Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
4 KR 62/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KR 33/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben sich keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin über einen Zusatzbeitrag anzuordnen.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Mit Bescheid vom 1. März 2010 teilte diese ihm u. a. mit, dass man sich gezwungen sehe, ab dem 1. März 2010 einen Zusatzbeitrag von 8,00 EUR monatlich zu erheben. Die erste Zahlung sei bis zum 15. April 2010 fällig. Weiter heißt es in dem Anschreiben: "Für Ihre Fragen auch zu Ihrem Sonderkündigungsrecht- bis zum 15. April 2010 in Zusammenhang mit dem Zusatzbeitrag stehen Ihnen die Mitarbeiter unserer Beratungs-Hotline kostenlos unter 0800-5548640500 gern zur Verfügung. Alle Informationen finden Sie auch im Internet unter www ...de." Unten auf der Seite befindet sich fußnotenähnlich der Hinweis "-Details zum Sonderkündigungsrecht finden Sie umseitig". Auf der Rückseite (Seite 2 des Schreibens) befindet sich folgender Text:
"Erhebt eine Krankenkasse ab dem 1. Januar 2009 einen Zusatzbeitrag, kann gemäß § 175 Absatz 4 Satz 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2495) geändert worden ist, abweichend von der sonst geltenden mindestens 18-monatigen Bindung an die Wahl der Krankenkasse die Mitgliedschaft bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung gekündigt werden.
Die Krankenkasse hat ihre Mitglieder auf das vorgenannte Kündigungsrecht spätestens einen Monat vor erstmaliger Fälligkeit hinzuweisen.
Bei der ...- ... wird der Zusatzbeitrag jeweils am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, für den er zu entrichten ist.
Kommt die Krankenkasse ihrer vorgenannten Hinweispflicht gegenüber einem Mitglied verspätet nach, verschiebt sich für dieses Mitglied die Erhebung des Zusatzbeitrages und die Frist für die Ausübung des Sonderkündigungsrechts um den entsprechenden Zeitraum. Maßgeblich für die Rechtzeitigkeit der Kündigung ist der fristgerechte Zugang bei der ...- ... Eine Kündigung der Mitgliedschaft ist bei Ausübung des Sonderkündigungsrechts nur zum Ablauf des übernächsten Monats möglich, gerechnet von dem Monat, in dem die Kündigung der Krankenkasse zugegangen ist.
Die Krankenkasse hat dem Mitglied unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen.
Die Kündigung wird wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung oder das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Von Mitgliedern, die das Sonderkündigungsrecht nach § 175 Absatz 4 Satz 5 SGB V wegen der erstmaligen Erhebung des Zusatzbeitrages fristgemäß ausgeübt haben, wird der Zusatzbeitrag nicht erhoben. Wird die Kündigung nicht wirksam, ist der Zusatzbeitrag hingegen in vollem Umfang zu zahlen."
Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt das Schreiben nicht. Im Laufe der nächsten Monate erhob der Antragsteller Widerspruch und forderte, die Billigkeit des Zusatzbeitrages gemäß § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nachzuweisen. Bis zur endgültigen Klärung werde er dem Zahlungsverlangen nicht nachkommen. Außerdem wies er auf Einsparmöglichkeiten hin; so seien eine Prüfung der Lohnhöhe und eventuelle Kürzungen denkbar. Außerdem könne die 24-Stunden-Hotline der Antragsgegnerin abgeschaltet werden. Diese sei überflüssig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2010 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück und legte zur Begründung das Verfahren zur Festsetzung der Zusatzbeiträge dar. Der Bescheid sei danach rechtmäßig. Hiergegen erhob der Antragsteller im gleichen Monat Klage. Zur Bekräftigung seines bisherigen Vorbringens trug er vor, die Erhebung eines Zusatzbeitrages sei nicht notwendig, da die Antragsgegnerin andere Möglichkeiten als die Erhebung von Zusatzbeiträgen hätte wie z. B. Sparmaßnahmen.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2011 stundete die Antragsgegnerin den Zusatzbeitrag für die Zeit von März 2010 bis laufend. Sie sei damit einverstanden, dass der Zusatzbeitrag in Höhe von zurzeit anteilmäßig vier Euro monatlich überwiesen werde. Der Zusatzbeitrag bleibe jedoch in seiner ursprünglichen Höhe fällig. Widerspruch und Klage hätten keine aufschiebende Wirkung. Einer Minderung der monatlichen Zahlung auf zwei Euro stimme man nicht zu. Diese Zahlungsvereinbarung sei befristet bis zum 31. Dezember 2011, längstens jedoch bis zum Abschluss des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht. Sie würde hinfällig, wenn der Antragsteller mit einer Rate bzw. einem laufenden Beitrag länger als eine Woche im Rückstand sei oder eine Zahlung nicht in vorgesehener Höhe leiste.
Am 9. Mai 2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Dessau-Roßlau den Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Zusatzbeitrag anzuordnen und zur Begründung seinen bisherigen Vortrag wiederholt.
Mit Beschluss vom 19. Mai 2011 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erhebung des Zusatzbeitrages. § 315 BGB sei hier nicht anwendbar. Es bestehe kein Vertrag zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin. Es handele sich bei der Antragsgegnerin um eine Körperschaft, deren Mitglied der Antragsteller sei. Die Krankenkassen seien im Übrigen selbstverwaltete Körperschaften; die Mitglieder bestimmten selbst die Zusammensetzung der Organe der Krankenkassen und damit mittelbar die Geschäftspolitik und den Inhalt der Satzung der Krankenkasse, welche die Rechte und Pflichten der Mitglieder regelten. Gesetzlich Versicherte könnten der Erhebung des Zusatzbeitrages nicht entgegenhalten, die Unterdeckung wäre bei ordnungsgemäßer Haushalts- und Wirtschaftsführung vermeidbar gewesen. Die Prüfung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für den Zusatzbeitrag obliege den Aufsichtsbehörden.
Hiergegen hat der Antragsteller am 24. Mai 2011 Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, dass er sich nicht gegen die Erhebung des Zusatzbeitrages wende, sondern gegen dessen Höhe. Aus dem Jahresgeschäftsbericht für das Jahr 2009 ergebe sich ein Defizit von rund 11 Millionen Euro. Bei 1,5 Millionen Mitgliedern errechnen sich aber bei einem Zusatzbeitrag von acht Euro/Monat insgesamt Zusatzbeiträge in Höhe von rd. 146 Millionen Euro pro Jahr. Daher sei nur ein erheblich geringerer Zusatzbeitrag gerechtfertigt.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. Mai 2011 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 1. März 2010 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Erhebung des Zusatzbeitrages und die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte sei nicht ersichtlich.
Die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die Gerichtsakte des erstinstanzlichen Klageverfahrens sowie die Gerichtsakte des Eilverfahrens haben bei der Entscheidungsfindung vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf sie verwiesen.
II.
A.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft im Sinne vom § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. "Leistungen" in diesem Sinne sind auch Leistungen des Antragstellers in Form von Beiträgen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen 5.09.2008, L 1 KR 13/08 NZB, Juris) und damit auch der hier geforderte Zusatzbeitrag. Da der Bescheid vom 1. März 2010 den Zusatzbeitrag für einen nicht näher eingegrenzten Zeitraum festsetzt, regelt er eine Beitragserhebung für mehr als ein Jahr.
Die Stundungsvereinbarung des Antragsgegners steht dem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers nicht entgegen. Denn auch danach muss er weiterhin vier Euro/Monat als Zusatzbeitrag leisten. Nach seinem Vorbringen ist aber ein Zusatzbeitrag in deutlich geringerer Höhe festzusetzen.
Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt auch nicht, weil der Antragsteller eine andere Krankenkasse wählen könnte, die solche Zusatzbeiträge nicht erhebt. Zum einen könnte so nur zukunftsgerichtet der Zusatzbeitrag vermieden werden. Zum anderen ist der Kassenwechsel kein einfacherer Weg, den Zusatzbeitrag zu verhindern, sondern ein anderer. Der Antragsteller ist nicht gezwungen, eventuell rechtswidrige Zusatzbeiträge durch einen Wechsel der Krankenkasse unter Verzicht auf sein Wahlrecht zu vermeiden. Sein Kassenwahlrecht ist zu respektieren; trotz der Vereinheitlichung unterscheiden sich die einzelnen gesetzlichen Krankenkassen.
B.
Die Beschwerde ist unbegründet. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 86a Abs. 1 S. 1 SGG grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Gemäß Abs. 2 Nr. 1 der genannten Vorschrift entfällt die aufschiebende Wirkung jedoch bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrages- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Dies ist hier bei dem Zusatzbeitrag der Fall.
Jedoch liegen die sonstigen Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Ob die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen ist oder nicht, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Abwägung, wobei das private Interesse des Antragstellers an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen ist. Um hier eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers zu treffen, ist zumindest angesichts des geringen Betrages und des Fehlens einer unbilligen Härte erforderlich, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen. Vorliegend bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides.
1) Der Antragsteller ist gemäß § 223 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V - hier stets in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007, BGBl. I 2007, 378 - GKV-WSG) in Verbindung mit § 242 Abs. 1 SGB V und § 18a der Satzung der Antragsgegnerin seit dem 1. März 2010 verpflichtet, Zusatzbeiträge in Höhe von 8,00 EUR/Monat zu zahlen, die er gemäß § 250 Abs. 2 SGB V allein zu tragen hat.
a) Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung der Antragsgegnerin und des Sozialgerichts (ähnlich auch SG Freiburg, 21.09.2010, S 14 KR 3396/10, Juris), die Festsetzung eines Zusatzbeitrages sei dem Grunde bzw. der Höhe nach gerichtlich nicht überprüfbar. Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass hier der nach Artikel 19 Grundgesetz gebotene Rechtsschutz gegen jeden belastenden Akt der Verwaltung keine Geltung hat; vielmehr muss wie auch sonst stets eine Rechtsschutzmöglichkeit bestehen. Insoweit ist es nicht ausreichend, dass die Einführung eines Zusatzbeitrages von der Aufsichtsbehörde geprüft und genehmigt werden muss. Auch die Aufsichtsbehörde ist Teil der Verwaltung; auch ihre Entscheidungen sind nicht einer gerichtlichen Prüfung enthoben.
b) Zutreffend ist allerdings, dass § 315 BGB hier auch nicht entsprechende Anwendung findet. Wie das Sozialgericht überzeugend ausgeführt hat, besteht zwischen den Beteiligten kein Vertrag. Das SGB V verweist zudem hier in keiner Weise auf das BGB. Vielmehr gibt es selbst bereits alle Tatbestandsvoraussetzungen vor, bei deren Vorliegen die Einführung bzw. die Erhöhung eines Zusatzbeitrages rechtmäßig ist.
c) Diese Tatbestandsvoraussetzungen müssen für die Erhebung eines Zusatzbeitrages vorliegen. Hierzu bestimmt § 242 Abs. 1 Satz 1 SGB V, dass die Krankenkasse in ihrer Satzung zu bestimmen hat, dass von ihren Mitgliedern ein Zusatzbeitrag erhoben wird, soweit ihr Finanzbedarf nicht durch die Zuweisungen aus dem Fonds gedeckt ist. Weiter ordnet § 242 Abs. 3 Satz 1 SGB V an, dass die Krankenkassen den Zusatzbeitrag so zu bemessen haben, dass er zusammen mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds und den sonstigen Einnahmen die im Haushaltsjahr voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und die vorgeschriebene Auffüllung der Rücklage deckt.
Voraussetzung für die Erhebung eines Zusatzbeitrages ist dem entsprechend ein Finanzbedarf, d.h. ein Defizit. Unerheblich ist, worauf dieses beruht. Der Versicherte kann schon nach dem Wortlaut der Norm nicht einwenden, die Krankenkasse könne in bestimmten Bereichen wirtschaftlicher arbeiten (so auch SG Freiburg, 21.09.2010, S 14 KR 3396/10, Juris). Grundsätzlich kann ein Versicherter nicht bestimmte Ausgaben einer Krankenkasse gerichtlich kontrollieren lassen (vgl. BVerfG, 18.04.1984, 1 BvL 43/81, BVerfGE 67, 26 ff). Damit ist dem Antragsteller auch der Einwand verwehrt, man könne beispielsweise die Telefon-Hotline des Antragsgegners einstellen.
Allerdings erschöpft sich der Vortrag des Antragstellers nicht darin, eine mögliche sparsamere Wirtschaftsweise aufzuzeigen. Vielmehr legt er dar, dass nach seiner Ansicht kein Zusatzbeitrag in dieser Höhe erforderlich sei. Hierbei übersieht er jedoch, dass er die Zahlen des Jahres 2009 unterschiedslos für das Jahr 2010 fortschreibt. Zwar ist es denkbar, dass sich die Ein- und Ausgaben einer Krankenkasse innerhalb eines Jahres nicht relevant ändern. Dies ist jedoch nicht wahrscheinlich. Der Antragsteller verkennt bereits, dass allein die Erhebung des Zusatzbeitrages bereits erhebliche Kosten mit sich bringt, wie auch in den Medien nachvollziehbar berichtet wird. Weiterhin war prognostisch mit der "Flucht" von Mitgliedern aufgrund der Erhebung des Zusatzbeitrages zu rechnen.
Diese Kosten und alle anderen Ausgaben sowie die Einnahmen hat die Antragstellerin vorab zu schätzen: Gemäß § 69 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist über die Einnahmen und Ausgaben des Folgejahres von der Krankenkasse eine Prognose zu treffen. Dies geschieht für jedes Geschäftsjahr in einem Haushaltsplan. Dieser dient der Feststellung der Mittel, die die Krankenkassen zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der jeweiligen Planungsperiode voraussichtlich benötigt. Er ist Grundlage für die Haushalts- und Wirtschaftsführung und stellt sicher, dass die vorgeschriebenen Ausgaben rechtzeitig geleistet werden können (§ 68 SGB IV). Nach § 70 Abs. 5 SGB IV ist der Haushaltsplan der Aufsichtsbehörde vorzulegen, wenn dieses verlangt wird. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Haushaltsplan nicht zwangsläufig jedem Versicherten vorzulegen ist. Zwar können die Versicherten die zuletzt erstellten Jahresberichte einsehen. Dies ergibt jedoch naturgemäß nur Informationen über das abgelaufene Geschäftsjahr.
Bei der Überprüfung dieser Prognose der Antragsgegnerin in dem Haushaltsplan für das Jahr 2010 hat der Senat zu berücksichtigen, dass nach dem Konzept des GKV-WSG die Krankenkassen im Wettbewerb zueinander stehen; maßgeblich hierfür ist die Erhebung solcher Zusatzbeiträge (vgl. BT-Drs. 16/3100, 165). Daher kann man davon ausgehen, dass die Krankenkassen nur im Notfall zu dem Mittel eines Zusatzbeitrages greifen werden, da sie dies im Wettbewerb entscheidend schwächt. Die tatsächliche Entwicklung belegt, dass der Gesetzgeber mit dieser Einschätzung nicht falsch lag. Wie sich aus dem vorgelegten Bericht für das Geschäftsjahr 2010 ergibt, hat die Antragsgegnerin rund zehn Prozent ihrer Mitglieder verloren, was zum großen Teil auf die Erhebung von Zusatzbeiträgen zurückzuführen ist. Insoweit besteht nur in besonders gelagerten Fällen eine Notwendigkeit, die Einführung eines Zusatzbeitrages zu überprüfen.
Schließlich - und dies ist für die Prognose finanziell bedeutsamer und allein maßgeblich - erlebt die Gesetzliche Krankenversicherung regelmäßig schwer absehbare Kostensteigerungen. Auf der Einnahmenseite ist die wirtschaftliche Entwicklung maßgebend. Auch diese ist naturgemäß nur schwer vorhersehbar. Diese Schwierigkeiten müssen bei jeder Prognose in Kauf genommen werden. Den systembedingten Ungewissheiten über zukünftige Einnahmen und Ausgaben ist Rechnung zu tragen, indem der Antragsgegnerin ein gerichtlich nicht mehr zu überprüfender Beurteilungsspielraum ("Einschätzungsprärogative") zugestanden wird (vgl. zur Prognoseentscheidung in einem anderen Kontext BSG, 02.10.1997, 14 REg 10/96, Juris Rn. 14). Diese Grenzen hat die Antragsgegnerin eingehalten.
Die Richtigkeit der getroffenen Prognose lässt sich zwar nicht mit der tatsächlichen Entwicklung automatisch bestätigen oder widerlegen. Zumindest gibt aber der vorgelegte Geschäftsbericht für das Jahr 2010 nicht den geringsten Hinweis, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Prognose (im Jahre 2009) willkürlich oder auch nur fehlerhaft gehandelt hätte. Vielmehr zeigt sich ein erheblicher Zuwachs bei den Leistungsausgaben in Höhe von 4,6 %, d.h. pro Mitglied von 134 EUR/Jahr, während der Zusatzbeitrag nur 96 EUR/Jahr ausmacht. Diese Ausgaben sind gesetzlich ganz weitgehend vorgegeben und von der Antragsgegnerin kaum zu steuern. Nennenswerte Überschüsse hat die Antragsgegnerin im Jahre 2010 nicht erwirtschaftet. Ohne dass es darauf ankommt weist der Senat darauf hin, dass die "sonstigen Aufwendungen einschließlich Verwaltungsausgaben" im Vergleich der Jahre 2009 zu 2010 um fast 20 % gesunken sind.
2)
Der Zusatzbeitrag ist auch seit dem 15. April 2010 fällig; die Erhebung des Zusatzbeitrages hat sich nicht gemäß § 175 Abs. 4 Satz 6 SGB V aufgrund einer Verletzung von Hinweispflichten verschoben. Denn bei der Erhebung des Zusatzbeitrages hat die Antragsgegnerin ordnungsgemäß nach § 175 Abs. 4 Sätze 6 und 7 SGB V belehrt.
a) Eine solche Belehrung über das Sonderkündigungsrecht ist bei der erstmaligen Erhebung eines Zusatzbeitrages bei allen Versicherten erforderlich (a.A. Rehm, jurisPR-SozR 17/2011 Anm. 2), auch wenn sie in der gleichen Frist "ordentlich" gemäß § 175 Abs. 4 Satz 2 SGB V kündigen könnten. Zwar verweist § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V bezüglich des Sonderkündigungsrechts ausdrücklich auf ein Kündigungsrecht "abweichend von Satz 1" dieses Absatzes. Dennoch steht schon nach dem Wortlaut des Satz 5 a.a.O. das Sonderkündigungsrecht allen Versicherten zu. Dies belegt § 242 Abs. 1 Satz 4 SGB V, der die Erhebung eines Zusatzbeitrages ausschließt, wenn das "Sonderkündigungsrecht" nach § 175 Abs. 4 Satz 5 wegen der erstmaligen Erhebung des Zusatzbeitrags fristgemäß ausgeübt wurde. Eine Beschränkung der Wirkung dieser Vorschrift auf die Versicherten, die gemäß § 175 Abs. 4 Satz 1 SGB V an die Wahl der Krankenkasse gebunden sind, während die anderen den Zusatzbeitrag bis zum Wechsel zu entrichten haben, ist fernliegend.
b) Die Antragsgegnerin hat in dem Schreiben vom 1. März 2010 in gerade noch ausreichender Weise auf die Möglichkeit des Sonderkündigungsrechts hingewiesen. Der Senat geht davon aus, dass dieser Text auch Versicherten, die keine besondere Schulbildung haben, verständlich ist. Im Unterschied zu anderen Fallgestaltungen (vgl. SG Berlin, 10.08.2011, S 73 KR 2306/10; SG Berlin, 22.06.2011, S 73 KR 1635/10; jeweils zit. nach Juris) hat hier die Antragsgegnerin bereits in dem Anschreiben selbst auf das Sonderkündigungsrecht hingewiesen. Der Text auf der Rückseite ist in normal großer Schrift geschrieben; er enthält keine irreführenden Überschriften. Er selbst ist zwar insbesondere durch die Vielzahl von Nebensätzen und in überflüssigen und langatmigen Hinweisen auf die Fundstelle im Gesetz schwer verständlich. Es ist aber nicht rechtswidrig, dass die Antragsgegnerin insoweit weitgehend den Gesetzestext wiedergegeben hat (vgl. dazu Rehm, jurisPR-SozR 17/2011 Anm. 2). Angesichts des Umstandes, dass ein Abweichen von dem Wortlaut des Gesetzes schnell zu unterschiedlichen Interpretationen verleiten kann und damit die Gefahr einer unrichtigen Belehrung naheliegt, ist nicht zu kritisieren, dass die Antragsgegnerin sich insoweit am Wortlaut orientiert hat. Die komplizierte Gesetzeslage erlaubt kaum eine leichter verständliche Variante, die vollständig und dennoch nicht überlang ist.
Letztlich erschließt sich bereits durch den bloßen Hinweis auf ein Sonderkündigungsrecht vieles: Dem Versicherten ist so deutlich, dass er das Mitgliedschaftsverhältnis zu der Krankenkasse beenden kann, wenn er mit dem Zusatzbeitrag nicht einverstanden ist. Vor diesem Hintergrund sind die Einzelheiten bereits deutlich besser verständlich.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Beteiligten haben sich keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin über einen Zusatzbeitrag anzuordnen.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Mit Bescheid vom 1. März 2010 teilte diese ihm u. a. mit, dass man sich gezwungen sehe, ab dem 1. März 2010 einen Zusatzbeitrag von 8,00 EUR monatlich zu erheben. Die erste Zahlung sei bis zum 15. April 2010 fällig. Weiter heißt es in dem Anschreiben: "Für Ihre Fragen auch zu Ihrem Sonderkündigungsrecht- bis zum 15. April 2010 in Zusammenhang mit dem Zusatzbeitrag stehen Ihnen die Mitarbeiter unserer Beratungs-Hotline kostenlos unter 0800-5548640500 gern zur Verfügung. Alle Informationen finden Sie auch im Internet unter www ...de." Unten auf der Seite befindet sich fußnotenähnlich der Hinweis "-Details zum Sonderkündigungsrecht finden Sie umseitig". Auf der Rückseite (Seite 2 des Schreibens) befindet sich folgender Text:
"Erhebt eine Krankenkasse ab dem 1. Januar 2009 einen Zusatzbeitrag, kann gemäß § 175 Absatz 4 Satz 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2495) geändert worden ist, abweichend von der sonst geltenden mindestens 18-monatigen Bindung an die Wahl der Krankenkasse die Mitgliedschaft bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung gekündigt werden.
Die Krankenkasse hat ihre Mitglieder auf das vorgenannte Kündigungsrecht spätestens einen Monat vor erstmaliger Fälligkeit hinzuweisen.
Bei der ...- ... wird der Zusatzbeitrag jeweils am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, für den er zu entrichten ist.
Kommt die Krankenkasse ihrer vorgenannten Hinweispflicht gegenüber einem Mitglied verspätet nach, verschiebt sich für dieses Mitglied die Erhebung des Zusatzbeitrages und die Frist für die Ausübung des Sonderkündigungsrechts um den entsprechenden Zeitraum. Maßgeblich für die Rechtzeitigkeit der Kündigung ist der fristgerechte Zugang bei der ...- ... Eine Kündigung der Mitgliedschaft ist bei Ausübung des Sonderkündigungsrechts nur zum Ablauf des übernächsten Monats möglich, gerechnet von dem Monat, in dem die Kündigung der Krankenkasse zugegangen ist.
Die Krankenkasse hat dem Mitglied unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen.
Die Kündigung wird wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung oder das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Von Mitgliedern, die das Sonderkündigungsrecht nach § 175 Absatz 4 Satz 5 SGB V wegen der erstmaligen Erhebung des Zusatzbeitrages fristgemäß ausgeübt haben, wird der Zusatzbeitrag nicht erhoben. Wird die Kündigung nicht wirksam, ist der Zusatzbeitrag hingegen in vollem Umfang zu zahlen."
Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt das Schreiben nicht. Im Laufe der nächsten Monate erhob der Antragsteller Widerspruch und forderte, die Billigkeit des Zusatzbeitrages gemäß § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nachzuweisen. Bis zur endgültigen Klärung werde er dem Zahlungsverlangen nicht nachkommen. Außerdem wies er auf Einsparmöglichkeiten hin; so seien eine Prüfung der Lohnhöhe und eventuelle Kürzungen denkbar. Außerdem könne die 24-Stunden-Hotline der Antragsgegnerin abgeschaltet werden. Diese sei überflüssig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2010 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück und legte zur Begründung das Verfahren zur Festsetzung der Zusatzbeiträge dar. Der Bescheid sei danach rechtmäßig. Hiergegen erhob der Antragsteller im gleichen Monat Klage. Zur Bekräftigung seines bisherigen Vorbringens trug er vor, die Erhebung eines Zusatzbeitrages sei nicht notwendig, da die Antragsgegnerin andere Möglichkeiten als die Erhebung von Zusatzbeiträgen hätte wie z. B. Sparmaßnahmen.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2011 stundete die Antragsgegnerin den Zusatzbeitrag für die Zeit von März 2010 bis laufend. Sie sei damit einverstanden, dass der Zusatzbeitrag in Höhe von zurzeit anteilmäßig vier Euro monatlich überwiesen werde. Der Zusatzbeitrag bleibe jedoch in seiner ursprünglichen Höhe fällig. Widerspruch und Klage hätten keine aufschiebende Wirkung. Einer Minderung der monatlichen Zahlung auf zwei Euro stimme man nicht zu. Diese Zahlungsvereinbarung sei befristet bis zum 31. Dezember 2011, längstens jedoch bis zum Abschluss des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht. Sie würde hinfällig, wenn der Antragsteller mit einer Rate bzw. einem laufenden Beitrag länger als eine Woche im Rückstand sei oder eine Zahlung nicht in vorgesehener Höhe leiste.
Am 9. Mai 2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Dessau-Roßlau den Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Zusatzbeitrag anzuordnen und zur Begründung seinen bisherigen Vortrag wiederholt.
Mit Beschluss vom 19. Mai 2011 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erhebung des Zusatzbeitrages. § 315 BGB sei hier nicht anwendbar. Es bestehe kein Vertrag zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin. Es handele sich bei der Antragsgegnerin um eine Körperschaft, deren Mitglied der Antragsteller sei. Die Krankenkassen seien im Übrigen selbstverwaltete Körperschaften; die Mitglieder bestimmten selbst die Zusammensetzung der Organe der Krankenkassen und damit mittelbar die Geschäftspolitik und den Inhalt der Satzung der Krankenkasse, welche die Rechte und Pflichten der Mitglieder regelten. Gesetzlich Versicherte könnten der Erhebung des Zusatzbeitrages nicht entgegenhalten, die Unterdeckung wäre bei ordnungsgemäßer Haushalts- und Wirtschaftsführung vermeidbar gewesen. Die Prüfung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für den Zusatzbeitrag obliege den Aufsichtsbehörden.
Hiergegen hat der Antragsteller am 24. Mai 2011 Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, dass er sich nicht gegen die Erhebung des Zusatzbeitrages wende, sondern gegen dessen Höhe. Aus dem Jahresgeschäftsbericht für das Jahr 2009 ergebe sich ein Defizit von rund 11 Millionen Euro. Bei 1,5 Millionen Mitgliedern errechnen sich aber bei einem Zusatzbeitrag von acht Euro/Monat insgesamt Zusatzbeiträge in Höhe von rd. 146 Millionen Euro pro Jahr. Daher sei nur ein erheblich geringerer Zusatzbeitrag gerechtfertigt.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. Mai 2011 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 1. März 2010 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Erhebung des Zusatzbeitrages und die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte sei nicht ersichtlich.
Die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die Gerichtsakte des erstinstanzlichen Klageverfahrens sowie die Gerichtsakte des Eilverfahrens haben bei der Entscheidungsfindung vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf sie verwiesen.
II.
A.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft im Sinne vom § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. "Leistungen" in diesem Sinne sind auch Leistungen des Antragstellers in Form von Beiträgen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen 5.09.2008, L 1 KR 13/08 NZB, Juris) und damit auch der hier geforderte Zusatzbeitrag. Da der Bescheid vom 1. März 2010 den Zusatzbeitrag für einen nicht näher eingegrenzten Zeitraum festsetzt, regelt er eine Beitragserhebung für mehr als ein Jahr.
Die Stundungsvereinbarung des Antragsgegners steht dem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers nicht entgegen. Denn auch danach muss er weiterhin vier Euro/Monat als Zusatzbeitrag leisten. Nach seinem Vorbringen ist aber ein Zusatzbeitrag in deutlich geringerer Höhe festzusetzen.
Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt auch nicht, weil der Antragsteller eine andere Krankenkasse wählen könnte, die solche Zusatzbeiträge nicht erhebt. Zum einen könnte so nur zukunftsgerichtet der Zusatzbeitrag vermieden werden. Zum anderen ist der Kassenwechsel kein einfacherer Weg, den Zusatzbeitrag zu verhindern, sondern ein anderer. Der Antragsteller ist nicht gezwungen, eventuell rechtswidrige Zusatzbeiträge durch einen Wechsel der Krankenkasse unter Verzicht auf sein Wahlrecht zu vermeiden. Sein Kassenwahlrecht ist zu respektieren; trotz der Vereinheitlichung unterscheiden sich die einzelnen gesetzlichen Krankenkassen.
B.
Die Beschwerde ist unbegründet. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 86a Abs. 1 S. 1 SGG grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Gemäß Abs. 2 Nr. 1 der genannten Vorschrift entfällt die aufschiebende Wirkung jedoch bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrages- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Dies ist hier bei dem Zusatzbeitrag der Fall.
Jedoch liegen die sonstigen Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Ob die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen ist oder nicht, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Abwägung, wobei das private Interesse des Antragstellers an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen ist. Um hier eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers zu treffen, ist zumindest angesichts des geringen Betrages und des Fehlens einer unbilligen Härte erforderlich, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen. Vorliegend bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides.
1) Der Antragsteller ist gemäß § 223 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V - hier stets in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007, BGBl. I 2007, 378 - GKV-WSG) in Verbindung mit § 242 Abs. 1 SGB V und § 18a der Satzung der Antragsgegnerin seit dem 1. März 2010 verpflichtet, Zusatzbeiträge in Höhe von 8,00 EUR/Monat zu zahlen, die er gemäß § 250 Abs. 2 SGB V allein zu tragen hat.
a) Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung der Antragsgegnerin und des Sozialgerichts (ähnlich auch SG Freiburg, 21.09.2010, S 14 KR 3396/10, Juris), die Festsetzung eines Zusatzbeitrages sei dem Grunde bzw. der Höhe nach gerichtlich nicht überprüfbar. Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass hier der nach Artikel 19 Grundgesetz gebotene Rechtsschutz gegen jeden belastenden Akt der Verwaltung keine Geltung hat; vielmehr muss wie auch sonst stets eine Rechtsschutzmöglichkeit bestehen. Insoweit ist es nicht ausreichend, dass die Einführung eines Zusatzbeitrages von der Aufsichtsbehörde geprüft und genehmigt werden muss. Auch die Aufsichtsbehörde ist Teil der Verwaltung; auch ihre Entscheidungen sind nicht einer gerichtlichen Prüfung enthoben.
b) Zutreffend ist allerdings, dass § 315 BGB hier auch nicht entsprechende Anwendung findet. Wie das Sozialgericht überzeugend ausgeführt hat, besteht zwischen den Beteiligten kein Vertrag. Das SGB V verweist zudem hier in keiner Weise auf das BGB. Vielmehr gibt es selbst bereits alle Tatbestandsvoraussetzungen vor, bei deren Vorliegen die Einführung bzw. die Erhöhung eines Zusatzbeitrages rechtmäßig ist.
c) Diese Tatbestandsvoraussetzungen müssen für die Erhebung eines Zusatzbeitrages vorliegen. Hierzu bestimmt § 242 Abs. 1 Satz 1 SGB V, dass die Krankenkasse in ihrer Satzung zu bestimmen hat, dass von ihren Mitgliedern ein Zusatzbeitrag erhoben wird, soweit ihr Finanzbedarf nicht durch die Zuweisungen aus dem Fonds gedeckt ist. Weiter ordnet § 242 Abs. 3 Satz 1 SGB V an, dass die Krankenkassen den Zusatzbeitrag so zu bemessen haben, dass er zusammen mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds und den sonstigen Einnahmen die im Haushaltsjahr voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und die vorgeschriebene Auffüllung der Rücklage deckt.
Voraussetzung für die Erhebung eines Zusatzbeitrages ist dem entsprechend ein Finanzbedarf, d.h. ein Defizit. Unerheblich ist, worauf dieses beruht. Der Versicherte kann schon nach dem Wortlaut der Norm nicht einwenden, die Krankenkasse könne in bestimmten Bereichen wirtschaftlicher arbeiten (so auch SG Freiburg, 21.09.2010, S 14 KR 3396/10, Juris). Grundsätzlich kann ein Versicherter nicht bestimmte Ausgaben einer Krankenkasse gerichtlich kontrollieren lassen (vgl. BVerfG, 18.04.1984, 1 BvL 43/81, BVerfGE 67, 26 ff). Damit ist dem Antragsteller auch der Einwand verwehrt, man könne beispielsweise die Telefon-Hotline des Antragsgegners einstellen.
Allerdings erschöpft sich der Vortrag des Antragstellers nicht darin, eine mögliche sparsamere Wirtschaftsweise aufzuzeigen. Vielmehr legt er dar, dass nach seiner Ansicht kein Zusatzbeitrag in dieser Höhe erforderlich sei. Hierbei übersieht er jedoch, dass er die Zahlen des Jahres 2009 unterschiedslos für das Jahr 2010 fortschreibt. Zwar ist es denkbar, dass sich die Ein- und Ausgaben einer Krankenkasse innerhalb eines Jahres nicht relevant ändern. Dies ist jedoch nicht wahrscheinlich. Der Antragsteller verkennt bereits, dass allein die Erhebung des Zusatzbeitrages bereits erhebliche Kosten mit sich bringt, wie auch in den Medien nachvollziehbar berichtet wird. Weiterhin war prognostisch mit der "Flucht" von Mitgliedern aufgrund der Erhebung des Zusatzbeitrages zu rechnen.
Diese Kosten und alle anderen Ausgaben sowie die Einnahmen hat die Antragstellerin vorab zu schätzen: Gemäß § 69 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist über die Einnahmen und Ausgaben des Folgejahres von der Krankenkasse eine Prognose zu treffen. Dies geschieht für jedes Geschäftsjahr in einem Haushaltsplan. Dieser dient der Feststellung der Mittel, die die Krankenkassen zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der jeweiligen Planungsperiode voraussichtlich benötigt. Er ist Grundlage für die Haushalts- und Wirtschaftsführung und stellt sicher, dass die vorgeschriebenen Ausgaben rechtzeitig geleistet werden können (§ 68 SGB IV). Nach § 70 Abs. 5 SGB IV ist der Haushaltsplan der Aufsichtsbehörde vorzulegen, wenn dieses verlangt wird. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Haushaltsplan nicht zwangsläufig jedem Versicherten vorzulegen ist. Zwar können die Versicherten die zuletzt erstellten Jahresberichte einsehen. Dies ergibt jedoch naturgemäß nur Informationen über das abgelaufene Geschäftsjahr.
Bei der Überprüfung dieser Prognose der Antragsgegnerin in dem Haushaltsplan für das Jahr 2010 hat der Senat zu berücksichtigen, dass nach dem Konzept des GKV-WSG die Krankenkassen im Wettbewerb zueinander stehen; maßgeblich hierfür ist die Erhebung solcher Zusatzbeiträge (vgl. BT-Drs. 16/3100, 165). Daher kann man davon ausgehen, dass die Krankenkassen nur im Notfall zu dem Mittel eines Zusatzbeitrages greifen werden, da sie dies im Wettbewerb entscheidend schwächt. Die tatsächliche Entwicklung belegt, dass der Gesetzgeber mit dieser Einschätzung nicht falsch lag. Wie sich aus dem vorgelegten Bericht für das Geschäftsjahr 2010 ergibt, hat die Antragsgegnerin rund zehn Prozent ihrer Mitglieder verloren, was zum großen Teil auf die Erhebung von Zusatzbeiträgen zurückzuführen ist. Insoweit besteht nur in besonders gelagerten Fällen eine Notwendigkeit, die Einführung eines Zusatzbeitrages zu überprüfen.
Schließlich - und dies ist für die Prognose finanziell bedeutsamer und allein maßgeblich - erlebt die Gesetzliche Krankenversicherung regelmäßig schwer absehbare Kostensteigerungen. Auf der Einnahmenseite ist die wirtschaftliche Entwicklung maßgebend. Auch diese ist naturgemäß nur schwer vorhersehbar. Diese Schwierigkeiten müssen bei jeder Prognose in Kauf genommen werden. Den systembedingten Ungewissheiten über zukünftige Einnahmen und Ausgaben ist Rechnung zu tragen, indem der Antragsgegnerin ein gerichtlich nicht mehr zu überprüfender Beurteilungsspielraum ("Einschätzungsprärogative") zugestanden wird (vgl. zur Prognoseentscheidung in einem anderen Kontext BSG, 02.10.1997, 14 REg 10/96, Juris Rn. 14). Diese Grenzen hat die Antragsgegnerin eingehalten.
Die Richtigkeit der getroffenen Prognose lässt sich zwar nicht mit der tatsächlichen Entwicklung automatisch bestätigen oder widerlegen. Zumindest gibt aber der vorgelegte Geschäftsbericht für das Jahr 2010 nicht den geringsten Hinweis, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Prognose (im Jahre 2009) willkürlich oder auch nur fehlerhaft gehandelt hätte. Vielmehr zeigt sich ein erheblicher Zuwachs bei den Leistungsausgaben in Höhe von 4,6 %, d.h. pro Mitglied von 134 EUR/Jahr, während der Zusatzbeitrag nur 96 EUR/Jahr ausmacht. Diese Ausgaben sind gesetzlich ganz weitgehend vorgegeben und von der Antragsgegnerin kaum zu steuern. Nennenswerte Überschüsse hat die Antragsgegnerin im Jahre 2010 nicht erwirtschaftet. Ohne dass es darauf ankommt weist der Senat darauf hin, dass die "sonstigen Aufwendungen einschließlich Verwaltungsausgaben" im Vergleich der Jahre 2009 zu 2010 um fast 20 % gesunken sind.
2)
Der Zusatzbeitrag ist auch seit dem 15. April 2010 fällig; die Erhebung des Zusatzbeitrages hat sich nicht gemäß § 175 Abs. 4 Satz 6 SGB V aufgrund einer Verletzung von Hinweispflichten verschoben. Denn bei der Erhebung des Zusatzbeitrages hat die Antragsgegnerin ordnungsgemäß nach § 175 Abs. 4 Sätze 6 und 7 SGB V belehrt.
a) Eine solche Belehrung über das Sonderkündigungsrecht ist bei der erstmaligen Erhebung eines Zusatzbeitrages bei allen Versicherten erforderlich (a.A. Rehm, jurisPR-SozR 17/2011 Anm. 2), auch wenn sie in der gleichen Frist "ordentlich" gemäß § 175 Abs. 4 Satz 2 SGB V kündigen könnten. Zwar verweist § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V bezüglich des Sonderkündigungsrechts ausdrücklich auf ein Kündigungsrecht "abweichend von Satz 1" dieses Absatzes. Dennoch steht schon nach dem Wortlaut des Satz 5 a.a.O. das Sonderkündigungsrecht allen Versicherten zu. Dies belegt § 242 Abs. 1 Satz 4 SGB V, der die Erhebung eines Zusatzbeitrages ausschließt, wenn das "Sonderkündigungsrecht" nach § 175 Abs. 4 Satz 5 wegen der erstmaligen Erhebung des Zusatzbeitrags fristgemäß ausgeübt wurde. Eine Beschränkung der Wirkung dieser Vorschrift auf die Versicherten, die gemäß § 175 Abs. 4 Satz 1 SGB V an die Wahl der Krankenkasse gebunden sind, während die anderen den Zusatzbeitrag bis zum Wechsel zu entrichten haben, ist fernliegend.
b) Die Antragsgegnerin hat in dem Schreiben vom 1. März 2010 in gerade noch ausreichender Weise auf die Möglichkeit des Sonderkündigungsrechts hingewiesen. Der Senat geht davon aus, dass dieser Text auch Versicherten, die keine besondere Schulbildung haben, verständlich ist. Im Unterschied zu anderen Fallgestaltungen (vgl. SG Berlin, 10.08.2011, S 73 KR 2306/10; SG Berlin, 22.06.2011, S 73 KR 1635/10; jeweils zit. nach Juris) hat hier die Antragsgegnerin bereits in dem Anschreiben selbst auf das Sonderkündigungsrecht hingewiesen. Der Text auf der Rückseite ist in normal großer Schrift geschrieben; er enthält keine irreführenden Überschriften. Er selbst ist zwar insbesondere durch die Vielzahl von Nebensätzen und in überflüssigen und langatmigen Hinweisen auf die Fundstelle im Gesetz schwer verständlich. Es ist aber nicht rechtswidrig, dass die Antragsgegnerin insoweit weitgehend den Gesetzestext wiedergegeben hat (vgl. dazu Rehm, jurisPR-SozR 17/2011 Anm. 2). Angesichts des Umstandes, dass ein Abweichen von dem Wortlaut des Gesetzes schnell zu unterschiedlichen Interpretationen verleiten kann und damit die Gefahr einer unrichtigen Belehrung naheliegt, ist nicht zu kritisieren, dass die Antragsgegnerin sich insoweit am Wortlaut orientiert hat. Die komplizierte Gesetzeslage erlaubt kaum eine leichter verständliche Variante, die vollständig und dennoch nicht überlang ist.
Letztlich erschließt sich bereits durch den bloßen Hinweis auf ein Sonderkündigungsrecht vieles: Dem Versicherten ist so deutlich, dass er das Mitgliedschaftsverhältnis zu der Krankenkasse beenden kann, wenn er mit dem Zusatzbeitrag nicht einverstanden ist. Vor diesem Hintergrund sind die Einzelheiten bereits deutlich besser verständlich.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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