Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 1921/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3246/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.04.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (noch) streitig, ob der Klägerin Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. über den 21.02.2007 hinaus zusteht.
Die am 1976 geborene Klägerin erlitt am 21.02.2005 auf dem Weg zu ihrer Tätigkeit als stellvertretende Filialleiterin der Firma M. Ltd. & Co. KG in S. G. einen Wegeunfall, indem sie auf Glatteis ausrutschte, stürzte und sich eine distale Unterschenkelfraktur links zuzog. Noch am Unfalltag wurde im Klinikum S. G. eine offene Reposition (Plattenosteosynthese der Tibia und Fibula, Stellschraubenosteosynthese) durchgeführt. Die Frakturheilung verlief unauffällig. Wegen einer posttraumatischen Verarbeitungsproblematik mit Ein- und Durchschlafstörungen erfolgte eine psychotherapeutische Begleitbehandlung, durch die die psychische Problematik wesentlich gebessert werden konnte. Nach erfolgreicher Entfernung der Stellschraube im April 2005 begann die Klägerin am 04.07.2005 mit einer stufenweisen Wiedereingliederung. Am 12.08.2005 wurde sie aus der ambulanten Behandlung entlassen und ab 15.08.2005 für arbeitsfähig erachtet (vgl. Mitteilung des Dr. W. , Chefarzt der Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie in der S.-Klinik S. G. vom 12.08.2005), worauf sie ihre Tätigkeit wieder aufnahm. Nach Metallentfernung am 16.06.2006 mit komplikationslosem postoperativen Verlauf klagte die Klägerin über anhaltende Schmerzen, Wegknicken und Versagen der Beinmuskulatur, worauf nach neurologischer Untersuchung eine in wesentlicher Besserung befindliche Läsion des Nervus peroneus objektiviert wurde, jedoch keine neuen Schädigungen oder relevante motorische Ausfälle (vgl. Zwischenbericht der S.-Klinik vom 26.09.2006). Ab 02.10.2006 erfolgte wiederum eine stufenweise Wiedereingliederung; ab 29.10.2006 war die Klägerin wieder arbeitsfähig (vgl. Mitteilung des Dr. W. vom 26.10.2006). Am 28.11.2006 stellte sich die Klägerin in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. bei deren Ärztlichem Direktor Prof. Dr. W. vor, der eine nahezu freie Beweglichkeit im Sprunggelenk und eine konsolidierte Fraktur bei geringer Minderung des Kalksalzgehalts beschrieb und im Hinblick auf das geklagte Instabilitätsgefühl eine physiotherapeutische Beübung vorschlug.
Auf Veranlassung der Beklagte erstattete Dr. W. auf Grund Untersuchung der Klägerin vom 14.01.2007 das Erste Rentengutachten und beschrieb als Unfallfolgen eine endgradig eingeschränkte Bewegungsstörung des oberen Sprunggelenks rechts bei knöchern fest konsolidierter distaler Unterschenkelfraktur, persistierende Gefühlsstörungen im Narbenbereich, eine persistierende belastungsabhängige Schwellneigung im Unterschenkelbereich sowie intermittierende Hyp- bzw. Anästhesien mit konsekutiven Instabilitäten im Sprunggelenk. Die MdE schätzte er ab 29.10. bis auf weiteres mit 20 v.H. ein. Der sodann hinzugezogene Beratungsarzt der Beklagten Dr. P. , Arzt für Chirurgie, schätzte die MdE mit 10 v.H. ein.
Mit Bescheid vom 08.02.2007 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls mit der Begründung ab, unter Berücksichtigung der Bewertungskriterien in der gesetzlichen Unfallversicherung seien die Unfallfolgen mit einer MdE um 10 v.H. zu bewerten und erreichten damit kein rentenberechtigendes Ausmaß. Dem Gutachten des Dr. W. könne nicht gefolgt werden. Der dagegen eingelegte Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.04.2007).
Am 18.05.2007 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und sich auf das Gutachten des Dr. W. berufen.
Das SG hat das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. E. auf Grund Untersuchung der Klägerin vom 06.07.2007 eingeholt. Dieser hat als Unfallfolgen eine vollständig knöchern konsolidierte komplette Unterschenkelfraktur, ein posttraumatisches chronifiziertes Schmerzsyndrom, eine schmerzreflektorisch bedingte Instabilität des rechten Sprunggelenks, eine komplette Anästhesie im Narbenbereich, eine Schwellneigung und geringe Funktionseinschränkung des oberen Sprunggelenks sowie eine posttraumatische Belastungsreaktion beschrieben und die MdE vom 15.08.2005 bis 16.06.2006 sowie vom 29.10.2006 bis 21.02.2007 mit 20 v.H. und ab 22.02.2007 (nach Ablauf des zweiten Jahres nach dem Unfall) mit 15 v.H. bewertet. Die geringfügige Funktionsstörung des Sprunggelenks und die achsengerechte Wiederherstellung des Unterschenkels rechtfertigten eine MdE um 10 v.H.; die Höherbewertung rechtfertige sich durch das chronifizierte Schmerzsyndrom. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG darüber hinaus das Gutachten des Dr. R. , Facharzt für Neurologie im Zentrum für Psychiatrie in R.-W. , auf Grund Untersuchung vom 31.07.2008 eingeholt. Der Sachverständige hat das Vorliegen von Reiz- oder Ausfallserscheinungen auf neurologischem Fachgebiet verneint und keine Hinweise für eine posttraumatische Belastungsstörung gefunden.
Die Klägerin hat sodann das an ihren Bevollmächtigten gerichtete Schreiben des Orthopäden Dr. H. vom 02.03.2009 vorgelegt, in dem dieser neben der Darlegung der am 27. und 28.01.2009 erhobenen Befunde ausgeführt hat, das obere Sprunggelenk der Klägerin sei instabil. Diese Hypothese werde durch Anamnese, OP-Bericht und die bei ihm erfolgte röntgenologische Untersuchung untermauert. Die Malleolengabel sei zu weit, wodurch es zu einer Verkippung des Talus mit einem Impingement zwischen lateraler Malleolarspitzen und lateraler Talusschulter komme.
Mit Urteil vom 16.04.2009 hat das SG die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen und (sinngemäßer) Abänderung des Bescheids vom 08.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.04.2007 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 15.08.2005 bis 15.06.2006 und vom 29.10.2006 bis 21.02.2007 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Es hat sich dabei auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. E. gestützt. Über den 21.02.2007 hinaus liege keine MdE in einem rentenberechtigenden Ausmaß vor.
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 17.06.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.07.2009 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. über den 21.02.2007 hinaus geltend gemacht. Sie hat auf die von Dr. H. beschriebene Schwellung der rechten Fußregion hingewiesen. Eine solche sei auch nach Auffassung des Sachverständigen Dr. R. - soweit sie sich eindeutig dokumentieren lasse - ergänzend gutachterlich orthopädisch/unfallchirurgisch abzuklären. Entsprechend sei der Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.04.2009 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 08.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.04.2007 zu verurteilen, ihr Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. über den 21.02.2007 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß sei jedenfalls über den 21.02.2007 hinaus klinisch und röntgenologisch nicht zu rechtfertigen.
Der Senat hat Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört und bei Dr. E. zur Auffassung des Dr. H. , wonach eine Instabilität des oberen Sprunggelenks vorliege und die von der Klägerin geklagten einschießenden Schmerzen mit Instabilitätsgefühl und Ausstrahlungscharakter erklärbar seien, eine ergänzende Stellungnahme eingeholt. Darin hat er an seiner bisherigen Einschätzung festgehalten, die Begründung des Dr. H. für das Vorliegen einer Instabilität nicht für überzeugend erachtet und darauf hingewiesen, dass bei keiner der durchgeführten gutachtlichen klinischen Untersuchungen eine Instabilität des Sprunggelenks gefunden worden sei. Die Klägerin hat sich daraufhin am 14.09.2010 erneut bei Dr. H. vorgestellt und sein an ihren Bevollmächtigten gerichtetes Schreiben vom 17.09.2010 vorgelegt, in dem dieser sich zu der Stellungnahme des Sachverständigen Dr. E. geäußert und zur Klärung des posttraumatischen Schadens die Einholung eines weiteren Gutachten vorgeschlagen hat. Der Senat hat sodann das Gutachten des Dr. B. , Leiter der orthopädischen Ambulanz im Bundeswehrkrankenhaus U. , auf Grund Untersuchung der Klägerin vom 18.02.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat als Unfallfolgen eine vollständig knöchern konsolidierte komplette Unterschenkelfraktur, subjektive Beschwerden, ein schmerzreflektorisch bedingtes Instabilitätsgefühl des rechten Sprunggelenks, eine komplette Anästhesie im Narbenbereich am Innen- und Außenknöchel, eine Schwellneigung und geringe Funktionseinschränkung des oberen Sprunggelenkes sowie eine Umfang-/Muskelminderung auf Höhe der rechten Wade im Seitenvergleich um 1 cm und eine Umfangvermehrung auf Höhe der rechten Knöchelgabel um 1 cm beschrieben und die MdE bis 21.02.2007 mit 20 v.H. eingeschätzt und hiernach mit 10 v.H.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 153 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Frage, ob der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. auch über den 21.02.2007 hinaus zusteht. Denn ungeachtet des von der Klägerin erstinstanzlich gestellten unbestimmten Klageantrags in Bezug auf den Beginn der begehrten Verletztenrente, hat das SG die Klage jedenfalls durch die Befristung des Rentenanspruchs bis zum 21.02.2007 für die Folgezeit ab dem 22.02.2007 abgewiesen und die Klägerin hat ihr Berufungsbegehren auf diesen Zeitraum ab dem 22.02.2007 beschränkt.
Das SG hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen. Denn soweit die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente mit Bescheid vom 08.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.04.2007 ablehnte, verletzt dieser die Klägerin für die Zeit ab 22.02.2007 nicht in ihren Rechten. Jedenfalls ab 22.02.2007 ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin unfallbedingt nicht in einem rentenberechtigenden Ausmaß gemindert, weshalb ihr ab diesem Zeitpunkt Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. nicht zusteht.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Hierzu gehört nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Unter Anwendung dieser Grundsätze steht der Klägerin wegen der Folgen des am 21.02.2005 erlittenen Arbeitsunfalls über den 21.02.2007 hinaus, also nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Unfall, Verletztenrente nicht mehr zu. Denn jedenfalls ab diesem Zeitpunkt rechtfertigen die Unfallfolgen nicht mehr die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H. Der Senat teilt die insoweit vertretene Auffassung des SG, das sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. E. gestützt hat. Auch der im Berufungsverfahren hinzugezogene Sachverständige Dr. B. hat keine Funktionsbeeinträchtigungen beschrieben, die die Bemessung der MdE mit 20 v.H. rechtfertigen würden. Soweit Dr. W. auf der Grundlage seiner Untersuchung die MdE auf Dauer, d.h. auch über den 21.02.2007 hinaus mit 20 v.H. einschätzte, entspricht dies nicht den im unfallversicherungsrechtlichen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätzen und überzeugt daher nicht. Nach Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8.Auflage, 2009, S. 678 wird ein Sprunggelenksverrenkungsbruch, der in guter Stellung unter Erhaltung der Knöchelgabel verheilt ist mit einer MdE um 0 bis 10 v.H. und eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk von 0-0-30 Grad mit 10 v.H. bewertet. Eine MdE um 20 v.H. wird erreicht bei einer Versteifung des oberen Sprunggelenks im Winkel von 90 bis 100 Grad zum Unterschenkel. Darüber hinaus bedingt eine Versteifung des unteren Sprunggelenks in Funktionsstellung eine MdE um 15 v.H. und wenn sich diese als schmerzhaft wackelsteif darstellt eine MdE um 20 bis 30 v.H. Das Ausmaß der bei der Klägerin zu objektivierenden Funktionsbeeinträchtigungen erreicht das Ausmaß der dargelegten, eine MdE um 20 v.H. rechtfertigenden Einschränkungen nicht. So hat Dr. W. die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk mit 10-0-30, Dr. E. mit 0-0-35 (passiv 10-0-35) und Dr. B. mit 15-0-40 angegeben. Damit hat keiner der genannten Ärzte bzw. Sachverständigen Einschränkungen beschrieben, die eine MdE um mehr als 10 v.H. rechtfertigen könnten. Die von Dr. W. und Dr. B. ermittelten Beweglichkeitseinschränkungen erreichen vielmehr noch nicht einmal das Ausmaß, das für eine Bewertung mit einer MdE um 10 v.H. notwendig wäre und rechtfertigen - so ausdrücklich auch Dr. E. - damit lediglich eine MdE um weniger als 10 v.H. Auch die Beweglichkeit des unteren Sprunggelenks rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Insoweit hat lediglich Dr. E. eine Einschränkung ermittelt, indem er die Pro- und Supination (Einwärts-/Auswärtsdrehung) mit 15-0-20 im Vergleich zu linksseitig mit 20-0-45 gemessen hat, während Dr. W. und der Sachverständige Dr. B. keine Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenks gefunden haben.
Auf dieser Grundlage ist für den Senat überzeugend, dass Dr. E. und Dr. B. auch unter weiterer Berücksichtigung des von der Klägerin in den Vordergrund gerückten "schmerzreflektorisch bedingten Instabilitätsgefühls" - so übereinstimmend die Sachverständigen - keine Grundlage sehen, die MdE mit dem von der Klägerin begehrten Wert zu bemessen. Auch unter Berücksichtigung dessen erreicht die unfallbedingt bei der Klägerin im Bereich des rechten Sprunggelenks aufgetretene Funktionseinschränkung nicht das Ausmaß, wie dies bspw. bei der, eine MdE um 20 v.H. rechtfertigenden Versteifung des oberen Sprunggelenks im Winkel von 90 bis 100 Grad zum Unterschenkel der Fall ist. Schließlich hat keiner der am Verfahren beteiligten Gutachter oder Sachverständigen anlässlich seiner klinischen Untersuchung Instabilitäten im oberen oder unteren Sprunggelenk objektiviert. Der Sachverständige Dr. B. hat zudem eine beidseits normale Fußbeschwielung beschrieben, insbesondere keine Minderbeschwielung der rechten Fußsohle, was auf eine Minderbelastung hindeuten würde. Auch zeigen die von Dr. H. gefertigten Röntgenbilder - so Dr. B. - keinerlei Hinweise auf die Entwicklung einer posttraumatischen Arthrose. Seinen Ausführungen zufolge haben sich im Verlauf von nahezu sechs Jahren im oberen Sprunggelenk nicht die geringsten Anzeichen einer sich entwickelnden Sekundärarthrose gezeigt. So ist der Mineralsalzgehalt der beiden Sprunggelenke normal. Hinweise auf eine schonungsbedingte Knochenatrophie ergeben sich daher nicht. Mit den Unfallfolgen wird nach alledem eine rentenberechtigende MdE daher nicht erreicht.
Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Ausführungen des Dr. H ... In welchem Ausmaß er die Klägerin durch die Unfallfolgen eingeschränkt sieht, hat er selbst nicht dargelegt. Denn zur Höhe der unfallbedingten MdE hat sich Dr. H. selbst nicht geäußert. Jedoch lassen auch seine Darlegungen nicht auf Funktionseinschränkungen schließen, die über das von den gerichtlichen Sachverständigen zu Grunde gelegte Ausmaß hinausgehen. Soweit er in Abweichung von sämtlichen am Verfahren beteiligten Gutachtern bzw. Sachverständigen in seinem Schreiben vom 03.09.2009 von einer Instabilität im rechten Sprunggelenk ausgegangen ist, und die Ursache dieser Instabilität näher begründet hat, ist er von dieser Annahme im Berufungsverfahren zuletzt wieder abgerückt. Denn in seinem von der Klägerin vorgelegten, an sie selbst gerichteten Schreiben vom 24.03.2011 hat er dargelegt, dass es wichtig sei, darauf hinzuweisen, dass sie nicht an einer Instabilität im Sprunggelenk leide, sondern an unvorhergesehen auftretenden Schmerzen beim Gehen auf unebenem Gelände oder beim Treppensteigen. Damit geht offenbar auch Dr. H. nicht mehr davon aus, dass bei der Klägerin eine Instabilität im Sprunggelenk vorliegt.
Das Auftreten von Schmerzen einschließlich einem damit zusammenhängenden Instabilitätsgefühl ist, ebenso wie die Schwellneigung im Bereich des oberen Sprunggelenkes, sowohl von Dr. E. (als chronisches Schmerzsyndrom) wie von Dr. B. (als belastungsabhängig Restbeschwerden) berücksichtigt worden, und zwar jene Symptomatik, wie sie von der Klägerin bei der jeweiligen Untersuchung angegeben worden ist; allerdings hat weder Dr. E. (MdE 15 v.H.) noch Dr. B. (MdE 10 v.H.) hieraus eine rentenberechtigende MdE abgeleitet, sodass die diagnostische Zuordnung der Schmerzen und die genaue MdE-Bewertung offen bleiben kann. Dass Dr. E. die Angaben der Klägerin fehlerhaft dokumentiert hätte, hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Soweit die Klägerin allein unter Wiederholung der Ausführungen des Dr. H. in dem bereits angesprochenen Schreiben an sie ("Bei der Erhebung der Anamnese bzw. der derzeitigen Beschwerden fehlt der von Ihnen scheinbar angegebene Hinweis, dass sie hauptsächlich unter einschießenden Schmerzen leiden, die vom Sprunggelenk nach oben in den Unterschenkel hinein schießen. Sie hatten mir die Schmerzen als lanzenstichartig beschrieben.") die von Dr. B. dokumentierte Beschwerdeschilderung als unvollständig ansieht, hat sie selbst ebenfalls nicht behauptet, gegenüber Dr. B. die von Dr. H. angenommenen Schmerzsensationen (einschießender Schmerz, lanzenstichartig) angegeben zu haben. Dr. H. nimmt lediglich an, die Klägerin habe Derartiges bei Dr. B. angegeben und verweist auf entsprechende Beschwerdeangaben der Klägerin während seiner Behandlungszeit von Januar bis August 2009. Der Senat geht daher davon aus, dass die Klägerin derartige Angaben gegenüber Dr. B. nicht gemacht hat und - der Dokumentation ihrer Angaben im Gutachten entsprechend - Schmerzen und Schwellungen nach Belastung im Vordergrund der Beschwerdesituation gestanden haben. Die von Dr. B. beschriebenen Beschwerden und nicht die von Dr. H. angenommenen Schmerzsensationen sind auch von Dr. W. , von Dr. E. und auch von Dr. R. im jeweiligen Gutachten dokumentiert worden. Wenn die Klägerin aber weder gegenüber Dr. W. (Untersuchung im Januar 2007), noch gegenüber Dr. E. (Untersuchung im Juli 2007), noch gegenüber Dr. R. (Untersuchung im Juli 2008) und auch nicht bei Dr. B. (Untersuchung im Februar 2011) die von Dr. H. im Austausch zur früher behaupteten Instabilität erwähnten Schmerzsensationen angegeben hat, können solche Schmerzsensationen, weil nicht nachgewiesen, der MdE-Bewertung auch nicht zu Grunde gelegt werden. Hieran können auch weitere bildgebende Verfahren, insbesondere die von Dr. H. angesprochene Kernspintomografie nichts ändern. Denn kernspintomografisch nachgewiesene strukturelle Veränderungen, wie sie Dr. H. als Möglichkeit in Betracht zieht, vermögen für die MdE-Beurteilung allein maßgebende funktionelle Einschränkungen als solche nicht zu belegen. Dem entsprechend besteht auch kein Anlass zur weiteren Sachaufklärung.
Nach alledem kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (noch) streitig, ob der Klägerin Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. über den 21.02.2007 hinaus zusteht.
Die am 1976 geborene Klägerin erlitt am 21.02.2005 auf dem Weg zu ihrer Tätigkeit als stellvertretende Filialleiterin der Firma M. Ltd. & Co. KG in S. G. einen Wegeunfall, indem sie auf Glatteis ausrutschte, stürzte und sich eine distale Unterschenkelfraktur links zuzog. Noch am Unfalltag wurde im Klinikum S. G. eine offene Reposition (Plattenosteosynthese der Tibia und Fibula, Stellschraubenosteosynthese) durchgeführt. Die Frakturheilung verlief unauffällig. Wegen einer posttraumatischen Verarbeitungsproblematik mit Ein- und Durchschlafstörungen erfolgte eine psychotherapeutische Begleitbehandlung, durch die die psychische Problematik wesentlich gebessert werden konnte. Nach erfolgreicher Entfernung der Stellschraube im April 2005 begann die Klägerin am 04.07.2005 mit einer stufenweisen Wiedereingliederung. Am 12.08.2005 wurde sie aus der ambulanten Behandlung entlassen und ab 15.08.2005 für arbeitsfähig erachtet (vgl. Mitteilung des Dr. W. , Chefarzt der Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie in der S.-Klinik S. G. vom 12.08.2005), worauf sie ihre Tätigkeit wieder aufnahm. Nach Metallentfernung am 16.06.2006 mit komplikationslosem postoperativen Verlauf klagte die Klägerin über anhaltende Schmerzen, Wegknicken und Versagen der Beinmuskulatur, worauf nach neurologischer Untersuchung eine in wesentlicher Besserung befindliche Läsion des Nervus peroneus objektiviert wurde, jedoch keine neuen Schädigungen oder relevante motorische Ausfälle (vgl. Zwischenbericht der S.-Klinik vom 26.09.2006). Ab 02.10.2006 erfolgte wiederum eine stufenweise Wiedereingliederung; ab 29.10.2006 war die Klägerin wieder arbeitsfähig (vgl. Mitteilung des Dr. W. vom 26.10.2006). Am 28.11.2006 stellte sich die Klägerin in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. bei deren Ärztlichem Direktor Prof. Dr. W. vor, der eine nahezu freie Beweglichkeit im Sprunggelenk und eine konsolidierte Fraktur bei geringer Minderung des Kalksalzgehalts beschrieb und im Hinblick auf das geklagte Instabilitätsgefühl eine physiotherapeutische Beübung vorschlug.
Auf Veranlassung der Beklagte erstattete Dr. W. auf Grund Untersuchung der Klägerin vom 14.01.2007 das Erste Rentengutachten und beschrieb als Unfallfolgen eine endgradig eingeschränkte Bewegungsstörung des oberen Sprunggelenks rechts bei knöchern fest konsolidierter distaler Unterschenkelfraktur, persistierende Gefühlsstörungen im Narbenbereich, eine persistierende belastungsabhängige Schwellneigung im Unterschenkelbereich sowie intermittierende Hyp- bzw. Anästhesien mit konsekutiven Instabilitäten im Sprunggelenk. Die MdE schätzte er ab 29.10. bis auf weiteres mit 20 v.H. ein. Der sodann hinzugezogene Beratungsarzt der Beklagten Dr. P. , Arzt für Chirurgie, schätzte die MdE mit 10 v.H. ein.
Mit Bescheid vom 08.02.2007 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls mit der Begründung ab, unter Berücksichtigung der Bewertungskriterien in der gesetzlichen Unfallversicherung seien die Unfallfolgen mit einer MdE um 10 v.H. zu bewerten und erreichten damit kein rentenberechtigendes Ausmaß. Dem Gutachten des Dr. W. könne nicht gefolgt werden. Der dagegen eingelegte Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.04.2007).
Am 18.05.2007 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und sich auf das Gutachten des Dr. W. berufen.
Das SG hat das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. E. auf Grund Untersuchung der Klägerin vom 06.07.2007 eingeholt. Dieser hat als Unfallfolgen eine vollständig knöchern konsolidierte komplette Unterschenkelfraktur, ein posttraumatisches chronifiziertes Schmerzsyndrom, eine schmerzreflektorisch bedingte Instabilität des rechten Sprunggelenks, eine komplette Anästhesie im Narbenbereich, eine Schwellneigung und geringe Funktionseinschränkung des oberen Sprunggelenks sowie eine posttraumatische Belastungsreaktion beschrieben und die MdE vom 15.08.2005 bis 16.06.2006 sowie vom 29.10.2006 bis 21.02.2007 mit 20 v.H. und ab 22.02.2007 (nach Ablauf des zweiten Jahres nach dem Unfall) mit 15 v.H. bewertet. Die geringfügige Funktionsstörung des Sprunggelenks und die achsengerechte Wiederherstellung des Unterschenkels rechtfertigten eine MdE um 10 v.H.; die Höherbewertung rechtfertige sich durch das chronifizierte Schmerzsyndrom. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG darüber hinaus das Gutachten des Dr. R. , Facharzt für Neurologie im Zentrum für Psychiatrie in R.-W. , auf Grund Untersuchung vom 31.07.2008 eingeholt. Der Sachverständige hat das Vorliegen von Reiz- oder Ausfallserscheinungen auf neurologischem Fachgebiet verneint und keine Hinweise für eine posttraumatische Belastungsstörung gefunden.
Die Klägerin hat sodann das an ihren Bevollmächtigten gerichtete Schreiben des Orthopäden Dr. H. vom 02.03.2009 vorgelegt, in dem dieser neben der Darlegung der am 27. und 28.01.2009 erhobenen Befunde ausgeführt hat, das obere Sprunggelenk der Klägerin sei instabil. Diese Hypothese werde durch Anamnese, OP-Bericht und die bei ihm erfolgte röntgenologische Untersuchung untermauert. Die Malleolengabel sei zu weit, wodurch es zu einer Verkippung des Talus mit einem Impingement zwischen lateraler Malleolarspitzen und lateraler Talusschulter komme.
Mit Urteil vom 16.04.2009 hat das SG die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen und (sinngemäßer) Abänderung des Bescheids vom 08.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.04.2007 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 15.08.2005 bis 15.06.2006 und vom 29.10.2006 bis 21.02.2007 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Es hat sich dabei auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. E. gestützt. Über den 21.02.2007 hinaus liege keine MdE in einem rentenberechtigenden Ausmaß vor.
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 17.06.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.07.2009 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. über den 21.02.2007 hinaus geltend gemacht. Sie hat auf die von Dr. H. beschriebene Schwellung der rechten Fußregion hingewiesen. Eine solche sei auch nach Auffassung des Sachverständigen Dr. R. - soweit sie sich eindeutig dokumentieren lasse - ergänzend gutachterlich orthopädisch/unfallchirurgisch abzuklären. Entsprechend sei der Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.04.2009 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 08.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.04.2007 zu verurteilen, ihr Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. über den 21.02.2007 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß sei jedenfalls über den 21.02.2007 hinaus klinisch und röntgenologisch nicht zu rechtfertigen.
Der Senat hat Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört und bei Dr. E. zur Auffassung des Dr. H. , wonach eine Instabilität des oberen Sprunggelenks vorliege und die von der Klägerin geklagten einschießenden Schmerzen mit Instabilitätsgefühl und Ausstrahlungscharakter erklärbar seien, eine ergänzende Stellungnahme eingeholt. Darin hat er an seiner bisherigen Einschätzung festgehalten, die Begründung des Dr. H. für das Vorliegen einer Instabilität nicht für überzeugend erachtet und darauf hingewiesen, dass bei keiner der durchgeführten gutachtlichen klinischen Untersuchungen eine Instabilität des Sprunggelenks gefunden worden sei. Die Klägerin hat sich daraufhin am 14.09.2010 erneut bei Dr. H. vorgestellt und sein an ihren Bevollmächtigten gerichtetes Schreiben vom 17.09.2010 vorgelegt, in dem dieser sich zu der Stellungnahme des Sachverständigen Dr. E. geäußert und zur Klärung des posttraumatischen Schadens die Einholung eines weiteren Gutachten vorgeschlagen hat. Der Senat hat sodann das Gutachten des Dr. B. , Leiter der orthopädischen Ambulanz im Bundeswehrkrankenhaus U. , auf Grund Untersuchung der Klägerin vom 18.02.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat als Unfallfolgen eine vollständig knöchern konsolidierte komplette Unterschenkelfraktur, subjektive Beschwerden, ein schmerzreflektorisch bedingtes Instabilitätsgefühl des rechten Sprunggelenks, eine komplette Anästhesie im Narbenbereich am Innen- und Außenknöchel, eine Schwellneigung und geringe Funktionseinschränkung des oberen Sprunggelenkes sowie eine Umfang-/Muskelminderung auf Höhe der rechten Wade im Seitenvergleich um 1 cm und eine Umfangvermehrung auf Höhe der rechten Knöchelgabel um 1 cm beschrieben und die MdE bis 21.02.2007 mit 20 v.H. eingeschätzt und hiernach mit 10 v.H.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 153 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Frage, ob der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. auch über den 21.02.2007 hinaus zusteht. Denn ungeachtet des von der Klägerin erstinstanzlich gestellten unbestimmten Klageantrags in Bezug auf den Beginn der begehrten Verletztenrente, hat das SG die Klage jedenfalls durch die Befristung des Rentenanspruchs bis zum 21.02.2007 für die Folgezeit ab dem 22.02.2007 abgewiesen und die Klägerin hat ihr Berufungsbegehren auf diesen Zeitraum ab dem 22.02.2007 beschränkt.
Das SG hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen. Denn soweit die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente mit Bescheid vom 08.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.04.2007 ablehnte, verletzt dieser die Klägerin für die Zeit ab 22.02.2007 nicht in ihren Rechten. Jedenfalls ab 22.02.2007 ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin unfallbedingt nicht in einem rentenberechtigenden Ausmaß gemindert, weshalb ihr ab diesem Zeitpunkt Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. nicht zusteht.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Hierzu gehört nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Unter Anwendung dieser Grundsätze steht der Klägerin wegen der Folgen des am 21.02.2005 erlittenen Arbeitsunfalls über den 21.02.2007 hinaus, also nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Unfall, Verletztenrente nicht mehr zu. Denn jedenfalls ab diesem Zeitpunkt rechtfertigen die Unfallfolgen nicht mehr die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H. Der Senat teilt die insoweit vertretene Auffassung des SG, das sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. E. gestützt hat. Auch der im Berufungsverfahren hinzugezogene Sachverständige Dr. B. hat keine Funktionsbeeinträchtigungen beschrieben, die die Bemessung der MdE mit 20 v.H. rechtfertigen würden. Soweit Dr. W. auf der Grundlage seiner Untersuchung die MdE auf Dauer, d.h. auch über den 21.02.2007 hinaus mit 20 v.H. einschätzte, entspricht dies nicht den im unfallversicherungsrechtlichen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätzen und überzeugt daher nicht. Nach Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8.Auflage, 2009, S. 678 wird ein Sprunggelenksverrenkungsbruch, der in guter Stellung unter Erhaltung der Knöchelgabel verheilt ist mit einer MdE um 0 bis 10 v.H. und eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk von 0-0-30 Grad mit 10 v.H. bewertet. Eine MdE um 20 v.H. wird erreicht bei einer Versteifung des oberen Sprunggelenks im Winkel von 90 bis 100 Grad zum Unterschenkel. Darüber hinaus bedingt eine Versteifung des unteren Sprunggelenks in Funktionsstellung eine MdE um 15 v.H. und wenn sich diese als schmerzhaft wackelsteif darstellt eine MdE um 20 bis 30 v.H. Das Ausmaß der bei der Klägerin zu objektivierenden Funktionsbeeinträchtigungen erreicht das Ausmaß der dargelegten, eine MdE um 20 v.H. rechtfertigenden Einschränkungen nicht. So hat Dr. W. die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk mit 10-0-30, Dr. E. mit 0-0-35 (passiv 10-0-35) und Dr. B. mit 15-0-40 angegeben. Damit hat keiner der genannten Ärzte bzw. Sachverständigen Einschränkungen beschrieben, die eine MdE um mehr als 10 v.H. rechtfertigen könnten. Die von Dr. W. und Dr. B. ermittelten Beweglichkeitseinschränkungen erreichen vielmehr noch nicht einmal das Ausmaß, das für eine Bewertung mit einer MdE um 10 v.H. notwendig wäre und rechtfertigen - so ausdrücklich auch Dr. E. - damit lediglich eine MdE um weniger als 10 v.H. Auch die Beweglichkeit des unteren Sprunggelenks rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Insoweit hat lediglich Dr. E. eine Einschränkung ermittelt, indem er die Pro- und Supination (Einwärts-/Auswärtsdrehung) mit 15-0-20 im Vergleich zu linksseitig mit 20-0-45 gemessen hat, während Dr. W. und der Sachverständige Dr. B. keine Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenks gefunden haben.
Auf dieser Grundlage ist für den Senat überzeugend, dass Dr. E. und Dr. B. auch unter weiterer Berücksichtigung des von der Klägerin in den Vordergrund gerückten "schmerzreflektorisch bedingten Instabilitätsgefühls" - so übereinstimmend die Sachverständigen - keine Grundlage sehen, die MdE mit dem von der Klägerin begehrten Wert zu bemessen. Auch unter Berücksichtigung dessen erreicht die unfallbedingt bei der Klägerin im Bereich des rechten Sprunggelenks aufgetretene Funktionseinschränkung nicht das Ausmaß, wie dies bspw. bei der, eine MdE um 20 v.H. rechtfertigenden Versteifung des oberen Sprunggelenks im Winkel von 90 bis 100 Grad zum Unterschenkel der Fall ist. Schließlich hat keiner der am Verfahren beteiligten Gutachter oder Sachverständigen anlässlich seiner klinischen Untersuchung Instabilitäten im oberen oder unteren Sprunggelenk objektiviert. Der Sachverständige Dr. B. hat zudem eine beidseits normale Fußbeschwielung beschrieben, insbesondere keine Minderbeschwielung der rechten Fußsohle, was auf eine Minderbelastung hindeuten würde. Auch zeigen die von Dr. H. gefertigten Röntgenbilder - so Dr. B. - keinerlei Hinweise auf die Entwicklung einer posttraumatischen Arthrose. Seinen Ausführungen zufolge haben sich im Verlauf von nahezu sechs Jahren im oberen Sprunggelenk nicht die geringsten Anzeichen einer sich entwickelnden Sekundärarthrose gezeigt. So ist der Mineralsalzgehalt der beiden Sprunggelenke normal. Hinweise auf eine schonungsbedingte Knochenatrophie ergeben sich daher nicht. Mit den Unfallfolgen wird nach alledem eine rentenberechtigende MdE daher nicht erreicht.
Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Ausführungen des Dr. H ... In welchem Ausmaß er die Klägerin durch die Unfallfolgen eingeschränkt sieht, hat er selbst nicht dargelegt. Denn zur Höhe der unfallbedingten MdE hat sich Dr. H. selbst nicht geäußert. Jedoch lassen auch seine Darlegungen nicht auf Funktionseinschränkungen schließen, die über das von den gerichtlichen Sachverständigen zu Grunde gelegte Ausmaß hinausgehen. Soweit er in Abweichung von sämtlichen am Verfahren beteiligten Gutachtern bzw. Sachverständigen in seinem Schreiben vom 03.09.2009 von einer Instabilität im rechten Sprunggelenk ausgegangen ist, und die Ursache dieser Instabilität näher begründet hat, ist er von dieser Annahme im Berufungsverfahren zuletzt wieder abgerückt. Denn in seinem von der Klägerin vorgelegten, an sie selbst gerichteten Schreiben vom 24.03.2011 hat er dargelegt, dass es wichtig sei, darauf hinzuweisen, dass sie nicht an einer Instabilität im Sprunggelenk leide, sondern an unvorhergesehen auftretenden Schmerzen beim Gehen auf unebenem Gelände oder beim Treppensteigen. Damit geht offenbar auch Dr. H. nicht mehr davon aus, dass bei der Klägerin eine Instabilität im Sprunggelenk vorliegt.
Das Auftreten von Schmerzen einschließlich einem damit zusammenhängenden Instabilitätsgefühl ist, ebenso wie die Schwellneigung im Bereich des oberen Sprunggelenkes, sowohl von Dr. E. (als chronisches Schmerzsyndrom) wie von Dr. B. (als belastungsabhängig Restbeschwerden) berücksichtigt worden, und zwar jene Symptomatik, wie sie von der Klägerin bei der jeweiligen Untersuchung angegeben worden ist; allerdings hat weder Dr. E. (MdE 15 v.H.) noch Dr. B. (MdE 10 v.H.) hieraus eine rentenberechtigende MdE abgeleitet, sodass die diagnostische Zuordnung der Schmerzen und die genaue MdE-Bewertung offen bleiben kann. Dass Dr. E. die Angaben der Klägerin fehlerhaft dokumentiert hätte, hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Soweit die Klägerin allein unter Wiederholung der Ausführungen des Dr. H. in dem bereits angesprochenen Schreiben an sie ("Bei der Erhebung der Anamnese bzw. der derzeitigen Beschwerden fehlt der von Ihnen scheinbar angegebene Hinweis, dass sie hauptsächlich unter einschießenden Schmerzen leiden, die vom Sprunggelenk nach oben in den Unterschenkel hinein schießen. Sie hatten mir die Schmerzen als lanzenstichartig beschrieben.") die von Dr. B. dokumentierte Beschwerdeschilderung als unvollständig ansieht, hat sie selbst ebenfalls nicht behauptet, gegenüber Dr. B. die von Dr. H. angenommenen Schmerzsensationen (einschießender Schmerz, lanzenstichartig) angegeben zu haben. Dr. H. nimmt lediglich an, die Klägerin habe Derartiges bei Dr. B. angegeben und verweist auf entsprechende Beschwerdeangaben der Klägerin während seiner Behandlungszeit von Januar bis August 2009. Der Senat geht daher davon aus, dass die Klägerin derartige Angaben gegenüber Dr. B. nicht gemacht hat und - der Dokumentation ihrer Angaben im Gutachten entsprechend - Schmerzen und Schwellungen nach Belastung im Vordergrund der Beschwerdesituation gestanden haben. Die von Dr. B. beschriebenen Beschwerden und nicht die von Dr. H. angenommenen Schmerzsensationen sind auch von Dr. W. , von Dr. E. und auch von Dr. R. im jeweiligen Gutachten dokumentiert worden. Wenn die Klägerin aber weder gegenüber Dr. W. (Untersuchung im Januar 2007), noch gegenüber Dr. E. (Untersuchung im Juli 2007), noch gegenüber Dr. R. (Untersuchung im Juli 2008) und auch nicht bei Dr. B. (Untersuchung im Februar 2011) die von Dr. H. im Austausch zur früher behaupteten Instabilität erwähnten Schmerzsensationen angegeben hat, können solche Schmerzsensationen, weil nicht nachgewiesen, der MdE-Bewertung auch nicht zu Grunde gelegt werden. Hieran können auch weitere bildgebende Verfahren, insbesondere die von Dr. H. angesprochene Kernspintomografie nichts ändern. Denn kernspintomografisch nachgewiesene strukturelle Veränderungen, wie sie Dr. H. als Möglichkeit in Betracht zieht, vermögen für die MdE-Beurteilung allein maßgebende funktionelle Einschränkungen als solche nicht zu belegen. Dem entsprechend besteht auch kein Anlass zur weiteren Sachaufklärung.
Nach alledem kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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