L 16 R 169/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 27 R 827/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 169/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Beklagte für die Klägerin eine neue Versicherungsnummer mit dem geänderten Geburtsdatum "1958" zu vergeben hat.

Der in Mazedonien geborenen und im Jahr 1969 aus der Türkei nach Deutschland übergesiedelten und zwischenzeitlich eingebürgerten Klägerin war bei ihrem Eintritt in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung auf der Grundlage ihrer Angaben und der von ihr vorgelegten Unterlagen eine Versicherungsnummer mit dem Geburtsdatum 1958 erteilt worden. Auch in dem (Erst-)Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom November 1998 hatte die Klägerin dieses Geburtsdatum angegeben.

Im August 2009 legte die Klägerin ein Personenstandsurteil des Amtsgerichts Marmaris der Republik Türkei vom 8. Februar 2005 (Grundnummer 2004/198; Urteilsverkündungsnummer 2005/127) vor, ausweislich dessen das Geburtsdatum der Klägerin auf den 1958 berichtigt worden war. Grundlage hierfür war ua ein Auszug aus dem Geburtsregister der mazedonischen Gemeinde O vom 2. Dezember 2003, in dem es heißt, dass die am "1958" geborene A A mit Bescheid Nr. 5353 vom 27. Dezember 1965 aus der Staatsangehörigkeit der Republik Mazedonien entlassen werde. Das Türkische Generalkonsulat in Berlin bestätigte unter dem 5. November 2009 das geänderte Geburtsdatum.

Mit Bescheid vom 2. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2010 lehnte die Beklagte eine Änderung der Versicherungsnummer unter Berücksichtigung des Geburtsdatums 1958 mit der Begründung ab, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abweichung von dem nach § 33a Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) maßgebenden Geburtsdatum nicht erfüllt seien.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer neuen Versicherungsnummer mit dem geänderten Geburtsdatum gerichtete Klage mit Urteil vom 16. Dezember 2010 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Eine Rechtsgrundlage für die begehrte Änderung der Versicherungsnummer sei nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 SGB I seien nicht erfüllt, weil weder ein Schreibfehler vorliege noch eine Urkunde ersichtlich sei, aus deren vor der ersten Angabe bei der Beklagten ausgestelltem Original sich das geänderte Geburtsdatum ergebe.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter; auf ihre Berufungsbegründung vom 11. April 2011 wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2010 zu verurteilen, ihr eine neue Versicherungsnummer unter Zugrundelegung des Geburtsdatums 1958 zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre statthafte kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage iSv § 54 Abs. 1 SGG (vgl hierzu BSG, Urteil vom 5. April 2001 – B 13 RJ 35/00 R = SozR 3-1200 § 33a Nr 4 mwN) auf Erteilung einer neuen Versicherungsnummer mit dem Geburtsdatum 1958 weiter verfolgt, ist nicht begründet. Die Beklagte ist zur Erteilung der begehrten Versicherungsnummer nicht verpflichtet.

Rechtsgrundlage für die Erteilung einer neuen Versicherungsnummer sind die §§ 147, 152 Nr. 3 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI).

Nach § 147 Abs. 1 SGB VI kann der Träger der Rentenversicherung für Personen eine Versicherungsnummer vergeben, wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmt ist (Satz 1). Für die nach diesem Buche versicherten Personen hat er eine Versicherungsnummer zu vergeben (Satz 2). Nach § 147 Abs. 2 SGB VI setzt sich die Versicherungsnummer einer Person aus der Bereichsnummer des die Versicherungsnummer vergebenden Trägers der Rentenversicherung, dem Geburtsdatum, dem Anfangsbuchstaben des Geburtsnamens, der Seriennummer, die auch eine Aussage über das Geschlecht einer Person enthalten darf, und der Prüfziffer zusammen. § 152 Nr. 3 SGB VI ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zusammensetzung der Versicherungsnummer sowie über ihre Änderung zu bestimmen. Auf dieser Ermächtigungsgrundlage beruht die Versicherungsnummern-, Kontoführungs- und Versicherungsverlaufsverordnung (VKVV) vom 30. März 2001, welche in § 1 die Vergabe und in § 2 den Aufbau der Versicherungsnummer näher regelt. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 VKVV enthalten die Stellen drei bis acht der Versicherungsnummer das Geburtsdatum (vgl auch § 147 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI, § 2 Abs. 1 b VKVV) Für die zwischen den Beteiligten streitige Vergabe einer neuen Versicherungsnummer wegen Unrichtigkeit des in der bisherigen Versicherungsnummer eingetragenen Geburtsdatums ist § 3 Abs. 1 VKVV einschlägig. Danach wird eine Versicherungsnummer nur einmal vergeben und nicht berichtigt (Satz 1). Ist das Geburtsdatum oder die Seriennummer in der Versicherungsnummer unrichtig oder die Versicherungsnummer aufgrund einer nach § 33a SGB I zu berücksichtigenden Änderung des Geburtsdatums fehlerhaft geworden, wird die Versicherungsnummer gesperrt (Satz 2). Der Versicherte erhält in diesen Fällen eine neue Versicherungsnummer (Satz 3).

Ob eine Versicherungsnummer iSv § 3 Abs. 1 Satz 2 VKVV unrichtig ist, bestimmt sich nach § 33a SGB I, der mit Art. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (1. SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2970, 2981) eingefügt wurde. Diese am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Vorschrift (vgl Art. 32 Abs. 1 1. SGB III-ÄndG) ist der Entscheidung des Gerichts zugrunde zu legen. Denn bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist das zum Zeitpunkt der letztinstanzlichen Entscheidung geltende Recht maßgebend (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 54 Rn 34 mwN; BSG aaO mwN). Nach § 33a Abs. 1 SGB I ist, soweit Rechte oder Pflichten davon abhängig sind, daß eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt. Von einem nach Abs. 1 maßgebenden Geburtsdatum darf gemäß § 33a Abs. 2 nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, daß (1.) ein Schreibfehler vorliegt oder (2.) sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs 1. ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Die Abs. 1 und 2 gelten gemäß Abs. 3 auch für Geburtsdaten, die Bestandteil der Versicherungsnummer oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches (SGB) verwendeten Kennzeichens sind, entsprechend. Grundsätzliche Bedenken verfassungsrechtlicher oder europarechtlicher Art gegen diese Vorschrift bestehen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, nicht (vgl BSG SozR 3-1200 § 33a Nr 1, 2; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2000 - B 8 KN 3/00 R – juris – mwN; BSG, Urteil vom 5. April 2001 – B 13 RJ 35/00 R -). Bei Eintritt in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung am 1. April 1974 (vgl Versicherungsverlauf vom 12. September 2001) hatte die Klägerin bzw – so das Vorbringen in der Widerspruchsbegründung - deren Eltern als Geburtsdatum 1958 angegeben, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Eine entsprechende Versicherungsnummer hat die Beklagte vergeben. Die Voraussetzungen eines Berichtigungsanspruchs nach § 33a Abs. 2 SGB I sind nicht erfüllt. Auf § 33a Abs. 2 Nr. 1 SGB I lässt sich dieser Anspruch schon deshalb nicht stützen, weil nicht ersichtlich ist, daß es im Zusammenhang mit der ersten Angabe des Geburtsdatums durch die Klägerin gegenüber einem deutschen Sozialleistungsträger zu einem Schreibfehler gekommen sein könnte.

Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I sind indes nicht gegeben. Denn die Klägerin hat zwar Urkunden vorgelegt, aus denen sich möglicherweise ein anderes Geburtsdatum als 1958 ergeben könnte. Deren Originale sind jedoch nicht vor dem Zeitpunkt der ersten Geburtsdatumsangabe der Klägerin gegenüber der Beklagten ausgestellt worden, und zwar selbst dann nicht, wenn insoweit zugunsten der Klägerin davon auszugehen wäre, dass als Zeitpunkt der ersten Angabe nicht schon der Eintritt in die deutsche Rentenversicherung am 1. April 1975 zugrunde zu legen ist, sondern erst die erstmalige Beantragung von Erwerbsminderungsrente im November 1998. Die vorgelegten Urkunden wurden nämlich am 8. Februar 2005 bzw 29. Mai 2007 (türkisches Personenstandsurteil nebst Berichtigung), am 2. Dezember 2003 (Bescheinigung der mazedonischen Gemeinde O) und am 5. November 2009 (Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister) ausgestellt. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass keine vor der ersten Angabe des Geburtsdatums ausgestellte Originalurkunde mit einem abweichenden Geburtsdatum existiert. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass selbst bei Berücksichtigung des mazedonischen Geburtsregisterauszuges mit dem Geburtsdatum 1958, der offenbar auch dem türkischen Personenstandsurteil zugrunde lag, eine andere Beurteilung nicht in Betracht käme. Denn § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I besagt, dass von dem nach Abs. 1 der Vorschrift maßgebenden Geburtsdatum abgewichen werden darf, wenn sich aus einer Originalurkunde ein anderes Geburtsdatum "ergibt". Dem ist zu entnehmen, dass das der ersten Angabe entsprechende Geburtsdatum nicht automatisch durch das Geburtsdatum, das die ältere Urkunde enthält, zu ersetzen ist (vgl BSG, Urteil vom 31. Januar 2002 – B 13 RJ 9/01 R – juris – mwN). Vielmehr ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts zu entscheiden, ob sich aus einer älteren Urkunde ein anderes Geburtsdatum ergibt (vgl BSG aaO). Deshalb braucht das Tatsachengericht auch bei der Prüfung, ob sich aus einer älteren Urkunde ein vor der ersten Angabe abweichendes Geburtsdatum ergibt, nicht unbedingt das wahre historische Datum der Geburt zu ermitteln. Das gemäß § 33a Abs. 1 SGB I aufgrund der ersten Angabe maßgebende Geburtsdatum ist lediglich durch ein anderes Geburtsdatum zu ersetzen, das sich aus einer älteren Urkunde ergibt, wenn die ältere Urkunde ihrem Charakter nach (besser als die Regel des § 33a Abs 1 SGB I) geeignet ist, die Richtigkeit des darin angegebenen Geburtsdatums zu belegen (vgl BSG, Urteil vom 5. April 2001 – B 13 RJ 35/00 R -). Dies kann hier aber schon deshalb nicht bejaht werden, weil der mazedonische Auszug aus dem Geburtsregister einen anderen Geburtsnamen als den der Klägerin ausweist (A statt T) und zudem einen anderen Vornamen der Mutter (B statt B). Eine Personenidentität mit der Klägerin lässt sich danach nicht zweifelsfrei feststellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved