L 12 AL 2205/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 4846/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2205/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X die Rücknahme des Bescheids vom 21. März 2007, mit dem die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. Mai 2004 bis zum 13. Oktober 2004 zurückgenommen hat und die Erstattung des geleisteten Arbeitslosengeldes mit Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 7.155,03 EUR (5.209,08 EUR Arbeitslosengeld, 1.945,95 EUR Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) verlangt.

Der 1974 geborene Kläger schied am 31. Januar 2004 aus seinem Beschäftigungsverhältnis mit der Firma T. Consulting GmbH aus. Der Kläger meldete sich am 14. Januar 2004 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Am 29. Juni 2004 ging das Antragsformular, in dem der Kläger durch seine Unterschrift bestätigt hatte, dass er keine Beschäftigung und Tätigkeit ausübe, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von dessen Inhalt Kenntnis genommen habe und er Änderungen unverzüglich anzeigen werde, bei der Beklagten ein. Die Beklagte bewilligte dem Klägerin daraufhin ab 01. Februar 2004 Arbeitslosengeld mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 219,66 EUR.

Im Januar 2007 teilte das Hauptzollamt Karlsruhe der Beklagten mit, dass im Oktober 2006 eine Außenprüfung der Firma A. S. gem. §§ 2-4 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes erfolgt sei, und legte Provisionsabrechnungen betreffend den Kläger für die Zeit vom 01. Mai bis zum 31. Oktober 2004 vor. Herr S. habe mitgeteilt, dass er den Vertrag mit dem Kläger nicht mehr auffinden könne. Die Provision sei bar und ohne Quittung ausgezahlt worden. In der Mitarbeiterkartei der Firma S. ist als Eintrittsdatum des Klägers der 18. Mai 2004 und als Austrittsdatum der 22. Oktober 2004 verzeichnet.

In den Verwaltungsakten der Beklagten ist ein "Entwurf" eines Anhörungsschreibens vom 25. Januar 2007 hinsichtlich der beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld enthalten; der Kläger bestreitet den Erhalt dieses Anhörungsschreibens. Die Beklagte hob ihre Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. Mai bis zum 13. Oktober 2004 ganz auf und forderte die Erstattung des zu Unrecht gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 5.209,08 EUR nebst Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung von 1.945,95 EUR (Bescheid vom 21. März 2007). Den Antrag des Klägers auf Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 21. März 2007 (Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 16. Juli 2007) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07. August 2007 ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers (Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 13. August 2007) hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 03. September 2007).

Dagegen hat der Kläger am 04. Oktober 2007 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21. März 2007 sei verfahrensfehlerhaft ergangen, da der Kläger das Anhörungsschreiben nicht erhalten habe. Zudem habe die Beklagte in Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse rechtsfehlerhaft entschieden. Der Kläger habe nicht bereits am 01. Mai seine selbstständige Tätigkeit begonnen, sondern erst Mitte Mai 2004. Die Tätigkeit habe darin bestanden, dass der Kläger auf Wochenmärkten und auf Messen Dauerspendenzahler für die Deutsche Rettungsflugwacht habe akquirieren sollen. Für die entsprechenden Spenden habe er dann eine Provision erhalten. Im Mai 2004 habe er eine Provision in Höhe von 310,- EUR netto (abzüglich Benzinkosten und Kosten für Arbeitskleidung 180,- EUR netto), für Juni 2004 730,- EUR netto (abzüglich Benzinkosten, Kosten für Arbeitskleidung und Stornoreserve ca. 400,- EUR netto) und für Juli 2004 1.082,76 EUR netto (abzüglich Benzinkosten, Kosten für Arbeitskleidung und Stornoreserve 810,76 EUR netto) erhalten. Im August 2008 habe der Kläger seine Tätigkeit eingestellt. Die von Herrn S. ab diesem Zeitpunkt abgerechneten Beträge habe er nicht erhalten. In der Zeit von Mitte Mai bis Juli 2004 sei der Kläger nach wie vor arbeitslos gewesen, da er die Tätigkeit unter 15 Stunden wöchentlich ausgeübt habe. Er habe sich grundsätzlich samstags, dienstags und donnerstags auf Wochenmärkten eingefunden. Der Stand sei gegen 8.00 Uhr aufgebaut und zum Marktende gegen 12.00 und 12.30 Uhr wieder abgebaut worden. An schlechten Markttagen sei auch früher, durchaus schon um 10.00 oder 11.00 Uhr wieder abgebaut worden. Dies sei mehrere Male vorgekommen, sodass der Kläger eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von maximal 10 bis 12 Stunden gehabt habe. Den Stand habe er nicht alleine betreut, sondern mit Kollegen. Er habe durchschnittlich 1/2 bis eine 3/4 Stunde Pause gehabt, in dem er private Einkäufe erledigt habe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger erst im Juli 2004 eine erste Arbeitslosengeldzahlung erhalten habe. Als der Kläger die Nebentätigkeit angenommen habe, habe er nicht gewusst, ob er überhaupt Arbeitslosengeld erhalten werde. Auch habe er nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Das SG hat den Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung am 14. September 2009 persönlich angehört und Herrn S. als Zeugen vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift des SG vom 14. September 2009 (Bl. 55 bis 58 der SG-Akten) Bezug genommen.

Das SG hat mit Urteil vom 07. Dezember 2009 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. September 2007 verurteilt, den Bescheid vom 21. März 2007 insoweit zurückzunehmen, als damit die Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. Mai bis zum 17. Mai 2004 aufgehoben wurde und überzahlte Leistungen über den Betrag von 6.422,29 EUR hinaus zurückgefordert werden. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen und der Beklagten ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Zurecht habe die Beklagte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens abgelehnt, die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung für die Zeit vom 18. Mai bis zum 13. Oktober 2004 aufzuheben. Lediglich im Zeitraum vom 01. bis zum 17. Mai 2004 sei die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung zu Unrecht erfolgt. Vorliegend seien die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X für den Zeitraum vom 18. Mai bis zum 13. Oktober 2004 nicht erfüllt. Die Beklagte habe bei Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids betreffend diesen Zeitraum das Recht richtig angewandt und sie sei auch von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen. Ein Anhörungsfehler liege nicht vor. Jedenfalls sei die Anhörung im späteren Klageverfahren nachgeholt und damit geheilt worden (§ 41 Abs. 2 SGB X). Die Voraussetzungen einer Rücknahme der Bewilligungsentscheidung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X, § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III seien gegeben. Die für die Zeit ab 01. Februar 2004 verfügte Bewilligung von Arbeitslosengeld sei durch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nachträglich rechtwidrig geworden. Nach § 118 Abs. 1 SGB III habe ein Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, der arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt habe. Arbeitslos sei gem. § 119 Abs. 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe (Beschäftigungslosigkeit), sich bemühe, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehe (Verfügbarkeit). Nach § 119 Abs. 3 SGB III schließe die Ausübung einer Beschäftigung, selbstständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- und Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasse; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer blieben unberücksichtigt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung trage die Behörde. Die Beweislast kehre sich jedoch um, wenn der Betroffene, wesentliche, entscheidungserhebliche Tatsachen verschwiegen habe (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 19. März 1998 - B 7 AL 44/97 -). In einem Überprüfungsverfahren trage der Kläger ohnehin die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, mithin dafür, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid auf unrichtige Tatsachen gestützt worden sei. Ob eine kurzzeitige Beschäftigung vorliege, sei anhand einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu bewerten, wobei es auf die Umstände bei Beginn der Beschäftigung ankomme (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - B 11 AL 53/99 R -). Dabei sei auf eventuelle vertragliche Vereinbarungen und die bisherige Übung abzustellen. Die zu treffende Prognose sei voll gerichtlich überprüfbar. Irrelevant sei in diesem Kontext, ob die Beschäftigung entgeltlich gewesen sei und dabei Umsätze erzielt worden seien, weil der Rechtsbegriff der Arbeitslosigkeit nicht daran gekoppelt sei. Bei der Beurteilung der Frage der Kurzzeitigkeit im Sinne von § 119 Abs. 3 SGB III sei maßgeblich auf die Beschäftigungswoche und nicht die Kalenderwoche abzustellen (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 13. Juli 2006 - B 7 AL 16/05 R -). Gemessen hieran sei zumindest nicht nachgewiesen, dass der Kläger in der Zeit vom 18. Mai 2004 bis zum 13. Oktober 2004 eine weniger als 15-stündige Tätigkeit ausgeübt habe und aus diesem Grund der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid rechtswidrig gewesen sei. Eine vertragliche Vereinbarung mit dem Auftraggeber, aus der sich die vom Kläger abgeleisteten Arbeitsstunden ergeben könnten, existiere nicht. Auch die Bezahlung des Klägers sei nach Umsatz und nicht nach Arbeitsstunden erfolgt. Dies verdeutliche, dass es keine zeitlichen Vorgaben für die Verrichtung der Akquisetätigkeit gegeben habe. Von einer von vornherein beschränkten Arbeitszeit auf weniger als 15 Wochenstunden könne nicht ausgegangen werden. Vielmehr sei es dem Kläger selbst überlassen geblieben, wie oft er sich wöchentlich für eine Werbetätigkeit zur Verfügung stelle. Betrachte man die tatsächlich vom Kläger erbrachten Arbeitsleistungen, so könne daraus auch kein zwingender Rückschluss auf eine unter 15-stündige Tätigkeitdauer pro Woche geschlossen werden. So habe er selbst vorgetragen, sich grundsätzlich an drei Tagen pro Woche auf den Wochenmärkten aufgehalten zu haben. Zunächst seien er und die zusammen mit ihm eingeteilten Mitarbeiter mit dem Marktstand im Gepäck zum Markt gefahren. Der Stand sei dort gegen 8.00 Uhr auf und zum Marktende gegen 12.00 bis 12.30 Uhr wieder abgebaut worden, gelegentlich bei schlechtem Wetter auch früher. Darüber hinaus habe er pro Tag 1/2 bis 3/4 Stunde Pause gemacht. Selbst aus diesen ungefähren Zeitangaben errechne sich bereits eine wöchentliche Arbeitszeit von knapp 12 Stunden. Rechne man die notwendigen An- und Abfahrtszeiten zwischen dem zentralen Treffpunkt bei Herrn S. und dem jeweiligen Marktplatz hinzu, die der Kläger und die weiteren Mitarbeiter benötigt hätten, um den von Herrn S. zur Verfügung gestellten Marktstand zu transportieren, ergebe sich eine noch höhere Wochenstundenzahl. Es handele sich hierbei jedoch lediglich um ungefähre Angaben, ein genaues Kriterium, anhand dessen die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers errechnet bzw. im Nachhinein nachvollzogen werden könne, existiere nicht. Aus den vorgelegten Provisionsabrechnungen ergäben sich keine weiteren Anhaltspunkte zur wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers. Aus der Anzahl der vom Kläger vermittelten Vertragsabschlüsse ließen sich keine Rückschlüsse auf die hierfür aufzuwendende Zeit ziehen. Der Vertragspartner des Klägers, Herr S., habe als Zeuge keine genaueren Angaben zur Arbeitszeit des Klägers machen können. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten sehe die Kammer nicht. Die Unerweislichkeit der Tatsache einer unter 15-stündigen Beschäftigung müsse nach den Ausführungen zur Beweislast zu Lasten des Klägers gehen, da es sich vorliegend um ein Überprüfungsverfahren handele. Eine Umkehr der Beweislast, die es ohnehin im geltenden Prozessrecht grundsätzlich nicht gebe, zu Lasten der Beklagten komme nicht in Betracht. Der Umstand, dass der zeitliche Umfang der Tätigkeit des Klägers zu einem späteren Zeitpunkt auf unter 15 Stunden wöchentlich abgesunken sein dürfte, insbesondere ab September 2004, in dem der Kläger nur einen und gleichzeitig den letzten Vertragsabschluss vermittelt habe, ändere vorliegend nichts an der Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosengeld. Dem Kläger habe in dieser Zeit nämlich mangels Arbeitslosmeldung kein Anspruch auf Arbeitslosengeld zugestanden. Die Arbeitslosmeldung sei gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III erloschen, da der Kläger der Beklagten die Aufnahme seiner Akquisetätigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt habe. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld hätten daher erst wieder nach Beendigung der Tätigkeit und erneuter Arbeitslosmeldung des Klägers vorgelegen. Eine persönliche Vorsprache des Klägers könne als Arbeitslosmeldung gewertet werden, sei jedoch erst wieder nach dem streitigen Zeitraum, nämlich am 02. November 2004 dokumentiert. Weitere Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides seien nicht ersichtlich. Insbesondere habe der Kläger seine Mitwirkungspflichten gemäß § 60 Abs. 1 SGB I verletzt. Der Kläger habe auch zumindest grob fahrlässig gehandelt. Grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt werde, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt würden und dasjenige nicht beachtet werde, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dabei seien die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und das Verhalten des Betroffenen unter den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Dem Kläger hätte unmittelbar einleuchten müssen, dass der tatsächliche Umfang seiner Tätigkeit der Beklagten mitzuteilen gewesen sei. Der Kläger sei mehrfach anhand des Merkblatts für Arbeitslose über seine Rechte und Pflichten belehrt worden. Dabei habe ihm einleuchten müssen, dass seine Mitteilungspflichten nicht erst ab Bewilligung und erstmaliger Auszahlung des beantragten Arbeitslosengeldes entstünden. Dies erschließe sich überdies bereits aus dem Antragsformular für Arbeitslosengeld, in dem eine Vielzahl von Angaben gefordert würden, verbunden mit dem Hinweis, dass etwaige Änderungen unverzüglich mitzuteilen seien. Nach dem persönlichen Eindruck sei der Kläger auch geistig ohne weiteres in der Lage gewesen, den Inhalt des Merkblattes zur Kenntnis zu nehmen, zu verstehen und Überschreitungen der Geringfügigkeitsgrenze von 15 Wochenstunden zu erkennen. Ferner sei die Rücknahme innerhalb der Jahresfrist der §§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X erfolgt. Die Jahresfrist beginne erst nach Abschluss der Anhörung zur Erstattung zu laufen. Vorliegend sei die Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung nach erfolgter Anhörung bereits drei Monate nach erster Kenntnis der Beklagten von der anspruchsschädlichen Tätigkeit des Klägers erfolgt. Rechtsfolge des Vorliegens der Rücknahmetatbestände sei die gewonnene Entscheidung der Beklagten zur Rücknahme (§ 330 Abs. 3 SGB X) und die Erstattung der überzahlten Leistungen nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Rechtswidrig sei die Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung allerdings, soweit hiermit auch die Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. bis zum 17. Mai 2004 aufgehoben und überzahltes Arbeitslosengeld zurückgefordert worden sei. Die Kammer sei davon überzeugt, dass der Kläger seine Tätigkeit erst am 18. Mai 2004 begonnen habe. Zum einen sei dieser Umstand dem Kläger noch subjektiv erinnerlich gewesen. Zum anderen decke sich diese Annahme mit dem Ausdruck der Personaldaten des Klägers, aus dem sich ein Eintritt bzw. die Aufnahme der Vermittlertätigkeit am 18. Mai 2004 ergebe.

Gegen das seinen Bevollmächtigten am 08. April 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 07. Mai 2010 eingelegte Berufung des Klägers. Der Kläger wende sich nach wie vor dagegen, dass ihm unterstellt werde, er wäre ab 18. Mai bis zum 13. Oktober 2004 in einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich beschäftigt und deshalb nicht arbeitslos gewesen. Er habe sich grundsätzlich an drei Wochentagen, nämlich samstags, dienstags und donnerstags auf Wochenmärkten eingefunden. Nachdem der 20. Mai 2004 ein Feiertag gewesen sei, habe der Kläger in der 21. Kalenderwoche 2004 an maximal zwei Tagen gearbeitet. Auch seien die Anfahrtszeiten zu den Märkten nicht als Arbeitszeit zu rechnen. Der Zeuge S. habe nicht ausgesagt, dass der Kläger an mehr als drei Tagen in der Woche für ihn gearbeitet habe. Dieser habe auch die Angaben des Klägers hinsichtlich der Markteinsätze und einer nur gelegentlichen Beschäftigung bestätigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07. Dezember 2009 abzuändern und die Be- klagte unter weiterer Aufhebung des Bescheids vom 07. August 2007 in Gestalt des Wi- derspruchsbescheids vom 03. September 2007 zu verpflichten, den Bescheid vom 21. März 2007 insgesamt zurückzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Das Amtsgericht Bruchsal stellte das wegen des vorliegenden Sachverhalts eingeleitete Strafverfahren durch Beschluss vom 22. März 2011 wegen Betrugs gemäß § 153a Abs. 2 StPO endgültig ein, nachdem der Kläger die ihm erteilte Auflage zur Zahlung von 600,- erfüllt hatte (Az. 1 Cs 130 Js 21230/07 AK 97/10).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG), da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Bescheid der Beklagten vom 07. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. September 2007 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, soweit die Beklagte die Rücknahme des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 21. März 2007 hinsichtlich des Bezugs von Arbeitslosengeld in der Zeit vom 18. Mai bis zum 12. Oktober 2004 abgelehnt hat. Hinsichtlich des Zeitraums vom 01. bis zum 17. Mai 2004 hat das SG die Beklagte verurteilt, den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid zurückzunehmen. Nachdem die Beklagte das Urteil nicht angefochten hat, hat der Senat darüber nicht zu entscheiden.

§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist im übrigen ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Der zu überprüfende Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 21. März 2007 war anfänglich, d.h. nach der im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe gegebenen Sach- und Rechtslage insoweit nicht rechtswidrig im Sinne des § 44 SGB X, als die Beklagte berechtigt war, die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 18. Mai bis zum 13. Oktober 2004 zurückzunehmen und die erbrachten Leistungen nebst der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurückzufordern.

Der Kläger kann einen Anspruch auf eine Korrektur des bestandskräftig gewordenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 21. März 2007 im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X nicht deshalb verlangen, weil er - nach eigenen Angaben - das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 25. Januar 2007 nicht erhalten habe und deshalb der zu überprüfende Bescheid gegebenenfalls wegen einer Verletzung des Anhörungsrechts (vgl. § 24 Abs. 1 SGB X) formell rechtswidrig ist. Denn nicht jeder Fehler in der Rechtsanwendung führt zu einer Aufhebung nach § 44 SGB X. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die jeweilige materielle Rechtslage maßgeblich, sodass Verstöße gegen nicht dem materiellen Recht zuzurechnende Vorschriften (z. B. reine Formverstöße sowie die Verletzung der Anhörungspflicht) im Rahmen des § 44 SGB X außer Betracht bleiben (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 28. Mai 1997 - 14/10 RKg 25/95 -; Heße in Beck´scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 44 SGB X Rdnr. 16; Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 44 Rdnr. 17; Steinwedel in Kass.Komm, § 44 SGB X Rdnr. 41).

Verfahrensrechtliche Grundlage der Rücknahme der Bewilligung ist im Hinblick auf den von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsbescheid, den die Beklagte im Juni 2007, mithin nach Aufnahme der Tätigkeit des Klägers für Herrn S. erlassen hat, die Bestimmung des § 45 SGB X in der Modifikation durch § 330 Abs. 2 SGB III. Dabei ist es unschädlich, dass die Beklagte und das SG die Aufhebungsentscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage, nämlich auf § 48 SGB X, gestützt haben (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 - B 4 AS 22/10 R -).

Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit i.S. des § 45 SGB X bestimmt sich nach den tatsächlichen und materiell-rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsaktes (vgl. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Nach § 45 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III ist ein begünstigender Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Absätze 2 und 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (§ 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X) kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit (1.) er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder (3.) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit ist der Erlass des zurückzunehmenden begünstigenden Bescheids (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nrn. 24 und 39).

Die vorgenannten Voraussetzungen für die Rücknahme des Bewilligungsbescheids liegen für die Zeit vom 18. Mai bis zum 13. Oktober 2004 vor. Die Bewilligungsentscheidung war rechtswidrig, weil der Kläger in diesem Zeitraum nicht arbeitslos war und seine Arbeitslosmeldung erloschen ist. Nach § 117 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 gültig gewesenen Fassung (a.F.) hatten Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, die (1.) arbeitslos sind, (2.) sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Nach § 118 Abs. 1 SGB III a.F. ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der (1.) vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und (2.) eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). Nach § 118 Abs. 2 SGB III a.F. schließt die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung Beschäftigungslosigkeit nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Mehrere Beschäftigungen werden zusammengerechnet. Nach § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F. steht eine selbstständige Tätigkeit und eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger einer Beschäftigung gleich. Die Prüfung, ob Kurzzeitigkeit der Beschäftigung anzunehmen ist oder nicht, ist nach der Rechtsprechung des BSG bei Beginn oder einer Änderung der Beschäftigung vorzunehmen (bspw. BSG, Urteile vom 15. Dezember 1999 - B 11 AL 53/99 -; vom 29. Oktober 2008 - B 11 AL 44/07 R -). Maßgebend ist hierbei allein die voraussichtliche Entwicklung des Beschäftigungsverhältnisses bzw. der Erwerbstätigkeit. Die Merkmale und Umstände, wie sie bei Beginn der Beschäftigung bzw. der Erwerbstätigkeit vorgelegen haben, bleiben auch dann maßgebend, wenn die Beurteilung erst nach Beendigung der Beschäftigung erfolgt. Entscheidend ist damit die voraussichtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses (bzw. der Erwerbstätigkeit) im Zeitpunkt seiner Begründung. Hintergrund für das Erfordernis der prognostischen Betrachtungsweise bildet der Umstand, dass von Anfang an feststehen muss, ob der Versicherte trotz der aufgenommenen oder ausgeübten "Nebentätigkeit" die Kurzzeitigkeitsgrenze überschreitet (dann nicht arbeitslos) oder nicht (dann beschäftigungslos). Für die Beurteilung der Kurzzeitigkeit im Sinne des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. ist vorrangig auf vertragliche Vereinbarungen über die Arbeitszeit abzustellen und bei Fehlen solcher Vereinbarungen darauf, ob die Beschäftigung "der Natur der Sache nach" kurzzeitig war (bspw. BSG, Urteil vom 29. Oktober 2008 - B 11 AL 44/07 R -). Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, führt die vorzunehmende vorausschauende Betrachtungsweise der Verhältnisse zu Beginn der Beschäftigung bei Herrn S. am 18. Mai 2004 vorliegend dazu, dass der Kläger die Kurzzeitigkeitsgrenze überschritten hat. Denn die Vereinbarung des Klägers mit Herrn S. war von vornherein darauf angelegt, die Kurzzeitigkeitsgrenze zu überschreiten. Der Kläger hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem SG am 14. September 2009 angegeben, dass eine Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit nicht erfolgt sei und Herr S. ihm keine Vorgaben hinsichtlich der Akquise gemacht habe. Herr S. habe gefordert, dass er zunächst erst einmal mit ihm bzw. mit anderen Mitstreitern mitgehen solle, um die Tätigkeit kennen zu lernen. Mithin sahen nach dem eigenen Vorbringen des Klägers die vertraglichen Absprachen mit Herrn S. keinerlei zeitliche Begrenzung vor und eröffneten ihm eine vollschichtige Akquisetätigkeit. Der Zeuge S. hat vor dem SG bekundet, dass der Kläger als freier Mitarbeiter habe frei entscheiden können, an welchen Tagen, er für ihn tätig wird und an welchen nicht. Damit sah die Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Zeugen S. keine weniger als 15 Wochenstunden umfassende Beschäftigung vor. Die Erwerbstätigkeit des Klägers war auch nicht der "Natur der Sache nach", d.h. der Art und dem Umfang der anfallenden Verrichtungen nach, beschränkt. Die Schwankungen der vom Kläger aufgewendeten Arbeitszeit folgten nicht aus der Natur der Erwerbstätigkeit. Denn die Ungewissheit im Umfang der Arbeitszeit des Klägers bestand nicht wegen der Eigenart der auszuführenden Tätigkeit im Bereich der Akquise für die Deutsche Rettungsflugwacht, sondern wegen der vom Kläger erklärten Bereitschaft, für den Zeugen S. nach Bedarf tätig zu werden. Weiterhin ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass die geübte Praxis keine Kurzzeitigkeit der Erwerbstätigkeit belegt. Das SG hat zutreffend unter Würdigung der Angaben des Klägers und der Bekundungen des Zeugen S. sowie der vorhandenen Abrechnungsunterlagen ausgeführt, dass die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit bei einer Tätigkeit an drei Markttagen einschließlich der zu berücksichtigenden Fahrzeiten zwischen der "Zentrale" (so die Bezeichnung des Klägers) und dem jeweiligen Einsatzort sowie der Pausenzeiten sich im Bereich von 15 Wochenstunden bewegt hat. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Dabei hat das SG die Fahrzeiten zutreffend der Arbeitszeit zugerechnet, da zu den anfallenden Arbeiten, die ein Mitarbeiter verrichten muss, Fahrzeiten gehören, die der Mitarbeiter von dem Betrieb seines Arbeitgebers bzw. Auftraggebers zu seiner Arbeitsstätte zurücklegen muss (z.B. Einsatz auf einer Baustelle) sowie sonstige Fahrzeiten, die auf Weisung des Arbeitgebers anfallen (z.B. Außendienst). Nach der Schilderung des Klägers hat er sich an seinen Arbeitstagen in der "Zentrale" getroffen. Dort ist entschieden worden, wo an diesem Tag ein Einsatz erfolgen sollte. Von dort ist er zusammen mit seinen Kollegen zum entsprechenden Einsatzort gefahren, hat den Markstand aufgebaut, die Akquise betrieben und gegen Mittag (gegebenenfalls bspw. bei schlechtem Wetter auch vorher) den Stand wieder abgebaut. Anschließend sind sie wieder in die "Zentrale" gefahren und der Kläger hat die geschlossenen Verträge eingereicht. Aus diesem Arbeitsablauf wird ersichtlich, dass der Kläger die von ihm geschuldete Akquisetätigkeiten nur erbringen konnte, wenn er von der "Zentrale" die Fahrten zu den jeweiligen Einsatzorten und zurück durchführte. Auch der Zeitaufwand für die nach Rückkehr in die "Zentrale" erfolgte Einreichung der vermittelten Mitgliedschaften ist als notwendige Nachbereitungszeit zu berücksichtigen. Weiterhin hat das SG den Umstand, dass sich die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers weder aufgrund der Angaben des Klägers noch des Zeugen S. und der vorhandenen Provisionsabrechnungsunterlagen rekonstruieren lässt, zu Lasten des für die Fehlerhaftigkeit des zur Überprüfung gestellten Aufhebungs- und Erstattungsbescheids beweispflichtigen Klägers gewertet. Dass der Kläger - wie er selbst und der Zeuge S. übereinstimmend angeben haben - nicht in jeder Beschäftigungswoche (dazu BSG, Urteil vom 13. Juli 2006 - B 7a AL 16/05 R -) 3 Markteinsätze absolviert hat, sondern weniger, spielt für die vorzunehmende vorausschauende Betrachtungsweise keine Rolle. Ebenso wenig ist relevant, dass der 20. Mai 2004 ein Feiertag war und daher kein Markteinsatz erfolgen konnte. Daher bestand kein Anlass, den Zeugen S., dessen Aussage vor dem SG der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat, erneut als Zeugen zu vernehmen.

Schließlich hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass die Arbeitslosmeldung des Klägers, sollte der zeitliche Umfang der Tätigkeit des Klägers zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere im August oder September 2004, unter 15 Wochenstunden dauerhaft abgesunken sein, gem. § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III erloschen war.

Die Bewilligungsentscheidung steht hinsichtlich des Leistungsbezugs nicht mit der materiellen Rechtslage im Einklang. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er bei der Abgabe seines Antragsformulars zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) und die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides jedenfalls infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Eine grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinne ist nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 SGB X anzunehmen, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Verlangt wird eine Sorgfaltspflichtverletzung in einem außergewöhnlich hohen Ausmaß, d. h. eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung. Es müssen schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, also nicht beachtet worden sein, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Der Kläger hat bei Abgabe des Antragsformulars hinsichtlich des begehrten Arbeitslosengeldes im Juni 2004 die im Vormonat aufgenommene Tätigkeit für die Firma S. verschwiegen, obwohl in dem Antragsformular ausdrücklich nach der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gefragt wird, so dass es jedem hätte einleuchten müssen, eine solche gegenüber der Beklagten anzugeben. Auch hätte dem Kläger aufgrund der Hinweise in dem Merkblatt 1 für Arbeitslose, dessen Erhalt und inhaltliche Kenntnisnahme er in seinem Antrag auf Arbeitslosengeld durch seine Unterschrift bestätigt hat, einleuchten müssen, dass er aufgrund seiner im Mai 2004 aufgenommen Tätigkeit nicht mehr beschäftigungslos war. Er hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem SG eingestanden, dass er die Hinweise in dem Merkblatt und dem Antragsformular hätte beachten müssen, und sein Verhalten als "eigene Blödheit" bezeichnet. Damit hat sich der Kläger dieser jedem einleuchtenden Einsicht verschlossen, die dahingehende Sorglosigkeit und Pflichtwidrigkeit des Klägers stellt eine Sorgfaltspflichtverletzung in besonders schwerem Maße dar. Da § 330 Abs. 2 SGB III unter den Voraussetzungen dieser Bestimmung die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsaktes zwingend vorschreibt, greifen Härtefallgesichtspunkte nicht ein.

Die in § 45 Abs. 3 und Abs. 4 SGB X genannten Fristen sind eingehalten. Nach § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 SGB X vorliegen. Die Bewilligung ab 18. Mai 2004 konnte daher noch im März 2007 zurückgenommen werden. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit muss innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Zur Kenntnis der Behörde von den maßgeblichen, die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen gehört regelmäßig auch die Anhörung des Beteiligten, die vorliegend im Februar 2007 veranlasst wurde. Unabhängig davon hat die Beklagte erst durch das Anschreiben des Hauptzollamts Karlsruhe vom 23. Januar 2007 von der Beschäftigung des Klägers Kenntnis genommen. Im März 2007 erließ die Beklagte den Rücknahme- und Erstattungsbescheid. An der Einhaltung der Jahresfrist bestehen keinerlei Zweifel.

Der Kläger ist daher gemäß § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, das im Zeitraum vom 18. Mai bis zum 13. Oktober 2004 überzahlte Arbeitslosengeld zu erstatten. Rechtsgrundlage für die Rückforderung der für diesen Zeitraum von der Beklagten geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ist § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung hat der Kläger keine Einwendungen vorgebracht. Für eine falsche Berechnung durch die Beklagte sind dem Senat keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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