Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 1945/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 701/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1952 geborene Kläger bosnischer Staatsangehörigkeit verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Nach seiner Übersiedlung ins Bundesgebiet im Jahr 1973 war er hier zunächst von August 1973 bis Februar 1979 als Hilfsarbeiter in einer Gummifabrik, dann von April 1979 bis November 2006 als Dachdeckergehilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war er arbeitsunfähig erkrankt, danach arbeitslos. Der Kläger ist als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 60 anerkannt.
Nach Ablehnung seines am 17. Juni 2008 gestellten Antrages auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (Bescheid vom 13. November 2008, Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2008) beantragte er am 24. September 2009 erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund Bandscheibenschäden an der gesamten Wirbelsäule, Schmerzen der rechten Schulter, Atemprobleme bei Nacht, Taubheitsgefühl im rechten Arm sowie Beschwerden im linken Arm und chronischer Kopfschmerzen.
Die Beklagte holte daraufhin beim behandelnden Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin Dr. R. die Befundberichte vom 23. und 24. November 2009 sowie beim Facharzt für Chirurgie Dr. Gr. das nach Aktenlage erstellte Gutachten vom 19. Februar 2010 ein. Dr. Gr. gelangte in diesem Gutachten zu dem Ergebnis, der Kläger sei trotz der bei ihm vor allem auf orthopädischem Fachgebiet liegenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten.
Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2010 eine Rentengewährung ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2010).
Hiergegen hat der Kläger am 27. Mai 2010 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) im Wesentlichen mit der Begründung erhoben, er habe aufgrund seines Wirbelsäulenschadens trotz Einnahme von Schmerzmitteln ständige Schmerzen. Aufgrund seiner Bandscheibenprobleme könne er nicht länger als zwei Stunden stehen. Das SG hat zunächst bei Dr. R. die sachverständige Zeugenaussage vom 21. August 2010 eingeholt, in der dieser zu der Auffassung gelangt ist, der Kläger könne leichte Tätigkeiten aufgrund der in den letzten eineinhalb Jahren deutlich verschlechterten Situation im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie der linken Schulter nur noch unter halbschichtig ausüben. Weiter hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Chirotherapie und Sportmedizin Dr. Sch ... Nach klinischer und radiologischer Untersuchung des Klägers am 15. November 2010 hat er bei ihm ausweislich seines Gutachtens vom selben Tag ein muskuläres Reizsyndrom der Halswirbelsäule bei ausgeprägten Aufbraucherscheinungen der unteren Halswirbelsäule ohne radikuläre Reizerscheinungen, ein muskuläres Reizsyndrom der Rumpfwirbelsäule ohne wesentliche Fehlstatik auf der Grundlage degenerativer Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Reizerscheinungen, eine leichte Rotatorenmanschettendegeneration beider Schultern ohne Funktionsbehinderung sowie eine beginnende Hüftgelenksarthrose ohne Funktionseinschränkung diagnostiziert. Bei der Leistungsbeurteilung sei die Situation der Halswirbelsäule als führend anzusehen. Diese wirke leistungsmindernd insofern, als mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten nicht mehr abzuverlangen seien. Somit könnten Lastgewichte über zehn kg nicht mehr regelmäßig gehoben und getragen werden. Insbesondere Arbeiten über Kopf oder mit Kopf in Nackenlage seien zu vermeiden. Gleiches gelte für Tätigkeiten in Nässe und Kälte bzw. unebenen Böden, Leitern und Gerüsten. Im Hinblick auf die Situation an der Lendenwirbelsäule sollten Tätigkeiten mit längerem Verharren in Zwangshaltung bzw. in häufigem Bücken vermieden werden. Die Situation an den Schultern und den Hüften sei nicht höher leistungsmindernd. Leichte körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, mit Heben und Tragen von Lasten bis zehn kg könnten weiterhin vollschichtig, d.h. sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche verrichtet werden. Gestützt auf dieses Gutachten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 29. Dezember 2010 die Klage abgewiesen.
Gegen diesen seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 5. Januar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 4. Februar 2011 beim SG eingelegte Berufung. Zu deren Begründung hat der Kläger vorgetragen, das Gutachten des Dr. Sch. sei unvollständig und unrichtig. Der klinische Befund sei von ihm nur oberflächlich erhoben und seine Schmerzen nicht berücksichtigt worden. Hätte er sich mit seinen Schmerzen befasst, hätte sich Dr. Sch. mit der Frage beschäftigen müssen, inwieweit auch psychische Ursachen und Gegebenheiten seine Beeinträchtigungen verursachen können. Seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie er sie seinem Prozessbevollmächtigten geschildert habe, seien von Dr. Sch. überhaupt nicht erfasst worden. Dieser habe zu Unrecht seine Unfähigkeit, mehr als zwei Stunden durchzuhalten, verneint. Zudem sei Dr. Sch. kein Gutachter und auch kein Spezialist für Orthopädie. Bei seiner Praxis für vier Fachgebiete dürfe unterstellt werden, dass er mit täglichen Patienten mehr als voll ausgelastet sei und für die zusätzliche Erstellung von Gutachten nicht die Zeit und Geduld und Sorgfalt aufbringen könne wie ein speziell mit Gutachten Beschäftigter. Während die Herausarbeitung seiner Beschwerden und seiner körperlichen Zusammenhänge bei seinem Prozessbevollmächtigten weit mehr als eine Stunde gedauert habe, habe sich die Zeit, in der Dr. Sch. mit ihm gesprochen habe, auf allenfalls zweimal höchstens fünf Minuten belaufen. Zu seiner Situationsschilderung habe Dr. Sch. keine Fragen gestellt. Entscheidend seien die von ihm geschilderten Beschwerden und Schmerzen für die ärztliche Begutachtung. Aufgabe des Gutachters sei es jedoch zu bestätigen, inwieweit diese subjektive Prägung dem Objektiven entspreche oder nicht entspreche und warum nicht. Voraussetzung hierfür sei jedoch, das gesamte für den Befund maßgebliche Material herauszuarbeiten und auf den Tisch zu legen. Dies habe Dr. Sch. eindeutig nicht getan. Eine Entscheidung dürfe erst getroffen werden, wenn untersucht und festgestellt worden sei, worauf seine Schmerzen beruhen. Ferner hat der Kläger das ärztliche Attest des Facharztes für Innere Medizin, Naturheilverfahren Dr. Ru. vom 7. Februar 2011 vorgelegt, wonach dieser ihn wegen seiner chronischen Rückenschmerzen nicht mehr für arbeitsfähig hält. Den Antrag auf Berufung halte er für stimmig und gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2010 zu verurteilen, ihm Rente auf Zeit wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. September 2009 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und nimmt Bezug auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie, Sozialmedizin Dr. L. vom 16. März und 21. April 2011.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat die Beklagte und ihr folgend das SG einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente auf Zeit wegen Erwerbsminderung verneint.
Maßgeblich für die beanspruchte Rente ist vorliegend das ab dem 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)). Nach § 43 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben bei Erfüllung hier nicht streitiger versicherungsrechtlicher Voraussetzungen Versicherte Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht unter den genannten Bedingungen bei einem Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich (Abs. 2). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs.3).
Zutreffend hat das SG ein Leistungsvermögen des Klägers von mindestens sechs Stunden täglich zumindest für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bejaht, da die Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen ausreicht, um den gesundheitlichen Leiden des Klägers gerecht zu werden. Die Voraussetzungen einer Erwerbsminderung liegen damit nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht vor. Auch der Senat ist der Überzeugung, dass die beim Kläger tatsächlich bestehenden Gesundheitsstörungen eine Einschränkung seines beruflichen Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht nicht zu begründen vermögen. Dies steht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zur Überzeugung des Senats fest, der sich hierbei insbesondere auf das vom SG eingeholte Gutachten von Dr. Sch. sowie auf das bereits im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr. Gr., das im Wege des Urkundsbeweises vorliegend verwertet werden kann, stützt.
Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers wird durch Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet, hierbei insbesondere durch Gesundheitsstörungen im Bereich der hals- und Lendenwirbelsäule, eingeschränkt. Nach den übereinstimmenden Feststellungen des Dr. R. in seinen ärztlichen Befundberichten vom 23. und 24. November 2009 sowie in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 21. August 2010, des Dr. Gr. in seinem Gutachten vom 19. Februar 2010 und des Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 15. November 2010 bestehen beim Kläger ausgeprägte Aufbraucherscheinungen der unteren Halswirbelsäule sowie degenerative Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule, die zu Schmerzzuständen beim Kläger führen. Weiterhin bestehen bei ihm degenerative Veränderungen beider Schultergelenke, die nach Angaben des Dr. R. jedenfalls im Bereich der linken Schulter ebenfalls zu Schmerzzuständen beim Kläger führen. Während diese Beschwerden von Dr. Gr. ausweislich seines Gutachtens vom 19. Februar 2010 als Impingementsyndrom, an der rechten Schulter mit Supraspinatussehnendegeneration, bezeichnet werden, sieht Dr. Sch. ausweislich seines Gutachtens vom 15. November 2010 diese Gesundheitsstörung im Bereich beider Schultern als leichte Rotatorenmanschettendegeneration an. Darüber hinaus besteht beim Kläger nach den von Dr. Gr. aufgrund der Aktenlage getroffenen Feststellungen eine beginnende mediale Gonarthrose rechts mehr als links, während Dr. Sch. ausweislich seines Gutachtens beim Kläger eine beginnende Hüftgelenksarthrose feststellen konnte. Während Dr. Gr. und Dr. Sch. insoweit hinsichtlich der Diagnose abweichen, besteht bei ihnen jedoch Übereinstimmung darin, dass die von ihnen festgestellten Gesundheitsstörungen im Bereich der Knie- bzw. Hüftgelenke zu keiner (wesentlichen) Funktionseinschränkung führen. Dies belegen die Feststellungen von Dr. Sch. bei seiner am 15. November 2010 erfolgten klinischen Untersuchung des Klägers. Bei dieser Untersuchung waren der Zehenspitzen- und Hackengang beidseits kräftig, der Einbeinstand sicher. Das Einnehmen der tiefen Hocke gelang mit etwas Mühe vollständig. Reizung oder Ergussbildung im Bereich beider Kniegelenke war nicht feststellbar. Im Rahmen der Untersuchungssituation bei Dr. Sch. zeigte sich auch auf dem Gehweg und dem Praxisflur ein zufriedenstellendes raumgreifendes Gangbild ohne Schonungszeichen. Orthopädische Hilfsmittel oder Gehstützen wurden vom Kläger verneint. Die Fußsohlen zeigten eine seitengleiche gute Beschwielung. Trotz Druckschmerzen über den Leisten bzw. auch Rollhügeln konnte eine regelrechte Funktionsbehinderung nicht festgestellt werden. Die gefertigten Röntgenaufnahmen zeigten eine beginnende Hüftgelenksarthrose, die aufgrund der Einschätzung mit Grad I im altersnormalen Bereich liegt. Aufgrund der beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet, insbesondere im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule gelangte Dr. Sch. in seinem Gutachten in nachvollziehbarer, in sich schlüssiger und widerspruchsfreier Weise zu dem Ergebnis, dass die bei der Leistungsbeurteilung als führend anzusehende Situation der Halswirbelsäule sich leistungsmindernd insofern auswirkt, als mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten dem Kläger nicht mehr abzuverlangen sind. Dies ist aufgrund der im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule bestehenden erheblichen Aufbrauchserscheinungen und degenerativen Veränderungen ohne Weiteres ebenso nachvollziehbar wie die Einschätzung des Dr. Sch., dass der Kläger keine Lastgewichte über zehn kg mehr regelmäßig heben und tragen kann. Auch ist gut nachzuvollziehen, dass aufgrund dieser Gesundheitsstörungen der Kläger Arbeiten über Kopf oder Arbeiten, bei denen der Kopf in Nackenlage sich befindet, zu vermeiden hat. Tätigkeiten in Nässe und Kälte bzw. auf unebenen Böden sowie auf Leitern und Gerüsten kann der Kläger nicht mehr ausüben. Auch Tätigkeiten mit längerem Verharren in Zwangshaltung bzw. Tätigkeiten, die mit einem häufigen Bücken verbunden sind, kann der Kläger aufgrund der bei ihm bestehenden Wirbelsäulenleiden, insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule, nicht mehr ausüben. Aufgrund seiner Gesundheitsstörungen insbesondere im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule ist es dem Kläger angesichts der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen zwar nicht mehr möglich und zumutbar, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Dachdeckerhelfer weiterhin auszuüben. Allerdings ist er trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen mehr als sechs Stunden täglich auszuüben. Auch insoweit ist die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens durch Dr. Sch. in sich schlüssig, nachvollziehbar und entspricht den von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen beim Kläger. Zudem deckt sich diese Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers mit der Beurteilung durch Dr. Gr., der unter Berücksichtigung zahlreicher ihm vorliegender medizinischer Unterlagen in seinem nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 19. Februar 2010 zu der Einschätzung gelangte, der Kläger könne zwar nicht mehr als Dachdeckerhelfer, aber noch zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr täglich ausüben.
Der abweichenden Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers durch Dr. R. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 21. August 2010 vermag der Senat hingegen nicht zu folgen. Nach der Einschätzung von Dr. R. könne der Kläger nur noch leichte Tätigkeiten unter halbschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben, wobei maßgeblich für diese Beurteilung die nachgewiesenen Gesundheitsstörungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie der linken Schulter mit erheblichen muskulären und neurogenen Reizerscheinungen seien. Dr. R. stützt seine Beurteilung des Leistungsvermögens somit in erster Linie auf die von ihm festgestellten Befunde, insbesondere auf die radiologischen Befunde. Für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens sind jedoch nicht Diagnosen oder Feststellungen zu Gesundheitsstörungen maßgebend, sondern die hierdurch bedingten Funktionseinschränkungen und Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen. Inwiefern sich die beim Kläger zweifellos bestehenden Gesundheitsstörungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie im Bereich der Schultern auf sein berufliches Leistungsvermögen auswirken, ist aus der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. R. ebenso wenig zu ersehen wie aus seinen ärztlichen Befundberichten vom 23. und 24. November 2009, die er im Verwaltungsverfahren abgegeben hat. Soweit Dr. R. in seiner sachverständigen Zeugenaussage darauf verweist, aus den von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie der linken Schulter resultiere eine Minderung der Kraftwerte, der Koordinationsfähigkeit sowie der Gang- und Trittsicherheit, ist diese Aussage durch die von Dr. Sch. getroffenen Feststellungen widerlegt. Wie oben bereits dargestellt, waren bei seiner Untersuchung des Klägers am 15. November 2010 der Zehenspitzen- und Hackengang beidseits kräftig, der Einbeinstand sicher. Das Einnehmen der tiefen Hocke gelang dem Kläger mit etwas Mühe vollständig. Das Gangbild war zufriedenstellend raumgreifend ohne Schonungszeichen. Die Benutzung orthopädischer Hilfsmittel oder Gehstützen wurde bei dieser Untersuchung vom Kläger verneint. Eine Minderung der Gang- und Trittsicherheit ist angesichts dieser Feststellungen durch Dr. Sch. gerade nicht zu erkennen. Auch eine Minderung der Koordinationsfähigkeit lässt sich aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen nicht ersehen. So wirkte das Entkleiden bei der Untersuchung am 15. November 2010 flott und sicher, zum Ablegen der Oberbekleidung wurde der Schultergürtel regelrecht eingesetzt. Hose und Schuhe wurden im wechselseitigen Einbeinstand abgelegt, die Strümpfe im Sitzen. Im Bereich der Hände stellte Dr. Sch. fest, dass diese sehr kräftig ausgebildet sind. Die Fingerfein- und -grobgriffe wurden demonstriert, der Faustschluss war vollständig. Hand- und Fingergelenke waren frei beweglich. All dies belegt nach Überzeugung des Senats, dass die von Dr. R. mitgeteilte Minderung der Kraftwerte und der Koordinationsfähigkeit ebenso wenig wie eine Minderung der Gang- und Trittsicherheit vorliegen.
Das vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Attest des Facharztes für Innere Medizin Dr. Ru. vom 7. Februar 2011, in dem er den Kläger wegen seiner chronischen Rückenschmerzen nicht mehr für arbeitsfähig hält, ist ebenfalls nicht geeignet, die Richtigkeit der Leistungsbeurteilung durch Dr. Sch. in Zweifel zu ziehen. Zum einen ist die Diagnose "chronische Rückenschmerzen" zu unbestimmt und führt mangels Angaben zu hieraus resultierenden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit nicht zu einer quantitativen oder qualitativen Leistungseinschränkung. Zum anderen kann die von Dr. Ru. für gegeben gehaltene Arbeitsunfähigkeit nicht mit voller oder teilweiser Erwerbsminderung gleichgesetzt werden. Während die Arbeitsunfähigkeit sich immer auf die konkret zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit bezieht, ist bei Prüfung der Erwerbsminderung insbesondere das Leistungsvermögen auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt maßgebend. So führen selbst etwaige häufigere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit für sich allein noch nicht zur Bejahung einer verminderten Erwerbsfähigkeit (vgl. Bundessozialgericht (BSG) BSGE 9, 192, 194; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 S. 23).
Auch die übrigen Einwendungen des Klägers gegen die Richtigkeit der Beurteilung seines Leistungsvermögens durch Dr. Sch. greifen nicht durch. Der Kläger hat im Berufungsverfahren eingehend und ausführlich geschildert, in welchen Bereichen seines Körpers welche Schmerzen entstehen. Diese Schmerzzustände würden es ihm unmöglich machen, länger als zwei Stunden täglich berufstätig zu sein. Diese Schmerzzustände sowie die sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf sein berufliches Leistungsvermögen habe Dr. Sch. nicht herausgearbeitet, sodass sein Gutachten unvollständig und unrichtig sei. Hierbei übersieht der Kläger, dass Dr. Sch. im Rahmen der Anamneseerhebung bei der Untersuchung am 15. November 2010 durchaus die damals vorhandenen Beschwerden beim Kläger erfragt hat. Die daraufhin erfolgten Angaben des Klägers zu seinen Schmerzen finden sich im Gutachten wieder. Ob und inwiefern hierzu Nachfragen erforderlich sind, unterliegt zunächst der fachkundigen Beurteilung des Sachverständigen. Sollte er Nachfragen zu den eigenen Angaben des Klägers nicht für notwendig erachten, spielt die Tatsache, dass keine Nachfragen erfolgt sind, daher entgegen der Ansicht des Klägers keine Rolle. Der insoweit schriftsätzlich gestellte Beweisantrag wurde zuletzt auch nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr war der Kläger trotz der Hinweise des Senats in den Schriftsätzen vom 14. Oktober und 3. November 2011, aus denen zu ersehen war, dass keine Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen mehr durchgeführt werden, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, ohne seinen Beweisantrag zu wiederholen. Weiter übersieht der Kläger, dass Dr. Sch. durchaus bei der klinischen Untersuchung stets den Aspekt des Schmerzes berücksichtigt und entsprechende Feststellungen hierzu getroffen hat. So stellte Dr. Sch. beispielsweise bei klinischer Untersuchung von Kopf und Halswirbelsäule fest, dass bei Palpation der Nackenregion dort Druckschmerzen über den cervicodorsalen Dornfortsätzen und den Trapezrändern beiderseits bestehen. Weiter findet sich die Feststellung, dass bei der klinischen Untersuchung der Rumpfwirbelsäule bei der tiefen Vorneige Schmerzen an den dorsalen Oberschenkeln, beim Wiederaufrichten in der lumbalen Wirbelsäule angegeben wurden. Lediglich bei Seitneigung seien Druckschmerzen an den Schulterdächern beidseits, nicht im Verlauf der Rumpfwirbelsäule, angegeben worden. Weitere Angaben zu den bei seiner Untersuchung festgestellten bzw. vom Kläger dabei angegebenen Schmerzen finden sich im Gutachten bei der klinischen Untersuchung der Schultern, der Ellenbogengelenke, der Hüfte sowie der Sprunggelenke. Auch bei seiner abschließenden Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers hat Dr. Sch. sehr wohl die Angaben des Klägers und seine Feststellungen während der klinischen Untersuchung zu Schmerzen berücksichtigt, hierbei allerdings auch die von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen und insbesondere die sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen berücksichtigt. Dies ist nicht zu beanstanden. Berücksichtigung fanden hierbei insbesondere auch die eigenen Angaben des Klägers zu seinem Tagesablauf. Wie oben bereits dargestellt, kommt es für die sozialmedizinische Bewertung von Gesundheitsstörungen zur Bestimmung des beruflichen Restleistungsvermögens zunächst nicht auf die diagnostische Einordnung an, sondern in erster Linie auf die tatsächlich bestehenden Funktionseinschränkungen. Dabei ist eine relevante quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden täglich durch eine Schmerzerkrankung im Allgemeinen nur zu erwägen, wenn gleichzeitig ausgeprägte Einschränkungen im Alltagsleben und der sozialen Partizipation trotz ausreichender und angemessener Therapie nachweisbar sind (vgl. AWMF-Leitlinie zur Schmerzbegutachtung, Stand März 2007 (www.uni-duesseldorf.de/AWMF)).
Solche ausgeprägten Einschränkungen bestehen beim Kläger trotz der bei ihm aufgrund der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet zweifellos vorhandenen Schmerzen gerade nicht. Der Senat stützt sich hierbei auf die Feststellungen des Dr. Sch. zum Tagesablauf des Klägers, die auf dessen eigenen Angaben beruhen. Diese zeigen, dass die Schmerzsymptomatik noch keinen gravierenden Einfluss auf seine Alltagsbelastbarkeit hat. So besteht eine Tagesstruktur, die vom Kläger regelmäßig eingehalten wird. Nach seinen eigenen Angaben steht er gegen 07.00 Uhr bis 08.00 Uhr auf und bereitet sich selbst das Frühstück. Anschließend geht er ins Bad und macht dann die Wohnung sauber. Anschließend geht er regelmäßig für ein bis eineinhalb Stunden spazieren, sitzt danach vor dem Fernseher. Mittags kocht der Kläger zusammen mit seiner Frau, die dann von der Arbeit nach Hause kommt. Nachmittags geht der Kläger nach seinen eigenen Angaben wieder für eine Stunde spazieren. Ab und zu bei schönem Wetter fährt er auch mit dem Rad. Seine Kinder kommen regelmäßig zu Besuch. Der Kläger ist nach eigenen Angaben mit dem Auto zur Untersuchung bei Dr. Sch. gefahren. Im September 2010 war er mit seiner Frau zwei Wochen in der Heimat in Bosnien im Urlaub. Ausgeprägte Einschränkungen im Alltagsleben und der sozialen Partizipation aufgrund der Gesundheitsstörungen, insbesondere auf der vom Kläger im Vordergrund gesehenen Schmerzzustände, sind bei diesem vom Kläger selbst geschilderten Tagesablauf nicht zu erkennen. Hinzu kommt, dass der Kläger nach eigenen Angaben jedenfalls im Untersuchungszeitpunkt am 15. November 2010 in keiner schmerztherapeutischen Behandlung stand. Auch in der Folgezeit wurde vom Kläger nicht angegeben, in schmerztherapeutischer Behandlung sich zu befinden. Gegen eine relevante quantitative Einschränkung seines beruflichen Leistungsvermögens durch die bei ihm zweifellos bestehenden Schmerzen spricht auch die Feststellung des Dr. Sch. im Gutachten, dass der Kläger während der Anamneseerhebung ruhig auf dem Stuhl saß, ohne dass Zwangs- oder Fehlhaltungen der Gliedmaßen bzw. des Rumpfes festzustellen gewesen seien. Auch dies belegt, dass die beim Kläger vorhandenen Schmerzen noch nicht so ausgeprägt sind, dass dadurch seine Aktivitäten im Alltag wesentlich beeinträchtigt werden.
Der Kläger vermag auch mit seinem Einwand, Dr. Sch. habe in seinem Gutachten seine Angaben zur Anamnese und insbesondere zum Tagesablauf unvollständig und unrichtig wiedergegeben, nicht durchzudringen. Dr. Sch. hat im Gutachten vermerkt, dass die bisherigen Angaben im Beisein des Klägers diktiert, Einwände oder Ergänzungen nicht gemacht wurden. Hätte Dr. Sch. Angaben des Klägers unvollständig oder unrichtig diktiert, so wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger hiergegen sofort Einwendungen erhebt, was jedoch - auch nach eigenen Angaben des Klägers im Berufungsverfahren - nicht erfolgt ist. Seinem Vorbringen, aufgrund nicht ausreichender Deutschkenntnisse habe er keine Einwände gegen das von Dr. Sch. Diktierte erheben können, ist entgegenzuhalten, dass der Kläger bei der Untersuchung am 15. November 2010 durchaus in der Lage war, ausreichende Angaben zur Eigen-, Familien- und Sozialanamnese, zu den von ihm eingenommenen Medikamenten, seinen Beschwerden sowie zum Tagesablauf zu machen. Er war somit durchaus in der Lage, sich ausreichend verständlich zu machen. Irrelevant sind seine Ausführungen, einfache Menschen seien nicht in der Lage, gegenüber einem Arzt, der sie gar nicht behandle, zu protestieren, da es sich hierbei um eine - durch nichts belegte - bloße Annahme handelt. Ebenso verhält es sich mit den Ausführungen des Klägers, bei Dr. Sch. mit für Patienten offener Praxis für vier Fachgebiete dürfe unterstellt werden, dass er mit täglichen Patienten mehr als voll ausgelastet ist und für die zusätzliche Erstellung von Gutachten nicht die Zeit und Geduld und Sorgfalt aufbringen kann wie ein speziell mit Gutachten Beschäftigter. Soweit der Kläger insoweit darauf verweist, die Zeit, in der Dr. Sch. mit ihm gesprochen habe, belaufe sich auf allenfalls zweimal höchstens fünf Minuten, sind bereits die eigenen Angaben des Klägers widersprüchlich. Während er im Schriftsatz vom 15. November 2011 einerseits angibt, in der Untersuchung vor dem Röntgen habe die Zeit, in der zwischen ihm und Dr. Sch. Worte gewechselt wurden, allenfalls fünf Minuten betragen, gibt der Kläger im selben Schriftsatz an, dass er mit dem Arzt vor dem Röntgen höchstens 15 Minuten zusammen gewesen sei. Gegen die Richtigkeit der Angaben des Klägers spricht auch der von Dr. Sch. gegenüber dem SG abgerechnete Zeitaufwand von zwei Stunden für Anamnese und Untersuchung, der vom SG unbeanstandet vergütet wurde. Zudem folgt selbst aus einer kurzen Anamneseerhebung nicht zwangsnotwendig deren Unrichtigkeit. Die vom Kläger ebenfalls geäußerten Zweifel an der Qualifikation des Dr. Sch. zur Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens werden bereits dadurch widerlegt, dass Dr. Sch. u.a. Facharzt für Orthopädie ist und durch diese Facharztbezeichnung seine Qualifikation nachgewiesen hat. Auch die Tatsache, dass Dr. Sch. als niedergelassener Arzt in eigener Praxis tätig ist und damit nicht ausschließlich Gutachten erstellt, spricht nicht gegen seine Qualifikation zur Erstellung von orthopädischen Gutachten. Auch mit diesem Einwand vermag der Kläger nicht durchzudringen.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht somit zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich eine körperlich leichte Tätigkeit mit den oben im Einzelnen genannten Einschränkungen zu verrichten. Diese sind weder in ihrer Art noch in ihrer Summe geeignet, die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen. Volle Erwerbsminderung liegt daher nicht vor. Damit liegt erst recht keine teilweise Erwerbsminderung vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1952 geborene Kläger bosnischer Staatsangehörigkeit verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Nach seiner Übersiedlung ins Bundesgebiet im Jahr 1973 war er hier zunächst von August 1973 bis Februar 1979 als Hilfsarbeiter in einer Gummifabrik, dann von April 1979 bis November 2006 als Dachdeckergehilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war er arbeitsunfähig erkrankt, danach arbeitslos. Der Kläger ist als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 60 anerkannt.
Nach Ablehnung seines am 17. Juni 2008 gestellten Antrages auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (Bescheid vom 13. November 2008, Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2008) beantragte er am 24. September 2009 erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund Bandscheibenschäden an der gesamten Wirbelsäule, Schmerzen der rechten Schulter, Atemprobleme bei Nacht, Taubheitsgefühl im rechten Arm sowie Beschwerden im linken Arm und chronischer Kopfschmerzen.
Die Beklagte holte daraufhin beim behandelnden Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin Dr. R. die Befundberichte vom 23. und 24. November 2009 sowie beim Facharzt für Chirurgie Dr. Gr. das nach Aktenlage erstellte Gutachten vom 19. Februar 2010 ein. Dr. Gr. gelangte in diesem Gutachten zu dem Ergebnis, der Kläger sei trotz der bei ihm vor allem auf orthopädischem Fachgebiet liegenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten.
Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2010 eine Rentengewährung ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2010).
Hiergegen hat der Kläger am 27. Mai 2010 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) im Wesentlichen mit der Begründung erhoben, er habe aufgrund seines Wirbelsäulenschadens trotz Einnahme von Schmerzmitteln ständige Schmerzen. Aufgrund seiner Bandscheibenprobleme könne er nicht länger als zwei Stunden stehen. Das SG hat zunächst bei Dr. R. die sachverständige Zeugenaussage vom 21. August 2010 eingeholt, in der dieser zu der Auffassung gelangt ist, der Kläger könne leichte Tätigkeiten aufgrund der in den letzten eineinhalb Jahren deutlich verschlechterten Situation im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie der linken Schulter nur noch unter halbschichtig ausüben. Weiter hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Chirotherapie und Sportmedizin Dr. Sch ... Nach klinischer und radiologischer Untersuchung des Klägers am 15. November 2010 hat er bei ihm ausweislich seines Gutachtens vom selben Tag ein muskuläres Reizsyndrom der Halswirbelsäule bei ausgeprägten Aufbraucherscheinungen der unteren Halswirbelsäule ohne radikuläre Reizerscheinungen, ein muskuläres Reizsyndrom der Rumpfwirbelsäule ohne wesentliche Fehlstatik auf der Grundlage degenerativer Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Reizerscheinungen, eine leichte Rotatorenmanschettendegeneration beider Schultern ohne Funktionsbehinderung sowie eine beginnende Hüftgelenksarthrose ohne Funktionseinschränkung diagnostiziert. Bei der Leistungsbeurteilung sei die Situation der Halswirbelsäule als führend anzusehen. Diese wirke leistungsmindernd insofern, als mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten nicht mehr abzuverlangen seien. Somit könnten Lastgewichte über zehn kg nicht mehr regelmäßig gehoben und getragen werden. Insbesondere Arbeiten über Kopf oder mit Kopf in Nackenlage seien zu vermeiden. Gleiches gelte für Tätigkeiten in Nässe und Kälte bzw. unebenen Böden, Leitern und Gerüsten. Im Hinblick auf die Situation an der Lendenwirbelsäule sollten Tätigkeiten mit längerem Verharren in Zwangshaltung bzw. in häufigem Bücken vermieden werden. Die Situation an den Schultern und den Hüften sei nicht höher leistungsmindernd. Leichte körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, mit Heben und Tragen von Lasten bis zehn kg könnten weiterhin vollschichtig, d.h. sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche verrichtet werden. Gestützt auf dieses Gutachten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 29. Dezember 2010 die Klage abgewiesen.
Gegen diesen seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 5. Januar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 4. Februar 2011 beim SG eingelegte Berufung. Zu deren Begründung hat der Kläger vorgetragen, das Gutachten des Dr. Sch. sei unvollständig und unrichtig. Der klinische Befund sei von ihm nur oberflächlich erhoben und seine Schmerzen nicht berücksichtigt worden. Hätte er sich mit seinen Schmerzen befasst, hätte sich Dr. Sch. mit der Frage beschäftigen müssen, inwieweit auch psychische Ursachen und Gegebenheiten seine Beeinträchtigungen verursachen können. Seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie er sie seinem Prozessbevollmächtigten geschildert habe, seien von Dr. Sch. überhaupt nicht erfasst worden. Dieser habe zu Unrecht seine Unfähigkeit, mehr als zwei Stunden durchzuhalten, verneint. Zudem sei Dr. Sch. kein Gutachter und auch kein Spezialist für Orthopädie. Bei seiner Praxis für vier Fachgebiete dürfe unterstellt werden, dass er mit täglichen Patienten mehr als voll ausgelastet sei und für die zusätzliche Erstellung von Gutachten nicht die Zeit und Geduld und Sorgfalt aufbringen könne wie ein speziell mit Gutachten Beschäftigter. Während die Herausarbeitung seiner Beschwerden und seiner körperlichen Zusammenhänge bei seinem Prozessbevollmächtigten weit mehr als eine Stunde gedauert habe, habe sich die Zeit, in der Dr. Sch. mit ihm gesprochen habe, auf allenfalls zweimal höchstens fünf Minuten belaufen. Zu seiner Situationsschilderung habe Dr. Sch. keine Fragen gestellt. Entscheidend seien die von ihm geschilderten Beschwerden und Schmerzen für die ärztliche Begutachtung. Aufgabe des Gutachters sei es jedoch zu bestätigen, inwieweit diese subjektive Prägung dem Objektiven entspreche oder nicht entspreche und warum nicht. Voraussetzung hierfür sei jedoch, das gesamte für den Befund maßgebliche Material herauszuarbeiten und auf den Tisch zu legen. Dies habe Dr. Sch. eindeutig nicht getan. Eine Entscheidung dürfe erst getroffen werden, wenn untersucht und festgestellt worden sei, worauf seine Schmerzen beruhen. Ferner hat der Kläger das ärztliche Attest des Facharztes für Innere Medizin, Naturheilverfahren Dr. Ru. vom 7. Februar 2011 vorgelegt, wonach dieser ihn wegen seiner chronischen Rückenschmerzen nicht mehr für arbeitsfähig hält. Den Antrag auf Berufung halte er für stimmig und gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2010 zu verurteilen, ihm Rente auf Zeit wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. September 2009 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und nimmt Bezug auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie, Sozialmedizin Dr. L. vom 16. März und 21. April 2011.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat die Beklagte und ihr folgend das SG einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente auf Zeit wegen Erwerbsminderung verneint.
Maßgeblich für die beanspruchte Rente ist vorliegend das ab dem 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)). Nach § 43 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben bei Erfüllung hier nicht streitiger versicherungsrechtlicher Voraussetzungen Versicherte Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht unter den genannten Bedingungen bei einem Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich (Abs. 2). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs.3).
Zutreffend hat das SG ein Leistungsvermögen des Klägers von mindestens sechs Stunden täglich zumindest für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bejaht, da die Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen ausreicht, um den gesundheitlichen Leiden des Klägers gerecht zu werden. Die Voraussetzungen einer Erwerbsminderung liegen damit nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht vor. Auch der Senat ist der Überzeugung, dass die beim Kläger tatsächlich bestehenden Gesundheitsstörungen eine Einschränkung seines beruflichen Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht nicht zu begründen vermögen. Dies steht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zur Überzeugung des Senats fest, der sich hierbei insbesondere auf das vom SG eingeholte Gutachten von Dr. Sch. sowie auf das bereits im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr. Gr., das im Wege des Urkundsbeweises vorliegend verwertet werden kann, stützt.
Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers wird durch Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet, hierbei insbesondere durch Gesundheitsstörungen im Bereich der hals- und Lendenwirbelsäule, eingeschränkt. Nach den übereinstimmenden Feststellungen des Dr. R. in seinen ärztlichen Befundberichten vom 23. und 24. November 2009 sowie in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 21. August 2010, des Dr. Gr. in seinem Gutachten vom 19. Februar 2010 und des Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 15. November 2010 bestehen beim Kläger ausgeprägte Aufbraucherscheinungen der unteren Halswirbelsäule sowie degenerative Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule, die zu Schmerzzuständen beim Kläger führen. Weiterhin bestehen bei ihm degenerative Veränderungen beider Schultergelenke, die nach Angaben des Dr. R. jedenfalls im Bereich der linken Schulter ebenfalls zu Schmerzzuständen beim Kläger führen. Während diese Beschwerden von Dr. Gr. ausweislich seines Gutachtens vom 19. Februar 2010 als Impingementsyndrom, an der rechten Schulter mit Supraspinatussehnendegeneration, bezeichnet werden, sieht Dr. Sch. ausweislich seines Gutachtens vom 15. November 2010 diese Gesundheitsstörung im Bereich beider Schultern als leichte Rotatorenmanschettendegeneration an. Darüber hinaus besteht beim Kläger nach den von Dr. Gr. aufgrund der Aktenlage getroffenen Feststellungen eine beginnende mediale Gonarthrose rechts mehr als links, während Dr. Sch. ausweislich seines Gutachtens beim Kläger eine beginnende Hüftgelenksarthrose feststellen konnte. Während Dr. Gr. und Dr. Sch. insoweit hinsichtlich der Diagnose abweichen, besteht bei ihnen jedoch Übereinstimmung darin, dass die von ihnen festgestellten Gesundheitsstörungen im Bereich der Knie- bzw. Hüftgelenke zu keiner (wesentlichen) Funktionseinschränkung führen. Dies belegen die Feststellungen von Dr. Sch. bei seiner am 15. November 2010 erfolgten klinischen Untersuchung des Klägers. Bei dieser Untersuchung waren der Zehenspitzen- und Hackengang beidseits kräftig, der Einbeinstand sicher. Das Einnehmen der tiefen Hocke gelang mit etwas Mühe vollständig. Reizung oder Ergussbildung im Bereich beider Kniegelenke war nicht feststellbar. Im Rahmen der Untersuchungssituation bei Dr. Sch. zeigte sich auch auf dem Gehweg und dem Praxisflur ein zufriedenstellendes raumgreifendes Gangbild ohne Schonungszeichen. Orthopädische Hilfsmittel oder Gehstützen wurden vom Kläger verneint. Die Fußsohlen zeigten eine seitengleiche gute Beschwielung. Trotz Druckschmerzen über den Leisten bzw. auch Rollhügeln konnte eine regelrechte Funktionsbehinderung nicht festgestellt werden. Die gefertigten Röntgenaufnahmen zeigten eine beginnende Hüftgelenksarthrose, die aufgrund der Einschätzung mit Grad I im altersnormalen Bereich liegt. Aufgrund der beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet, insbesondere im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule gelangte Dr. Sch. in seinem Gutachten in nachvollziehbarer, in sich schlüssiger und widerspruchsfreier Weise zu dem Ergebnis, dass die bei der Leistungsbeurteilung als führend anzusehende Situation der Halswirbelsäule sich leistungsmindernd insofern auswirkt, als mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten dem Kläger nicht mehr abzuverlangen sind. Dies ist aufgrund der im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule bestehenden erheblichen Aufbrauchserscheinungen und degenerativen Veränderungen ohne Weiteres ebenso nachvollziehbar wie die Einschätzung des Dr. Sch., dass der Kläger keine Lastgewichte über zehn kg mehr regelmäßig heben und tragen kann. Auch ist gut nachzuvollziehen, dass aufgrund dieser Gesundheitsstörungen der Kläger Arbeiten über Kopf oder Arbeiten, bei denen der Kopf in Nackenlage sich befindet, zu vermeiden hat. Tätigkeiten in Nässe und Kälte bzw. auf unebenen Böden sowie auf Leitern und Gerüsten kann der Kläger nicht mehr ausüben. Auch Tätigkeiten mit längerem Verharren in Zwangshaltung bzw. Tätigkeiten, die mit einem häufigen Bücken verbunden sind, kann der Kläger aufgrund der bei ihm bestehenden Wirbelsäulenleiden, insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule, nicht mehr ausüben. Aufgrund seiner Gesundheitsstörungen insbesondere im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule ist es dem Kläger angesichts der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen zwar nicht mehr möglich und zumutbar, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Dachdeckerhelfer weiterhin auszuüben. Allerdings ist er trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen mehr als sechs Stunden täglich auszuüben. Auch insoweit ist die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens durch Dr. Sch. in sich schlüssig, nachvollziehbar und entspricht den von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen beim Kläger. Zudem deckt sich diese Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers mit der Beurteilung durch Dr. Gr., der unter Berücksichtigung zahlreicher ihm vorliegender medizinischer Unterlagen in seinem nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 19. Februar 2010 zu der Einschätzung gelangte, der Kläger könne zwar nicht mehr als Dachdeckerhelfer, aber noch zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr täglich ausüben.
Der abweichenden Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers durch Dr. R. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 21. August 2010 vermag der Senat hingegen nicht zu folgen. Nach der Einschätzung von Dr. R. könne der Kläger nur noch leichte Tätigkeiten unter halbschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben, wobei maßgeblich für diese Beurteilung die nachgewiesenen Gesundheitsstörungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie der linken Schulter mit erheblichen muskulären und neurogenen Reizerscheinungen seien. Dr. R. stützt seine Beurteilung des Leistungsvermögens somit in erster Linie auf die von ihm festgestellten Befunde, insbesondere auf die radiologischen Befunde. Für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens sind jedoch nicht Diagnosen oder Feststellungen zu Gesundheitsstörungen maßgebend, sondern die hierdurch bedingten Funktionseinschränkungen und Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen. Inwiefern sich die beim Kläger zweifellos bestehenden Gesundheitsstörungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie im Bereich der Schultern auf sein berufliches Leistungsvermögen auswirken, ist aus der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. R. ebenso wenig zu ersehen wie aus seinen ärztlichen Befundberichten vom 23. und 24. November 2009, die er im Verwaltungsverfahren abgegeben hat. Soweit Dr. R. in seiner sachverständigen Zeugenaussage darauf verweist, aus den von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie der linken Schulter resultiere eine Minderung der Kraftwerte, der Koordinationsfähigkeit sowie der Gang- und Trittsicherheit, ist diese Aussage durch die von Dr. Sch. getroffenen Feststellungen widerlegt. Wie oben bereits dargestellt, waren bei seiner Untersuchung des Klägers am 15. November 2010 der Zehenspitzen- und Hackengang beidseits kräftig, der Einbeinstand sicher. Das Einnehmen der tiefen Hocke gelang dem Kläger mit etwas Mühe vollständig. Das Gangbild war zufriedenstellend raumgreifend ohne Schonungszeichen. Die Benutzung orthopädischer Hilfsmittel oder Gehstützen wurde bei dieser Untersuchung vom Kläger verneint. Eine Minderung der Gang- und Trittsicherheit ist angesichts dieser Feststellungen durch Dr. Sch. gerade nicht zu erkennen. Auch eine Minderung der Koordinationsfähigkeit lässt sich aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen nicht ersehen. So wirkte das Entkleiden bei der Untersuchung am 15. November 2010 flott und sicher, zum Ablegen der Oberbekleidung wurde der Schultergürtel regelrecht eingesetzt. Hose und Schuhe wurden im wechselseitigen Einbeinstand abgelegt, die Strümpfe im Sitzen. Im Bereich der Hände stellte Dr. Sch. fest, dass diese sehr kräftig ausgebildet sind. Die Fingerfein- und -grobgriffe wurden demonstriert, der Faustschluss war vollständig. Hand- und Fingergelenke waren frei beweglich. All dies belegt nach Überzeugung des Senats, dass die von Dr. R. mitgeteilte Minderung der Kraftwerte und der Koordinationsfähigkeit ebenso wenig wie eine Minderung der Gang- und Trittsicherheit vorliegen.
Das vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Attest des Facharztes für Innere Medizin Dr. Ru. vom 7. Februar 2011, in dem er den Kläger wegen seiner chronischen Rückenschmerzen nicht mehr für arbeitsfähig hält, ist ebenfalls nicht geeignet, die Richtigkeit der Leistungsbeurteilung durch Dr. Sch. in Zweifel zu ziehen. Zum einen ist die Diagnose "chronische Rückenschmerzen" zu unbestimmt und führt mangels Angaben zu hieraus resultierenden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit nicht zu einer quantitativen oder qualitativen Leistungseinschränkung. Zum anderen kann die von Dr. Ru. für gegeben gehaltene Arbeitsunfähigkeit nicht mit voller oder teilweiser Erwerbsminderung gleichgesetzt werden. Während die Arbeitsunfähigkeit sich immer auf die konkret zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit bezieht, ist bei Prüfung der Erwerbsminderung insbesondere das Leistungsvermögen auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt maßgebend. So führen selbst etwaige häufigere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit für sich allein noch nicht zur Bejahung einer verminderten Erwerbsfähigkeit (vgl. Bundessozialgericht (BSG) BSGE 9, 192, 194; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 S. 23).
Auch die übrigen Einwendungen des Klägers gegen die Richtigkeit der Beurteilung seines Leistungsvermögens durch Dr. Sch. greifen nicht durch. Der Kläger hat im Berufungsverfahren eingehend und ausführlich geschildert, in welchen Bereichen seines Körpers welche Schmerzen entstehen. Diese Schmerzzustände würden es ihm unmöglich machen, länger als zwei Stunden täglich berufstätig zu sein. Diese Schmerzzustände sowie die sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf sein berufliches Leistungsvermögen habe Dr. Sch. nicht herausgearbeitet, sodass sein Gutachten unvollständig und unrichtig sei. Hierbei übersieht der Kläger, dass Dr. Sch. im Rahmen der Anamneseerhebung bei der Untersuchung am 15. November 2010 durchaus die damals vorhandenen Beschwerden beim Kläger erfragt hat. Die daraufhin erfolgten Angaben des Klägers zu seinen Schmerzen finden sich im Gutachten wieder. Ob und inwiefern hierzu Nachfragen erforderlich sind, unterliegt zunächst der fachkundigen Beurteilung des Sachverständigen. Sollte er Nachfragen zu den eigenen Angaben des Klägers nicht für notwendig erachten, spielt die Tatsache, dass keine Nachfragen erfolgt sind, daher entgegen der Ansicht des Klägers keine Rolle. Der insoweit schriftsätzlich gestellte Beweisantrag wurde zuletzt auch nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr war der Kläger trotz der Hinweise des Senats in den Schriftsätzen vom 14. Oktober und 3. November 2011, aus denen zu ersehen war, dass keine Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen mehr durchgeführt werden, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, ohne seinen Beweisantrag zu wiederholen. Weiter übersieht der Kläger, dass Dr. Sch. durchaus bei der klinischen Untersuchung stets den Aspekt des Schmerzes berücksichtigt und entsprechende Feststellungen hierzu getroffen hat. So stellte Dr. Sch. beispielsweise bei klinischer Untersuchung von Kopf und Halswirbelsäule fest, dass bei Palpation der Nackenregion dort Druckschmerzen über den cervicodorsalen Dornfortsätzen und den Trapezrändern beiderseits bestehen. Weiter findet sich die Feststellung, dass bei der klinischen Untersuchung der Rumpfwirbelsäule bei der tiefen Vorneige Schmerzen an den dorsalen Oberschenkeln, beim Wiederaufrichten in der lumbalen Wirbelsäule angegeben wurden. Lediglich bei Seitneigung seien Druckschmerzen an den Schulterdächern beidseits, nicht im Verlauf der Rumpfwirbelsäule, angegeben worden. Weitere Angaben zu den bei seiner Untersuchung festgestellten bzw. vom Kläger dabei angegebenen Schmerzen finden sich im Gutachten bei der klinischen Untersuchung der Schultern, der Ellenbogengelenke, der Hüfte sowie der Sprunggelenke. Auch bei seiner abschließenden Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers hat Dr. Sch. sehr wohl die Angaben des Klägers und seine Feststellungen während der klinischen Untersuchung zu Schmerzen berücksichtigt, hierbei allerdings auch die von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen und insbesondere die sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen berücksichtigt. Dies ist nicht zu beanstanden. Berücksichtigung fanden hierbei insbesondere auch die eigenen Angaben des Klägers zu seinem Tagesablauf. Wie oben bereits dargestellt, kommt es für die sozialmedizinische Bewertung von Gesundheitsstörungen zur Bestimmung des beruflichen Restleistungsvermögens zunächst nicht auf die diagnostische Einordnung an, sondern in erster Linie auf die tatsächlich bestehenden Funktionseinschränkungen. Dabei ist eine relevante quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden täglich durch eine Schmerzerkrankung im Allgemeinen nur zu erwägen, wenn gleichzeitig ausgeprägte Einschränkungen im Alltagsleben und der sozialen Partizipation trotz ausreichender und angemessener Therapie nachweisbar sind (vgl. AWMF-Leitlinie zur Schmerzbegutachtung, Stand März 2007 (www.uni-duesseldorf.de/AWMF)).
Solche ausgeprägten Einschränkungen bestehen beim Kläger trotz der bei ihm aufgrund der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet zweifellos vorhandenen Schmerzen gerade nicht. Der Senat stützt sich hierbei auf die Feststellungen des Dr. Sch. zum Tagesablauf des Klägers, die auf dessen eigenen Angaben beruhen. Diese zeigen, dass die Schmerzsymptomatik noch keinen gravierenden Einfluss auf seine Alltagsbelastbarkeit hat. So besteht eine Tagesstruktur, die vom Kläger regelmäßig eingehalten wird. Nach seinen eigenen Angaben steht er gegen 07.00 Uhr bis 08.00 Uhr auf und bereitet sich selbst das Frühstück. Anschließend geht er ins Bad und macht dann die Wohnung sauber. Anschließend geht er regelmäßig für ein bis eineinhalb Stunden spazieren, sitzt danach vor dem Fernseher. Mittags kocht der Kläger zusammen mit seiner Frau, die dann von der Arbeit nach Hause kommt. Nachmittags geht der Kläger nach seinen eigenen Angaben wieder für eine Stunde spazieren. Ab und zu bei schönem Wetter fährt er auch mit dem Rad. Seine Kinder kommen regelmäßig zu Besuch. Der Kläger ist nach eigenen Angaben mit dem Auto zur Untersuchung bei Dr. Sch. gefahren. Im September 2010 war er mit seiner Frau zwei Wochen in der Heimat in Bosnien im Urlaub. Ausgeprägte Einschränkungen im Alltagsleben und der sozialen Partizipation aufgrund der Gesundheitsstörungen, insbesondere auf der vom Kläger im Vordergrund gesehenen Schmerzzustände, sind bei diesem vom Kläger selbst geschilderten Tagesablauf nicht zu erkennen. Hinzu kommt, dass der Kläger nach eigenen Angaben jedenfalls im Untersuchungszeitpunkt am 15. November 2010 in keiner schmerztherapeutischen Behandlung stand. Auch in der Folgezeit wurde vom Kläger nicht angegeben, in schmerztherapeutischer Behandlung sich zu befinden. Gegen eine relevante quantitative Einschränkung seines beruflichen Leistungsvermögens durch die bei ihm zweifellos bestehenden Schmerzen spricht auch die Feststellung des Dr. Sch. im Gutachten, dass der Kläger während der Anamneseerhebung ruhig auf dem Stuhl saß, ohne dass Zwangs- oder Fehlhaltungen der Gliedmaßen bzw. des Rumpfes festzustellen gewesen seien. Auch dies belegt, dass die beim Kläger vorhandenen Schmerzen noch nicht so ausgeprägt sind, dass dadurch seine Aktivitäten im Alltag wesentlich beeinträchtigt werden.
Der Kläger vermag auch mit seinem Einwand, Dr. Sch. habe in seinem Gutachten seine Angaben zur Anamnese und insbesondere zum Tagesablauf unvollständig und unrichtig wiedergegeben, nicht durchzudringen. Dr. Sch. hat im Gutachten vermerkt, dass die bisherigen Angaben im Beisein des Klägers diktiert, Einwände oder Ergänzungen nicht gemacht wurden. Hätte Dr. Sch. Angaben des Klägers unvollständig oder unrichtig diktiert, so wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger hiergegen sofort Einwendungen erhebt, was jedoch - auch nach eigenen Angaben des Klägers im Berufungsverfahren - nicht erfolgt ist. Seinem Vorbringen, aufgrund nicht ausreichender Deutschkenntnisse habe er keine Einwände gegen das von Dr. Sch. Diktierte erheben können, ist entgegenzuhalten, dass der Kläger bei der Untersuchung am 15. November 2010 durchaus in der Lage war, ausreichende Angaben zur Eigen-, Familien- und Sozialanamnese, zu den von ihm eingenommenen Medikamenten, seinen Beschwerden sowie zum Tagesablauf zu machen. Er war somit durchaus in der Lage, sich ausreichend verständlich zu machen. Irrelevant sind seine Ausführungen, einfache Menschen seien nicht in der Lage, gegenüber einem Arzt, der sie gar nicht behandle, zu protestieren, da es sich hierbei um eine - durch nichts belegte - bloße Annahme handelt. Ebenso verhält es sich mit den Ausführungen des Klägers, bei Dr. Sch. mit für Patienten offener Praxis für vier Fachgebiete dürfe unterstellt werden, dass er mit täglichen Patienten mehr als voll ausgelastet ist und für die zusätzliche Erstellung von Gutachten nicht die Zeit und Geduld und Sorgfalt aufbringen kann wie ein speziell mit Gutachten Beschäftigter. Soweit der Kläger insoweit darauf verweist, die Zeit, in der Dr. Sch. mit ihm gesprochen habe, belaufe sich auf allenfalls zweimal höchstens fünf Minuten, sind bereits die eigenen Angaben des Klägers widersprüchlich. Während er im Schriftsatz vom 15. November 2011 einerseits angibt, in der Untersuchung vor dem Röntgen habe die Zeit, in der zwischen ihm und Dr. Sch. Worte gewechselt wurden, allenfalls fünf Minuten betragen, gibt der Kläger im selben Schriftsatz an, dass er mit dem Arzt vor dem Röntgen höchstens 15 Minuten zusammen gewesen sei. Gegen die Richtigkeit der Angaben des Klägers spricht auch der von Dr. Sch. gegenüber dem SG abgerechnete Zeitaufwand von zwei Stunden für Anamnese und Untersuchung, der vom SG unbeanstandet vergütet wurde. Zudem folgt selbst aus einer kurzen Anamneseerhebung nicht zwangsnotwendig deren Unrichtigkeit. Die vom Kläger ebenfalls geäußerten Zweifel an der Qualifikation des Dr. Sch. zur Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens werden bereits dadurch widerlegt, dass Dr. Sch. u.a. Facharzt für Orthopädie ist und durch diese Facharztbezeichnung seine Qualifikation nachgewiesen hat. Auch die Tatsache, dass Dr. Sch. als niedergelassener Arzt in eigener Praxis tätig ist und damit nicht ausschließlich Gutachten erstellt, spricht nicht gegen seine Qualifikation zur Erstellung von orthopädischen Gutachten. Auch mit diesem Einwand vermag der Kläger nicht durchzudringen.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht somit zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich eine körperlich leichte Tätigkeit mit den oben im Einzelnen genannten Einschränkungen zu verrichten. Diese sind weder in ihrer Art noch in ihrer Summe geeignet, die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen. Volle Erwerbsminderung liegt daher nicht vor. Damit liegt erst recht keine teilweise Erwerbsminderung vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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