L 4 R 1669/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 4617/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1669/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der ihm bewilligten Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Januar 2001 und die Rückforderung gezahlter Leistungen in Höhe von EUR 55.559,73.

Der 1951 geborene Kläger absolvierte 1974 die Meisterprüfung im Weinküferhandwerk und war anschließend als Küfermeister bis April 1981 versicherungspflichtig beschäftigt, danach als selbstständiger Küfermeister tätig. Am 12. Juni 1992 beantragte er bei der Landesversicherungsanstalt Baden, eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) Rente wegen Berufsunfähigkeit und gab u.a. an, zehn bis zwölf Stunden im Betrieb (Küferei, Brennerei, Mosterei, Getränkehandel) selbstständig tätig zu sein. Auf Nachfrage der Beklagten gab er unter dem 30. Juli 1992 an, er verrichte Arbeiten im Büro zwei bis drei Stunden täglich. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 9. Juli 1993 ab 16. April 1993 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von anfänglich monatlich DM 1.101,30 (Zahlbetrag DM 1.032,47). Der Berechnung der Rente lagen insgesamt 38,7490 persönliche Entgeltpunkte zugrunde. Unter der Überschrift "Mitteilungspflichten" wurde im Bescheid ausgeführt: "Arbeitsentgelt und bestimmte Sozialleistungen, die neben der Rente gezahlt werden, können Einfluss auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns das Hinzutreten oder die Veränderung folgender Leistungen unverzüglich mitzuteilen".

In der anschließenden Aufzählung wurde neben verschiedenen Sozialleistungen genannt Arbeitsentgelt ohne Arbeitsleistung aus einem vor Beginn begründeten Beschäftigungsverhältnis. Die Rente betrug ab 1. Januar 2001 DM 1.350,40, ab 1. Juli 2001 DM 1.376,25, ab 1. Januar 2002 EUR 703,66, ab 1. Juli 2002 EUR 720,52, ab 1. Juli 2003 EUR 729,05, ab 1. April 2004 EUR 725,33, ab 1. Juli 2005 EUR 722,30, ab 1. Dezember 2005 EUR 721,96, ab 1. April 2007 EUR 723,98 und ab 1. Juli 2007 EUR 727,87.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2000 informierte die Beklagte - nach ihrer Behauptung auch den Kläger - über die gesetzliche Änderung, dass ab 1. Januar 2001 für alle Bezieher einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Hinzuverdienstregelungen gälten. Dem Schreiben beigefügt war ein Fragebogen, in welchem u.a. nach voraussichtlichem Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit für die Zeit nach dem 31. Dezember 2000 gefragt wurde. Da eine Antwort des Klägers auf das Schreiben vom 13. Oktober 2000 nicht einging, informierte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 9. November 2000, sie gehe davon aus, dass er derzeit entweder keinen Hinzuverdienst oder nur einen Hinzuverdienst in den Grenzen einer Vollrente erziele. Sollte dies nicht so sein, bitte sie um baldmöglichste Antwort. Unabhängig davon weise sie nochmals auf die im Rentenbescheid sowie im Schreiben vom 13. Oktober 2000 genannten Mitwirkungspflichten hin.

Auf die Anträge des Klägers vom 16. März 2006 und 27. Juni 2007 bewilligte die Beklagte stationäre medizinische Leistungen der (Anschluss-)Rehabilitation. Anlässlich der stationären Leistungen gab der Kläger jeweils an, in seinem Betrieb übernehme er überwiegend Bürotätigkeit und Kundenberatung (Entlassungsberichte des Prof. Dr. B. vom 3. Mai 2006 und des Dr. H. vom 5. Oktober 2007).

Auf Anforderungen der Beklagten übersandte der Kläger zunächst den Bescheid des Finanzamts C. für 2006 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 11. Oktober 2007 sowie weiter (Eingang bei der Beklagten am 4. Dezember 2007) die Bescheide des Finanzamts C. für 2001 vom 25. Februar 2003, für 2002 vom 27. November 2003, für 2003 vom 13. Dezember 2004, für 2004 vom 7. August 2006 und für 2005 vom 20. Dezember 2006 sowie die Erfolgsrechnung des Steuerberaters zum Oktober 2007. In diesen Steuerbescheiden und in der Erfolgsrechnung sind folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb genannt: 2001 DM 40.580,00 2002 EUR 13.364,00 2003 EUR 16.591,00 2004 EUR 15.433,00 2005 EUR 12.581,00 2006 EUR 31.924,00 Januar bis Oktober 2007 EUR 16.977,31.

Die Beklagte hörte den Kläger zu einer teilweisen Aufhebung der bewilligten Rente wegen Berufsunfähigkeit sowie zur Rückforderung einer entstandenen Überzahlung in Höhe von EUR 55.559,73 an (Schreiben vom 17. Dezember 2007). Der Kläger äußerte sich dahin, dass für die Vergangenheit der Hinzuverdienst nicht (mehr) berücksichtigt werden könne. Er hätte ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen, dass auch für Renten wegen Berufsunfähigkeit Hinzuverdienstgrenzen eingeführt worden seien. Dies sei nicht erfolgt. Die Schreiben vom 13. Oktober und 9. November 2000 seien ihm nicht zugegangen. Ein mit der Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2000 mitgeschicktes Hinweisblatt habe sich ausschließlich zu Hinzuverdienstgrenzen bei Bezug einer Vollrente wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres, einer ab 1996 neu gewährten und in voller Höhe gezahlten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und einer ab 1996 neu gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit geäußert. Jedenfalls sei die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verstrichen.

Mit Bescheid vom 4. März 2008 hob die Beklagte den Bescheid vom 9. Juli 1993 für die Zeit ab 1. Januar 2001 wegen Anrechnung von Einkommen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X teilweise auf, verfügte, dass die Rente wegen Berufsunfähigkeit in den Zeiten vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2002, 1. März 2003 bis 31. Dezember 2004 und ab 1. Januar 2006 voll ruht sowie in den Zeiten vom 1. Juli 2002 bis 28. Februar 2003 und 1. Januar bis 31. Dezember 2005 in Höhe von einem Drittel zusteht, und forderte die entstandene Überzahlung in Höhe von EUR 55.559,73 zurück. Durch die in den entsprechenden Einkommensteuerbescheiden bestätigten Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit würden die zulässigen Verdienstgrenzen für die Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Januar 2001 überschritten, so dass die Rente wegen Berufsunfähigkeit in den genannten Zeiträumen in vollem Umfang ruhe oder nur zu einem Drittel zustehe. Der Kläger sei sowohl in Verbindung mit der Rentenanpassung zum 1. Juli 2000 als auch mit dem Schreiben vom 13. Oktober 2000 über die gesetzlichen Änderungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 1. Januar 2001 informiert worden. Auch sei ihm im Schreiben vom 9. November 2000 mitgeteilt worden, dass sie (die Beklagte) davon ausgehe, er werde ab 1. Januar 2001 keine Einkünfte erzielen. Es sei unwahrscheinlich, dass drei Schreiben, die an verschiedenen Tagen versendet worden seien, nicht zugegangen sein sollten.

Den Widerspruch des Klägers, in welchem er auf seine Stellungnahme zur Anhörung verwies, insbesondere erneut darauf, dass er die beiden Schreiben vom 13. Oktober und 9. November 2000 nicht erhalten habe, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2008). Zur Begründung führte er ergänzend zur Begründung des Bescheids vom 4. März 2008 aus, er (der Widerspruchsausschuss) habe sich davon überzeugt, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gebe, dass Schreiben aus dem Jahr 2000, die den Kläger über die Einkommensanrechnung in Kenntnis gesetzt und auf seine Mitwirkungspflicht hingewiesen hätten, dem Kläger nicht zugegangen seien. Deshalb müsse die Tatsache des Zugangs und dessen Zeitpunkt nicht von ihr (der Beklagten) nachgewiesen werden. Der Beginn der Jahresfrist des § 48 SGB X sei die Übersendung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2006 am 4. Dezember 2007 gewesen, so dass diese Jahresfrist eingehalten und die Rücknahme für die Vergangenheit möglich sei. Auch im Rahmen des Ermessens sei die Rücknahme des Bescheids und die damit verbundene Rückforderung gerechtfertigt. Der Rentenversicherungsträger habe bei seiner Ermessensausübung zu beachten, dass die ordnungsgemäße Rentengewährung zur Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes beitrage und die sachgerechte Verwendung der Mittel der Versichertengemeinschaft Vorrang vor den persönlichen Interessen des Klägers habe. Im Übrigen seien keine Umstände bekannt, um im Wege des Ermessens von einer Rücknahme des Bescheides abzusehen.

Der Kläger erhob am 22. Oktober 2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er verwies auf seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Es sei Aufgabe der Beklagten, den Zugang der Schreiben vom 13. Oktober und 9. November 2000 zu beweisen.

Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid entgegen.

Das SG hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2010 an - auf die Niederschrift vom 27. Januar 2010 wird verwiesen - und wies die Klage mit Urteil vom selben Tag ab. Der Bescheid über die Bewilligung der Rente wegen Berufsunfähigkeit sei infolge einer Gesetzesänderung und aufgrund des erzielten Einkommens des Klägers hinsichtlich der Leistungshöhe nachträglich rechtswidrig geworden. Nach Erlass des Bescheides vom 16. April (richtig 9. Juli) 1993 hätten sich die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert. Denn nach Einführung von Hinzuverdienstgrenzen für bestehende Renten wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Januar 2001 sei die Rente wegen Berufsunfähigkeit aufgrund des vom Kläger erzielten Einkommens, das die maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen überstiegen habe, nicht mehr in der bewilligten Höhe zu leisten gewesen. Da der Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X weder Verschulden noch Bösgläubigkeit des Betroffenen voraussetze, sei die vom Kläger behauptete Fehlberatung durch einen Steuerberater unbeachtlich und es komme auch nicht darauf an, ob ihm die Informationsschreiben und die schriftliche Anfrage der Beklagten vom November 2000 zugegangen seien. Die Beklagte habe im Widerspruchsbescheid Ermessen ausgeübt. Die angestellten Erwägungen ließen keine Ermessensfehler erkennen. Die vom Kläger vorgetragenen Umstände begründeten keine atypische Sachverhaltskonstellation, die eine Ermessensentscheidung oder eine Berücksichtigung der Umstände in den Ermessenserwägungen erfordert hätte. Besondere Umstände lägen nicht vor. Beim Kläger sei eine Überversorgung eingetreten, weil er ab dem Jahr 2001 in den Genuss der Rente wegen Berufsunfähigkeit gekommen sei, obgleich er in erheblicher Höhe auch eigenes Einkommen erzielt habe, so dass der Regelfall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vorliege. Der Kläger könne sich nicht auf ein berechtigtes Vertrauen berufen, dass er mit einer Erstattungsforderung beim Verbrauch des erzielten Einkommens und der Rente nicht habe rechnen müssen. Er habe nach seinen Angaben sich lediglich bei einem Steuerberater nach Hinzuverdienstgrenzen erkundigt, nicht aber bei der Rentenversicherung oder einer anderen rentenrechtskundigen Stelle Informationen eingeholt, so dass sich eine zuverlässige Vertrauensgrundlage nicht habe bilden können. Dass er bei Kenntnis der Hinzuverdienstgrenzen unternehmerische Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschöpft hätte, sei ohne Bedeutung, weil dies nichts an dem Umstand ändere, dass er in den Jahren ab 2001 tatsächlich erhebliches Einkommen erzielt habe. Allein die mit der rückwirkenden Aufhebung verbundene Rückzahlungspflicht begründe auch bei höheren Beträgen keinen Ausnahmefall. Anzeichen dafür, dass der Kläger durch die Pflicht zur Rückzahlung in eine besondere Bedrängnis geraten sei, ergäben sich weder aus den Akten, noch habe der Kläger solche Umstände vorgetragen. Die Beklagte habe die Jahresfrist der §§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt, weil sie erst am 4. Dezember 2007 durch die Vorlage der Steuerbescheide von der Höhe des Arbeitseinkommens erfahren habe. Die Beklagte habe beachtet, dass das Recht zur Aufhebung auf die Höhe des Mehrverdienstes beschränkt sei, der die maßgebliche Hinzuverdienstgrenze überschreite.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 10. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, 12. April 2010 Berufung eingelegt. Er verweist wiederum auf seine bisherigen Ausführungen und macht weiter geltend, die Beklagte selbst sei jedenfalls im Verwaltungsverfahren davon ausgegangen, der Zugang der Schreiben vom 13. Oktober und 9. November 2000 sei entscheidend für die Frage, ob der Bewilligungsbescheid rückwirkend aufgehoben werden könne. Diesbezüglich habe sich die Beklagte selbst gebunden. Den Zugang (dieser Schreiben) habe sie nicht beweisen können, sondern es spreche alles dafür, dass er diese Schreiben nicht erhalten habe. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte Ermessen ausgeübt haben solle. Dies werde im Widerspruchsbescheid lediglich behauptet, jedoch sei nicht ersichtlich, welche Erwägungen hierbei angestellt worden sein sollen. Der Widerspruchsbescheid setze sich ausschließlich damit auseinander, dass dieser ihm (dem Kläger) vorhalte, sämtliche Schreiben der Beklagten aus dem Jahr 2000 erhalten zu haben. Schließlich werde hinsichtlich sämtlicher zurückliegender Zeiträume bezüglich des geltend gemachten Erstattungsanspruchs die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger verkenne, dass sie zur Ausübung von Ermessen überhaupt nicht verpflichtet gewesen sei, weil ein so genannter atypischer Fall nicht vorliege. Die Einrede der Verjährung greife nicht durch, weil die Jahresfrist der §§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten. Denn der Kläger wendet sich gegen eine Rückforderung in Höhe von EUR 55.559,73.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 4. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hatte wegen des erzielten Arbeitseinkommens in den Zeiten vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2002, 1. März 2003 bis 31. Dezember 2004 und ab 1. Januar 2006 keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, weil diese Rente in vollem Umfang ruhte, sowie in den Zeiten vom 1. Juli 2002 bis 28. Februar 2003 und 1. Januar bis 31. Dezember 2005 nur Anspruch auf die Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von einem Drittel.

1. Der Bescheid der Beklagten vom 4. März 2008 ist formell rechtmäßig. Denn die Beklagte hat die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung vor Erlass des Bescheides durchgeführt.

2. Der Bescheid der Beklagten vom 4. März 2008 ist auch materiell rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die (teilweise) Aufhebung der mit Bescheid vom 9. Juli 1993 erfolgten Bewilligung von Rente wegen Berufsunfähigkeit ist § 48 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich - zugunsten oder zu Lasten des Betroffenen - auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. August 2001 - B 11 AL 17/01 R - SozR 3-4300 § 119 Nr. 4).

a) Gegenüber dem Zeitpunkt der Bewilligung der Rente wegen Berufsunfähigkeit ist mit Wirkung zum 1. Januar 2001 eine wesentliche Änderung eingetreten. Denn der Kläger bezog ab dem Jahre 2001 Arbeitseinkommen, das die Hinzuverdienstgrenzen, die ab 1. Januar 2001 auch bei bereits zuvor bewilligten Renten wegen Berufsunfähigkeit Anwendung fanden, überschritt.

Eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird nach § 96a Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Bestand - wie im vorliegenden Fall - am 31. Dezember 2000 u.a. Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, ist nach § 313 Abs. 1 SGB VI, eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 2001 durch Art. 1 Nr. 58 des Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I, S. 1827), § 96a SGB VI unter Beachtung der Hinzuverdienstgrenzen des Absatzes 3 u.a. mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Regelungen zur Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Rente wegen Berufsunfähigkeit entsprechend gelten. Abhängig vom erzielten Hinzuverdienst wird nach § 313 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI eine Rente wegen Berufsunfähigkeit in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in Höhe von einem Drittel geleistet. Die Hinzuverdienstgrenze beträgt nach § 313 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI bei einer Rente wegen Berufsunfähigkeit in der in der hier maßgeblichen, vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung a) in voller Höhe das 52,5fache, b) in Höhe von zwei Dritteln das 70fache, c) in Höhe von einem Drittel das 87,5fache des aktuellen Rentenwerts (§ 68 SGB VI), vervielfältigt mit den Entgeltpunkten (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI) des letzten Kalenderjahres vor Eintritt der Berufsunfähigkeit, mindestens jedoch mit 0,5 Entgeltpunkten. Danach betrug die monatliche Hinzuverdienstgrenze für die Rente wegen Berufsunfähigkeit in voller Höhe ab 1. Januar 2001 EUR 652,01, ab 1. Juli 2001 EUR 664,50, ab 1. Juli 2002 EUR 678,83, ab 1. Juli 2003 EUR 685,91 und ab 1. Juli 2007 EUR 689,59 sowie für die Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von einem Drittel ab 1. Januar 2001 EUR 1.086,69, ab 1. Juli 2001 EUR 1.107,49, ab 1. Juli 2002 EUR 1.131,38, ab 1. Juli 2003 EUR 1.143,19 und ab 1. Juli 2007 EUR 1.167,95. Das monatliche Arbeitseinkommen des Klägers betrug (die in den Einkommensteuerbescheiden genannten Jahresbeträge geteilt durch 12) im Jahre 2001 EUR 1.729,02, im Jahre 2002 EUR 1.113,67, im Jahre 2003 EUR 1.382,58, im Jahre 2004 EUR 1.286,08, im Jahre 2005 EUR 1.048,42 und im Jahre 2006 EUR 2.660,33 sowie im Jahr 2007 (der in der Erfolgsrechnung des Steuerberaters zum Oktober 2007 genannte Betrag geteilt durch 10) EUR 1.697,73. Mit diesem Arbeitseinkommen überschritt der Kläger die monatliche Hinzuverdienstgrenze für die Rente wegen Berufsunfähigkeit in voller Höhe durchgehend seit 1. Januar 2001 sowie die monatliche Hinzuverdienstgrenze für die Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von einem Drittel in den Zeiten vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2002, vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 und ab 1. Januar 2006. Für den beiden ersten Monate des Jahres 2003 ging die Beklagte zudem davon aus, dass das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze für die Rente wegen Berufsunfähigkeit in einem Drittel als zweimaliges Überschreiten unschädlich ist (vgl. § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

b) Die Beklagte durfte die Bewilligung auch für die Vergangenheit vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse am 1. Januar 2001 an teilweise aufheben, weil die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gegeben sind. Denn der Kläger erzielte Einkommen, das zum teilweisen Wegfall des Anspruchs führte. Maßgeblich ist allein, dass der Kläger Einkommen tatsächlich erzielte. Auf ein Verschulden oder eine Bösglaubigkeit des Klägers kommt es insoweit nicht an. Ob dem Kläger die Schreiben vom 13. Oktober und 9. November 2000 zugegangen sind und/oder ob er seine Mitteilungspflichten grob fahrlässig verletzt hat, ist deshalb ohne Belang. Auch die Auffassung des Klägers, die Beklagte selbst sei jedenfalls im Verwaltungsverfahren davon ausgegangen, der Zugang der Schreiben vom 13. Oktober und 9. November 2000 sei entscheidend für die Frage, ob der Bewilligungsbescheid rückwirkend aufgehoben werden könne, mit der Folge, dass sie sich diesbezüglich selbst gebunden habe, greift nicht durch. Die Rechtslage, dass es allein auf das tatsächliche Erzielen von Einkommen ankommt, ändert sich durch ein Verhalten der Beklagten nicht.

c) Die Beklagte hat ferner zu Recht die Rentenbewilligung nur in dem Umfang aufgehoben, um den der Hinzuverdienst die relevante Grenze tatsächlich überschritten hat. In den Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X darf eine Bewilligung nur in dieser Höhe aufgehoben werden (BSG, Urteil vom 23. März 1995, 13 RJ 39/94, SozR 3-1300 § 48 Nr. 37; Urteil vom 12. Dezember 1995, 10 RKg 9/95, SozR 3-1300 § 48 Nr. 42; Urteil vom 17. Februar 2011 - B 10 KG 5/09 R - SozR 4-5870 § 2 Nr. 1). Das vom Kläger erzielte Einkommen (siehe oben a)) lag in der Zeit ab 1. Januar 2001 immer über dem Betrag der Rente wegen Berufsunfähigkeit.

d) Die Beklagte war nicht verpflichtet, bei der Aufhebung Ermessen auszuüben. Liegen die Aufhebungsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vor, kann die Behörde grundsätzlich die Bewilligung aufheben. Nur in Ausnahmefällen, wenn ein so genannter atypischer Fall gegeben ist, hat die Behörde Ermessen auszuüben, ob ausnahmsweise von einer (ganzen oder teilweisen) Aufhebung der Bewilligung abzusehen ist. Die Frage, wann es sich um einen atypischen Fall handelt, in dem eine Ermessensentscheidung getroffen werden muss, ist nach dem Zweck der jeweiligen Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Diese müssen im Hinblick auf die mit der rückwirkenden Aufhebung des Verwaltungsakts verbundenen Nachteile, insbesondere der aus § 50 Abs. 1 SGB X folgenden Erstattungspflicht, vom Normalfall in besonderer Weise abweichen (BSG, Urteil vom 24. September 1986 - 10 RKg 9/85 - SozR 5870 § 2 Nr. 47).

Ein atypischer Fall liegt nicht vor. Vielmehr liegt der typische Fall vor, dass ein Versicherter eine Sozialleistung erhalten hat, auf die er wegen eigenen Einkommens keinen Anspruch hatte. Allein die Höhe der Rückforderung, die sich aus der Aufhebung der Bewilligung ergibt, ist als Folge der Aufhebung kein Kriterium für die Feststellung eines typischen oder atypischen Falls.

Auch lässt sich weder ein Fehlverhalten der Beklagten feststellen noch hat die Beklagte einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die Beklagte hat über die zum 1. Januar 2001 erfolgte gesetzliche Änderung, mit der auch auf zuvor bewilligte Renten wegen Berufsunfähigkeit ein erzieltes Einkommen angerechnet wird, informiert. Es mag sein, dass dem Kläger die hierzu an ihn gerichteten Schreiben vom 13. Oktober und 9. November 2000 nicht zugegangen sind. Für die Beklagte war allerdings nicht erkennbar, dass die Schreiben nicht zugegangen sind. Ein Postrücklauf erfolgte nicht. Die Beklagte hatte deshalb auch keinen Anlass, weitergehend den Kläger über die Gesetzesänderung zum 1. Januar 2001 hinsichtlich der Hinzuverdienstgrenzen zu informieren und ihn hierzu gegebenenfalls ergänzend zu beraten. Um eine Beratung hat der Kläger bei der Beklagten auch nicht nachgesucht. Er hat nach seiner Behauptung in der mündlichen Verhandlung des SG insoweit allenfalls mit seinem Steuerberater Kontakt aufgenommen.

Schließlich hat der Kläger sowohl in seiner Stellungnahme zum Anhörungsschreiben der Beklagten vom 17. Dezember 2007 als auch in der Begründung seines Widerspruchs keine Umstände aufgezeigt, die auf einen atypischen Fall hindeuten könnten.

Da ein atypischer Fall nicht vorliegt, musste die Beklagte kein Ermessen ausüben. Dass sie es nach den Ausführungen im Widerspruchsbescheid dennoch getan hat, ändert daran nichts. Es ist deshalb auch unerheblich, ob die im Widerspruchsbescheid genannten Ermessenserwägungen ausreichend sind oder nicht.

e) Schließlich hat die Beklagte auch die weiteren Voraussetzungen einer rückwirkenden Aufhebung beachtet. Insbesondere hat sie die Jahresfrist der §§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten. Kenntnis davon, dass der Kläger ab 1. Januar 2001 Einkommen erzielt hatte, hatte sie erst mit dem Eingang der vom Kläger übersandten Einkommensteuerbescheide am 4. Dezember 2007. Der Aufhebungsbescheid ist am 4. März 2008, mithin drei Monate später ergangen. Eine "Verjährung" - wie vom Kläger im Berufungsverfahren geltend gemacht - ist deshalb nicht eingetreten.

3. Da die Beklagte zu Recht die Bewilligung der Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Januar 2001 teilweise aufgehoben hat, ist der Kläger nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die zu Unrecht erhaltenen Rentenzahlungen zu erstatten. Dies sind EUR 55.559,73. Hinsichtlich der Berechnung des Rückforderungsbetrags schließt der Senat sich nach eigener Prüfung der als Anlage 1 dem Anhörungsschreiben vom 17. Dezember 2007 beigefügt Berechnung an. Der Kläger hat insoweit auch keine Einwendungen gegen die Höhe der Rückforderung erhoben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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