Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 175 AS 26912/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 AS 2106/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. November 2011 teilweise aufgehoben. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Kosten der Unterkunft und Heizung ab dem 12. Oktober 2011 - für diesen Monat zeitanteilig - bis zum 31. März 2012 in Höhe von monatlich 371,20 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist teilweise begründet. Der Antragsteller begehrt bei verständiger Würdigung seines Vorbringens im Wege der einstweiligen Anordnung ab Eingang seines Antrages beim Sozialgericht am 12. Oktober 2011 bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts der mit dem Bescheid vom 07. September 2011 bis zum 31. März 2012 wegen Einkommensbezug aus selbständiger Tätigkeit vorläufig bewilligten Grundsicherungsleistungen. die vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 364,- Euro statt der tatsächlich gezahlten 284,- Euro monatlich sowie die Auszahlung der mit dem Bescheid vom 07. September 2011 bewilligten Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung in Höhe von 371,20 Euro.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig und begründet, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Das ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 25. Oktober 1988 – 2 BvR 745/88 – in BVerfGE 79,69 ff.). Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit, und einen Anordnungsanspruch, das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sich das Begehren stützt, glaubhaft gemacht hat (§ 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung).
Vorliegend hat der Antragsteller bezogen auf die streitgegenständlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach einer am Prüfungsmaßstab des Hauptsacheverfahrens orientierten Prüfung der Sach- und Rechtslage steht ihm kein Anspruch auf Zahlung des vollen Regelbedarfs von 364,- Euro monatlich gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu. Denn der Antragsteller hat in seiner Übersicht zum voraussichtlichen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit vom 11. August 2011, bezogen auf den Bewilligungsabschnitt von Oktober 2011 bis März 2012, selbst angegeben, monatliche Einnahmen von 200,- Euro zu erwarten, von denen der Antragsgegner einen Freibetrag von 120,- Euro abgezogen hat, so dass nur 80,- Euro auf die Grundsicherungsleistungen angerechnet worden sind. Der Antragsteller hat weder glaubhaft gemacht, in dieser Höhe kein Einkommen bezogen zu haben, noch durch die Verminderung des Regelsatzes um 80,- Euro unzumutbare, nicht wiedergutzumachende Schäden zu erleiden. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren muss der Antragsteller zudem damit rechnen, dass die im Wege der einstweiligen Anordnung beantragte Leistung ohnehin zur Vermeidung einer Vorwegnahme der Hauptsache nicht in voller Höhe zugesprochen wird. Ein Abschlag von etwa 20% ist dabei gerechtfertigt. In diesem Umfang wäre hier der Regelsatz von 364,- Euro vermindert worden.
Die weiteren streitgegenständlichen KdU und Heizung sind dem Kläger mit dem insoweit bindendem Bescheid vom 07. September 2011 vorläufig in Höhe von 371,20 Euro bewilligt worden. Erbringt ein Leistungsträger bindend festgestellte Leistungen nicht, so darf und muss der Betroffene seine Ansprüche im Wege der allgemeinen Leistungsklage oder, in Eilfällen wie bei Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzen (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07. Januar 2008 – L 26 B 2288/07 AS ER/ L 26 AS 2293/07 ER, zitiert nach juris). Diese Klage dürfte in der Hauptsache Aussicht auf Erfolg haben, denn der Antragsgegner, der sich im Hinblick auf die Ungereimtheiten über den Wohnsitz des Antragstellers auf die Möglichkeit der teilweisen vorläufigen Zahlungseinstellung nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 331 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) beruft, hat nicht beachtet, dass nach § 331 Abs. 2 SGB III eine vorläufig eingestellte laufende Leistung unverzüglich nachzuzahlen ist, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Zahlungseinstellung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden ist. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Der Antragsgegner hat die vorläufige Einstellung der Zahlung von KdU und Heizung am 08. September 2011 verfügt. Die Frist von zwei Monaten ist damit bereits am 08. November 2011 abgelaufen. Ein Aufhebungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit ist bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erlassen worden. Gleiches gilt für eine die vorläufige Bewilligung ersetzende Entscheidung über eine endgültig zuerkannte bzw. (teilweise) abgelehnte Leistung für den streitbefangenen Bewilligungszeitraum. Soweit der Antragsteller zuletzt über die KdU und Heizung von 371,20 Euro hinaus die Übernahme der Kosten einer Mieterhöhung (Schreiben des Vermieters vom 30. August 2011) verlangt, war diesem Begehren nicht statt zu geben, denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass das an seine Eltern gerichtete Mieterhöhungsverlangen von ihm selbst erfüllt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist teilweise begründet. Der Antragsteller begehrt bei verständiger Würdigung seines Vorbringens im Wege der einstweiligen Anordnung ab Eingang seines Antrages beim Sozialgericht am 12. Oktober 2011 bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts der mit dem Bescheid vom 07. September 2011 bis zum 31. März 2012 wegen Einkommensbezug aus selbständiger Tätigkeit vorläufig bewilligten Grundsicherungsleistungen. die vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 364,- Euro statt der tatsächlich gezahlten 284,- Euro monatlich sowie die Auszahlung der mit dem Bescheid vom 07. September 2011 bewilligten Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung in Höhe von 371,20 Euro.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig und begründet, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Das ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 25. Oktober 1988 – 2 BvR 745/88 – in BVerfGE 79,69 ff.). Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit, und einen Anordnungsanspruch, das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sich das Begehren stützt, glaubhaft gemacht hat (§ 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung).
Vorliegend hat der Antragsteller bezogen auf die streitgegenständlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach einer am Prüfungsmaßstab des Hauptsacheverfahrens orientierten Prüfung der Sach- und Rechtslage steht ihm kein Anspruch auf Zahlung des vollen Regelbedarfs von 364,- Euro monatlich gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu. Denn der Antragsteller hat in seiner Übersicht zum voraussichtlichen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit vom 11. August 2011, bezogen auf den Bewilligungsabschnitt von Oktober 2011 bis März 2012, selbst angegeben, monatliche Einnahmen von 200,- Euro zu erwarten, von denen der Antragsgegner einen Freibetrag von 120,- Euro abgezogen hat, so dass nur 80,- Euro auf die Grundsicherungsleistungen angerechnet worden sind. Der Antragsteller hat weder glaubhaft gemacht, in dieser Höhe kein Einkommen bezogen zu haben, noch durch die Verminderung des Regelsatzes um 80,- Euro unzumutbare, nicht wiedergutzumachende Schäden zu erleiden. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren muss der Antragsteller zudem damit rechnen, dass die im Wege der einstweiligen Anordnung beantragte Leistung ohnehin zur Vermeidung einer Vorwegnahme der Hauptsache nicht in voller Höhe zugesprochen wird. Ein Abschlag von etwa 20% ist dabei gerechtfertigt. In diesem Umfang wäre hier der Regelsatz von 364,- Euro vermindert worden.
Die weiteren streitgegenständlichen KdU und Heizung sind dem Kläger mit dem insoweit bindendem Bescheid vom 07. September 2011 vorläufig in Höhe von 371,20 Euro bewilligt worden. Erbringt ein Leistungsträger bindend festgestellte Leistungen nicht, so darf und muss der Betroffene seine Ansprüche im Wege der allgemeinen Leistungsklage oder, in Eilfällen wie bei Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzen (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07. Januar 2008 – L 26 B 2288/07 AS ER/ L 26 AS 2293/07 ER, zitiert nach juris). Diese Klage dürfte in der Hauptsache Aussicht auf Erfolg haben, denn der Antragsgegner, der sich im Hinblick auf die Ungereimtheiten über den Wohnsitz des Antragstellers auf die Möglichkeit der teilweisen vorläufigen Zahlungseinstellung nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 331 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) beruft, hat nicht beachtet, dass nach § 331 Abs. 2 SGB III eine vorläufig eingestellte laufende Leistung unverzüglich nachzuzahlen ist, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Zahlungseinstellung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden ist. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Der Antragsgegner hat die vorläufige Einstellung der Zahlung von KdU und Heizung am 08. September 2011 verfügt. Die Frist von zwei Monaten ist damit bereits am 08. November 2011 abgelaufen. Ein Aufhebungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit ist bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erlassen worden. Gleiches gilt für eine die vorläufige Bewilligung ersetzende Entscheidung über eine endgültig zuerkannte bzw. (teilweise) abgelehnte Leistung für den streitbefangenen Bewilligungszeitraum. Soweit der Antragsteller zuletzt über die KdU und Heizung von 371,20 Euro hinaus die Übernahme der Kosten einer Mieterhöhung (Schreiben des Vermieters vom 30. August 2011) verlangt, war diesem Begehren nicht statt zu geben, denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass das an seine Eltern gerichtete Mieterhöhungsverlangen von ihm selbst erfüllt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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