicht nachvollziehbar und stehe im Widerspruch zu dem Gutachten der Ärztin Gi. und den Ausführungen im Entlassungsbericht von Prof. Dr. H., die jeweils von einer Erwerbsminderung ausgegangen seien. Eine solche werde auch in den vorgelegten - ärztlichen Attesten des Dr. S. vom 20. April 2006 und des Arztes Sch. vom 04. Mai 2006 bestätigt. Nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der Ärztin Ste. vom 18. Juli 2006, die bei ihrer Beurteilung verblieb, wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2006 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 30. November 2006 Klage zum SG. Sie vertiefte ihr bisheriges Vorbringen und machte ergänzend geltend, dass sie unter Schlafproblemen leide, die sich auf ihre gesamte Leistungsfähigkeit erheblich auswirkten. Außerdem sei sie sehr aufgeregt und leide aus diesem Grund wohl auch an Magenproblemen. Zu einer verminderten Leistungsfähigkeit führten weiterhin eine Migräne, Schmerzen in den Knien und erhebliche Gehprobleme.

Die Beklagte trat der Klage zunächst entgegen.

Das SG hörte Dr. S. und den Arzt Sch. als sachverständige Zeugen. Dr. S. führte in seiner Auskunft vom 21. März 2007 unter Beifügung von Arztbriefen aus den Jahren 2003 bis 2006 (u.a. Arztbrief des Prof. Dr. W., S.-B.-Klinikum V.-S. GmbH vom 18. April 2006: Einweisung der Klägerin durch den hausärztlichen Notdienst am 14. April 2006 wegen einer unkontrollierten Tabletteneinnahme bei Depression; Verneinung einer suizidalen Absicht durch die Klägerin; eingenommene Dosis der Medikamente habe weit unterhalb der toxischen Dosierung gelegen) aus, dass die Klägerin an einer chronischen Lumbalgie, einer Eisenmangelanämie, Fibromyalgiebeschwerden und einer ausgeprägten Dysthymie mit reaktiver depressiver Komponente leide. Die Beschwerden, insbesondere die psychischen Probleme, hätten in den letzten zwei Jahren zugenommen. Die Klägerin fühle sich immer mehr überfordert, wobei auch die familiären Probleme eine starke Rolle spielten. Hierbei sei es auch schon zu unkontrollierten, fraglich suizidalen Tabletteneinnahmen gekommen. Ebenso reagiere die Klägerin zum Teil mit psychogenen Ohnmachten (z.B. in der Praxis des Arztes Sch.). Zur Zeit sie die Klägerin nicht in der Lage, eine Tätigkeit für mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Arzt Sch. gab unter dem 25. Mai 2007 unter Angabe der Behandlungstermine ab März 2006 an, bei der Klägerin liege eine rezidivierende depressive Störung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine dissoziative Störung vor. In den letzten Monaten sei es bei der Klägerin gehäuft zu dissoziativen Störungen und psychogenen Anfällen gekommen. In diesen Zuständen habe die Klägerin nicht mehr alleine gehen können, sie habe sich zu Boden sinken lassen und sei nur partiell ansprechbar gewesen. Die Klägerin sei allenfalls in der Lage, drei bis sechs Stunden leichte Tätigkeiten zu verrichten.

Das SG beauftragte sodann am 13. September 2007 den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Kn., M.-klinik Z., mit der Erstattung eines Gutachtens. Der Sachverständige führte in seinem Gutachten vom 28. Juli 2009 aus, dass sich bei der Klägerin ein Mischbild aus einer depressiven Störung mittelgradiger Ausprägung und einer somatoformen Schmerzstörung finde. Das auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Gebiet zu beobachtende Störungsbild werde durch eine chronische familiäre Konfliktsituation bedingt und unterhalten. Die Klägerin schildere insbesondere eine Kraftlosigkeit und rasche Erschöpfbarkeit, die es ihr verunmögliche, selbst alltägliche Arbeiten im Haushalt in ausreichendem Maße zu bewältigen. Sie sei in so hohem Maße davon überzeugt, nicht mehr arbeiten zu können und zu müssen, dass sie zu einer Berufstätigkeit selbst in geringem Umfang nicht mehr zu bewegen sei. Grundsätzlich sei die Klägerin in der Lage, täglich für jeweils vier Stunden einer leichten körperlichen Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung ohne Schichtdienst und ohne größere geistige Anforderungen und Verantwortung sowie Zeitdruck nachzugehen. Es könne jedoch mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Klägerin sich diesen Anforderungen durch die Flucht in eine körperlich begründete Arbeitsunfähigkeit entziehen werde. Die Rückdatierung des Beginns der Leistungseinschränkung gestalte sich im Falle der Klägerin als außerordentlich schwierig. Der nun erhobene psychische Befund decke sich jedoch mit den Ausführungen der Gutachterin Gi. aus August 2005, die im Übrigen auch zu den gleichen Diagnosen gekommen sei. Da auch Dr. G., der auf bis 1994 zurückliegende fachärztliche Befunde verweise, in seinem Gutachten vom Sommer 2003 einen vergleichbaren Befund erhoben habe, gebe es durchaus Belege dafür, dass die aktuelle Leistungseinschränkung bereits seit diesem Zeitpunkt bestehe.

Hierauf gab die Beklagte unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme des Internisten Dr. Br. vom 16. September 2009 mit Schriftsatz vom 24. September 2009 ein Teilanerkenntnis dahingehend ab, dass die Klägerin seit Oktober 2007 voll erwerbsgemindert sei. Sie, die Beklagte, sei bereit, Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet ab 01. Mai 2008 bis 30. April 2010 zu gewähren. Dr. Br. führte aus, dass die genaue Angabe des Leistungsfalls schwierig sei, nachdem es offenbar seit der im März 2006 bei der Ärztin Ste. erfolgten Begutachtung zu einer Verschlimmerung des Krankheitsbildes gekommen sei und hausärztlicherseits von einer Zunahme der psychischen Probleme in den letzten zwei Jahren berichtet werde. Als Leistungsfall werde deshalb die zeitliche Mitte zwischen den beiden zuletzt erfolgten psychiatrischen Begutachtungen März 2006 und Mai 2009 vorgeschlagen. Dieses Teilanerkenntnis, nahm die Klägerin an und die Beklagte führte es mit Bescheid vom 25. November 2009 aus. Auf die von der Klägerin darüber hinaus aufrechterhaltene Klage, mit der sie gestützt auf ein ärztliches Attest des Arztes Sch. vom 04. Dezember 2002, wonach aufgrund der Art und Schwere der Erkrankung eine erheblich reduzierte psychische Belastbarkeit bestehe, die Gewährung von Rente auf Dauer bereits ab 01. Januar 2002 begehrte, änderte das SG mit Urteil vom 09. Dezember 2009 den Bescheid vom 04. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2006 und des Bescheids vom 25. November 2009 ab und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 30. April 2011 fortzuzahlen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Kn. und die Stellungnahme des Dr. Br. sei der Klägerin für die Zeit vom 01. Mai 2008 bis 30. April 2011 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Es sei eine Befristung über die gewährten zwei Jahre hinaus auf drei Jahre vorzunehmen. Hinreichende Anhaltspunkte, eine Besserung bereits nach Ablauf von zwei Jahren zu prognostizieren, sehe die Kammer nicht. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Eintritts des Versicherungsfalls folge die Kammer der Beurteilung des Dr. Br., der die zeitliche Mitte zwischen den beiden zuletzt erfolgten Begutachtungen im März 2006 und im Mai 2009 und damit im Oktober 2007 angesetzt und dies überzeugend mit einer eingetretenen Verschlimmerung begründet habe. Der Einschätzung des Sachverständigen Kn., der die Rückdatierung der Leistungseinschränkung als schwierig bezeichnet habe, jedoch Belege für eine Leistungseinschränkung bereits im August 2005 oder Sommer 2003 gesehen habe, folge die Kammer nicht. Mit den Leistungseinschränkungen der Klägerin habe sie (die Kammer) sich bereits im Urteil vom 27. Juli 2004 (S 11 RJ 316/03) auseinandergesetzt. Eine Herabminderung des Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich sei in der Urteilsbegründung nicht zu Grunde gelegt worden. Es werde kein Grund gesehen, hiervon abzuweichen. Auch eine Zurückdatierung der Verschlechterung auf den Monat der Antragstellung (Juli 2005) werde nicht als gerechtfertigt angesehen. Es sei, wie auch den Berichten der behandelnden Ärzte im sozialgerichtlichen Verfahren zu entnehmen sei, eine zunehmende Chronifizierung und auch Verschlechterung eingetreten. Insoweit sei das Ansetzen des Leistungsfalls im Oktober 2007 angemessen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 04. Januar 2010 zugestellte Urteil am 11. Januar 2010 Berufung eingelegt. Ihre Erwerbsminderung habe bereits zum Zeitpunkt des Rentenantrags im August 2002 bestanden. Dr. S. habe in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 21. März 2007 von einer Zunahme der psychischen Probleme in den letzten zwei Jahren berichtet. Die Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands sei danach seit März 2005 und damit bereits vor der Begutachtung durch die Ärztin Gi. im August 2005 zu verzeichnen. Der Sachverständige Kn. habe in seinem Gutachten vom 28. Juli 2009 darauf hingewiesen, dass sich der von ihm erhobene psychische Befund mit den Ausführungen der Gutachterin Gi. aus dem Jahr 2005 decke, und dass, da auch Dr. G. in seinem Gutachten vom 29. Juli 2003 einen vergleichbaren Befund erhoben habe, es durchaus Belege dafür gebe, dass die aktuelle Leistungseinschränkung bereits seit diesem Zeitpunkt bestanden habe. Dr. G. habe zudem auf bis 1994 zurückliegende fachärztliche Befunde verwiesen. Auch die behandelnden Ärzte der Michael-Balint-Klinik hätten ihr zeitliches Leistungsvermögen auf drei bis unter sechs Stunden täglich eingeschätzt. Der von der Ärztin Ste. erhobene psychische Befund weiche nicht wesentlich von dem seitens der Gutachterin Gi. und der Ärzte der Michael-Balint-Klinik erhobenen Befund ab. Ergänzend hat die Klägerin einen Arztbrief des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Schu. vom 26. Juni 1991 (Überforderungssituation und -reaktion) und das von Dr. H., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg am 01. März 2001 erstattete Gutachten (erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit liege vor) vorgelegt.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 29. Januar 2010 in Ausführung des Urteils des SG die Rente wegen voller Erwerbsminderung weiterhin auf Zeit bis zum 30. April 2011 sowie mit weiterem Bescheid vom 01. Juli 2011 der Klägerin im Anschluss an die Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Mai 2011 Rente auf Dauer, längstens bis zum 31. Mai 2024 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze) bewilligt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09. Dezember 2009 sowie den Bescheid vom 04. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2006 in der Fassung der Bescheide vom 25. November 2009, 29. Januar 2010 und 01. Juli 2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung auch für die Zeit vom 01. August 2002 bis 30. April 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage wegen der Bescheide vom 29. Januar 2010 und 01. Juli 2011 abzuweisen.

Unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme des Dr. Br. vom 14. Juni 2010 trägt sie vor, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgenommenen Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin sowie die Klage wegen der Bescheide vom 29. Januar 2010 und 01. Juli 2011, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, sind statthaft und zulässig sowie teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch für die Zeit vom 01. April 2007 bis 30. April 2008 Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Im Übrigen ist die Berufung der Klägerin unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 04. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2006, mit welchem die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung zunächst ablehnte. Weiter sind nach § 96 Abs. 1 SGG der Bescheid der Beklagten vom 25. November 2009 Gegenstand des Klageverfahrens, über den das SG auch entschieden hat, sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. Januar 2010 und 01. Juli 2011 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Mit dem Bescheid vom 25. November 2009 hat die Beklagte den ursprünglich angefochtenen Bescheid nämlich insoweit teilweise abgeändert, als sie für die Zeit vom 01. Mai 2008 bis 30. April 2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt hat. Mit dem Bescheid vom 29. Januar 2010 führte die Beklagte das Urteil des SG aus und bewilligte die Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum 30. April 2011. Mit dem Bescheid vom 01. Juli 2011 erfolgte schließlich eine weitere Abänderung dahingehend, dass die befristete Rente ab 01. Mai 2011 auf Dauer gewährt wird. Über die Bescheide vom 29. Januar 2010 und 01. Juli 2011 entscheidet der Senat auf Klage.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Hiervon ausgehend ist der Senat auf Grund der im Verwaltungsverfahren durchgeführten Ermittlungen und der im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin seit 30. September 2006, dem Zeitpunkt der Aufgabe der geringfügigen Beschäftigung, voll erwerbsgemindert ist. Zuvor war sie noch in der Lage, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit, leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mehr als sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten.

Unabhängig von der Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit hat die Klägerin für die Zeit vor dem 01. Juli 2005 keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Denn die Klägerin beantragte Rente wegen voller Erwerbsminderung (erneut) erst am 05. Juli 2005. Nach § 99 Abs. 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Satz 1). Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, indem die Rente beantragt wird (Satz 2). Die Behauptung der Klägerin unterstellt, sie sei bereits seit 07. August 2002 (Datum des ersten Rentenantrags) voll erwerbsgemindert, würde die Rente wegen voller Erwerbsminderung erst ab 01. Juli 2005 gezahlt werden. Hinzu kommt, dass der frühere Rentenantrag vom 07. August 2002 bestandskräftig abgelehnt ist (Bescheid vom 07. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2003, rechtskräftiges Urteil des SG vom 27. April 2004). Einen Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Rücknahme des Bescheids vom 07. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2003 hat die Klägerin nicht gestellt, so dass die Beklagte auch hierüber nicht entschieden hat.

Die Klägerin leidet schon viele Jahre an einer Erkrankung auf psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachgebiet. Bereits im Juni 1991 lag bei ihr aufgrund der Belastung durch Beruf, Haushalt und der Erziehung von - damals - drei Kindern eine psychosomatische Erschöpfungsreaktion vor. Dies ergibt sich aus dem Arztbrief des Dr. Schu. vom 26. Juni 1991. Seit Januar 2001 befindet sich die Klägerin ausweislich des von dem Arzt Sch. erstmals am 04. Dezember 2001 ausgestellten Attestes sowie seiner nachfolgenden Atteste und seiner sachverständigen Zeugenauskünfte im Verfahren S 11 RJ 316/03 vom 29. April 2003 und 26. März 2004 und der nunmehrigen sachverständigen Zeugenauskunft vom 25. Mai 2007 wegen einer somatoformen Störung, einem depressiven Erschöpfungssyndrom und Migräne in seiner fachärztlichen Behandlung, wobei sich nach seinem Attest vom 09. Juni 2005 das Befinden der Klägerin trotz regelmäßiger antidepressiver Behandlung nicht wesentlich geändert hat. Am 07. Dezember 2000 wurde die Klägerin wegen depressiver Verstimmung mit Somatisierung auch arbeitsunfähig geschrieben. Dies entnimmt der Senat dem sozialmedizinischen Gutachten von Dr. H. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 01. März 2001. Bestätigt wurde das Vorliegen einer Somatisierungsstörung und einer Migräne ohne Aura des Weiteren von Dr. St. in seinem Gutachten vom 05. Oktober 2002. Während Dr. St. jedoch eine depressive Verstimmung der Klägerin verneinte, bejahte Dr. S. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 27. März 2003 die Diagnose einer seit ca. zwei bis drei Jahren bestehenden chronisch endo-reaktiven Depression. Dr. G. beschrieb in seinem Gutachten vom 29. Juli 2003 dann wieder eine leichtere depressive Symptomatik bei Hinweisen auf Konversionsstörungen und somatoforme Störungen, eine Cervicobrachialgie mit Wurzelreizsymptomatik C6 links und eine einfache Migräne sowie Spannungskopfschmerz, aber auch das Bild einer relativen Überforderung wegen der jahrzehntelangen Doppelbelastung mit beruflicher Tätigkeit neben hausfraulichen Versorgungen der Familie und Kinderbetreuung. Ärztin Gi. nannte in ihrem Gutachten vom 26. August 2005 eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, und eine somatoforme Schmerzstörung und wies auf die nahezu unmögliche Therapierbarkeit hin. Bestätigt wurde eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung auch im Entlassungsbericht des Prof. Dr. H. vom 19. Januar 2006. Ärztin Ste. fand demgegenüber in ihrem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 17. März 2006 nur eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine Dysthymia. Sie legte insbesondere dar, dass die Klägerin ausweislich des Medikamentenspiegels die verordneten Medikamente entweder nicht oder kaum einnahm. Auch dem Gutachten des Sachverständigen Kröll vom 28. Juli 2009 aufgrund einer Untersuchung am 08. Mai 2009 ist schließlich zu entnehmen, dass bei der Klägerin ein Mischbild aus einer depressiven Störung mittelgradiger Ausprägung und einer somatoformen Schmerzstörung vorliegt. Der Gesundheitszustand der Klägerin war demzufolge von Seiten der depressiven Störung zunächst noch Schwankungen unterworfen. Während Arzt Sch. seit 2001 eine depressive Störung erwähnt, fand Dr. St. bei seiner Untersuchung im Jahr 2002 keine Hinweise für eine depressive Verstimmung, und auch Dr. G. äußerte in seinem Gutachten vom 29. Juli 2003 nur den Verdacht auf eine rezidivierende Störung. Dass es zunächst immer wieder zu Phasen der Besserung kam, kommt auch darin zum Ausdruck, dass auch die Gutachterin Gi. nur eine rezidivierende und keine anhaltende depressive Störung diagnostizierte. Auch nach dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. H. vom 19. Januar 2006 war noch eine Besserung zu erwarten. Einen Einschnitt bildeten dann aber die nach der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. S. vom 21. März 2007 seit 2005 zunehmend und nach der sachverständigen Zeugenauskunft des Arztes Sch. vom 25. Mai 2007 in den davorliegenden Monaten gehäuft auftretenden dissoziativen Zustände und psychogenen Anfälle mit der Folge, dass die Klägerin in diesen Zuständen nicht mehr alleine gehen konnte, sich zu Boden sinken ließ und nur noch partiell ansprechbar war. Diese Anfälle führten letztlich am 30. September 2006 auch zur Aufgabe der von der Klägerin bis dahin ausgeübten geringfügigen Beschäftigung. Dies folgt aus der Angabe der Klägerin anlässlich des am 18. Oktober 2011 durchgeführten Erörterungstermins, wonach sie die Tätigkeit aufgegeben habe, weil ihr Fuß gelähmt gewesen sei. Aufgrund dieser dissoziativen Zustände und psychogenen Anfälle, die am 30. September 2006 zur Aufgabe der geringfügigen Beschäftigung führten, ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin seit 30. September 2006 voll erwerbsgemindert ist.

Widerlegt wird der Eintritt des Leistungsfalls am 30. September 2006 auch nicht durch das von der Gutachterin Gi. am 26. August 2005 erstattete Gutachten, wonach die Leistungsminderung ab 05. Juli 2005 anzunehmen sei. Gutachterin Gi. ging in ihrem Gutachten noch von einer rezidivierenden und damit nicht dauernd vorhandenen depressiven Störung aus. Auch der Senat sieht auf der Grundlage der von Gutachterin Gi. erhobenen Befunde und mit Blick auf die daneben vorliegenden ärztlichen Unterlagen und die Tatsache, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt, wenn auch auf geringfügiger Basis, noch berufstätig war, noch keine dauernd vorhandene Störung, die bereits zu einer Leistungsminderung geführt hätte. Etwas anderes ergibt sich angesichts der dort gestellten Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung und Möglichkeit der Besserung auch nicht aus dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. H. vom 19. Januar 2006. Ebenso wenig ist die Tatsache, dass die Klägerin am 14. April 2006 wegen einer Tablettenintoxikation notfallmäßig im S.-B.-Klinikum in V.-S. aufgenommen werden musste, ein Beleg für den Eintritt der Erwerbsminderung, nachdem die Klägerin ausweislich des Entlassungsberichts suizidale Absichten verneinte und die von ihr eingenommenen Tabletten auch nicht ein lebensgefährliches Ausmaß angenommen hatten. Ein früherer Beginn der Leistungseinschränkungen lässt sich nach Überzeugung des Senats schließlich auch nicht auf das von dem Sachverständigen Kn. erstattete Gutachten vom 28. Juli 2009 stützen. Zwar führt er aus, dass sich der von ihm erhobene Befund mit dem von der Gutachterin Gi. im August 2005 und dem Gutachter Dr. G. im Sommer 2003 erhobenen Befund decke, weshalb es Belege dafür gebe, dass die aktuelle Leistungseinschränkung bereits seit diesem Zeitpunkt bestanden habe. Er weist jedoch gleichzeitig auch darauf hin, dass die Rückdatierung des Beginns der Leistungseinschränkung sich im Fall der Klägerin außerordentlich schwierig gestalte und dass es seit der Begutachtung durch Dr. St. im Jahr 2002 zu einer weiteren Verschlechterung und Chronifizierung gekommen sei. Eindeutige Belege dafür, dass die entscheidende Verschlechterung und Chronifizierung, die zum Eintritt des Leistungsfalls der Erwerbsminderung bei der Klägerin bereits im Jahr 2003 bzw. 2005 führte, benennt er nicht. Solche gehen - wie bereits ausgeführt - nach Überzeugung des Senats aus dem Gutachten der Ärztin Gi. nicht hervor. Bezüglich des von Dr. G. erstatteten Gutachtens wird insoweit auf das rechtskräftige Urteil des SG vom 27. April 2004, dem sich der Senat anschließt, verwiesen.

Die neben der vollen Erwerbsminderung erforderlichen weiteren Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung eines am 30. September 2006 eingetretenen Leistungsfalls sind gegeben. Die Klägerin hat die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten erfüllt. Auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI liegen vor. Nach dem Versicherungsverlauf, der dem Bescheid vom 25. November 2009 beigefügt ist, sind in der Zeit von Oktober 2001 bis September 2006 39 Monate mit Pflichtbeitragszeiten vorhanden.

Die Rente wegen voller Erwerbsminderung war zunächst befristet zu leisten. Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen Erwerbsminderung befristet geleistet. Nach § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI werden Renten wegen Erwerbsminderung, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, nur dann unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Hiernach kommt es darauf an, ob schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine rechtlich relevante Besserungsaussicht sprechen. Die Behebung einer solchen rentenberechtigenden Leistungsminderung ist jedoch nicht unwahrscheinlich mit der Folge, dass ausnahmsweise Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren wäre, solange die Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft sind. Dazu zählen alle anerkannten Behandlungsmethoden, auch medikamentöse Behandlungen, die zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit führen könnten, soweit nicht aus dem Gesundheitszustand der Versicherten abzuleitende spezifische Kontraindikationen entgegenstehen (Bundessozialgericht - BSG - SozR 4-2600 § 102 Nr. 2). Solche Behandlungsmöglichkeiten vermag der Senat im September 2006 noch festzustellen, nachdem nach dem Rehabilitationsentlassungsbericht des Prof. Dr. H. vom 19. Januar 2006 noch eine Besserung zu erwarten war, die Klägerin nach dem von der Ärztin Ste. veranlassten Medikamentenspiegel im März 2006 die Medikamente noch unzureichend eingenommen hatte und auch die Gutachterin Gi. darauf hinwies, dass eine Therapie bisher nicht stattgefunden habe. Da der Leistungsfall am 30. September 2006 eingetreten ist, beginnt die Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 101 Abs. 1 SGB VI damit am 01. April 2007.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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